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mässige, das Beständige: die Constanz der mittlern Bewegungen und der mittlern Distanzen der Körper vom Centralkörper des Systems. Für die drei ersten Jupiterstrabanten findet er zwei Theoreme, die man gewöhnlich die Gesetze Laplace's zu nennen pflegt: 1) Die mittlere Bewegung des ersten Satelliten, mehr die des dritten, doppelt genommen, ist genau gleich der des zweiten, dreimal genommen. 2) Die mittlere Länge des ersten Satelliten vom Mittelpunkte des Jupiter aus gesehen, weniger dreimal die des zweiten, mehr zweimal die des dritten, ist genau gleich zwei rechten Winkeln, so dass die drei ersten Jupitersatelliten gleichzeitig nie verfinstert werden können.

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Die zweite Partie ist nun hauptsächlich der Vervollkommnung der astronomischen Tafeln gewidmet. Der Verfasser beschäftigt sich eingehend mit dem Problem der Störungen der Planeten und Kometen in ihrer Bahn um die Sonne, des Mondes um die Erde und der Satelliten um ihre Hauptplaneten. Die Bewegungen der Planeten werden durch deren wechselseitige Anziehung wahrnehmbar gestört, es ist daher von Wichtigkeit, die dadurch entstehenden Ungleichheiten zu bestimmen, „sei es, um das Gesetz der allgemeinen Gravitation zu verifiziren, sei ,es, um die astronomischen Tafeln zu vervollkommnen, sei es endlich, ,um zu erkennen, ob nicht äussere Ursachen auf das Planetensystem, , dessen Constitution und dessen Bewegung störend einwirken* *).

Auf die einzelnen Körper dieses Systemes werden nun die Methoden und die Formeln angewendet, welche der Verfasser im ersten Abschnitte seines Werkes entwickelt hat. Dabei müssen jedoch genauere Annäherungen angestrebt werden, als im zweiten Buche des Werkes, wo bloss die erste Potenz der störenden Grössen in Betracht kam, es müssen nunmehr auch die höheren Potenzen berücksichtigt werden. Es ergeben sich hiebei Rechnungen von einer Ausdehnung, welche über die Leistungsfähigkeit eines Einzelnen hinausgehen. Laplace beruft sich auf den französischen Astronomen Bouvard, der sich durch Ausführung derartiger Rechnungen den Dank der Astronomen verdient habe. Im Ganzen ist die „Mécanique céleste" ein Werk, das nach einem grossartigen Plane angelegt und in imposanter Weise zu Ende geführt ist. Ihr Verfasser hat fast alle die Zweifel gelöst, welche Newton, mit seiner unvollständigen Art der Berechnung und den bezüglich der Unveränderlichkeit oder der Variabilität einzelner Grössen in unserm Planetensysteme gehegten Ansichten, zu beheben nicht im Stande war. Newton wurde durch die ungemeine Complication der wechselseitigen Störungen so verwirrt, dass er sich veranlasst sah, vorauszusetzen, dass das Planetensystem die Bedingungen einer unbegrenzten Dauer nicht in sich besitze und dass von Zeit zu Zeit eine mächtige Hand eingreifen müsse, um die Ordnung wieder herzustellen. Laplace hingegen erkannte in

*) Oeuvres III, pag. 1. Heller, Geschichte der Physik. II.

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der Constanz der grossen Axe jeder Bahn die Bedingung der unbegrenzten Fortdauer des ganzen Systems, während die Bahnellipsen und deren Inclination periodischen Veränderungen unterworfen sind.

Das zweite Hauptwerk des Verfassers, dessen ,,Exposition du Système du Monde", besteht aus 5 Büchern in 2 Bänden. I. Band, Livre I: Des mouvemens apparens des corps célestes. Livre II: Des mouvemens réels des corps célestes. Livre III: Des lois du mouvement.

II. Band, Livre IV: De la théorie de la pesanteur universelle. Livre V: Précis de l'histoire de l'Astronomie.

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Die Darstellung des Weltsystems" ist eine gemeinverständliche Schilderung dessen, was die fünf Bände der Mechanik des Himmels" enthalten. Mit Weglassung des mathematischen Rüstzeuges, versucht diese Schrift den Laien mit den Methoden der astronomischen Forschung und den Endresultaten derselben: der Vorstellung über den Mechanismus unseres ganzen Planetensystems bekannt zu machen. Die Sprache, in welcher diese Schrift abgefasst ist, zeichnet sich durch ihre edle Einfachheit aus und hat eben ihrer classischen Form wegen dem Verfasser die Pforten der „Académie Française" geöffnet.

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Wir wollen nun eine eingehendere Angabe des Inhaltes folgen lassen. Im ersten Buche beschäftigt sich der Autor mit den scheinbaren Bewegungen der Himmelskörper: er erörtert die tägliche Bewegung des Himmelsgewölbes, die scheinbare Bewegung der Sonne, des Mondes und der Planeten, die Zeitmessung, die Mondphasen und Finsternisse, die Kometen, die Gestalt der Erde, die Veränderlichkeit des Gewichtes auf ihrer Oberfläche, die Ebbe und Flut des Meeres, die astronomische Strahlenbrechung. Das zweite Buch handelt von den wirklichen Bewegungen der Himmelskörper: der Rotation der Erde um ihre Axe und ihrer Revolution um die Sonne, ferner von den Gesetzen der Bewegung der Planeten, Kometen und Satelliten und der Gestalt ihrer Bahn. Das dritte Buch enthält die Gesetze der Bewegung: von den Kräften, ihrer Zusammensetzung, vom Gleichgewichte, der Bewegung eines materiellen Punktes, dem Gleichgewichte und der Bewegung eines Systemes von Körpern.

Das vierte Buch handelt von der Theorie der allgemeinen Gravitation: den Prinzipien derselben, den Störungen der Planeten, der Kometen und Satelliten, von der Masse der Planeten und der Schwere auf ihrer Oberfläche, von der Gestalt der Erde und der Planeten und vom Gesetze der Aenderung der Schwere auf ihrer Oberfläche, von der Gestalt der Saturnringe, von den Atmosphären der Himmelskörper, der Ebbe und Flut des Meeres, von der Praecession der Nachtgleichen, der Nutation der Erdaxe und der Libration des Mondes, von der Eigenbewegung der Fixsterne, Bemerkungen über das Gesetz der allgemeinen Gravitation, von der Molecularanziehung, d. i. von den Lichterscheinungen nach Newton und von den Capillaritätserscheinungen.

Das fünfte und letzte Buch enthält eine Darstellung der Geschichte der Astronomie in grossen Zügen: von der alten Astronomie bis zur Gründung der Akademie von Alexandrien, die Akademie der Alexandriner bis auf die Araber, die Astronomie im modernen Europa und die Entdeckung der allgemeinen Gravitation. Im sechsten und letzten Capitel dieses Buches befinden sich Betrachtungen über das Weltsystem und die voraussichtlichen Fortschritte der Astronomie in der Zukunft. In diesem Abschnitte des Buches legt der Verfasser seine berühmte Weltentstehungstheorie dar, die mit der Kant's, wie er sie in seiner: „Allg. Naturgeschichte und Theorie des Himmels" *) darlegt, im Wesen übereinstimmt, wenn sich auch einige Verschiedenheiten in den von einander ganz und gar unabhängig entstandenen Theorien nachweisen lassen. Der bedeutendste Unterschied zwischen den beiden Ansichten ist die Annahme über die Entstehung der Rotationsbewegung des ganzen Systems. Während Kant die Rotationsbewegung als aus innerer Nothwendigkeit entstanden voraussetzt, nimmt Laplace eine solche Rotation von vornherein an. Die hie und da als „Laplace'sche" Weltentstehungstheorie genannte Hypothese über die Bildung des Planetensystemes muss somit die Kant Laplace'sche Theorie genannt werden.

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Das dritte Hauptwerk Laplace's ist die Théorie analytique des Probabilités". Dieselbe besteht aus einer Einleitung, in welcher die Geschichte dieses Calculs dargelegt wird, ferner aus zwei Büchern und vier Supplementen. Livre I: Du Calcul des Fonctions génératrices. Livre II: Théorie générale des Probabilités. 1er Supplément: Sur l'Application du calcul des Probabilités à la philosophie naturelle. -2 Supplément: Sur l'Application du calcul des Probabilités aux opérations géodésiques, et sur la Probabilité des résultats déduits d'un grand nombre d'observations. 3e Supplément: Application des formules géodésiques de Probabilité à la Méridienne de France. 4me Supplé ment: Sur les Fonctions génératrices.

Laplace hat ausser seinen astronomischen Untersuchungen sich mit Erfolg mit einzelnen physikalischen Fragen beschäftigt. Mit Lavoisier arbeitete er über die Bestimmung der Wärmeausdehnung fester Körper, wobei die Aenderung der Länge aus der Richtungsänderung eines auf eine ferne Skala gerichteten Fernrohres bestimmt wird. Bei Gelegenheit dieser Untersuchungen wurde auch das Eiscalorimeter erfunden, das in der letzten Zeit durch Robert Bunsen, Professor in Heidelberg, in namhafter Weise vervollkommnet worden ist. Eine zweite wichtige physikalische Untersuchung ist die der Geschwindigkeit des Schalles. Bekanntlich hat Newton eine Formel für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalles gegeben, welche mit der Erfahrung nicht

*) Kant's Werke, herausgegeben von Hartenstein, Bd. I, pag. 207. Vergl. pag. 433 dieses Werkes.

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übereinstimmte *), da sie ein viel zu kleines Resultat ergab. Laplace weist nun nach, dass das Newton'sche Resultat mit einem Factor zu multipliziren sei, welcher das Verhältniss der spezifischen Wärme der Luft bei constantem Drucke zu ihrer spezifischen Wärme bei constantem Volumen ausdrückt. Da der Werth dieses Verhältnisses für atmosphärische Luft 1,41 beträgt und diese Zahl in der Formel für die Schallgeschwindigkeit unter dem gemeinschaftlichen Quadratwurzelzeichen vorkommt, so beträgt die Vermehrung des Newton'schen Werthes der Schallgeschwindigkeit, da V1,41 fast 1,2 zu setzen ist, ca. 20 Prozent des ganzen Werthes, wodurch derselbe der Wahrheit sehr nahe kommt. Die Vermehrung der Schallgeschwindigkeit erklärt sich nach Laplace daraus, dass bei der Verdichtung der Luft durch die Schallwellen. Wärme frei wird, welche die Elasticität der Luft momentan erhöht und somit die Schallgeschwindigkeit vergrössert **).

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Wir übergehen hier die Arbeiten Laplace's über die astronomische Refraction, über die barometrischen Messungen u. s. f. und erwähnen bloss seine Theorie der Capillaritätserscheinungen, welche seither als Grundlage fast jeder Capillaritätstheorie betrachtet wurde. Wir werden auf die Entwicklung der Capillaritätslehre an einer späteren Stelle zurückkommen, wo wir auch eine Würdigung der Laplace'schen Theorie geben werden.

Wir haben noch eine Bemerkung über die Ansichten betreffs des Wesens der Wärme zu machen, welche Laplace in seiner mit Lavoi sier gemeinschaftlich gearbeiteten Abhandlung: Mémoire sur la chaleur" (Mém. de l'Acad. des Sciences 1780), ausspricht. Es werden dort beide Hypothesen: die der Körperlichkeit der Wärme und diejenige angeführt, welche die Wärme als eine unmerkliche Schwingung der Molecule des Körpers ansieht. „In dem System, welches wir untersuchen, ist die Wärme die lebendige Kraft, die sich aus den unmerklichen Schwingungen der Molecule des Körpers ergibt, es ist die Summe der „Produkte aus der Masse jedes Moleculs in das Quadrat seiner Ge„schwindigkeit.“ Ferner: „Wir unterscheiden durchaus nicht zwischen , beiden vorstehenden Hypothesen; viele Erscheinungen scheinen der

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*) Siehe oben pag. 289.

**) Die Newton'sche Formel geht von dem Boyle-Mariotte'schen Gesetze aus, dem zufolge das Produkt der Expansion des Gases in dessen Volumen für constante Temperaturen constant ist. Dieses Gesetz gilt jedoch in unserem Falle nicht, da in Folge der stattfindenden Compression und Dilatation die Temperatur geändert wird. Es ist vielmehr zu setzen:

n

P1 = (~2)",

P2

wo p die Expansion, v das Volumen des Gases darstellt, n =

hältniss der spezifischen Wärmen des Gases ausdrückt.

1,41, das Ver

, letzteren günstig zu sein (die wir soeben erwähnt haben), so z. B. die Wärme, welche die Reibung zweier fester Körper hervorbringt, aber ,es gibt andere, auf die sich einfacher die andere anwenden lässt, vielleicht finden beide gleichzeitig statt" *). Die beiden französischen Forscher standen somit den Anschauungen der mechanischen Wärmetheorie nahe; da sie jedoch in der Folge von diesen Anschauungen nirgends Gebrauch machen, ja später sogar den nicht allgemein gültigen Satz aussprechen, dass alle Veränderungen der Wärme, welche ein System von Körpern bei irgend einer Zustandsänderung erleidet, sich in umgekehrter Reihenfolge wiederholen, sobald der Körper in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehrt, welcher Satz doch nur dann richtig ist, wenn keine äussere Arbeit geleistet wurde, so können die beiden Gelehrten zu den Begründern der mechanischen Wärmetheorie nicht gezählt werden. Was speziell Laplace betrifft, so hat er sich später entschieden für die Körperlichkeit der Wärme ausgesprochen.

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Wir schliessen unsere Schilderung der wissenschaftlichen Thätigkeit Laplace's mit den Worten, womit ihn Fourier charakterisirt hat: Man kann von ihm nicht sagen, dass es ihm beschieden gewesen sei, eine neue Wissenschaft zu begründen, wie Archimedes und Galilei, ,oder solche mathematische Doctrinen, wie Descartes, Newton und ,Leibniz, oder wie Newton die terrestrische Dynamik Galilei's zuerst ,auf die Erscheinungen des Himmels anzuwenden: aber Laplace wurde geboren, um alles dieses zu vervollkommnen, zu vertiefen, die Grenzen ,hinauszuschieben und aufzulösen, was bisher unlösbar schien. Er hat „die Wissenschaft des Himmels so vervollkommnet, wie es nur möglich ,war, sie zu vervollkommnen."

Benjamin Franklin.

Neben den grossen Geometern", wie sie von den französischen Schriftstellern genannt werden, d. h. jenen mathematisch beanlagten Gelehrten, welche im vorigen Jahrhunderte die Einfügung der bis dahin bekannten und im Laufe unseres Zeitraumes entdeckten mechanischen Wahrheiten in ein wissenschaftliches System bewerkstelligten, sehen wir eine grosse Anzahl von Forschern in einer, von der Art jener Männer ganz verschiedenen, Weise an der Förderung der physikalischen Wissenschaft thätig. Vor allem sind es diejenigen Gelehrten, welche sich mit elektrischen Untersuchungen beschäftigen, die unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. In diesem Zeitraume gewinnt die Lehre von jenen räthselhaften Erscheinungen, die wir unter dem Namen der elektrischen

*) In der angeführten Abhandlung pag. 357-358.

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