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vorhanden und hält doch mit Recht den jetzt fossilen Ochsen, den Urus der Deutschen bei Cäsar, für den Stammvater unseres Rindes. Und haben nicht verschiedene Länder, Indien, Ungarn, Amerika u. s. w. eingeborene Rinder als Hausthiere? Und wilde eingeborenen Pferde, nicht verwilderte, wie in Amerika, gab es noch zu Plinius Zeiten im Norden, in Scythien [auch, sogar später noch, in Spanien], heerdenweise, wie sie sich jetzt noch jenseits des kaspischen Meeres finden. Auch das Geburtsland des Hundes ist nicht zu ermitteln (in Amerika und Europa dieselbe Rasse). Unser Schwein stammt vom einheimischen Wildschwein (so urtheilt schon Varro [ebenso Brehm]). Bleibt nun hier Alles unsicher oder im Widerspruch, so sind wir nicht zu kühn, wenn wir annehmen, der Weinstock, das edelste Gewächs, ist ursprünglich daheim in allen Regionen, wo er überhaupt gedeihen kann; gleichsam neu geschaffen wurde er, nachdem der Mensch sein Wesen erkannt hatte und ihn genoss, benutzte und veredelte. Veredlung bedarf er überall, in den weniger günstigen Gegenden die meiste; der Schnitt ist zur Vollkommenheit der Früchte nothwendig. Wir behaupten, die alten Deutschen genossen am Rhein ausser dem Feldobst, als Aepfeln, Birnen, Schwarzkirschen, Pflaumen u. s. w. und neben den übrigen Beeren auch Trauben, soweit sie essbar waren. Wann und wie soll das Getreide aus Asien gekommen sein, das schon in der Steinzeit, die auf 70 Jahrhunderte zurückgeht, in den Pfahlbauten als Weizen, Gerste, Hirse u. s. w. gefunden wird? Und wenn sich vollends bestätigen sollte, dass die Natur den Menschen zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten hervorgebracht habe, so verlöre der Gedanke von Thieren und Pflanzen, die den Menschen begleitet haben sollen, seine hauptsächlichste Bedeutung.

Der Weinstock ist älter als alle Geschichte, älter als die Menschheit auch an der Grenze seines nördlichen Gebiets in Deutschland; seine Blätter und Früchte zeigt das Braunkohlenbergwerk zu Salzhausen in der Wetterau. Die Thäler des Rheins, der Donau, des Amur am Ostende Asiens, Italien, Sicilien, Portugal, Mexico und Nordamerika weisen wild wachsende Reben auf, mit guten und mit schlechten Beeren (Bronner sammelte und cultivierte 36 wilde Sorten mit verschiedenem Erfolg; ihre Trauben ungeniessbar, mittelmässig, gut und vorzüglich). Jene geben überall Wein, in Deutschland wie am Orontes. Verwildert will man sie nennen, aber der Beweis dafür fehlt, und auch Candolle findet die Unterscheidung zwischen cultivée und spontanée unthunlich, wiewohl er doch alsdann wieder Armenien für die patrie originaire de l'espèce erklärt. Und warum soll hier das Vaterland sein, also von hier aus die Pflanze sich verbreitet haben? Antwort: weil dort die gewaltigsten Weinstöcke von Menschendicke und Baumhöhe ungepflegt die grössten Trauben von gutem Geschmack hervorbringen. Aber ähnlich wachsen sie in Campanien, am kaspischen Meer, in Kaschmir, am Libanon, wo

Schulz ... eine halbfussdicke Rebe mit 12 Pfund schweren Trauben fand. Und Meyen dagegen sucht in Cyrenaica das Vaterland. Nein, die übergrosse Naturkraft und Fülle des Wachsthums entscheidet hier nicht; in mässigem Klima, auf künstlich verbessertem Boden, von kleinen Trauben, werden in guten oder besten Jahren die köstlichsten, theuersten Weine der Welt gezogen. Der Geist des Menschen feiert hier seine Triumphe. Der gezähmte Stier, der Genosse der europäischen Menschen, hat gegen den Urstier, seinen Stammvater, eine gesteigerte Kopfbildung, rundere Stirne, mehr nach vorn gekehrte Augen, vollkommeneren Gehörgang und kleinere Hörner; ebenso veredelt sich der Weinstock unter der Hand des Menschen, während der wilde, mit geringeren Früchten in's Ungeheuere auswächst. Ungepflegt, wie auch aus Samen gezogen, bringt er verhältnissmässig geringere Früchte, gleich unserem jetzt veredelten

Obste.

Die Frage über wild und verwildert ist im einzelnen Falle nicht zu entscheiden. Ja der botanische Unterschied zweier Gattungen, den schon die Alten machten, den unsere botanischen Lehrbücher noch immer fortführen, nämlich zahm und wild, Vitis vinifera und Vitis labrusca, steht auf schwachen Füssen. Die labrusca oder silvestris soll kleine und unschmackhafte Beeren tragen, aber die verwilderte Rebe hat sie ebenfalls; dass sie auch unfruchtbar sei, sagen Alte und Neue; wirklich nur männlich blühende hat Bronner gefunden. Denkt man sich aber unter der labrusca oder silvestris eine zum Wein unbrauchbare Art, so ist das mehrfach widerlegt. Die Catawba und die Herbermond, nach Darlington Varietäten der in den nördlichen Unionsstaaten, nicht in Virginien, eingeborenen Vitis labrusca, hat man den dort nicht gedeihenden europäischen Sorten der Vitis vinifera mit bestem Erfolg substituiert, während auf der californischen Seite Weinberge mit europäischen Reben prosperieren. Der nordamerikanische Weinstock wetteifert aber in der Grösse mit denen von Vorderasien. Und wenn als Charakter der labrusca Wolle oder Flaum angegeben wird, so haben diesen auch andere Reben, schon bei Plinius, und Link setzt mehrere wilde Arten voraus nach der Behaarung.

Ist nun der Weinstock ... überall in den geeigneten Klimaten der Erde daheim, hat er seine Menschen überall, wo es geschehen konnte, erwartet, um von ihnen seine Vollendung zu empfangen, wozu denn auch die Erweiterung des Gebietes seiner Cultur nach allen Seiten innerhalb seiner Zone und über dieselbe hinaus zu rechnen ist, so kann die Frage nicht mehr auf die Herkunft desselben gerichtet werden, sondern lediglich auf die Geschichte des Anbaues der Rebe und der Fertigung des Weines. Die ... offenbar verwandten Namen des Weines in mehreren Sprachen scheinen auf den Orient zu deuten, und es ist auch das Natürlichste und Wahrscheinlichste, dass diejenigen Länder, in welchen der Weinstock in grosser Vollkommenheit und Fülle ungepflegt aufwächst,

zuerst durch Zufall oder Reflexion, auf die Weinbereitung und auf die Cultur der Rebe gekommen sind. Allein ob diese Kunst von Einem Punkt ausgegangen sei... oder ob unabhängig an verschiedenen Orten die Entdeckung gemacht worden, dies bleibt unentschieden. . . .«

[Also, Reben sind an sehr vielen Orten der Welt spontan entstanden. Auch in den uraltitalischen Terremare hat sich die unveredelte Rebe gefunden; aber die Cultur des Weines, die Erfindung der Weinbereitung dürfte denn doch aus dem inneren Vorderasien stammen, wohin ja auch die Sagen von Noah und von Dionysos weisen. Die Chinesen hatten nach S. 9 ausdrücklich die Tradition, dass ihre Reben aus dem Westen zu ihnen gebracht worden seien. Für den griechischen und römischen Weinbau speciell ist wenig oder nichts neues aus dem Buche zu lernen; es dürfte dies mit der Nichtbenutzung der speciellsten Vorarbeiten zusammenhängen. Man vermisst nämlich z. B. das ausführliche Buch von Magerstedt, Weinbau der Römer, Sondershausen 1858, 224 S. 8. und eine Reihe von Specialabhandlungen. Ausserdem wäre Vambéry, primitive Cultur des turkotatarischen Volkes (1879) S. 219 zu beachten gewesen, wo behauptet wird, dass ausser den Gegenden südlich vom Südrand des kaspischen Meeres jedenfalls noch die Oasenländer östlich von diesem Meere als Heimat des Weinstocks anzusehen seien. Weiter war hinsichtlich Armeniens wohl zu beachten, dass Koch (der jahrelang dort war) selbst bei den jetzt mitten in Wäldern wachsenden sogenannten wilden Weinstöcken ein deutliches Zeichen ursprünglicher römischer Cultur wahrgenommen hat*), sofern sie in der Quincunxform gepflanzt sind, die uns aus den lateinischen Landwirthschafts-Schriftstellern so bekannt ist. Die griechische Dionysoslegende endlich dürfte auf uralten, vielleicht urältesten Weinbau in Kaschmir oder einem andern Lande nördlich von Indien zurückgehen.]

Alexander Del Mar, formerly Director of the Bureau of Statistics of the United States, A history of the precious metals from the earliest times to the present. London 1880. 373 S. 8.

Das Buch ist für die Kulturgeschichte überhaupt von grossem Interesse. Die Vorrede ist datiert aus San Francisco in Californien, und der Autor sass also vollständig »an der Quelle«, als er seine Geschichte und Naturgeschichte des Gold- und Silbergrabens schrieb. Welche Masse von teuflischem Verrath, cannibalischer Grausamkeit und Mordgier, er

*) Anders freilich urtheilt auch Grisebach in der Recension von V. Hehn's Kulturpflanzen in den Göttinger gel. Anz. 1872 S. 1773: » Ganz verschieden verhalten sich die Sprossen verwilderter Weinstöcke auf verlassenen Weinbergen, als die Reben in den Wäldern des Pontus; die ersteren dringen nicht ein in die Formationen der ursprünglich einheimischen Vegetation«. Es wäre zu wünschen, dass die Botaniker selbst über diese Verwilderungsfrage einig würden.

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bärmlichster Niedertracht überhaupt tritt uns in diesen Blättern entgegen! Wer sich überzeugen will, welcher Fluch am Golde haftet, dem rathen wir in diese blutrünstigen Geschichten einen Blick zu werfen. Aber die schrecklichsten Geschichten sind nicht aus dem Alterthume, und wir haben uns hier bloss mit diesem zu beschäftigen. Im Ganzen sind jedoch eben die vielen Parallelen, die uns aus dem Mittelalter und der neuesten Zeit für Berichte des Alterthums geboten werden, von ungemeinem Werth auch für einen Philologen, dem es um die Kritik der antiken Berichte zu thun ist. Ich will nun einige der wichtigsten Sätze herausheben, ohne entfernt damit alles erschöpfen zu können.

Ein Hauptgedanke des ganzen Buches ist, dass die meisten sehr grossen Umwälzungen in der Weltgeschichte auf der Goldgier des Menschen beruhen. Nicht bloss von Columbus, der eigentlich Japan's Gold haben wollte, und von ähnlichen sicheren Goldraubzügen *) oder Argonautenfahrten gilt dies, sondern auch von den Kriegen Alexander's gegen Persien, Rom's gegen Hannibal (um Spanien), Cäsar's gegen Gallien: in allen handelte sich's im Grunde um Gold und Silber. Bei Alexander, der allerdings eine fast völlig leere Casse hatte, als er gegen Darius zog, ist dies nicht unwahrscheinlich; auch Cäsar hatte, als er gegen die Gallier rückte, Schulden genug, so dass beim Triumphzug die Soldaten auf ihn sangen:

Aurum in Gallia effutuisti, hic sumpsisti mutuum.

Und dass den Römern beim Kampf mit Karthago das Monopol der spanischen Gold- und Silberbergwerke und des äusserst lucrativen Handels nach Indien Hauptsache gewesen ist, wird man dem Verfasser auch zugeben.

2) Ein sehr interessanter und evident nachgewiesener Satz ist es ferner, dass bei freier Arbeit die Gold- und Silberproduction nicht lohnend sei, nur bei Sklavenarbeit. Nur bei grausamster Ausnutzung der Arbeiter wie dies ja auch aus dem Alterthum überliefert ist konnte ein ansehnlicher Gewinn erzielt werden.

3) Die gewöhnliche Folge grosser Goldausbeute ist für das betreffende Volk grosse Demoralisation: dies wird u. a. an dem Zeugniss der Alten über die Entartung der Lydier und an der Selbstmord- und Verbrechenstatistik von Californien nachgewiesen.

4) Mit grellen Farben wird aus eigener Anschauung die furchtbare Zerstörung fruchtbaren Landes geschildert, eine Zerstörung für die Ewigkeit, in Folge der rücksichtslosen Ausbeutung durch die Goldgräber: meilenweit und ellenhoch wird der Humus unter Geröll vergraben, die schönsten Waldungen vernichtet, segensreiche Ströme trocken gelegt.

*) Gold, Gewürze und Sklaven waren der Zweck der spanischen Ent

deckungszüge.

Daran ist namentlich der hydraulische Minenbetrieb schuld, den wir aber schon im antiken Spanien finden. Solche Golddistrikte verfallen ewiger Verödung und Unfruchtbarkeit. Auch die Gegend des Paktolos an der Stelle des alten Sardes bietet, wie ich aus Augenschein hinzufügen kann, das Bild einer kleinen Wüste.

SO

6) Die merkwürdige Angabe des Agatharchides, dass der Silberwerth in Altarabien einst das Zehnfache vom Goldwerth betragen habe, erscheint dem Verfasser nicht unmöglich, wenn man sie durchaus auf den Orient und auf die Zeit vor Erschliessung der griechischen Silberbergwerke bezieht; und er stützt dies wieder durch eine Parallele, fern in Peru zur Zeit der ersten Landung der Spanier das Gold weniger werth war als das Kupfer. Ich verweise übrigens auf Schliemann's Ilios S. 525 f., woraus erhellt, dass es auch in Vorderasien selbst, ganz abgesehen von Laurion, Silber genug gegeben haben muss. Es kann sich also nur von einem völlig ausser dem gemeinen Verkehr stehenden Bezirke Altarabiens handeln.

Weitere Einzelheiten will ich nicht anführen. Damit aber der Leser dieser Anzeige doch einen vollständigen allgemeinen Ueberblick über das ihm wahrscheinlich noch nicht zu Gesicht gekommene Buch erhalte, will ich jetzt noch die Ueberschriften der einzelnen Capitel, in welche es zerfällt und deren fast jedes auch einen grösseren oder kleineren Passus über das classische Alterthum, mindestens wichtige Analogien dafür, enthält, mittheilen.

I. Die Argonauten des Alterthums.

II. Gold- und Silbergewinnung im früheren Alterthum.

III. Kämpfe um die spanischen Bergwerke.

IV. Römische Kriege um Gold und Silber.

V. Gold- und Silbergewinnung im Mittelalter.

VI. Amerika; Anhang: Spanische Münzen, Gewichte und Werthverhältniss von Gold und Silber zueinander in der Periode der Entdeckung.

VII. Die Jagd nach Gold in Hispaniola.

VIII. Des weissen Mannes Gott; Anhang: Grausamkeit der Europäer.

IX. Darien.

X. Panama.

XI. Mexico. Anhang: Amerikanischer Glaube an einen Messias.
XII. Yucatan und Honduras.

XIII. Guatemala.

XIV. Pizarro.

XV. Peru.

XVI. Brasilien. Anhang: Notizen zum Verzeichniss der Goldproduction Brasiliens.

XVII. Japan.

XVIII. Die spanisch-amerikanische Revolution.

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