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Die Fabel stammt aus Ariostos „Rasendem Roland“. Ein Kampf zwischen Liebe, ritterlicher Ehre und Freundestreue ist die bewegende Kraft der Handlung. Die Heldenjungfrau Bradamante, die heimlich mit Roger verlobt ist, soll den byzantinischen Fürsten Leo heiraten; doch muß dieser Bewerber sie vorher im Kampfe besiegen. Leo kann nicht hoffen, den Kampf siegreich zu bestehen, aber sein Freund Roger, der ihm verpflichtet ist, wird in seinen Waffen für ihn kämpfen. Roger siegt und erwirbt Bradamante dem Freunde. Bei der Verzweiflung der beiden Liebenden löst Leos Edelmut den Konflikt durch seinen großmütigen Verzicht.

In diesem Ritterstücke kommt Garnier, ohne gelehrtes Wissen vorauszusehen, unmittelbar dem Verständnis der Zuschauer oder Leser entgegen.

Wenig wertvolle Vorarbeit hat das 16. Jahrhundert für die glänzende Entwickelung des französischen Lustspiels im 17. Jahrhundert geleistet. Das Lustspiel unterscheidet sich wesentlich darin von der klassischen Tragödie, daß es in der Gegenwart spielt, nicht in einer idealen Welt, die sich der Dichter erschafft, daß es ein Spiegelbild des wirklichen Lebens in der Darstellung der Charaktere und Sitten sein soll. Als die Erneuerer der französischen Dichtung sich auf das Gebiet des heiteren Schauspiels wagten und die heimischen Erzeugnisse, Farcen und Sottien, verächtlich behandelten, verkündeten sie natürlich auch hier die Notwendigkeit, den klassischen Vorbildern des Altertums zu folgen. Aber die Nachahmung durfte weniger sklavisch ausfallen als bei der Tragödie. Die ersten Komödien aus der neuen Schule zeigten doch große Verwandtschaft mit den einheimischen älteren Erzeugnissen. Auch das alte heimische Lustspiel hatte seine Charaktere, Handlungen und Sittenschilderungen nach dem wirklichen Leben gebildet: aus derselben Quelle komischer Inspiration mußten die Lustspieldichter der neuen Schule schöpfen. Die dramatischen Versuche der Neuerer erheben sich keineswegs durch sittlichen Gehalt über die alten Farcen: die antiken Vorbilder selbst und die Lustspiele der Italiener, die vielleicht noch mehr als die Werke eines Plautus und Terenz der Erneuerung des französischen Lustspieles als Muster dienten, sind moralisch ebenso anfechtbar. Was das Lustspiel in den Versuchen der neuen Schule vor den alten Farcen als ein wirklicher Fortschritt auszeichnet, ist der Umstand, daß anstatt der lose aneinander gereihten Szenen eine in Akte und Szenen geteilte, um einen dramatischen Kern gruppierte Handlung tritt. Auch ist die Sprache im ganzen gewählter und feiner. In der Beibehaltung des achtsilbigen Verses schloß man sich der älteren heimischen Überlieferung an, doch bald gibt man, wie die Italiener, der Prosarede den Vorzug.

Auch beim Lustspiel fing man mit Überseßungen an. Die „Suppositi" Ariostos waren 1545 von Jacques Bourgeois, 1547 von Charles Estienne übertragen worden, etwas später folgte der,,Negromante" desselben italienischen Dichters. Die erste Originalkomödie in französischer Sprache war dagegen Jodelles,,Eugen“ (1552).

Eugen, ein reicher Abt, lebt mit Alix und ihrem Mann, dem Einfaltspinsel Guillaume, in behaglicher Eintracht. Da kommt Florimond, der ehemalige Liebhaber der Alix, aus dem Felde zurück und macht alte Ansprüche geltend. Aber Jean, der Kaplan Eugens, bringt die Sache wieder ins Gleiche: Helene, eine Schwester Eugens, für die Florimond einmal geschwärmt hat, ist aus Gefälligkeit gegen ihren Bruder bereit, dem Kriegsmann freundlich zu begegnen, und dieser verzichtet auf Alix. Um endlich deren Gatten von einem lästigen Gläubiger zu befreien, überläßt der Abt dem Sohn des Gläubigers eine Pfründe. So sind alle zufriedengestellt.

Das Stück, das wie so manches klassische Lustspiel mit einer vergnügten Kneiperei der Beteiligten schließt, hat keine satirischen Absichten: man soll sich einfach belustigen, ob dabei die Moral zu kurz kommt, ist gleichgültig. Im Prolog rühmt Jodelle die Selbständigkeit seiner Erfindung und den heimischen Charakter seiner Komödie, die aber nichts gemein habe mit den Stücken jener Possenreißer (farceurs), die sich auf ihren allegorischen Plunder etwas zu gute thun.

Das Lustspiel des 16. Jahrhunderts in Vers und Prosa.

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Eine versteckte Nachahmung des „Eugen“ ist Jacques Grévins (1538—70) „Schaßmeisterin" (La Trésorière, 1558), worin,,die Liebschaft und gewohnte Schlauheit einer artigen Schaßmeistersfrau" dargestellt wird. Eine zweite Komödie Grévins, „Die Verdußten“ (Les Esbahis, 1559), zuerst im Kolleg Beauvois am 16. Februar 1560 aufgeführt, eine unsaubere Liebesintrigue, in der weder im Inhalt noch im Ausdruck Sitte und Anstand gewahrt sind, war eine Bearbeitung des Sacrifice" von Charles Estienne (1543 nach dem italienischen ,,Sacrifisio" der,,Intronati“ zu Siena). Höher steht ein Versuch Remy Belleaus, der in der ,,Wiedererkannten" (La Reconnue) ein altes Motiv der griechisch-römischen Komödie aufnimmt.

Es wird darin, nach der „Andria“ des Terenz, die Wiedergewinnung eines verlorenen Kindes dargestellt, aber zeitgemäß gewendet, denn die Handlung geht von der Plünderung der Stadt Poitiers (1562) aus, wobei ein junges Mädchen von einem Hauptmann gerettet wird. Der junge Krieger liebt die Gerettete, überläßt seinen Schüßling aber, vom Dienst des Königs nach Hause gerufen, einem Pariser Advokaten. Die Frau des Advokaten wird eifersüchtig auf ihren Mann, der seinen Schreiber mit dem Mädchen zu verheiraten gedenkt. Ein anderer junger Advokat hat die Neigung Antoinettens gewonnen, aber er darf nicht offen um sie freien. Zum Überfluß kommt noch der totgeglaubte Hauptmann aus Havre zurück. Alles ist in Verwirrung, als das Glück einen alten Edelmann aus Poitou in das Haus des Anwalts bringt, der in Antoinette seine verlorene Tochter erkennt, sie dem jüngeren Advokaten nebst einem einträglichen Amte gibt und auch den Hauptmann bei der Armee gut versorgt.

Diese Komödien gleichen dem griechisch-römischen Lustspiel in der Beschränktheit des Ortes. Die Handlung spielt auf der Gasse zwischen zwei gegenüberstehenden Nachbarhäusern, dabei muß auf die Darstellung innerhalb des Hauses sich vollziehender Vorgänge verzichtet und die dramatisch wirksamste Szene oft hinter die Bühne verlegt werden. Antik ist auch die Nebensächlichkeit und geringe Selbständigkeit der weiblichen Rollen. Wie bei den Alten, so bringen. auch hier die Diener die komische Handlung in Gang. Den Inhalt des Stückes bildet in der Regel eine glücklich durchgeführte List, eine Verwechselung oder Täuschung. Dazu kommt dieselbe Leichtfertigkeit des Tons, dieselbe sittliche Schlaffheit wie bei den Alten, nebst einigen Zugaben Humanität und moralischer Betrachtung in Aussprüchen der Lebensweisheit. Die Charaktere sind aber zeitgemäß, die Sitten französisch, und in der Sprache der Auftretenden läßt man schon den Unterschied des Standes und der Bildung hervortreten.

Das Festhalten am Verse von acht Silben erklärt sich wohl aus der Macht der heimischen Überlieferung. Daß der Kurzvers die Rede knapp, bestimmt, schlagfertig mache, kann nicht behauptet werden. Dieser Vers ist oft für den Bericht, die Betrachtung, Auseinanderseßung, Ermahnung oder Überredung zu kurz, der Gedankenausdruck wird hierdurch weitschweifig und umständlich. Man entschied sich daher bald für die Prosa, und Jean de la Taille, Odet de Turnebe, Pierre Larivey schrieben Prosakomödien. Jean de la Taille (vgl. S. 358) übte sich zuerst an einer Übertragung des „Wahrsagers“ (Negromante) von Ariosto und lieferte dann in den „Nebenbuhlern“ (Les Corrivaux, 1573) eine, wie er behauptete, von den Griechen eingegebene, aber recht selbständige Komödie mit unwahrscheinlicher, jedoch lebhafter Handlung. Odet de Turnebe (1553-81) folgte in seiner Berwickelungskomödie „Die Zufriedenen" (Les Contents, veröffentlicht 1584 von den Freunden des Verstorbenen) den Italienern, aber in der Gestalt der Françoise dürfte der Einfluß der durch zahlreiche Übersehungen in Frankreich verbreiteten „Celestina“ des Spaniers Francesco de Rojas anzunehmen sein. Die Neapolitanerinnen" (Napolitaines) Odets sind vielleicht gleichzeitig mit den „Zufriedenen“ entstanden, aber erst 1584 von François d'Amboise veröffentlicht worden. Eine originelle Figur ist in dem Stücke der stolze, galante, ritterliche, aber dabei hungerleiderische Spanier Don Diego.

Einen Abschluß dieser ersten Lebenszeit des französischen Lustspiels stellen die im Jahre 1579 von Pierre Larivey (um 1550-1612) herausgegebenen sechs Komödien dar, denen später (1611) drei weitere folgten. Diese Komödien sind Übertragungen aus dem Italienischen, die sich ihrer Vorlage von Anfang bis zu Ende eng und treu anschließen, nur daß oberflächliche Abänderungen der Handlung und den auftretenden Personen den Anstrich französischen Wesens geben sollen. Die Stücke sind:,,Der Bediente“ (Le Laquais", nach dem „Ragazzo“ von Lodovico Dolce),,,Die Witwe" (La Veuve, nach „La Vedova“ von Nicolò Buonaparte),,,Die Gespenster" (Les Esprits, nach dem „Aridosio“ des Lorenzino de' Medici), „Der Verschnupfte“ (Le Morfondu, nach Grazzinis „Gelosia“), „Die Eifersüchtigen" (Les Jaloux, nach „I Gelosi“ von Vincenzio Gabbiani), „Die Schüler" (Les Escolliers, nach,,La Zecca" von Razzi), „Constance" (nach,,Gostanza“ von Razzi), „Der Treue“ (Le Fidèle, nach „Le Fedele" von Pasqualigo), „Täuschungen" (Tromperies, nach „I Inganni“ von Secchi). Die Handlung wird von Florenz nach Paris verlegt, ein Signor Cesare wird ein Symeon, ein Valerio Valere, aber keine neue Episode, kein neuer Zug oder neuer Gedanke kommt hinzu. Die Stücke bleiben italienisch, auch ihre Immoralität und die unziemlichen Reden werden mit übertragen. Ihr einziges Verdienst bildet der französische Sprachstil, denn Larivey hat den Ausdruck öfter durch kleine Zusäße lebhafter, drastischer, komischer gemacht, er verwendet französische sprichwörtliche Wendungen und volkstümliche Ausdrücke, ja man kann ihn ohne Übertreibung einen der Meister der französischen Prosa des 16. Jahrhunderts nennen. Seine Sprache ist nicht bloß flüssig, natürlich, ausdrucksvoll und volkstümlich, sondern mitunter auch gewählt und fein. Lariveys Komödien sind noch im 17. Jahrhundert gelesen worden: Molière hat sie gekannt. Und diese Bearbeitungen italienischer Stücke sind wohl die einzigen Verbindungsglieder zwischen der komischen Bühne des 16. Jahrhunderts und dem klassischen Lustspiel im Zeitalter Ludwigs XIV. gewesen.

Die verheißungsvollen Anfänge der Pleiade, die der laute Beifall der gebildeten Zeitgenossen begrüßte, haben doch keine nationale Bühne begründet. Man verfügte weder über eine Bühne noch über Berufsschauspieler. Die Passionsbruderschaft behauptete (bis 1629) hartnäckig das alleinige Vorrecht,,,sowohl in der Stadt wie auch in den Vorstädten und im Weichbild von Paris“ Vorstellungen zu veranstalten. Ihre Bühne wird in einer Eingabe aus dem Jahre 1588 als „eine Kloake und ein Haus Satans“ bezeichnet: für die Dichter des höheren neuen Stils war sie nicht vorhanden. Dagegen fanden die jungen Dramatiker anfangs bereitwillige und begeisterte Aufnahme in den Kollegien und bei Hofe. Aber die Mode ging vorüber, oder die Bürgerkriege waren daran schuld, daß die Könige und die Großen Frankreichs die Aufführungen klassischer Stücke nicht mehr begünstigten. Von Vorstellungen in Paris wird später nichts mehr berichtet, man hört nur noch von einzelnen Aufführungen in der Provinz. Die Stücke Garniers und seiner Zeitgenossen seit Anfang der siebziger Jahre waren Buchdramen, Garniers große, bis in das 17. Jahrhundert hinein dauernde Beliebtheit war ein litterarischer, kein Bühnenerfolg. Als ein späteres Geschlecht die Bestrebungen für das regelmäßige Schauspiel wieder aufnahm, hatte man die dramatischen Anläufe im Zeitalter der Pleiade schon ganz aus der Erinnerung verloren.

4. Hugenottische Dichter, Moraldichter und Hofdichter.

Der Südwesten Frankreichs, vornehmlich die Landschaften Guyenne und Gascogne, hat lebhaften Anteil an der geistigen Bewegung des Zeitalters genommen. Neben den namhafteren. Philosophen, Geschichtschreibern und Dichtern, die aus diesem Teile des französischen Königreichs

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stammen: Montaigne, La Boëtie, Montluc, Brantôme, d'Aubigné, Du Bartas, ist die Anzahl der minder berühmten nicht gering: Du Haillan, Florimond de Remond, Lancelot de Carle, Jean de la Jessée, Pierre du Brach, Guy de Pibrac sind Zeugen der litterarischen Fruchtbarkeit des Gebietes. Die Universität Bordeaux, an der Buchanan, Muret und Grouchy lehrten, bildete in dieser Zeit einen Mittelpunkt des geistigen Lebens, und an der Grenze des Reiches verstand es Jeanne d'Albret, dem Vorbild ihrer erlauchten Mutter Margarete von Navarra nacheifernd, in ihrem kleinen Königreiche und an ihrem Hofe zu Nérac dem reformierten Glauben einen sicheren Rückhalt, wissenschaftlichen Bestrebungen Ermunterung und einzelnen Vertretern der Dichtkunst Anregung und Schuß darzubieten. Protestantische Gesinnung war die Vorbedingung für die Aufnahme an dieser Stätte. Es sind vorzüglich die hugenottischen Dichter, die jene ernste Auffassung von den patriotischen und sittlichen Pflichten des Dichterberufs, wie sie von den Führern der Pleiade wiederholt laut ausgesprochen worden war, zu verwirklichen suchen, während die Dichter am Hofe der Valois, die Desportes, Du Perron, Bertaut, die ja auch von Ronsard aufgenommene Überlieferung des Hofdichtertumes weiterbilden. Im übrigen zeigen auch die protestantischen Dichter dasselbe Überwiegen pedantischer Gelehrsamkeit und das Unvermögen, durch besonnene, maßhaltende Überlegung den poetischen Stoff klar und harmonisch zu gestalten, wie die älteren Dichter der Pleiade. Dagegen findet sich die vor ihnen schon eingeführte italienische Zierlichkeit, Anmut und sinnreiche Verfeinerung nur bei den Hofpoeten wieder. Die hugenottischen Dichter erfüllen die aus dem heidnischen Altertume entlehnten Formen mit christlichem Geiste; die Hofdichtung aber bleibt religiös und sittlich gleichgültig, selbst wenn sie sich durch einige poetische Paraphrasen von Psalmen und durch andere geistliche Poesien mit dem religiösen Bedürfnis äußerlich abfindet.

Unter den hugenottischen Dichtern aus der Gefolgschaft des Hauses d'Albret-Navarra waren Du Bartas und d'Aubigné die ansehnlichsten. Guillaume de Salluste, Seigneur Du Bartas (1544-1590 oder 1591) hatte nach der Weise jener Zeit eine encyklopädische Bildung erhalten. Ungefähr bis 1576 blieb er, den bürgerlichen Unruhen fern und nur mit seinen Studien und der Dichtkunst beschäftigt, auf seinem Schlosse. Zu einer umfänglicheren epischen Dichtung veranlaßte ihn Jeanne d'Albret, die ihn auf das Buch Judith hinwies, und so veröffentlichte Du Bartas seine „Judith, ein Gedicht in sechs Gesängen“ (1573) als das erste Epos in Frankreich,,,wo in regelrechter poetischer Form heilige Gegenstände behandelt werden". Zugleich war es die erste epische französische Dichtung mit regelmäßigem Wechsel männlicher und weiblicher Reime. Das Hauptwerk des Dichters war aber die von den Zeitgenossen in den Himmel der Unsterblichkeit erhobene,,Woche" (La Sepmaine, 1579).

In Darstellungsweise und Formgebung abhängig von der Pleiade, ist Du Bartas selbständig in seiner Stoffwahl und in seiner sittlichen und religiös-erbaulichen Richtung. Er schöpft als echter Hugenotte aus den heiligen Büchern des Alten Testaments, er fühlt sich berufen, als christlicher Dichter Frankreich eine nußbringende Ergötung darzubieten und, während er selbst lernt, andere zu unterweisen und das Leben seiner Mitbürger zu retten, die eine irdische Sucht nach Unsterblichkeit in der Werkstätte Amors festhält“. Zugleich folgt er aber dem poetischen Brauch, Stellen aus Homer, Lucrez, Ovid (Beschreibung der Sintflut) und vorzüglich aus Virgil (Lob des Landlebens) nachzuahmen.

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Die Woche“ ist eine Darstellung der Schöpfung, die gemäß ihrer lehrhaften Bestimmung zu einer Vorratskammer encyklopädischen, aber ungesichteten gelehrten Wissens wurde. Die Grundlage aller Erkenntnis ruht in den „wahrhaften Blättern des doppelten Testaments“, weshalb Du Bartas auch das

Weltsystem des Kopernikus ablehnt. Das Gedicht ist zugleich eine vollständige Darlegung und Verteidigung des christlichen Glaubens, die Erzählung der Weltschöpfung bildet den epischen Faden des Zusammenhangs. Du Bartas folgt hier den christlichen Dichtern des Mittelalters, einem Juvencus, Dracontius, Hilarius von Arles und Avitus, sein Eigentum aber sind die einleitenden Auseinanderseßungen, die Anrufungen und Episoden, die höchst ausführlichen Beschreibungen der Wesen und Dinge und die moralischen Nuzanwendungen. Die Mythologie der Alten ganz aus seinem christlichen Gedichte fernzuhalten, gelang Du Bartas nicht. Seine Beschreibungen, die freilich oft mehr Einzelheiten aneinanderreihen als eine lebendige Vorstellung erschaffen, zeugen von wärmstem Naturgefühl. Oft auch reißt Du Bartas der Drang, charakteristisch zu sein, ins Gezierte und Triviale. Vergleiche wie:,,Gott hält in der einen Hand den Flegel, das Pflaster in der anderen“ oder „Der Herr verschwindet wie das Pulver auf der Zündpfanne“ sind Plattheiten, anderes erscheint als Künstelei und Klangspielerei.

Du Bartas ist von allen Dichtern aus der Schule der Pleiade derjenige, der die Willkür der Sprachbehandlung bis zum Mißbrauch getrieben hat. Die übertriebene Ausnußung vorhandener Bildungsmittel in der Neuschöpfung von Wörtern, die häufigen Zusammenseßungen aus Imperativ und Substantiv, die Doppelungen (pepetillant, sousouflant) nach dem Muster heute noch gebräuchlicher Koseformen wie fifille (fille) oder Popaul (Paul) sind auffällige Seltsamkeiten seines Stils.

Das Werk des Du Bartas war den Zeitgenossen etwas so Neues und Merkwürdiges, daß innerhalb sechs Jahren über dreißig Ausgaben erschienen sind. Übersetzungen gab es in lateinischer, italienischer, spanischer, englischer, holländischer und deutscher Sprache. Ein Kommentar von Simon Goulard wurde Veranlassung, daß das Buch, das erst die Billigung der Sorbonne gefunden hatte, auf den Inder kam.

Eine Fortseßung des Gedichtes, die „Zweite Woche“ (1584–93), sollte die Geschichte der Menschheit vom biblischen Standpunkt aus bis zur Erlösung und zum Tage des Gerichts erzählen. Vier „Tage“, jeder zu vier Gesängen, wurden vollendet. Sie führen bis zur Zerstörung Jerusalems. Die Fehler und Geschmacksverirrungen der ersten,,Woche“ sind in diesem Bruchstücke in noch höherem Maße vorhanden. Der zweite fruchtbare Dichter der Hugenotten, Theodor Agrippa d'Aubigné (1550— 1630), erzählt von sich, daß er schon mit sechs Jahren lateinisch, hebräisch, griechisch, französisch gelesen und im achten Jahre Platon übersezt habe. Sein Vater nahm ihn mit nach Paris; „man kam durch Amboise, und der Vater erblickte die noch erkennbaren Köpfe seiner Kameraden (d. h. der Hugenotten von Amboise am Galgen und war so ergriffen, daß er ausrief:,Sie haben Frankreich enthauptet, die Henkersknechte! Er legte dem Sohne seine Hand aufs Haupt und sagte: Mein Sohn, es darf dein Kopf ebensowenig geschont werden wie meiner, um diese ehrenhaften Führer zu rächen; wenn du zurückweichst, wird dich mein Fluch treffen!" Nach dem Tode des Vaters (1563) follte Agrippa seine Studien in Genf beenden. Er ließ sich nachts barfüßig und im Hemde am Betttuch aus dem Fenster herab und wurde, der Schulhaft entronnen, von einem Trupp Hugenotten aufgenommen. Nach 1570 lernte er Diane de Salviati kennen, der er, als Schüler der Pleiade, seine erste,,Hekatombe“ Sonette opferte („Le Printemps d'Aubigné"). Er erscheint in diesem Frühling" als ein frischer, derber, nicht allzu sittenstrenger Kriegsmann, der sich aber doch ab und zu daran erinnert, daß er im Dienste des Herrn Zebaoth steht. Seit dem Frieden von La Rochelle (1573) war er im Dienste Heinrichs von Navarra. 1575 begleitete er ihn auf der Flucht aus dem Louvre nach Guyenne und wurde jetzt einer seiner treuesten Helfer. Wiederholt raubte ihm sein soldatischer Freimut die Gunst seines Herrn, aber Heinrich konnte seinen Rat und seine thätige Kraft nie lange entbehren, die Aussöhnung folgte in der Regel dem Bruche bald nach. Als Heinrich den protestantischen Glauben aufgab, erfüllte dieser Abfall d'Aubigné's Herz mit Abscheu und Entrüstung. Er lebte nun in halber Zurückgezogenheit; aber immer, auch

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