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ferner führen eine große Menge von Tusch-, Feder- und Bleistiftzeichnungen vor, Darstellungen aus der Bibel und dem bürgerlichen Leben, bei denen es vielfach schwer zu entscheiden ist, ob es sich um eigene Kompositionen oder um Kopieen handelt. Viele, besonders die Tuschzeichnungen, zeigen eine vollkommene Abhängigkeit von der Corneliusschule in der Vorliebe zu übermäßigen Gliederformen. Andre verraten eine durchaus selbständige Hand und überraschen durch feine, lebenswahre Beobachtung der Natur, durch liebevolle, fleißige und überaus feine Linienführung. Insbesondere enthält ein grünes Büchlein vom Jahre 1824 ganz vortrefflich ausgeführte Köpfe nach dem Leben voll scharfer, treffender Charakteristik, darunter ein ausgezeichnetes Bildnis der Schwester Josefine.

Von größeren, wirklich ausgeführten Tuschzeichnungen aus dieser Epoche bewahrt das Kaulbachmuseum in München noch zwei bemerkenswerte Blätter, welche nach einer Unterschrift von des Künstlers Gattin aus den Jahren 1823 und 1824 herrühren. Das erste dieser Bilder veranschaulicht den König David vor der Bundeslade. Ein langer Zug ziemlich bewegter Gruppen und schreitender Personen wandelt vor unsern Blicken vorüber. Tanzende Mädchen eröffnen den Reigen. Hierauf folgt der Psalmendichter selbst mit der Harfe, worauf sich Musiker mit Zimbeln und Pauken anschließen. Opfertiere werden herbeigeführt, und im Hintergrunde tragen vier altersgraue Priester die heilige Bundeslade Israels mit würdigem Ernste. Die Gruppierung ist klar und natürlich. Die Ausführung aber hat etwas eigentümlich Weiches, Zaghaftes und Zierliches, wie man es sonst an Kaulbach's früheren Schöpfungen nicht gewohnt ist. Das allzu ängstliche Streben nach Schönheit wird hier beinahe zur Sentimentalität, und die auffallend schmalen und kleinen Köpfe stehen im größten Gegensatz zu den kraftstrogenden Gestalten, die man in jener Zeit sonst zu zeichnen pflegte. In dieser Beziehung trägt die zweite Zeichnung denn auch bei weitem mehr den Stempel der Corneliusschule und fand auch bei Cornelius selöst wegen ihrer kraftvollen, markigen Komposition und Form einen ganz besondern Beifall. Sie behandelt eine bekannte Szene aus dem Cid, die Vermählung des tapfern Don Rodrigo mit Ximene, der Tochter des von ihm erschlagenen Don Gormaz.

Fräulein, einen Mann von Ehre
Leider hab ich Euch getötet,
Denn es wollt es Ehr und Pflicht.
Diesen Mann geb' ich Euch wieder,
Und was Ihr mit ihm verloret,

Vater, Freund, Verwandte, Diener,
Alles geb' ich Euch, mit Allem
Mich Euch, Euren Eh'gemal.

Also hat der edle Cid am Altar zu der Braut geredet, und aus der Kirche zieht nun die prächtige Hochzeitfeier zum Palast der Königin, stattlich an Ximenens Seite der König Don Fernando, der Vermählten Vormund, neben Rodrigo der fromme gute Bischof Luyn Calvo, dann der Herren langer Zug. Zärtlich und verschämt wendet sich Ximene zu dem Geliebten rückwärts. Über die teppichbehangenen Mauern blickt die bunte Menge. Alles jubelt unter Lustgesang dem

Zuge zu. Die Mädchen werfen Blumen und Weizen. Der Page, der zum Erschreck der Damen den Teufel spielt, macht seine Reverenz. Kostüm und Lokal ist genau nach der Schilderung des Gedichtes wiedergegeben. Versenkt man sich in den Geist und Geschmack der Zeit, so macht das ganze Bild, das bis auf eine Ecke sehr sorgfältig ausgeführt und vollendet ist, mit seinen reckenhaften, ausdrucksvollen Gestalten einen vortrefflichen Eindruck und beweist geniale Auffaffung und Anordnung.

Aus derselben Zeit dürfte wohl auch eine Komposition herstammen „Schlacht bei Tours", eine figurenreiche Darstellung des entscheidenden Sieges, den Karl Martell 732 über die Sarazenen davontrug, welche dann in der ersten Münchener Zeit Kaulbach's von W. Nilson gestochen und von H. Schweizer gedruckt worden. ist. Troß einzelner Schönheiten verdient dieses Bild aber kein allzu großes Lob, da es sowohl im Aufbau wie in der Massenhaftigkeit der Wirkung allzu unfrei, allzu abhängig und unselbständig erscheint. Wieviel von den einzelnen Mängeln auf Kosten der Reproduktion geht, läßt sich nicht sagen, da die Originalzeichnung nicht erhalten ist.

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Auch in der Ölmalerei versuchte sich Kaulbach, wie aus den Berichten an das Ministerium zu ersehen ist, bereits frühzeitig in Düsseldorf. Förster berichtete 1825 in einem Briefe an den ihm befreundeten Porträtmaler Profeffor C. Vogel in Dresden, gleichzeitig abgedruckt in der Augsburger Allgemeinen Zeitung daß außer der Freskomalerei auch die Ölmalerei in Düsseldorf fleißig ausgebildet wurde. So seien für eine Kirche in Westfalen drei Altarbilder in Arbeit, eine Kreuzavnahme durch Ruben, eine heilige Helena mit Engeln von Eberle und eine Madonna auf dem Thron mit Engeln durch Kaulbach der Name wurde Kaulenbach" gedruckt, und als Maße werden für die Altarblätter sechs und neun Fuß Höhe und fünf Fuß Breite angegeben. Ob dieses stattliche Bild Kaulbach's schließlich vollendet worden ist und wo es sich heutigen Tages befindet, war bisher nicht zu ermitteln. Nach einem Berichte Kolbe's an das Ministerium scheint es fast, als wenn keines der Tafelbilder zu Ende geführt worden sei. Preyer, welcher das Gemälde damals oft gesehen und sehr bewundert hat, erinnerte sich, daß Kaulbach, nachdem Cornelius nach München gegangen sei, eine Madonna in etwa halber Lebensgröße gemalt habe. Daß Engel ihre Umgebung gebildet haben, bezweifelt er. Wohin es gekommen ist, vermochte er nicht zu sagen. Ebensowenig wußte es Inspektor Holthausen, welcher sich gleichfalls keiner Engel erinnerte, sondern der Meinung war, daß nur Maria mit dem Christuskinde auf dem Throne unter einem Baldachin fißend dargestellt gewesen sei. Jedenfalls verseßte das kühne Wagnis alle Freunde in Erstaunen, wie der junge Künstler ohne alle Vorkenntnis und allen Unterricht in der Ölmalerei das Ölbild zustande brachte, das, wie Förster meinte, wenn auch kein Meisterwerk in der Technik, doch von großer malerischer Wirkung war, vor allem aber einen Schönheitssinn, namentlich in den Engeln - die also Förster ausdrücklich wiederoffenbarte, in welchen keiner der Genossen ihm gleich kam. Als Preis

holt

für das ganze Gemälde mit lebensgroßen Figuren soll die Summe von vierzig Thalern vereinbart gewesen sein.

Unter den wenigen Ölbildern, die sonst noch damals entstanden sind, war nach Preyer auch ein Doppelbildnis: Kaulbach malte Eberle, und Eberle malte Kaulbach, so daß beider Köpfe auf einem Bilde nebeneinander gesehen wurden. Vielleicht beruht diese Erinnerung aber auf einer Verwechslung mit der bereits erwähnten Zeichnung von Förster.

Ein ganz hervorragendes Zeugnis der eigenmächtigen Studien Kaulbach's in der Ölmalerei, das überhaupt zu den eigenartigsten und reizvollsten Schöpfungen des Künstlers gehört, ist indessen auf die Nachwelt gekommen, gleich bedeutsam durch künstlerischen wie historischen Wert. Es ist dies das ungemein fesselnde Selbstbildnis in Öl, das bei der Jubiläumsausstellung zu München im Jahre 1888 wiederum die allseitigste Beachtung weiterer Kreise gefunden hat und das gleichfalls aus der ersten Zeit der malerischen Studien Kaulbach's stammt. Es trägt die Jahreszahl 1824, ist also früher entstanden als das Ölbild für die westfälische Kirche, welches der Kuratoriumsbericht ausdrücklich als seinen ersten Versuch in Öl bezeichnet, und gilt auch gemeinhin als sein allererstes Ölgemälde, das er heimlich und fern von jeder fremden Beeinflussung mit unendlicher Mühe und Sorgfalt, ohne alle Kenntnisse der Pinselführung wie ein Mosaikbild Punkt für Punkt auf die Leinwand getupft haben soll, ohne aber daß man diese schwerfällige Art der Arbeit erkennen kann. Das Porträt war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, sondern für den engeren Familienkreis. Der junge Künstler, der sich als frühzeitig geschulter Fußgänger daran gewöhnt hatte, häufiger zu Fuß den weiten Weg von Düsseldorf zur Mutter und zum Vater zurückzulegen, trug es als Weihnachtsgabe auf dem Rücken nach Mülheim und von dort nach Werden. Das Original ist auch ferner im Besiß der Familie geblieben und wurde in Kaulbach's Nachlaß von Friedrich Bruckmann veröffentlicht. Unbeschreiblich rührend wirkt der Ausdruck innigster Seelenstimmung, die aus dem Gemälde zum Beschauer spricht. An die älteren florentiner Selbstbildnisse erinnernd, offenbar unter dem Einflusse des Raffaelbildes entstanden, stellt es den Jüngling in blühender Kraft dar mit keimendem Bart um Kinn und Wange, mit langwallendem braunen Haupthaare, mit umgeschlagenem Kragen und Samtbarett, wie die Corneliusschüler es mit Vorliebe zu tragen pflegten. Die schönen Gesichtszüge sind von einer schwülen Schwermut durchzogen, die tiefliegenden Augen blicken mit weltverlorener, scheuer Trauer ins Weite, der Mund redet von weicher, bekümmerter Gemütsverfassung. Das Ganze giebt das Bild einer trostbedürftigen, strebsamen, aber unverstandenen Jugend. Erstaunlich ist bei diesem Erstlingswerke wahrhafter künstlerischer Vertiefung schließlich eben sowohl der sorgsame Fleiß der Ausführung wie das satte, kräftige Kolorit, und wenn man es nicht wüßte, würde man das Bild schwerlich unter die frühesten Arbeiten des Künstlers seßen können.

Die Überlieferung weist schließlich dem jungen Kaulbach auch ein großes Deckengemälde al fresco zu, an welchem er aber schwerlich allein gearbeitet hat. So viel festzustellen ist, war das fragliche Gemälde eine Himmelfahrt Mariä

mit Engeln und Wolken und zwar in der Kapelle des Hubertusstistes zu Düffeldorf, welches leider im Jahre 1848 von einem ganz gewöhnlichen Dekorationsmaler und Anstreicher in roher Weise übermalt und verdorben worden ist, nach= dem die Farben allerdings durch Alter und Weihrauch sehr nachgedunkelt hatten. Kaulbach selbst hat mehrfach geäußert, daß ein solches Bild von ihm herrühre, und gleichzeitig wiederholt behauptet, daß dieses Gemälde die etwas sagenhafte Veranlassung seiner Zeichnung „das Narrenhaus" geworden sei. Das St. Hubertus-Hospital in der jeßigen Neustadt Düsseldorfs, ehemals vor den Thoren der Stadt gelegen, nimmt freilich seit langen Jahren keine Geisteskranke mehr auf, hat aber eine Zeitlang und noch um 1825 in einem Nebengebäude auch Frre beherbergt, während erst viel später außerhalb der Stadt ein besonderes großes Irrenhaus gebaut worden ist, in welchem sich aber keine Kapelle befindet. Es ist also wahrscheinlich, daß die Erzählung, Kaulbach habe bei Gelegenheit der Ausmalung einer Kapelle in einer Frrenanstalt in der Nähe von Düsseldorf die Anregung zu seinem Narrenhaus erhalten, sich eben auf das St. HubertusSpital und deffen Kapelle bezieht.

Über die Entstehung der Zeichnung „Narrenhaus“ erzählte Kaulbach selbst nach der Niederschrift seiner Tochter Josefa in späteren Jahren das Folgende: „Eines Tages kam der Arzt eines Narrenhauses zu uns und sagte: „Nun, ihr jungen Raffaels, kommt mal mit." Er führte uns in die Kirche seines Hospitals und zeigte uns die leeren Wände, was für uns ein sehr erbaulicher Anblick war, denn wie herrlich konnte man sich da auslassen! Ich hatte aber keine Idee von Freskomalerei und brannte nun darauf, dieses neue Feld kennen zu lernen. Der Arzt stellte uns frei, was wir malen wollten, und so malten wir die Himmelfahrt Mariä. Was ich aber gemalt habe, und was die andern, wüßte ich wahrhaftig nicht zu sagen, vielleicht wenn ich das Bild wiedersähe. Wir hatten uns als Lohn ausbedungen: Brot und Käse soviel wir wollten. Für einen Kunsthändler von heute wäre das ein herrlicher Kaufpreis. Da aßen wir uns denn satt nach Herzenslust und tranken Wasser dazu. Als das Bild fertig war, nahm der Arzt Freund Eberle und mich bei Seite und sagte: „Nun will ich euch für euern Fleiß belohnen und will euch das Narrenhaus zeigen, so jungen Leuten kann es nichts schaden, eine Lehre mitzubekommen auf den Lebensweg." Und nun führte uns der Mann von Zelle zu Zelle und erklärte und erzählte die ganze Lebens- und Leidensgeschichte eines jeden. Ich glaube, er übertrieb, um uns vor schlechten Streichen zu bewahren. Aber es war so schrecklich, so traurig, dort die Narren vor uns und hier der Arzt, der leise flüsternd die furchtbarsten Geschichten erzählte. Wir junges, leichtsiumiges Volk hatten ja keine Ahnung von solchen Schicksalen, wir hatten bis jetzt so ruhig in den Tag hinein. gelebt. Nun mit einem Male lernten wir das Leben und gerade von dieser Seite kennen. Es ist das einer der schrecklichsten Tage meines Lebens. Der Arzt hatte aber wahr gesagt; er hatte uns einen Denkzettel mitgegeben. Als wir aus dem Hause waren, konnten wir weinen wie die Kinder, und mich verfolgten diese unglücklichen Geschöpfe monate-, jahrelang im Traum und Wachen. Erst in

Deutsche Revue. XVI. Oftober-Heft.

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München wurde ich das Bild los, indem ich mich entschloß, es auf Papier zu bringen."

Ähnlich nachwirkende Eindrücke hat er jedenfalls auch in Werden bei dem Vater gefunden, und auch diese erhielten nachmals ihre Verkörperung in den Zeichnungen zum Verbrecher aus verlorener Ehre.

Der junge Kaulbach hatte sich auf diese Weise sehr bald in die Reihe der ersten und angesehensten Cornelius-Schüler emporgearbeitet, da er nach allen Seiten hin fleißige und tüchtige Leistungen abgab, und erfreute sich bereits einer gewissen Berühmtheit unter den Genoffen. Auffallend scheint es deshalb, daß er nicht früher zu den monumentalen Arbeiten des Meisters am Rhein selbst herangezogen worden ist. Dies hatte aber seine guten Gründe. Cornelius machte hier und da den Versuch, den jungen Mann nach seinen Kartons malen zu lassen, sah aber seine Erwartungen und Wünsche in dieser Beziehung durchaus getäuscht. Der Kunstschüler zeigte von früh an ein so selbständig ausgeprägtes Wesen, daß es ihm unmöglich war, sich sklavisch in den Gedankenkreis und die Gemütswelt eines andern zu verseßen, und so brachte er denn troß aller Liebe zu dem Meister und trotz aller Strebsamkeit, seine Anerkennung zu erlangen, niemals etwas Zufriedenstellendes fertig, wenn er die Schöpfungen andrer wiederholen sollte. Seine Kopistenarbeiten genügten dem Lehrer nicht. Nur dann, wenn er frei erfinden und gestalten durfte, verriet er seine mächtige Begabung. Er konnte nur der eigenen Stimme seiner innersten Begeisterung folgen und hat es auch zeitlebens verschmäht, ein Ragout von andrer Schmaus zu brauen.

(Schluß folgt.)

Babylonisches Leben zur Zeit Nebukadnezar's.

Bon

A. H. Sayce.

Unsere Vorstellungen von der alten Geschichte find durch die morgenländischen

Forschungen der letzten fünfzig Jahre fast vollständig umgestoßen worden: so große Fortschritte haben unsere Studien gezeitigt, und so überraschende Entdeckungen haben wir in dieser Zeit gemacht. Infolge dieses Umschwungs laufen die Orientalisten geradezu Gefahr, die Vorsicht außer Augen zu lassen, die sie von der kritischen Methode der klassischen Philologie erlernen konnten, und die auch für sie die gebotene ist; sie sind heute geneigt, Dinge für wahr zu halten, die ihnen vor wenigen Jahren noch wie der wildeste Traum vorgekommen wären, denn es ist eine ganz neue Welt, die sich vor uns aufgethan hat, und mit jedem Jahre, ja fast mit jedem Tage wird das Licht, das sie bescheint, heller und deutlicher.

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