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So weit Erman.1) Der mit den Pharaonen Amenophis III. und dessen Sohne Amenophis IV. gleichzeitige Babylonierkönig war der aus kofsäischem (elamitischem) Geschlechte stammende Burnaburiasch, der einmal in diesen Briefen genannte Affyrerkönig aber Affur-uballit, der, wie wir schon aus der sogenannten synchronistischen Geschichte Babyloniens und Affyriens wußten, der Schwiegervater des Burnaburiasch war. Beide, den Burnaburiasch wie den Afsur-urballit, seßten die Affyriologen bisher annäherungsweise in die letzten Jahrzehnte vor 1400 v. Chr., was nun durch die Auffindung der Briefe in Zusammenhalt mit dem oben erwähnten Datum Mahler's für Dehutmes III. höchstens um ca. 30 Jahre herabzusehen sein wird.

Während wir also ein anderes Mal diese mesopotamischen Prinzessinnen auf ihrer Brautfahrt zum Pharao begleiten und uns ihren Eingang in den ägyptischen Harem mit ansehen werden, so wende ich mich nun wieder zu einer anderen Seite der oben vorzuführen begonnenen Parallelen zwischen der ägyptologischen und affyriologischen Wissenschaft. Es sind dies die Sprachen der beiderseitigen Kulturvölker, die ebenfalls zu interessanter gegenseitiger Abwägung einladen. Hier scheint nun auf den ersten Blick die Ägyptologie in dem von mir schon erwähnten Koptischen ein unvergleichliches Hilfsmittel vor der Assyriologie voraus zu haben. Denn es ist doch leicht einzusehen, daß die Existenz einer durch Tradition wohl bekannten und verstehbaren Tochtersprache (des Koptischen) für die Erforschung der erst neu entzifferten Muttersprache (des Alt- und Neuägyptischen) unschätzbar sein muß; das Babylonisch-Affyrische hat dagegen keine Tochter hinterlassen, indem es bald nach dem Sturze Babylons durch aramäische Idiome absorbiert, also einfach verdrängt wurde, gerade so wie z. B. in Norditalien das Etruskische spurlos verschwunden ist, dem Lateinisch-Romanischen weichend. Aber dieser Vorteil wird durch einen andern Umstand beim Babylonisch-Affyrischen weit aufgewogen. Das Altägyptische steht nämlich, was die Verwandtschaft mit andern Sprachen anlangt, ziemlich isoliert da, indem es nur ganz entfernt mit der semitischen Sprachfamilie zusammenhängt; dieser entfernte Zusammenhang wurde sogar von einigen Forschern überhaupt in Abrede gestellt und geht jedenfalls in so frühe Zeiten zurück, daß er für die Sprachvergleichung nur wenig praktische Ergebnisse bisher gezeitigt hat. Das Babylonisch - Assyrische hingegen, dessen Entwickelung wir an der Hand der Denkmäler durch mehr als drei Jahrtausende hindurch zu verfolgen im stande find, hat sich als die bevorzugteste und älteste Schwester im Kreise der semitischen Sprachen herausgestellt und ist als solche nicht nur durch die Vergleichung dieser Sprachen, des Hebräo-Phönizischen, Aramäischen (Syrischen) und Arabischen (inkl. Minäo-Sabäischen und Äthiopischen) ungemein an Verständlichkeit und Erklärbarkeit für uns gewachsen, sondern hat auch umgekehrt die Kenntnis des Baues der semitischen Sprachen und der komparativen Etymologie und Grammatik derselben in geradezu epochemachender Weise gefördert. Aber damit ist die linguistische Bedeutung der Keilschriftphilologie 1) Ich habe mir dabei einige erläuternde (in Klammern gesette) Zusäße erlaubt. Das Zeichen (bezw. ~) in der genealogischen Tabelle bedeutet „verheiratet_mit.”

noch lange nicht erschöpft. Denn nicht nur die semitische, schlechthin babylonischassyrisch genannte Sprache war es, welche mit den aus Bildern hervorgegangenen keilförmigen Charakteren im Lauf der vorchristlichen Jahrtausende geschrieben worden ist, sondern auch noch eine ganze Reihe weiterer Sprachen, deren einige, vor allem das uralte und wichtige Sumerische, noch eine ganz hervorragende Rolle in der Linguistik zu spielen berufen find. Vor den semitischen Babyloniern nämlich, deren älteste Spuren wir schon im 4. vorchristlichen Jahrtausend in Nordbabylonien begegnen, war ein anderes, nicht semitisches Volk im Besiße des Landes und seiner alten Kultur, das eine, wie ich vor sechs Jahren gezeigt, mit den heutigen Türkidiomen nahe verwandte Sprache redete, die sogenannten Sumerier. Sie haben die von den Semiten nur adoptierte Schrift entweder erfunden oder wenigstens ihrer Sprache so angepaßt, daß sie, und nicht die Semiten, als die Erfinder bis jetzt gelten müssen, sie sind die Verfasser der ältesten südbabylonischen Königsinschriften, und in ihrer Sprache endlich sind auch eine große Zahl noch in späteren Kopien auf Thontäfelchen erhaltener Zauberformeln und religiöser Terte, und zwar letztere (die Formeln und Hymnen) mit semitischer (babylonisch-afsyrischer) Interlinearüberseßung abgefaßt. Auch sumerische Kaufkontrakte aus der Zeit der letzten Könige von Larsa in Südbabylonien (ca. 2000 v. Chr. Geb.) haben sich noch bis auf unsere Tage herübergerettet, und dieser kaufmännische, bezw. juristische Zweck war damals die Veranlassung, grammatisch-lerikalische Hilfsmittel für die praktische Aneignung der in jenen Kontrakten am häufigsten vorkommenden sumerischen Wendungen zum Gebrauch der semitisch redenden Bevölkerung des Landes zusammenzustellen. So entstanden die vielen aus Sardanapal's Bibliothek zu uns gekommenen grammatischen und besonders lerikalischen Täfelchen, welche links das Sumerische, rechts das Babylonisch-Afsyrische enthalten; sie wurden in späterer Zeit, als man längst nicht mehr das Sumerische sprach und nur ungenügend noch verstand, dadurch vermehrt, daß die vielen Formeln und Hymnen mit semitischer (noch zur Zeit der lezten Blüte der sumerischen Sprache angefertigter) Übersetzung für den lexikalischen Gebrauch ercerpiert wurden, gerade wie z. B. eine Liste: gaudere sich freuen, igitur = deshalb, juvenis = Jüngling, dum während, esse sein, auf die erste Strophe des mit deutscher Interlinearversion versehenen Liedes Gaudeamus igitur, juvenes dum sumus" beim ersten Blick zurückweisen würde. So haben wir also innerhalb der Keilschriftlitteratur zugleich die älteste Nationalgrammatik und Nationallerikographie der Welt, lange, lange Zeit vor den ersten ähnlichen Bestrebungen in Alexandria, welcher Ort bisher als die Heimat der Grammatik galt, lange auch vor den Versuchen der alten Inder, zum besseren Studium ihres Rigveda (vielleicht gar, wie so vieles Andere, nach fremdem Muster oder auf fremde Anregung hin) grammatische Regeln aufzustellen und Wurzelverzeichnisse anzufertigen.

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Aber auch Sprachen der umwohnenden Völker wurden zu verschiedenen Zeiten entweder von den Babyloniern oder Affyrern oder aber von den betreffenden Völkern selbst, indem sie zu diesem Zweck die Schrift entlehnten, in Keil

schrift niedergeschrieben. So sind einige der obengenannten Briefe mitanischer (mesopotamischer) Fürsten an den ägyptischen Pharao nicht babylonisch-assyrisch, sondern in der (nach meinen Untersuchungen mit dem Georgischen verwandten) Mitani Sprache geschrieben, über welche Sprache kürzlich mehrere Gelehrte (Brünnow, Jensen, Sayce) in scharfsinniger Weise ganz unabhängig von einander im leßten Heft der Zeitschrift für Affyriologie gehandelt haben. Aus dem 8. Jahrhundert vor Chr. haben wir eine ganze Anzahl altarmenischer Inschriften, die durch den genialen Blick des Engländers A. H. Sayce und des leider früh verstorbenen Franzosen Stanislas Guyard als ziemlich entziffert gelten dürfen; die Schrift ist afsyrisch, die Sprache aber ein vorindogermanisches, ebenfalls mit dem Georgischen verwandtes, in Armenien in der 1. Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrtausends lebendig gewesenes Idiom.

Etwa von derselben Zeit an finden wir in Elam, dem alten Nachbarstaate Babyloniens am persischen Meerbusen, eine babylonische Abart der Keilschrift für das Elamitische in Gebrauch; genauer lernen wir dann diese interessante (gleichfalls, wie ich schon 1884 festgestellt, mit dem Georgischen verwandte) Sprache aus der zweiten Reihe der dreisprachigen Achämenideninschriften (nämlich des Cyrus, Darius und Xerres), deren erste Reihe (das Altpersische) seiner Zeit den Schlüssel zur Entzifferung des ganzen Keilschriftsystems abgegeben hat, 1) kennen. Übrigens ist auch das einfache, fast alphabetisch zu nennende altpersische Schriftsystem nur eine Weiterentwickelung der syllabischen neubabylonischen Keilschrift. Wenn man nun gegenüber dieser mannigfachen Verwendung der ursprünglichen sumerischen, aus Bildern hervorgegangenen Sinnzeichen- und Silbenschrift an die Ägyptologie mit der Frage sich wendet, ob hier ähnliches zu beobachten sei, so wird man höchstens auf ein kleines Analogon verwiesen werden können, daß nämlich einige noch immer nicht vollständig entzifferte äthiopische Inschriften aus Nubien existieren, in denen der Versuch vorliegt, mit den gewöhnlichen ägyptischen Hieroglyphen eine nicht ägyptische Sprache wiederzugeben. Man sieht also auch hier wieder zu Gunsten der Affyriologie die Wagschale sich senken und kann einfach nur dem unermeßlichen und vielseitigen Gewinn, den speziell die Linguistik aus dieser Wissenschaft bis jezt gezogen, staunend bewundern.

Laffen wir es nur für heute mit diesen Vergleichen genug sein, so sehr auch noch andere Gebiete, wie z. B. das der religiösen Litteratur dazu einladen würden; denn der Schreiber dieser Zeilen könnte sonst gar noch in den Verdacht kommen, als wollte er die ägyptologische Wissenschaft deshalb irgendwie heruntersetzen, was ihm durchaus fern liegt. Er wollte ja bloß solchen, welche aus Berichten über die großen Fortschritte der Ägyptologie in den lezten Jahrzehnten Interesse an der orientalischen Altertumswissenschaft gewonnen haben, noch mit einer weiteren, jene an Reichtum noch übertreffenden Quelle bekannt machen. Zum Schluffe aber sei es gestattet, jungen Gelehrten (ich denke mir hierunter

1) Wer sich darüber näher unterrichten will, den verweise ich auf die ausführliche und populär gehaltene Darstellung der merkwürdigen Entzifferungsgeschichte in meiner Geschichte. Babyloniens und Assyriens, S. 58-134.

Deutsche Revue. XVI. November-Heft.

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nicht bloß Studenten, sondern besonders auch Gymnasiallehrer, Theologen und angehende Historiker), welche etwa sich durch die Lektüre meines Berichtes angeregt fühlen möchten, zum Selbststudium des Assyrischen sich zu wenden, die wichtigsten Hilfsmittel dazu anzugeben. Der nicht gelehrte Leser aber wird aus der bloßen Thatsache, daß man jezt derartige Hilfsmittel empfehlen kann, den Grad der Fortschritte und der Sicherheit auf diesem neuen Gebiete mit beifälliger Anerkennung entnehmen. Denn die leichteren historischen Inschriften lesen sich jezt so gut und befriedigend wie irgend ein Kapitel der erzählenden Bücher des alten Testaments.

Derjenige Gelehrte, welchem der philologische Ausbau der Affyriologie seit Mitte der siebziger Jahre am meisten zu verdanken hat, Professor Friedrich Delißsch in Leipzig, ist zugleich der Verfasser der ersten wissenschaftlichen Grammatik des Babylonisch-Assyrischen und des ersten größeren, alle Wortklassen und Litteraturzweige gleich umfassenden Lerikons. Wem das lettere, von dem bis jezt drei Lieferungen vorliegen, zu groß angelegt ist, dem wird bald ein bequemes und gleich vollständig erscheinendes Handwörterbuch vom nämlichen Gelehrten zu Gebote stehen. Einstweilen helfen diesem Mangel zwei treffliche Chrestomathien ab; die eine, schon in 3. Auflage (unter dem Titel „Assyrische Lesestücke“) erschienene hat ebenfalls den unermüdlichen Leipziger Assyriologen zum Verfasser und ist von demselben in der leßten Auflage durch grammatische Paradigmen und ein kurzgefaßtes Glossar zur Freude aller Lernenden erweitert worden. Durch den Verlag der zweiten, der „Keilschriftterte zum Gebrauch bei Vorlesungen, herausgegeben von Ludwig Abel und Hugo Winckler", hat sich die schon oben gerühmte Spemannsche Buchhandlung insofern ein großes Verdienst erworben, als sie den Preis des ebenfalls fein und sauber autographierten Werkes weit billiger als den der Lesestücke Delitzsch's (15 gegenüber 30 Mark) stellte und so auch Minderbemittelten die Anschaffung ermöglichte. Beide Chrestomathien haben ihre besonderen Vorzüge; die Delitzsch's den, daß sie gleichmäßig aus allen Litteraturgattungen ausreichend große Stücke (so z. B. den vollständigen Tert des babylonischen Sintflutberichtes und der drei großen Syllabare) bietet; die Abel's und Windler's, daß sie vorzugsweise die historisc en Inschriften berücksichtigt (wie denn auch anfangs der besser passende Titel „Historische Keilschriftterte" beabsichtigt war) und hieraus in 48 engbeschriebenen Hochfolioseiten die wichtigsten größeren Urkunden (Affurnaßirpals Standardinschrift, Salmanaffar's II. Schwarzen Obelisken, Senacherib's sechsseitiges, nach Taylor benanntes Prisma, und besonders die zwei Annalenterte Asarhaddon's) vollständig mitteilt. Die Transskription und Übersetzung dieser Texte findet man in der schon oben erwähnten von Eb. Schrader herausgegebenen „Keilinschriftlichen Bibliothek“. Es kann jetzt niemand mehr sagen, daß der Zugang zu diesem schönen und interessanten Studium nur jenen Bevorzugten, welche an unseren größeren Universitäten zu hören Gelegenheit, Muße und Mittel haben, eröffnet, allen übrigen aber verschlossen sei. Das einzige, was noch auf lange hinaus viele, die sonst Lust und Neigung hatten, davon gleich in den ersten Wochen abschrecken wird, ist das schwierige und ver

wickelte Schriftsystem, eben die (manchen, der sich damit abgeplagt, schon von fern mit Gruseln überkommen machende) Keilschrift; aber auch das ist mit einiger Ausdauer, und zumal wenn man mit noch jugendlichen Kräften an die Arbeit geht, jezt bei so guten Hilfsmitteln zu überwinden.

Möge dieser Bericht, den ich gern fortseßen werde, dazu beitragen, in weiten Kreisen begeistertes Intereffe für einen neuen Zweig der Sprach- und Altertumswissenschaft, der jedem Gebildeten seinen Resultaten nach bekannt werden sollte, zu wecken. Möge es mir zugleich auch vergönnt sein, aus den engeren akademischen Zirkeln den oder jenen dadurch zu einem Adepten der Affyriologie, dieser Königin der orientalistischen Disziplinen, zu gewinnen; denn nicht das erste Mal wäre es, daß durch solche „Berichte aus allen Wissenschaften“ einer oder der andern unter ihnen Jünger erwachsen sind.

München.

Friß Hommel.

Länder- und Völkerkunde.

Die Verhältnisse in Uganda vor und nach Dr. Peters.

Vielen Lesern von Dr. Peters' Deutscher Emin-Pascha-Expedition" mag es als merkwürdige Thatsache erschienen sein, daß mitten im Herzen von Afrika ein mächtiges Negervolk als eine kompakte Masse von Christen aufgetaucht ist, ausgestattet sogar mit dem Lurus einer protestantischen und einer katholischen Partei, ja daß Peters der außerordentliche Mann gewesen ist, welcher den König von Uganda veranlaßt hat, das Christentum zur „Staatsreligion“ zu erheben, den Sklavenhandel abzuschaffen und sein Reich als Bollwerk gegen den Islam aufzurichten.

Die Allgemeinheit der Thatsachen ist richtig. Verfolgt man aber auf Grund der älteren und der neusten Afrika-Litteratur die jüngsten Ereignisse in Uganda in ihrer Entstehung und Entwickelung, so drängt sich die Überzeugung auf, daß Peters' Schilderung des Volkscharakters und seine Darstellung der politischen Vorgänge der Ergänzung, ja oftmals der Korrektur bedürfen. In manchen Besprechungen, die ich bisher über Peters' Werk gelesen, ertönte weit mehr ein bewunderndes Beifallklatschen als die Stimme einer sachlichen Kritik; auch Mißverständnissen und Übertreibungen begegnete ich. Mir schien, als wären die grundlegenden Berichte über jene Gebiete, wie die von Speke, Wilson und Felkin, von Emin Pascha und Ashe ganz wieder vergessen worden, als habe man sich um die gleichzeitigen, sehr wichtigen Mitteilungen der englischen und französischen Missionen gar nicht gekümmert. Populäre Werke werfen aber mit einem Schlage die jahrzehntelange Arbeit gewissenhafter Forscher über den Haufen und sie erzeugen bei der Masse des Publikums sehr häufig eine ziemliche Oberflächlichkeit des Urteils über ethnographische und politische Verhältnisse.

Fern sei es von mir, mit vorliegender Arbeit das Werk Dr. Peters' in einseitiger Polemik anzugreifen und zu zergliedern; ich beabsichtige vielmehr, durch eine den

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