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stützen suchte, so sind die dafür vorgebrachten Gründe schon früher von Otto Nitzsch und Bachof widerlegt. Die Widerlegung wird hier vollständig durch den Nachweis, dass die Bezüge auf den troischen Krieg VII 11. 20. 43. IX 16 ff. nur beiläufiger, episodischer Art sind, und mit dem Inhalte des Prooemions in keiner beabsichtigten Verbindung stehen. - Der letzte Theil der Abhandlung (S. 14 ff.) wendet sich hauptsächlich gegen diejenigen Beweismittel, welche neuerdings Bauer für die frühere Abfassung der letzten Bücher aufgebracht hat. Nach dem was bereits Czwikliński, Weil, Hachez gegen dieselben eingewendet haben, bleibt dem Verfasser nur eine Nachlese, worin er die inneren Widersprüche der jenem Beweise zu Grunde liegenden Methode mit überzeugendem Scharfsinn darlegt.

Nur in einem Punkte berühren darf ich innerhalb der Grenzen dieses Berichtes die musterhafte, eine der schwierigsten Fragen der höheren Kritik nahezu abschliessende Abhandlung von

Franz Kern, Die Abschiedsrede der sophokleischen Antigone (891-928). Zeitschrift f. d. Gymnasialwesen. Bd. XXXVI S. 1–26.

Das Verhältniss dieser Stelle zu Her. III 118f. hat Kirchhoff bekanntlich (siehe Jahresbericht 1878 Abth. I S. 183) benutzt, um für die Abfassungszeit des bis zu jenem Abschnitt reichenden ersten Theiles' der Historien einen Anhalt zu gewinnen, und dabei die Echtheit jener Verse für ganz unbedenklich erklärt unter der Voraussetzung, dass nicht nur der Dichter, sondern auch ein grosser Theil des Publikums ein lebhaftes Interesse für die Person des Geschichtschreibers und sein Werk empfand, und das letztere damals bereits in weiteren Kreisen bekannt geworden war, Denn jedenfalls rührten die Verse von einem Verehrer, wenn nicht der Person des Verfassers, doch seines Werkes her, und könnten nur in einer Zeit entstanden sein, die dem Werke eine allgemeine und lebhafte Theilnahme entgegentrug, aus der heraus und für welche es geschrieben ward, d. i. in dem Zeitalter des Perikles und der Blüthe des Sophokles, nicht aber in der Zeit nach dem Tode des Dichters, als bei der neuen Richtung aller Interessen und des Geschmackes bald Niemand mehr die Gedanken und Ausdrucksformen der herodotischen Darstellung zu würdigen verstand«. Hiergegen bemerkt nun Kern, wie ich urtheile, mit voller Wahrheit (S. 4f.): »Herodot und sein Werk kann dem athenischen Publikum, kann sogar dem Verfasser der Verse ganz gleichgültig geworden sein, aber darum kann doch ihr Urheber diese eine sehr auffallende Geschichte aus Herodot kennen und damit dem Publikum gerade, wie es bald nach Sophokles' Tode in der Richtung aller Interessen und des Geschmackes verwandelt « erscheint, überaus willkommen gewesen sein. Auf Liebe und Neigung zu Herodot weist das Vorhandensein der Stelle nicht hin, nur auf Geschmack an pikanter gemüthloser Sophistik. Und die sonderbare Argumentation in der Rede

der Frau des Intaphrenes ist sehr geeignet, losgelöst von allen Besonderheiten, mit denen sie bei Herodot verbunden ist, ein selbständiges Leben zu führen, fest in der Erinnerung zu haften und traditionell fortgepflanzt zu werden, so dass ich nicht einmal die Annahme für nothwendig halte, dass der, welcher den Gedanken dieser Rede benutzt, wissen muss, dass sie ursprünglich ein integrierender Theil einer herodotischen Geschichte ist ... Setzt man nun aber bei dem Verfasser der Verse und bei dem Publikum, dem sie dargeboten werden, genaue Bekanntschaft mit der Geschichte voraus, mit dem Zusammenhang, in welchem dort die Argumentation erscheint, so wird das Bedenken sie dem Sophokles zuzutrauen eher vermehrt als vermindert . . . Ich kann mir vorstellen, dass jemand aus dem Zusammenhange, in welchem die Rede bei Herodot steht, den Schluss zieht, die entsprechenden Verse bei Sophokles könnten nur in einer Zeit entstanden sein, in welcher jede genauere Kenntniss des Geschichtswerkes bereits erloschen war«.

Joseph Bass, Ueber das Verhältniss Herodot's und Hellanikos'. Wiener Studien I. 1879. S. 161 168.

Eine Vergleichung der beiderseitigen mythologischen, historischen und geographischen Nachrichten ergiebt dem Verfasser als Resultat, dass die beiden Autoren von einander ganz unabhängig sind. Sie stimmen nur in wenigen geographischen Angaben überein, die allgemein bekannt waren, weichen aber in vielen anderen ab. Die Geschichte von Zamolxis Hellan. Fr. 173 geht allerdings auf Herod. IV 95 zurück, ist aber mit C. Müller dem gleichnamigen Orphiker zuzuweisen.

Ueber die Quellen und die Glaubwürdigkeit der Aegyptiaka giebt

Alfred Wiedemann, Geschichte Aegyptens von Psammetichos I. bis auf Alexander d. Gr. nebst einer eingehenden Kritik der Quellen zur aegyptischen Geschichte. Leipzig 1880. 8.

in dem Abschnitt über Herodot S. 81-100 eine Reihe von Bemerkungen, die freilich keineswegs alle so neu sind als sie erscheinen wollen, noch alle so gründlich und vorsichtig erwogen als die resolute Bestimmtheit ihres Ausdrucks voraussetzen lässt, immerhin aber geeignet zur Vorsicht auch bei solchen Nachrichten zu mahnen, die unter der vollen Bürgschaft des Autors zu stehen scheinen. Von dem Verhältniss zu Hekataeos urtheilt der Verfasser, dass Herodot die Erdbeschreibung desselben während der ganzen Ausarbeitung seines Buches vor sich gehabt, benutzt und zum Theil wörtlich abgeschrieben, etwa wie Livius den Polybios, ohne irgendwo diese eingehende Benutzung seiner Quelle zu bekennen. Aber der dafür vorgebrachte Beweis hätte doch eine breitere und festere Grundlage haben müssen als die angebliche Uebereinstimmung einiger naturhistorischen Nachrichten nach dem zweifelhaften Zeugniss des Porphyrios, als die Thatsache, dass Herodot die Schrift seines Vorgängers

gekannt und an verschiedenen Stellen darauf Rücksicht genommen, oder gar die Vermuthung, dass ihm die Existenz dieses Buches unbequem gewesen und dass er es zu verdrängen gesucht habe. Der Verfasser fasst sein Urtheil über den Werth des II. Buches dahin zusammen, dass die Quellen Herodot's in erster Linie die Angaben seines Vorgängers Hekataeos und seine eigene Anschauung gewesen; in diese habe er verwebt, was er, der Landessprache unkundig, zufällig oder durch Erkundigungen von Dolmetschern und Fremdenführern erfahren. In demselben Masse wie seine Angaben über das was er selbst gesehen werthvoll, seien seine Angaben über das was er gehört werthlos. Seine Mittheilungen über aegyptische Religion und Geschichte vor der 26. Dynastie seien Märchen und Sagen der griechischen Ansiedler: nach jener Dynastie würden seine Angaben besser, seien aber auch da nur bei kurzen Notizen und Thatsachen verlässlich, während die längeren Erzählungen mit dem grössten Misstrauen aufzunehmen seien.

Zwei akademische Abhandlungen (aus den Sitzungsberichten der kaiserl. Akademie zu Wien) von

Max Büdinger, Krösus' Sturz. Eine chronologische Untersuchung. Wien 1878. 28. 8.,

und: Der Ausgang des Medischen Reiches. Eine Quellenuntersuchung. Wien 1880. 70 S. 8.

berühren die sachliche Kritik und Exegese Herodot's in so vielen Punkten, dass sie auch in diesem Zusammenhang nicht übergangen werden dürfen. In der ersten werden diejenigen Angaben Herodot's geprüft, auf welche sich die mannigfachen chronologischen Ansätze neuerer Forscher über den Ausgang des lydischen Reiches stützen. Zunächst die scheinbaren Gleichzeitigkeiten. Erstens mit dem babylonischen König Aaßivntos (Nabunita). Darunter sei nicht nothwendig der letzte König dieses Namens (555-538) zu verstehen. Zweitens einer Tyrannis des Peisistratos mit der Botschaft des Krösos. Dies könnte nach der ganzen Erzählung nur die dritte sein, und zwar geraume Zeit nach ihrem Beginn (frühestens 543), während doch bereits 539 der Angriff auf Babylon erfolgte, dem die Eroberung Lydiens und des übrigen Kontinentes voraufgegangen. Auch die dreijährige von Apoll gewährte Gnadenfrist (I 91) lasse sich chronologisch nicht ausnutzen. Erheblicher sei anscheinend die Erwähnung des delphischen Tempelbrandes 548/47, der eines der Weihgeschenke des Königs beschädigte: aber auch hieraus folge nichts weiter als dass das Geschenk vor dem Brande in Delphi angelangt war. Dass ferner Krösos zwei Jahre nach Astyages' Sturz (I 46) seine drei Sendungen an das Orakel begonnen, sei nicht zu verwerthen, weil über das Jahr jenes Ereignisses die Ueberlieferung zwischen 560-556 schwanke. Immerhin folgt doch soviel, dass der Tod des Atys spätetens 556 + 2 = 558 erfolgte, und dass mithin Krösos' erstes Regierungsjahr nicht unter 558,

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sein Fall nicht unter 544/43 herabgesetzt werden darf). Auch die Regierungszahlen der früheren Mermnaden seien als Anhaltspunkte nicht mehr brauchbar, seitdem sie durch die abweichende Datierung des Gyges in den »Annalen des Assurbanipal« erschüttert worden. Alle diese Widersprüche und Ungenauigkeiten erwogen, werde man darauf verzichten müssen Herodot's Arbeit für die Zeitbestimmung von Krösos' Sturz zu verwerthen. Dagegen findet der Verfasser in Xenophon's Darstellung des lydischen und babylonischen Krieges eine haltbare Unterlage für die Aufstellung, dass die Einnahme von Sardis nur 2-3 Jahre vor dem Falle Babylon's, 542--41, stattgefunden, und glaubt mittelst der im Marmor Parium erhaltenen (aber sehr verstümmelten) Datierungen, deren literarische Quelle er auf den Lesbier Phanias und von diesem weiter auf den Lesbier Hellanikos zurückleitet, das Jahr auf den Spätherbst 541/40 bestimmen zu können. Inwiefern aber dies mit solchen Mitteln erlangte Resultat noch für Herodot durchaus günstig« genannt werden könne, will nicht einleuchten, da es namentlich mit der schon oben berührten Stelle I 46 schier unverträglich ist. Auch sind die Erzählungen von Kyros' Anfang bis zu Krösos Einfall in Kappadokien in einer so engen Zeitfolge verkettet, dass sich diese Ereignisse nicht wohl auf 10 Jahre (— 551 als spätestes Jahr der Weihgaben angenommen -) ausdehnen lassen. Uebrigens sollte man bei Herodot in allem Chronologischen sorgfältig sondern zwischen bestimmten Zeitangaben oder zeitlichen Zusammenhängen einer in sich geschlossenen Erzählung, und solchen zeitlichen Verhältnissen, die aus der künstlerischen Gruppierung und Verknüpfung seiner Erzählungen zu einem pragmatischen Ganzen oder aus einer sonst willkürlichen Kombination sich zu ergeben scheinen. Zu jenen gehören im vorliegenden Falle die zwei Jahre in I 46, die Beschädigung des goldenen Löwen beim Tempelbrande (I 50), die 14 Jahre des Krösos (I 86): zu diesen die Beziehung zwischen Krösos und der Geschichte Athen's unter Peisistratos, bei der übrigens auch der wie absichtlich unbestimmte und dehnbare Ausdruck des Autors (τὸ μὲν Ἀττικὸν κατεχόμενον τε καὶ διεσπασμένον úrò llecolorpátov, I 59) eine Fixierung auf ein einzelnes Jahr oder auch nur einen bestimmten Zeitabschnitt nicht rechtfertigen kann.

Aus der anderen Abhandlung ist für unseren Zweck hervorzuheben, dass die zuerst von Niebuhr angeregte Meinung, dass Herodot's Relation über Kyros, obwohl ihm von Persern überliefert, medischen Ursprungs sei, durch eine Zergliederung ihrer Bestandtheile näher ausgeführt und, wie mir scheint, erfolgreich begründet wird. Ihr wird dann die des Xenophon als die nationalpersische Auffassung gegenüber gestellt, wie sie sich im Anfange des 4. Jahrhunderts gestaltet hatte. Den Namen und die Geschichte des zweiten herodotischen Mederkönigs Phraortes erklärt der Verfasser für ein Sagengebilde, entstanden aus der dankbaren Volkserinnerung an jenen Führer des medischen Aufstandes gegen König Dareios, Fravartish (med. Pirruvartis), von dem die Bisitun - Inschrift eingehende Nachricht giebt.

Ηροδότου ἱστορίης απόδεξις. Mit erklärenden Anmerkungen von K. W. Krüger. Zweites Heft (III-IV). Zweite sehr verbesserte Auflage, besorgt von W. Pökel. Leipzig 1881. 192 S. 8.

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Aus Krüger's Marginalien hat der neue Herausgeber eine erhebliche Anzahl von kurzen meist kritischen Anmerkungen nachgetragen, die, wenn auch grossentheils nur Autoschediasmen, doch der Bedeutung ihres Urhebers wegen beachtet sein wollen. Man wird seine Aenderungen selten als nöthig oder wahrscheinlich billigen können, aber sie weisen auf Anstösse, die der im attischen Sprachgebrauch äusserst feinfühlige Verfasser in der überlieferten Textform zu finden glaubte, und wenn sie auch den mit dem Schriftsteller noch wenig vertrauten Leser mehr als billig beunruhigen und stören, so fordern sie den Kenner zu neuer Prüfung und Entscheidung auf. Besonders zahlreich sind wiederum die Athetesen einzelner Wörter und Satzglieder. Davon sind erwähnenswerth : III 33 οἷα πολλὰ ἔωθε ἀνθρώπους [κακὰ] καταλαμβάνειν, 36 ἀπὸ δὲ [ὤλεσας], ibid. ἐκείνους μέντοι [τοὺς περιποιήσαντας, 118 τῶν δὲ τῷ Μάγῳ ἐπαναστάντων ἑπτὰ ἀνδρῶν ἕνα αὐτῶν] Ινταφρένεα, 130 υγιέα μιν [ἐόντα] ἀπέδεξε, IV 66 ἅπαξ δὲ τοῦ ἐνιαυτοῦ [ἑκάστου]. Von sonstigen Aenderungen hebe ich hervor: III 49 εἰσὶ ἀλλήλοισι διάφοροι φθονέοντες (statt ἐόντες) ἑωυτοῖσι, 110 τετριγότα (statt τέτριγε), 117 ἐσδιδόντος τοῦ ποταpou (statt évotoóvtos). Ein grosser Mangel der Krüger'schen Ausgabe μου ἐνδιδόντος). besteht bekanntlich in ihrem ganz willkürlichen prinziplosen Verhalten zu der handschriftlichen Ueberlieferung. Ich finde nicht, dass der jetzige Herausgeber diesen Mangel erkannt oder ihm Wandel geschafft habe. Im Vorwort berichtet er, dass er sich im Besitz der einst für Wesseling gefertigten Kollation des codex Cantabrigiensis oder Askevianus (K bei Wesseling und Späteren) befinde, und auf Grund derselben mehrere Umstellungen (wie z. B. III 2 med.) vorgenommen habe. Sie scheine, den besseren Handschriften folgend, im 3. und 4. Buche wenigstens, welche allein er erst habe genau prüfen können, sich am meisten dem Mediceus (welchem?) anzuschliessen. Er wünsche deshalb, dass zur Vervollständigung des handschriftlichen Apparates auch diese Handschrift von neuem verglichen werden möge. Es ist richtig, sie gehört zur Familie ABC (s. meine praef. p. XVIII), aber als ein jüngerer Ausläufer derselben ist sie ohne allen Belang und wäre für den Apparat eine unnütze Last. Weshalb aber der Herausgeber aus ihr nur einige, nicht alle gleich gut bezeugten Umstellungen (z. B. III 78) entnommen (— gerade die von ihm berufene III 2 geht allein auf den Askewianus zurück und ist darum verwerflich), und unterlassen hat bei der ungleich grösseren Zahl von Stellen, wo der Krüger'sche Text in Anschluss an die älteren Ausgaben interpolierte Lesarten bietet, die echte Ueberlieferung herzustellen, bleibt unerklärt. Als solche Stellen seien um von den vielfachen dialektischen Unzulässigkeiten wie Βάττεω οὖρος ἔσσων ονομάζειν u. dergl. abzusehen auswahlsweise nur folgende angeführt: II 65 un àvaowσapé

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