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Handlung in demselben untergeordneten Verhältnisse, wie der formelhafte Vers ἦμος δ' ηέλιος κατέδυ καὶ ἐπὶ κνέφας ἦλθε. Ebenso haben die ausführlichen Zeitbestimmungen (wie z. B. B 48) für den Fortgang der Erzählung keine selbständige Bedeutung. Der Dichter jedoch, welcher mit sichtlichem Behagen bei der Schilderung der Vorkommnisse der Natur verweilt um ihrer selbst willen, bedient sich deshalb mit Vorliebe des parataktischen Satzgefüges.

C) Als Vertreter von kausalen Nebensätzen erscheinen dem Hauptgedanken vorausgestellte Sätze z. Β. ν 13 εἵματα . . κεῖται . . ἀλλ ̓ ἄγε δῶμεν. D) Ebenso treten parataktisch vorausgestellte Sätze für adversative oder konzessive Nebensätze ein z. B. γ 262, Α 389 (τὴν μὲν γάρ — τὴν δέ).

So steht die parataktische Satzfügung mit dem ganzen Wesen der homerischen Sprache im Einklange, welche stets bemüht ist, die in der Seele aufsteigenden Gedanken unmittelbar wiederzugeben, ohne dieselben erst zu einem nach logischen Verhältnissen in sich gefügten Komplex zu ordnen und zu verbinden. Ferner dient die Parataxis dem Zwecke der Anschaulichkeit, welche ein wesentliches Erfordernis aller Poesie ist. Drittens hat man in ihr Reste alter einfachster Redeweise zu erkennen.

So verdienstlich auch vorliegende Arbeit erscheint, würde dieselbe dennoch nach Ansicht des Referenten noch bedeutend an Wert gewonnen haben, wenn der Verfasser sich nicht mit dem von ihm aufgestellten, äusserlichen Gesichtspunkte der »parataktischen Vorausstellung« begnügt hätte, sondern auch auf das wesentlichere Princip der Scheidung der Parataxis in eine natürliche und rhetorische eingegangen wäre. Während die erstere, bekanntlich aus einer gewissen Bequemlichkeit im Denken entsprossen, die Gedanken an einander reiht, unbekümmert, in welchem logischen Verhältnisse dieselben zu einander stehen, ein Ueberbleibsel der ursprünglichen, im ersten Stadium der Entwickelung stehenden Sprache, so verfolgt die rhetorische oder künstliche Parataxis den Zweck, einen Gedanken, der einem andern als blosses Glied inhaerieren sollte, der Form nach diesem gleichzustellen und nachdrücklich hervorzuheben (vgl. Kühner a. a. O.). Dieselbe wird absichtlich angewendet, um der Rede ein grösseres Gewicht zu geben oder der Darstellung grössere Lebhaftigkeit zu verleihen. Es war also nach diesem Princip an jedem Beispiele zu untersuchen, ob eine natürliche oder künstliche Parataxis vorliege und welches die Gründe der Anwendung in dem einzelnen Falle seien. Weil nun ferner mit Entschiedenheit anzunehmen ist, dass der Gebrauch der Parataxis ein dem Dichter durchaus bewusster und beabsichtigter ist, so müssen wir uns hüten, die von dem Dichter durch dieselbe beabsichtigte Lebhaftigkeit und Energie der Darstellung in der deutschen Uebersetzung durch subordinierte Satzverhältnisse abzuschwächen, da auch wir im Deutschen zur Erreichung desselben Zweckes uns der parataktischen Redeweise bedienen.

Jahresbericht über Homer

von

Dr. Gustav Hinrichs, Dr. C. Thiemann, Dr. C. Rothe und Dr. Otto Braumüller

in Berlin.

III. Höhere Kritik. 1879. 1880.

Von

Dr. C. Rothe

in Berlin.

Sollte

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SO

Da mir das Anerbieten zur Uebernahme dieses Jahresberichtes erst im Herbst des vorigen Jahres gemacht wurde, zu einer Zeit, Wo ich selbst durch Berufsarbeiten auf's Aeusserste in Anspruch genommen war, so ist es mir nur sehr schwer möglich gewesen, beide Jahrgänge so durchzuarbeiten, dass die Besprechung sich auf alle in diesen Jahren erschienenen Bücher, soweit sie unser Gebiet berühren, ausdehnte. daher etwas übersehen sein ich hoffe nichts von Wichtigkeit bitte ich dies mit den gegebenen Umständen zu entschuldigen. Ich würde vielleicht, wie mein geehrter Herr Mitarbeiter Dr. Hinrichs, der sich in gleicher Lage mit mir befand, den Jahrgang 1879 ganz haben ausfallen lassen, wenn nicht in diesem Jahre gerade zwei Bücher von der grössten Bedeutung für unsere Frage erschienen wären, die füglich in einer Zeitschrift, welche sich zur Aufgabe gestellt hat, die Fortschritte der klassischen Altertumswissenschaft zu verfolgen, ohne Nachteil nicht unbesprochen bleiben durften: ich meine »Haupt als akademischer Lehrer<< von Belger und » Kirchhoff's Odyssee « in zweiter Auflage. Ein möglichst genaues Referat über diese beiden Werke (über das erstere natürlich nur, soweit es uns angeht) wird manche Lücke in der Besprechung unbedeutender, namentlich ausländischer Schriften weniger empfindlich erscheinen lassen. Ich beginne mit

1) Moritz Haupt als akademischer Lehrer. Mit Bemerkungen Haupt's zu Homer, den Tragikern, Theokrit, Plautus, Catull, Properz, Horaz, Tacitus, Wolfram von Eschenbach und einer biographischen Einleitung von Christian Belger. Berlin 1879*).

Uns interessieren hier nur Haupt's Bemerkungen zur Ilias, insofern sie eine wertvolle Ergänzung zu seinen »Zusätzen zu Lachmann's

*) Unter den verschiedenen Besprechungen, welche das Buch erfahren hat, vergleiche besonders die von Hinrichs in der Zeitschr. f. d. Gymnasialw. XXXIV (1880) 2. 3. S. 178-198.

Bemerkungen zur Ilias bilden. Sie sind wesentlich aus seinen Vorlesungen über die Ilias geschöpft; seine Schüler werden sich derselben gern erinnern, und für andere werden sie nicht ohne Wert sein. Haupt war neben Lachmann der Hauptvertreter der Einzelliedertheorie. »Vor der Sammlung wurden einzelne Stücke der homerischen Poesie vereinzelt gesungen. Was zunächst gesungen ward, brauchte nicht das zu sein, was im Zusammenhange der Begebenheiten zunächst folgte. Dies ist überall die älteste Weise des Vortrages epischer Lieder. Die einzelnen Stücke konnten nicht unverständlich sein. Die Sagen, die das Epos erzählte, waren dem Volke bekannt, es kannte die Personen, die in den einzelnen Liedern auftraten, es verstand die Beziehungen auf andere Lieder, die Bedingungen der Begebenheiten durch vorhergehende; es reihte das Einzelne in den allgemeinen Zusammenhang ein. Auch muss man sich denken, dass ein Sänger wohl auch seinen Gesang vorher mit einigen Worten ankündigte« (S. 175). Diese Worte, welche Haupt der Einleitung zur Ilias vorauszuschicken pflegte, enthalten seine Grundansicht über das Volksepos. Er begründete diese Ansicht durch verschiedene Beispiele anderer Völker; ja die homerischen Gedichte selbst legen davon Zeugnis ab (a 325, 9 75 und 499). Die Einheit einer solchen Dichtung geht nicht von einem einzelnen Poeten aus, sondern von der Sage, dem gemeinsamen Dichten (ohne Form und ohne Lied) des Geistes aller, welchen die Einzelheiten überliefert sind, die sich dann, und oft auch ganz fremdartige, unter die unwillkürlich entstandene Einheit fügen. Die Sammlung der Lieder zur Ilias in der Form, in welcher wir sie jetzt haben, geschah unter Pisistratus. An dieser Ansicht Lachmann's hielt Haupt für die Ilias fest (S. 180), obwohl er die Untersuchungen Kirchhoff's, die zu einem ganz anderen Resultate führten, kannte und, soweit sie die Odyssee anlangten, auch billigte.

Es mögen nun einzelne Beispiele folgen, wie Haupt Lachmann's Ansichten ausführte. Besonders wichtig ist seine Ausführung über das Verhältnis des zweiten Buches zum ersten (S. 188): »Der Ton des ersten und zweiten Liedes ist im Ganzen derselbe; das alte Volksepos, eben weil es nicht aus Individualitäten hervorgeht, sondern aus volksmässiger Gemeinsamkeit, hat bei jedem Volke lange Zeit hindurch denselben Stil, selbst bei Stammestrennung. . . Daraus also, dass der Stil derselbe ist, lässt sich weder bei der Ilias noch bei der Odyssee, noch sonst bei einem volksmässigen alten Epos das mindeste folgern für die Einheit des Dichters. Vielmehr sind neben der allgemeinen Uebereinstimmung grade die einzelnen Unterschiede und Abweichungen in Wortgebrauch und Darstellungsweise wichtig, wenn sie auch an sich zum Teil nicht sehr erheblich scheinen können.

Zwischen dem ersten und zweiten Liede findet in der Sprache kein auffälliger Unterschied statt; einzelne ana sipyμéva hat jedes Buch der Ilias; nur wo sie sich häufen oder durch ihre Art auffallen, können sie

etwas zur Entscheidung beitragen. In der Darstellung aber ist zweierlei für das zweite Lied charakteristisch und abweichend von der Art des ersten Liedes: 1) Die altertümliche, durch das ganze Lied sich gleichbleibende Weise, mit der die Erfolge plötzlich hervortreten, die inneren Ansichten, Gedanken, Entschlüsse verschwiegen oder nur flüchtig angedeutet werden. ... Nicht so das erste Lied, wo die Motive der Handlungen in den Gesprächen gerade sehr ausführlich dargelegt werden. 2) Die Gleichnisse. Die Gleichnisse des ersten Liedes, deren nur zwei sind, sind kurz und unausgeführt 47 ὅ δ ̓ ἤιε νυκτὶ ἐοικώς, 104 ἴσσε δέ οἱ πυρὶ λαμπετόωντι ἐίκτην, und hier sieht man, dass diese Weise auf die Fortsetzer eingewirkt hat. In der ersten Fortsetzung steht gar kein Gleichnis, in der zweiten nur 359 καρπαλίμως δ ̓ ἀνέδυ πολῆς ἁλὸς húτ' óμéxiŋ. — Im zweiten Liede fand zwar ursprünglich nicht die Menge ἠύτ ̓ ὁμίχλη. von Gleichnissen statt, die wir jetzt darin erblicken, aber doch Gleichnisse genug, und alle ausgeführt, so dass man sieht, der Dichter dieses Liedes hat seine Freude daran, und diese Manier war ihm geläufig (vergl. Vss. 87 ff., 147 ff., 206 ff., 304 ff., 455 ff, 469 ff., 480 ff.). Das Lied schliesst sich mit den drei Gleichnissen ebenso absichtlich ab, wie sich das erste abschliesst mit der Erzählung des Erfolges der vielen Gespräche. Ergebnis: 1) Das zweite Lied ist ein Lied, das zu denen vom Zorne des Achilleus gehört. 2) Sein Inhalt folgt auf den Inhalt des ersten Liedes. 3) Es schliesst sich nicht genau an das erste Lied an. 4) Es enthält eine Anspielung, die im ersten Liede keine Beziehung findet. 5) Es ist abweichend in der Form der poetischen Darstellung. 6) Es ist von einem anderen Dichter.<<

Als Beispiel der Art, wie Haupt Lachmann's Forschungen ergänzte, diene das folgende: »Mit H 313 beginnt ein Stück von etwas über 400 Versen, das ungeschickt und unklar eine Menge von Dingen zusammendrängt. Schon Hermann hat in der Vorrede zu den Hymnen p. VII bemerkt, dass hier nicht ursprüngliche und gute Poesie, sondern missratene Arbeit eines Nachahmers vor uns liegt. Hermann redet vom Anfange des achten Buches (0), aber was er sagt, gilt offenbar schon vom Schlusse des siebenten Buches ( 313 ff.)«. Auffällig ist nach Haupt 1) die grosse Hast in der Zeitrechnung. Der H 433 beginnende Tag dauert bis 465. An diesem Tage bauen die Achaeer ihren Grabhügel und ihre Mauern. Was thun denn die Troer? Davon erfahren wir kein Wort; sie thun eben gar nichts. Und doch ist der Waffenstillstand nur für das Verbrennen der Toten bestimmt (H 395 f. 408 f.). Sind die Troer nicht ganz und gar thöricht, über die Zeit der geschlossenen Waffenruhe hinaus gelassen und ruhig die Achaeer ihre Mauern bauen zu lassen? 2) Von dem Bau der Mauer ist H 436 - 441 erzählt. Sie wird an dem H 433 beginnenden und 465 endenden Tage gebaut. Und nicht etwa nur begonnen wird die Mauer, sondern vollendet, H 449 und ganz deutlich 465. Die Mauer aber hat hohe Türme, wohlgefügte Thore, einen

breiten und tiefen Graben mit Schanzpfählen. Dennoch ist sie gebaut an einem Tage vom Morgen bis Abend! Und die Erzählung ist nicht etwa wunderbarlich und märchenhaft gehalten: offenbar soll alles ganz natürlich zugehen. Und wir haben ein Epos vor uns, nicht ein Drama, das die Zeit in energischer Unmittelbarkeit zusammendrängt. Dieses unverständige und unepische Uebermass von Leistungen eines Tages sieht auf ein Haar ähnlich einem späteren Hinzudichter, der in grosser Geschwindigkeit abthut, was ihm anzubringen nötig deuchte. 3) ist auffällig das viermalige Essen in diesem einen Stück, 4) das viermalige Blitzen und Donnern: Zeus ist wie ein Theatermaschinist; zugleich ist H 477 ff. unklar im Ausdrucke, und Zeus weiss nicht recht was er will«. 5) > Lachmann merkt mit Recht an, dass dreimal in denselben engen Grenzen etwas beinahe geschieht. Damit muss die Poesie notwendig sparsam sein. Man darf aber nur, was Lachmann nicht erst der Mühe wert gehalten hat, diese drei Stellen vergleichen, um die dürftigste Armseligkeit auch in der Darstellung zu erkennen: 90 Nestor hätte beinahe sein Leben verloren, 130 die Achäer wären beinahe in Ilion eingesperrt worden, wie Lämmer, 217 Hektor hätte beinahe die Schiffe der Achäer angezündet. Zu diesen starken Ungebürlichkeiten kommt nun noch, dass das ganze Stück nirgends Ordnung, Ruhe, Klarheit hat. Was Hermann vorlängst ausgesprochen hatte, dieses Stück sei ein Beispiel elendes Nachahmerstiles (womit sich wohl verträgt, dass Einzelnes ganz hübsch ist und der Ton der Sprache der allgemein epische), das ist ganz unzweifelhaft. Durch Lachmann's zusammenhängende Untersuchung musste nun aber auch erkannt werden, wodurch denn das Zusammenpfuschen und Einschalten veranlasst ward. Dieses Stück reicht bis 252; gleich mit dem folgenden Verse wird alles licht und schön und zusammenhängend (ἔνθ ̓ οὔτις πρότερον Java@v xt).). Mit dieser Zeile beginnt das siebente Lied (denn H 313 bis 252 lässt sich gar nicht ein Lied nennen). Aber dieses schöne siebente Lied entbehrt des Anfanges. Dieser fehlende Anfang ist in dem verwerflichen Stücke hinzugedichtet. . . . An sich liess es sich wohl denken, dass vom siebenten Liede schon in früher Zeit vor der Vereinigung der Ilias sich der Anfang verloren und von einem wenig begabten Sänger ergänzt wurde. Allein viel wahrscheinlicher ist es, dass erst bei der Zusammenfügung der einzelnen Lieder zu unserer Ilias oder wenigstens erst vor der vielleicht schon früher eingetretenen Vereinigung mehrerer Lieder dieses Stück hinzukam. In diesem verwerflichen Stücke wird, freilich mit abenteuerlicher Uebertreibung der Schnelligkeit, von dem Mauerbau der Achäer erzählt. Im siebenten Liede aber kommt gar keine Mauer vor, sondern nur ein Graben (und dies ist ein neuer Beweis gegen das Alter des Stückes); aber später (in M) wird die Mauer wichtig. Damit nun diese vorher gar nicht erwähnte Mauer, deren plötzliche Erwähnung dort im Einzelliede gar nicht aufJahresbericht für Alterthumswissenschaft XXVI. (1881. I.)

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