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Und Greife kann man sehen
Und Leophanten gehen.

Wir befinden uns also in einer Landschaft Indiens, deren wahre Wunder gerade als wenn die Natur noch nicht genug hervorgebracht hätte, noch durch die Gebilde einer außerordentlich phantasiereichen Mythologie vermehrt werden, und die letteren finden ihre Darstellung auf jenen bekannten ungeheuren Wagen, auf denen Greife und andere fabelhafte Tiere abgebildet find. Dies ist vielleicht der Ursprung oder Anlaß der leßten Vision im Fegefeuer, des von einem riesigen Greifen gezogenen Triumphwagens, der mit dem Charakter der Visionen in der Offenbarung Johannis in vollkommenem Einklange steht.

Es besteht somit eine genaue und geradezu wunderbare Übereinstimmung zwischen den Vorstellungen, welche das ganze Altertum und das Mittelalter von der Insel Ceylon gehabt hat, und der Darstellung des Fegefeuers in Dante's Göttlicher Komödie. Und diese Übereinstimmung spricht doch wohl beredt genug.

An welchem andern Orte der Erde als auf der heiligen Insel der Südsee könnte der Berg des Fegefeuers stehen? Ferner ist zu bedenken, daß schon die ersten Kommentatoren Dante's in ihren Erklärungen an die Insel Ceylon gedacht haben. Der ungenannte Florentiner bemerkt in bezug auf die vier Sterne, die Dante am Südhimmel sieht, „Er sagt, daß diese Sterne von niemandem gesehen worden sind als von unseren ersten Vorältern, das ist Adam und Eva, welche im irdischen Paradiese wohnten, welches unter dem Himmelspole ist, welcher unter unsern Füßen liegt; und der Grund ist der, daß man von keiner Gegend der Erde aus beide Pole zugleich sehen kann, es sei denn daß man gerade auf dem Äquator steht."

Wir erinnern uns ferner eines Stiches von Galle nach einer Zeichnung von Stradano, einer Arbeit des sechzehnten Jahrhunderts, in welchem Amerigo Vespucci dargestellt wird, wie er mit dem Sternhöhenmesser das Sternbild des füdlichen Kreuzes aufnimmt, welches schon im Katalog von Ptolemaios, in dem Buche von Marco Polo und in dem Globus von Abu-Kassim aus dem Jahre 1225 erwähnt worden ist. Auf der einen Seite dieses merkwürdigen Stiches sieht man das Bildnis Dante's mit der Unterschrift: „Danthes Aligerius Florentinus Poeta, anno MCCC descripsit IIII Stellas antarcticas capitulo primo Purgatorii.“ 1) darunter liest man die Verse Dante's:

lo mi volsi a man destra, e posi mente

all' altro polo, e vidi quattro stelle

non viste mai fuor ch'alla prima gente).

Dante glaubte eben mit vielen, daß das Land der Antipoden, die Stelle des irdischen Paradieses, seit dem Fortgange Adams unbewohnt geblieben, daß die Insel verlassen und das Meer unbefahren sei.

1) Dante von Alighieri, ein Dichter aus Florenz, beschrieb im Jahre 1300 vier Sterne der südlichen Halbkugel im ersten Gesange des Fegefeuers.

2) Fegefeuer 1 V. 21-24. Die Übersetzung ist zu Anfang dieses Aufsatzes gegeben.

Die Überlieferungen über das große Gebirge Ceylons, welches durch das Herbeiströmen aller Pilger zum Gebirge der Buße oder auch zum Gebirge des Fegefeuers geworden ist, find seit Marco Polo von allen unseren Reisenden, die die Insel besucht haben, gesammelt worden. Ludovico Barthema hat uns folgendes hinterlassen: „Auf der Spize dieses sehr großen Gebirges ist eine Höhle, zu welcher alle Männer des Landes ein Mal im Jahre wallfahrten, um dort zu beten, und zwar geschieht es, wie sie sagen, aus Ehrfurcht vor unserem Urältervater Adam, weil er hier gestanden und geweint und seine Sünden abgebüßt hat. Und sie sagen, daß Gott ihm vergeben habe, und man sieht noch die Abdrücke seiner Füße, welche ungefähr zwei Spannen lang sind."

Aber noch mehr. Nach der mittelalterlichen mohammedanischen Überlieferung, welche im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts von dem Portugiesen Odoardo Barbosa in Indien selbst aufgesammelt ist, kann man von der Spiße des Adamspics direkt in den Himmel steigen, und gerade diesen Weg habe Adam benußt, um sich ins Paradies zu begeben. Folgendes sind seine eigenen Worte: „Mitten auf dieser Insel (Ceylon) ist ein sehr hoher Berg, auf deffen Spize man einen ziemlich hohen Felsblock sieht und nahe dabei einen Teich von flarem Wasser, welches ununterbrochenen Zufluß hat. Auf diesem Felsen find die Füße eines Menschen abgedrückt, welchen die Indier für die Fußstapfen unseres Urvaters Adam ausgeben, welchen sie Adam Baba nennen, und von allen jenen Gegenden und Reichen kommen die Mohren hergepilgert, denn sie sagen, daß von dort unser Vater Adam in den Himmel gestiegen ist."

Diese lezte Angabe, welche sich auf uralte, von den Mohammedanern des Mittelalters verbreitete Überlieferungen über die Insel Ceylon bezieht, schließt meines Erachtens jeden Zweifel an der Identität des legendenumwobenen Adamspics und des Fegefeuerberges endgiltig aus. Ja, ich befürchte schon zuviele Beweise für meine Ansicht auf einander gehäuft und durch eine zu lange Aufzählung von übereinstimmenden Berichten die Geduld meiner Leser ermüdet zu haben. Aber wenn ich mit der Ermüdung nur erreiche, daß ich meine Leser überzeugt und zur Klärung einer nicht unwichtigen Frage der Dante'schen Topographie etwas beigetragen habe, so, glaube ich, habe ich die Geduld meiner Leser nicht mißbraucht.

Wer in dem Gewebe der Dante'schen Göttlichen Komödie nichts als eine fortlaufende Reihe von Allegorien sieht, wird mit dieser Ausführung nicht zufrieden sein, sondern nach wie vor glauben, daß die vier Sterne, welche man auf dem Fegefeuerberge sieht, die vier Kardinaltugenden vorstellen, und daß der ganze Berg nur einen symbolischen Wert und keine physische und natürliche Grundlage hat. Ich glaube aber, daß man die wahre Natur von Dantes Geist und aller großen Geister verkennt, wenn man glaubt, daß ihre große Idealität ohne jeden Anhalt in der Wirklichkeit sei. Je höher der Genius fliegen will, desto notwendiger ist es für ihn, von festem Boden aufzusteigen, denn nur so kann er einen kräftigen Abschwung nehmen. Wir nehmen dem Geiste Dante's nichts, wenn wir glauben, daß er bei der Darstellung des Fegefeuerberges von der Vorstellung eines wirklichen

Berges ausgegangen sei, ja durch diese Annahme tritt uns die Gestalt des Fegefeuers wahrer und lebendiger vor die Augen. Es ist ganz gewiß, daß Dante im Sinne gehabt hat, daß das irdische Paradies auf der Insel Ceylon und daß Adam von der Spiße des Berges auf Ceylon in den Himmel eingegangen ist. Wie Michel Angelo später mit gleichem Mute das Pantheon auf die Kuppel der St. Peterskirche in Rom geworfen hat, so hat Alighieri vor ihm das irdische Paradies auf die Spiße des Fegefeuerbergs gelegt, damit seine Büßenden von diesem Gipfel der erhabensten Freuden in den Himmel eingehen sollten. Wenn der Mensch durch die Buße und die Leiden, die er auf dem heiligen Berge auszustehen hat, gereinigt und geheiligt worden ist, dann kommt er auf das irdische Paradies, wo er nicht mehr die sündige Eva, sondern die erlöste Eva trifft, wo ihm die heiligen Augen Beatricens wie Smaragden entgegen leuchten, wo ihm das reine Lächeln der angebeteten Frouwe erglänzt. Lange genug hat er leiden müssen in der Finsternis der Hölle, zwischen den Abhängen und Schluchten und unter den Gefahren des Bußberges, ehe er in den milden Frieden des irdischen Paradieses aufgenommen wird. Alle seine Sünden sind durch die Buße getilgt, alle Erinnerung an das Böse ist in der Lethe erloschen, und die Sehnsucht nach dem Guten ist durch das erfrischende Wasser der Quelle Eunoe neu belebt; sein Körper ist leicht und zu jedem neuen größeren Schritte kräftig, und so kann er, durch das süße Antlig der Geliebten geführt, sich leicht zum Fluge aufschwingen und den Himmel suchen. Wenn eine Insel in der Welt durch die Pracht ihres Pflanzenreichtums, durch die unendlichen Schäße, die sie birgt, durch die Heiligkeit der an sie geknüpften Erinnerungen würdig werden kann, das irdische Paradies zu tragen und, was mehr ist, von dem größten Dichtergeiste dargestellt zu werden, so ist es ohne Zweifel Ceylon; auf dieser Wunderinsel, auf der höchsten, dem Himmel am nächsten zugewandten Spize ihres Berges, findet Dante seine unsterbliche Beatrice wieder. Und ich, einer der geringsten vielleicht, aber auch einer der eifrigsten Liebhaber Indiens, habe nicht geringe Genugthuung darin gefunden, daß ich mich überzeugen konnte, daß Dante's Geist den Weg durch Indien genommen hat, um in die Höhe des Paradieses zu gelangen, und daß ein Teil der großen Poesie, die wir im zweiten Teile seines unvergänglichen Gedichtes bewundern, nicht nur morgenländische, sondern indische Dichtkunst ist

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Während meines langen Aufenthaltes in Rio de Janeiro war es mein sehn

lichster Wunsch, eine Reise in das Innere Brasiliens zu unternehmen. Nach vielem Zaudern und Besprechen wurde endlich beschlossen, über Ouro Preto, Diamantina zum Rio de Francisco zu reiten, dann per Kanoe den Fluß herunter zu fahren bis zum berühmten Wasserfall von Paolo Alfonso, endlich mittelst Dampfer über Bahia auf der See zurückzukommen.

Die Reise zu den so interessanten Goldgruben bei Ouro Preto und zu den Diamantwäschereien Diamantinas werde ich den geneigten Lesern vielleicht ein andermal erzählen, jezt will ich nur jenes schwierigen Teiles der Reise gedenken, bei welchem wir kennen lernten, was Hunger heißt.

...

Mein Bruder, Hauptmann T . . . ., meine Wenigkeit, 3 Diener, 2 Maultiertreiber, 21 Maulesel zum Reiten, 15 Packtiere mit 2 Negern zu Fuß, endlich ein Hühnerhund halten am 5. Juli 1868 Einzug in Montes Claros das Formigas, der Hauptstadt des Sertao de Minas, des wüstenartigen, wenig bewohnten Teils der Provinz Minas Geraes. Es ist Mittag, die tropische Sonne brennt entseßlich auf uns herab. Nach einem Ritte von 9 Leguas, beinahe 9 deutsche Meilen, find wir recht müde, hungrig, durstig und mit Staub bedeckt, daher wenig erbaut darüber, noch einen großen Empfang mit Festreden mitmachen zu müssen. Ein Domherr mit immensem dreieckigem Hute reitet uns vor und führt uns bald in sein Haus, eines der wenigen stockhohen Gebäude dieser Stadt, die eigentlich ein recht trostlos aussehendes Dorf ist.

Nach kurzer Toilette lädt uns der Hausherr zum Diner ein, echt brasilianisch: Schweinebraten mit schwarzen Bohnen, Indian mit geröstetem Maniocamehl, dazu viel Pfeffer, saures englisches Bier und das garstige, weißliche, salpeterhaltige Waffer. Aufgetragen wurde das Effen von einigen recht netten Mulattinnen in reinlichen, weißen Unterröcken und gestickten Hemden als Corsage. Nach der Mahlzeit war Empfang, zu dem sozusagen ganz Montes Claros erschien. Da Thüren und Fenster immer offen waren, wohnt man eigentlich auf der Straße. Unser Salon sah bunt aus, dort einige geistliche Herren in schwarzen Talaren, hier einige Offiziere in sonderbarer Uniform, da einige befracte Herren, dort wieder Leute in Hemdärmeln und Lederhosen, halbnackte Buben, leicht gekleidete Negerinnen, und endlich als Capo dieser bunten Menge ein alter General der Nationalgarde in bunter, schreiender Uniform, die wohl seit langer Zeit nicht aus dem Kasten gekommen war. Das Ganze ein wahrlich höchst originelles Bild! Nachdem wir am nächsten Tage eine große Tropfsteinhöhle Lapa grande zwei kleine Leguas vom Orte, zwischen Plantagen und Urwald in

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hübscher Gegend gelegen, eingehend besichtigt hatten, kamen wir, von sämtlichen Honoratioren zu Pferde begleitet, Nachmittag fort.

Wir hatten bis zum Rio de San Francisco eine ausgetrocknete, öde, in der jezigen Winterszeit wenig bevölkerte Gegend zu passieren, eine Strecke über 30 Leguas, die wir wegen Mangels an Wasser und Nahrung für die Maultiere in drei Tagen zurücklegen mußten. In Montes Claros wurde uns gesagt, daß sehr viel Wild zu finden sei, wir daher keinen Proviant mitzunehmen brauchten. Übrigens wäre auf halbem Wege eine „Fazenda" - ein Maierhof wo es für Mensch und Tier genügend zu effen geben würde, da man die Ankunft unsrer Karavane dort avisiert hätte. Wir nahmen daher nur Cachaza (Zuckerbranntwein) und Rapadura (Rohzucker) in Ziegeln mit, für die Tiere Mais auf einen Tag. Wir sollten diese Unvorsichtigkeit bitter bereuen.

Die Kavalkade war, wie folgt, geordnet. Auf dem schmalen Pfade, von dem in nasse und fruchtbarere Gegenden getriebenen Viehe getreten, ritt zuerst der Führer, ein in der Stadt aufgenommener Tropeiro, Viehtreiber, in gelbem Lederwamms, Lederhosen, Lederhute am Haupte, um ungeniert durch die Dickichte dem Vieh nachreiten zu können, dann kam mein Bruder auf mit Silber beschlagenem, brasilianischem Sattel (ein niederer Bock mit vielen Decken bedeckt), hierauf ich, Hauptmann T., endlich die 3 Diener, alle auf englischen Sätteln. Die Reservetiere und das Gepäck ging gewöhnlich eine Stunde vorher ab, wurde aber auf der Hälfte des Weges eingeholt. Diese Abteilung marschierte im Schritt, wir in der Marchia, einem langsamen Paß, den aber nicht alle Maultiere gehen können. Bekommt man ein Tier, welches nur traben kann, so sind 10 Meilen an einem Tage auf einem langsam trabenden Maultiere eine recht garstige Tour. Unsere Adjustierung war die folgende: Wollhemd, leichter Wollstoffanzug, hohe, über die Kniee reichende Stiefel mit den schweren südamerikanischen silbernen Sporen, breiter Filzhut mit weißem leinenen Nackenschutz, umgeschnalltes Jagdmesser, Revolver an demselben Riemen und eine Büchsflinte en bandoulière; am Sattel ein Regenmantel, ein Sonnen- oder Regenschirm, eine Tasche für Karten, Taback, Feldstecher. In den 2 Packtaschen auf den Lasttieren war ein Reserveanzug, Wäsche, Schreibrequisiten!, Toilettesachen, Hängematte 2c.

Die Sonne brannte glühend heiß hernieder; bald verabschiedeten sich daher die Herren der Stadt, und wir trabten schweißgebadet weiter gegen einen hübschen Wald, der uns bald Schatten spendete. Nach 4 Meilen kamen wir zur kleinen Fazenda do Veado, wo wir Nachtquartier und Nachtmahl finden sollten, da doch alles vorher bestellt wurde. In der That war aber leider nichts avisiert worden. Eine handfeste Mamelukin, Mischling von Indianer und Negerin, brachte uns nach langem Warten etwas Reis mit einem zähen, alten Huhn. In einem Schuppen wurde das Nachtquartier eingerichtet; mein Bruder und ich legten uns in unsre Hängematten, die andern auf Bänke, Truhen. Die Nacht verging sehr rasch, da wir schon 2 Uhr früh auf waren. Um 23⁄4, Uhr bei schönem Mondschein brachen wir auf. Gegen 6 Uhr wurde es sehr rasch lichter Tag - Dämmerung giebt es in den Tropen eben fast keine wir machten die erste Rast und hielten

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