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Physique", in den „Annali della società italiana della Scienza" und an anderen Orten. Ferner ist das von 1837-41 erschienene grosse Werk des Verfassers: Fisica dei Corpi ponderabili" in 4 starken Bänden, zu erwähnen. Avogadro bekleidete ausserdem noch einige Aemter, er war: Uditore in der „Corte dei Conti", Mitglied des permanenten statistischen Comités, des Unterrichtsrathes u. s. w. Näheres findet sich in den Denkschriften der Turiner Akademie (II. Ser. Vol. 17, pag. 475-491).

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Die Abhandlung Avogadro's, welche uns hier vor Allem interessirt, ist im Journal de Physique" (Tom. LXXIII, 1811, pag. 58) erschienen. Sie führt den Titel: Versuch eines Verfahrens, die relativen Gewichte der Elementarmolecule der Körper und die Verhältnisse zu bestimmen, nach welchen dieselben in Verbindungen treten." Der Verfasser geht von dem Gay-Lussac'schen Gesetze aus, demzufolge die Gase sich nach einfachen Volumverhältnissen verbinden und das Volumen der Verbindung, wenn dieselbe auch gasförmig ist, zu dem der Bestandtheile ebenfalls in einfachem Verhältnisse steht. Indem er erwägt, dass eine im rationellen Verhältnisse geschehende Verkleinerung des Volumens bei der chemischen Verbindung der Theile ein gewisses Mengenverhältniss der sich verbindenden Theile voraussetzt, kommt er zu zwei wichtigen Sätzen: 1) jeder Körper besteht aus einer Anzahl von chemischen Moleculen, welche die kleinsten für sich bestehenden Atomgruppen sind; 2) alle Gase enthalten bei gleichem Drucke und gleicher Temperatur im selben Volumen eine gleiche Anzahl von solchen Moleculen. Der zweite dieser Sätze erhielt später den Namen: Avogadro'sGesetz, wurde jedoch von dem Entdecker bloss zur Erklärung chemischer Thatsachen benützt. Uebrigens blieb die Abhandlung ohne irgend welchen Eindruck. Seine Unterscheidung der chemischen und physikalischen kleinsten Theile (,molécules intégrantes" und „molécules élémentaires") schien die chemische Theorie eher zu verwirren, als zu klären. Selbst als einige Jahre später, im Jahre 1814, Ampère unabhängig von Avogadro zu einer ähnlichen Theorie geführt wurde und diese in Form eines an Berthollet gerichteten Briefes veröffentlichte, vermochte jener angesehene Gelehrte die Aufmerksamkeit der Chemiker nicht auf diese Betrachtungsweise zu lenken. Erst durch ihre Bedeutung für die moderne Gastheorie wurde Avogadro's Ansicht der unverdienten Vergessenheit entrissen *).

*) Es scheint an der Zeit zu sein, diesem verdienten Gelehrten mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden, als dies bisher der Fall war. Sein Name wird zwar citirt, ohne dass jedoch irgendwo Näheres über seine wissenschaftliche Thätigkeit und seine übrigen Verhältnisse zu finden wäre. Die obigen biographischen Daten verdanke ich einer gütigen Mittheilung des Herrn Prof. Pietro Blaserna, Sekretär der math.-naturwissensch. Classe der „Accademia dei Lincei" zu Rom.

Heller, Geschichte der Physik. II.

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Alexander von Humboldt.

Die Reihe jener Denker und Forscher, welche wir an unserem geistigen Auge vorüberziehen liessen, beschliesst wohl in der würdigsten Weise jener Mann, der auf den verschiedensten Gebieten der forschenden Naturwissenschaft Bedeutendes geleistet hat, der überall dort war, wo grosse, treibende Ideen entstanden, der einem Leibniz gleich eine seltene Vielseitigkeit bethätigte, und der seine Forschungsarbeit am Anfange unseres Zeitraumes beginnend, am Schlusse desselben beschäftigt war, in seinem „Kosmos" eine Darstellung der physischen Weltanschauung auf Grund der wissenschaftlichen Ergebnisse eben dieses Zeitraumes zu geben.

Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander von Humboldt wurde zu Berlin den 14. September 1769 geboren. Sein Vater war der Major Alexander Georg von Humboldt, seine Mutter, die Tochter des Direktors der ostfriesischen Kammer Johann Heinrich von Colomb, war eine verwittwete von Hollwede. Er erhielt eine sorgfältige Erziehung. Der spätere Geh. Ober-Regierungsrath Kunth leitete durch zehn Jahre die Erziehung und den Unterricht Alexanders von Humboldt, sowie den des älteren Bruders Wilhelm. Die beiden Brüder genossen durchwegs Privatunterricht und haben bis zu ihrem Abgange an höhere Schulen keinerlei öffentliche Unterrichtsanstalt besucht. Am 1. Oktober 1787 wurden beide Brüder auf der Universität Frankfurt a. O. immatriculirt. Alexander sollte nach dem Wunsche der Mutter Cameralia studieren, um hierauf in den Staatsdienst treten zu können. Ausser diesen Berufsstudien betrieb er auch Philologie. Die Brüder Humboldt verliessen jedoch schon zu Ostern 1788 Frankfurt, der ältere ging nach Göttingen, der jüngere nach Berlin, von wo er im folgenden Jahre seinem älteren Bruder folgte. Nachdem er dort bis 1790 nebst seinem Berufsstudium philologische, archäologische, besonders aber naturwissenschaftliche Studien getrieben, an der Handelsschule zu Hamburg die Buchführung erlernt und auf einigen, während jener Zeit ausgeführten Reisen überall Verbindungen mit verschiedenen Gelehrten und gleichstrebenden Jüngern der Wissenschaft geschlossen hatte, ging er an die Bergakademie zu Freiberg, wo er sich für das Bergwerks- und Hüttenfachwesen ausbildete. Hier war es besonders der berühmte Mineralog und Geolog Abraham Gottlob Werner, der Verfechter des Neptunismus, der auf Humboldt in hohem Masse anregend wirkte. Um jene Zeit veröffentlichte der angehende Gelehrte schon einige Arbeiten verschiedenen Inhaltes, von welchen besonders seine Mineralog. Beobachtungen über einige Basalte am Rhein (Braunschw. 1790) zu erwähnen sind. Nach seinem Abgange von der Freiberger Akademie, im Jahre 1792, trat nun Humboldt in Staatsdienste als Assessor im Bergdepartement, später als Oberbergmeister

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am Fichtelgebirge. Im Jahre 1797 schied er aus dem Dienste und begann sich für seine amerikanische Reise vorzubereiten. Um jene Zeit erschienen seine Flora Fribergensis" (Berol. 1793), „Die Lebenskraft oder der rhodische Genius" (Schiller's Horen" 1795), ferner Versuche über die gereizte Muskel- und Nervenfaser, oder Galvanismus, nebst Vermuthungen über den chemischen Prozess des Lebens in der Thierund Pflanzenwelt" (2 vol., 8°, Berl. 1797-99). Die letztgenannte Arbeit wurde auf Grund mehrerer tausender, theilweise an seinem eigenen Körper ausgeführter, mitunter sehr schmerzhafter Versuche, verfasst. Als im Jahre 1796 Humboldt's Mutter gestorben war und ihn nichts mehr zurückhielt, seinen alten Plan einer Reise nach den äquatorialen Ländern der Erde in ernstere Erwägung zu ziehen, begab er sich nach Paris, nach jener Stadt, welche den internationalen Focus aller naturwissenschaftlichen Bestrebungen jener Zeit bildete. Hier beschäftigte er sich mit verschiedenen Plänen für Reisen. Einmal wurde ihm von einem Lord Bristol der Antrag gemacht, mit ihm eine Reise nach Aegypten anzutreten, die sich bis Syene erstrecken sollte. Da jedoch die französische Expedition nach Aegypten dazwischen kam, so musste diese Reise unterbleiben. Humboldt wurde nun von dem alten Bougainville aufgefordert, ihn auf einer neuen Reise um die Welt zu begleiten. Besonders war eine Expedition nach dem Südpol in Aussicht genommen. Das Direktorium wollte jedoch den Kapitän Baudin an Stelle des siebenzigjährigen Bougainville senden und lud auch unsern Gelehrten ein, sich der Expedition beizugesellen. Die kriegerischen Aussichten hintertrieben. auch dieses Projekt. Humboldt wollte sich nun dem französischen Heere anschliessen und diesem mit einer von Tripolis nach Kairo gehenden Karawane folgen. Er verband sich zu diesem Zwecke mit dem Schüler Jussieu's und Desfontaines', dem jungen Botaniker Bonpland, der ihn später auf seiner amerikanischen Reise begleitete. Die beiden Gelehrten gingen nach Marseille, wo sie ein schwedisches Schiff zur Ueberfahrt abwarten sollten. Dieses ging jedoch auf seiner Fahrt nach Marseille an der Küste von Portugal mit Mann und Maus unter, dazu kam noch die Nachricht, dass in diesem Jahre keine Karawane von Tripolis nach Aegypten abgehen sollte. So reiste Humboldt denn nach Spanien, wo er mit einem Male die Erfüllung lang gehegter Wünsche fand. Der sächsische Gesandte am Hofe von Madrid, Herr von Forell, erwirkte ihm die Erlaubniss zur Bereisung des spanischen Amerika, das sich zu jener Zeit vom 38. Grade nördlicher, fast bis zum 42. Grade südlicher Breite erstreckte. Die Abreise erfolgte von Coruña am 5. Juni 1799. Die Reise nahm volle fünf Jahre in Anspruch und hatte eine Fülle von naturwissenschaftlichen Beobachtungen und Erfahrungen zum Resultate. Hauptsächlich sind hier zu erwähnen die Erweiterung der geologischen Ansichten durch das Studium der Cordillerenkette, ferner die Begründung der vulkanistischen Theorie; in Cumana beobachtete Humboldt

am 12. November 1799 den grossen Sternschnuppenfall, der sich in 33jähriger Periode noch zweimal wiederholt hat; ferner sind hieher zu zählen: die Entdeckung der elektrischen Lappen im Gehirne des Zitterrochens, die Erforschung der südamerikanischen Ströme, besonders des Stromnetzes des Rio Negro und des Cassiquiare. Im Jahre 1799 hielt sich Humboldt grossentheils in Cumana auf, von wo er verschiedene kleine Ausflüge unternahm; im Jahre 1800 war er in Caracas, unternahm seine Fahrten auf dem Orenoco, Atabapo, Rio Negro und Cassiquiare, hierauf kehrte er nach Cumana zurück, von wo er nach der Habana übersetzte; im Jahre 1801 reiste er von Cuba nach Cartagena, von wo er den Magdalenenstrom bis Honda befuhr, von dort nach Sta.-Fé de Bogota, im Jahre 1802 nach Quito, wo er den Antisana, Pichincha, Chimborazo und Cotopaxi bestieg; von dort nach Lima und hierauf, Anfangs 1803, nach Acapulco; in Mexico blieb er bis im März des Jahres 1803, im selben Jahre bestieg er noch den Jorullo, Toluca, zu Anfang des Jahres 1804 den Cofre de Perote und den Orizaba, am 7. März 1804 fuhr er nach der Havana, von dort nach Philadelphia, am 3. August 1804 landete er in Bordeaux. Nach Europa zurückgekehrt, ging er nun an die Herausgabe seines monumentalen Reisewerkes, das in 11 Abtheilungen erscheinen sollte. Zur selben Zeit beschäftigte er sich mit GayLussac mit eudiometrischen Untersuchungen, worüber er am 1. Pluviôse XIII im Nationalinstitute zu Paris ein: „Mémoire sur les moyens eudiométriques et la constitution chimique de l'atmosphère**) las; mit Biot arbeitete er über die Variation des Magnetismus der Erde in verschiedenen Breiten, worüber er eine Abhandlung am 17. Dezember 1804 der Akademie vorlegte **). Im folgenden Jahre reiste er in Gesellschaft Gay-Lussac's nach Rom und von dort nach Berlin. Hier war er mit erdmagnetischen Untersuchungen beschäftigt und gab seine „Ansichten der Natur" (2 vol., 12°, Tübingen 1808) heraus. Humboldt ging nun wieder nach Paris. Nachdem sich mehrere Reiseprojekte nach Asien zerschlagen hatten, kam endlich eine Reise in das asiatische Russland zu Stande, welche er in Begleitung von Ehrenberg und Rose im Jahre 1829 ausführte.

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Während seines Pariser Aufenthaltes von 1808-1826 erschien sein grosses Reisewerk: Voyage aux régions équinoxiales du Nouv. Continent, fait en 1799-1804 (avec A. Bonpland)" in 17 Folio- und 11 Quartbänden. Die erste Abtheilung: Voyage aux régions équinoxiales du Nouveau Continent" ist von Humboldt selbst verfasst und besteht aus den folgenden Schriften: 1) Relation historique", Beschreibung seiner Fahrten bis zu der Reise nach Peru (April 1801), 2),Vues des Cordillères et monuments des peuples indigènes de l'Amérique", 3) „Atlas

*) Journ. de Phys., LX.

**) Ib. LIX.

géogr. et phys. du Nouv. Continent“, 4) „Examen critique de l'histoire de la géographie du Nouv. Continent et des progrès de l'astronomie nautique aux XVe et XVIe siècles". Die zweite Abtheilung enthält: Recueil d'observations de zoologie et d'anatomie comparée etc."

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Die dritte Abtheilung: „Essai politique sur le royaume de la Nouv. Es pagne etc." Die vierte Abtheilung: Recueil d'observations astronomiques, d'observations trigonométriques etc." - Die fünfte Abtheilung: Physique générale et géologie; essai sur la géographie des plantes etc.“ - Die sechste Abtheilung endlich: Plantes équinoxiales, recueillies au Mexique etc." Monographie des Melastomes etc.",Nova generes et species plantarum etc." Monographie des Mimosées etc."- Revision des graminées etc." ,Synopsis plantarum, quas in itinere ad plagam aequinoctialem orbis novi collegerunt A. de Humboldt et A. Bonpland". Das ganze Werk ist zwischen den Jahren 1805-1834 erschienen und kostete ungebunden 9574 Francs =2553 preuss. Thalern.

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Am 12. Mai 1827 kehrte Humboldt auf den dringenden Wunsch des Königs von Preussen zum ständigen Aufenthalte nach Berlin zurück. Er war damals 58 Jahre alt und es begann für ihn die Periode, wo er sich von der selbstständigen Forschung mehr und mehr abwendend an die Stellung und Lösung einer neuen Aufgabe ging, welche in ihrer Conception noch viel grossartiger war, als jenes umfangreiche monumentale Reisewerk, das die reiche Fülle der fünfjährigen Beobachtungen eines vielseitigen und wunderbar scharfsichtigen Forschers in sich fasste. Es war der Plan seines Kosmos, einer physischen Weltbeschreibung, dessen erste Idee allerdings aus älterer Zeit datirt. Die unmittelbare Veranlassung dazu gaben jene Vorlesungen, die Humboldt im Wintersemester 1827-28 als, Collegium publicum" über physikalische Geographie hielt. Der Beifall, den diese Vorträge ernteten, besonders jedoch die massenhafte Betheiligung aller Kreise der Bevölkerung, vom Könige und dessen Hofe angefangen, veranlassten ihn, einen zweiten Cyclus in gemeinfasslicher Weise zu unternehmen, der aus 16 Vorlesungen bestand. Die Wirkung dieser Vorträge Humboldt's übertraf alle Erwartungen. Es wurde eine Denkmünze bezüglich dieser Vorlesungen geprägt, welche das Bild der Sonne mit der Umschrift trug: Illustrans totum radiis splendentibus orbem", der Freiherr von Cotta, der Verleger der Horen“ in Stuttgart, forderte den Gelehrten auf, seine Vorträge erscheinen zu lassen. Humboldt sah nun ein, dass ein schriftstellerisches Werk ganz anders gefügt sein müsse, als eine Kathedervorlesung und ging demnach an eine vollständig neue Ausarbeitung der behandelten Materie. Die beiden ersten Bände des „Kosmos" erschienen 1845 und 1847, nach langem, endlosen Feilen und Bessern. Das Programm des ganzen Werkes, oder vielmehr dessen Hauptgedanken, drückt der Verfasser in einem Briefe an Varnhagen in folgender Weise aus: „Ich habe , den tollen Einfall, die ganze materielle Welt, alles, was wir heute von

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