Page images
PDF
EPUB

die sich zunächst auf den gerade vorhandenen Vorrath im Ganzen und Einzelnen und auf dessen Verhältniss zu den gedruckten Büchern beziehen.

Es ist mir nicht bekannt, dass für die Zwecke der HSSbenützung ein solches auf Myriaden Zettel geschriebenes Materienregister von irgend einem Schriftsteller über Bibliothekswissenschaft empfohlen, von irgend einem andern Bibliothekar ausgeführt, von irgend einem Forscher verlangt worden sei; wohl aber scheinen mir die oben angeführten Warnungen Eberts darauf ihre Anwendung zu finden. Wenn daher die Anfertigung des vorliegenden den Abschluss, die Reinschrift und die Drucklegung eines Hauptkatalogs so lange aufgehalten haben sollte, so kann ich nur nochmals die Unwiederbringlichkeit der darüber verlaufenen Jahre beklagen, und dasjenige wiederholen, was ich in meinen Wittelsbachischen Regesten über den Gegenstand gesagt habe.

Ich schliesse mit der Erinnerung an einen früheren Vorfall. Im Jahre 1810 hatte der berühmte Philologe und verdiente Bibliothekar, auch Herausgeber eines HSSkataloges, Friedrich Jacobs, damals in München, auf erhaltene Veranlassung eine Kritik des Hardtischen Katalogs der griechischen HSS. ausgearbeitet, die voll der nützlichsten Winke und Warnungen (auch vor Missbrauch des Fleisses!) jetzt in seinen Vermischten Schriften 7, 420-453 abgedruckt ist, und obgleich ursprünglich nur für München bestimmt, dennoch die Aufmerksamkeit jedes Bibliothekars verdient. Bei dem Vortrage derselben in der Bibliothekçommission glaubte sich der damalige Oberhofbibliothekar durch das ungünstige Urtheil über die unter seiner Oberaufsicht zum Drucke gelangte Arbeit verletzt. Ueber den daher entstandenen Streit schrieb Jacobs etwas später an Schütz (Joh. Gottfr. Schütz. Darstellung seines Lebens von F. K. J. Schütz 1, 212): „In der nächsten Sitzung suchte er (der Oberbibliothekar) sich zu rechtfertigen, indem er unter andern sagte: die Einrichtung jenes Katalogs tadeln, sei ein Verbrechen gegen die höchste Stelle, als welche denselben genehmigt hätte. Worauf ich erwiederte: dieses sei eine Art Streit zu führen, der sich jeder rechtliche Mann und vornehmlich jeder Akademiker aus allen Kräften entgegen stellen müsse. Was denn aus der Freiheit der Deliberationen werden solle, wenn man nicht einmal über die Einrichtung eines Katalogs sprechen dürfe, ohne für einen ungehorsamen und aufrührischen Bürger erklärt zu werden?"

Was damals aufrührerisch war, heisst jetzt nur noch unbescheiden: immerhin ein Fortschritt!! Hoffen wir, dass das nächstemal der Gegenstand unter Fachgenossen ganz ruhig besprochen, und dass ein gutgemeinter Rath, wo das Bedürfniss desselben in einer öffentlichen Angelegenheit hervortritt, in

geneigte Erwägung werde gezogen werden; hoffen wir, dass man sich, wenn auch nicht nothwendig an der höchsten, so doch an der rechten Stelle erinnern werde, dass der Hardtische Katalog schon seinem Titel nach über alle Münchener HSS. sich erstrecken, und nach dem Vorwort des Oberhofbibliothekars in folgenden Bänden recht bald (mox!) zuerst die lateinischen, dann die deutschen, zuletzt die übrigen HSS. bringen sollte, und dass dann über dem guten Erfolg die Widrigkeit dieser Verhandlung, die ich hier nicht weiter fortzusetzen gedenke, vergessen werden dürfe.

[blocks in formation]

Das vorzüglichste Geschichtswerk des Abtes Johannes Trithemius ist das „Chronicon Hirsaugiense," oder wie er solches später benannte: „Annales Hirsaugienses."

Dieses vortreffliche Quellenwerk hatte er in zwei verschiedenen Bearbeitungen besorgt. Veranlassung zum Unternehmen des Werkes war, wie er in einem Briefe vom 31. Aug. 1507 an den Regulär-Kanoniker Rogerius Sycamber schrieb '), der Hirsauer Abt Blasius (Abt von 1484-1503.), welcher Trithem darum angegangen hatte: „Ad preces Blasii abbatis Hirsauiensis chronicon ejusdem cenobii scribere adorsus, majorem partem complevi, sed illo mortuo aeditionem intermisi, incertus qua mercede successor ejus laborem recompensare futurus sit." Es ergiebt sich hieraus, dass Trithem auf eine Belohnung seiner Arbeit gerechnet hatte, wie solches auch aus jenem in der Briefsammlung nicht enthaltenen Brief an den Abt Johann zu S. Egyd in Nürnberg vom 24. März 1503 sich ergiebt: „modernus abbas pro consumacione chronicae me cohortatus non minora, quam antecessor eius pollicitus est."

Die erste Arbeit, die in Folge der Bitten des Abtes Blasius unternommen worden war, mochte Trithem im Jahre 1495 begonnen haben, wie solches aus seinem dem ersten Bande des Chronicon vorgesetzten und an Abt Johann gerichteten

1) Vgl. Opera Trithemii hist. Francf. 1601. Part. II. pag. 562.

Brief von 5. Februar 1511 erhellt: „Sedecim annorum tempus, ni fallor, effluxit, quo primum famosi atque insignis Monasterii Hirsaugiensis... inchoavi historiam, quam vanis, caducisque mundi curis, et sollicitudinibus quasi continue nimium occupatus, hactenus ad finem perducere non potui..." Dieses war nun Trithems erste Arbeit, die sich in den von M. Freher herausgegebenen Operibus historicis (Francofurti 1601. secunda Pars. Pg. 1-235) abgedruckt findet.

Von diesem zuerst bearbeiteten Chronicon mochte nun Trithem dem Churfürsten von der Pfalz, mit dem er bekanntlich auf dem freundlichsten Fusse stand, ein Exemplar, von seiner Hand geschrieben, verehrt haben, welches sich noch zur Zeit M. Frehers in der Heidelberger Bibliothek vorfand, wie derselbe ausdrücklich am Schlusse dieser Chronik pag. 235 bezeugt:

[ocr errors]
[ocr errors]

non

Hactenus nämlich bis zum Jahre 1370 tantum prior editio Basiliensis, Guilhelmo Radente procurante; sed etiam ipsum cum illa a nobis collatum autographum, quod in splendidissima bibliotheca Palatina conservatur, accurata Trithemii manu ad miraculum eleganter descriptum." Erst nachdem Trithem von den Sorgen, welche theils die Verwaltung seiner Abtei Sponheim, theils die Verfolgungssucht und der Undank seiner Mönche ihm bereitet hatten, durch seine Berufung nach Würzburg frei geworden war, machte er sich um 1508 wieder an die Hirsauer Chronik, wie er solches 1509 dem Prior Johannes zu Lach mittheilte: Ut litteris respondeam tuis, te scire volo, quod isto anno toto sum occupatus in editione Chronicorum, sive historiarum Monasterii Hirsaugiensis. Opus est magnum, et per annos ferme septingentos a fundatione prima usque ad haec tempora continuandum. Etenim primam Editionem mancam olim dimissam, iterum a principio nuper inchoavi, eritque necesse, continuare in finem." 1)

Hier also handelt es sich um die völlige Umarbeitung des Chronicons, deren Frucht das Werk „Annales Hirsaugienses" ist, eine Arbeit viermal so stark als die erste Bearbeitung.

Den ersten Band dieses umgearbeiteten Chronicons, nun genannt Annales, vollendete Tritheim in Würzburg am 10. Januar 1511 und schickte solchen versehen mit einer Uebersicht und einem Brief an den Abt Johannes von Hirsau vom 5. Februar 1511, worin er die Gründe der Verspätung entwickelt, darauf hinweist, wie ruhig er nun in Würzburg: remotus a curis saeculi vanis et liberior ad philosophandum" lebe! Unde fährt er fort ne tuis precibus me crederes

[ocr errors]

1) Man vgl. die S. Gallener Vorrede !

ex proposito reluctari, opus historiarum Hirsaugiensium diutius intermissum, locum assecutus tranquillum et competens otium ad manus resumsi tandem aliquando perficiendum." Noch fügt er bei, dass er es nothwendig gefunden habe: ,,opus totum in duo volumina, sive partes dividere."

Am letzten Tage des Jahres 1513 vollendete Trithem den zweiten Band, den er mit Sendschreiben an Abt Johann von selbem Tage, in dem er so recht auf die Mühseligkeit seiner Arbeit und seine gebrachten Opfer hinzeigt, und einer Epistola retractatoria an den Hirsauer Mönch Nicolaus Baselius" vom 12. April 1514 nach Hirsau gebunden schickte.

Es mochte übrigens Trithem nicht die Absicht gehabt haben, diese Annalen veröffentlicht zu wissen, da er solche als ein specielles Besitzthum für Hirsau betrachtete: „Me sola Hirsaugia gaudet." So schrieb Trithem mit rother Schrift am Schlusse des ersten Bandes!

Die Existenz dieser ganzen zweiten Bearbeitung blieb ausser den Mauern von Hiṛsau so verborgen, dass Freher als Herausgeber der historischen Werke Trithems noch 1601 a. a. O. schreiben konnte: „Incertum autem, an auctor opus longius produxerit, et forte ad aetatem usque suam ut Spanheimense." Indem nun Freher die Stellen aus Trithem, die für oder gegen die Existenz sprechen, aufführt (dieselben finden sich in der S. Gallener Vorrede wiederholt), fügt er die Vermuthung bei: es möge Trithem das Werk nicht vollendet haben „aut alterum insuper paris magnitudinis volumen horum annalium desiderari."

Frehers Zweifel, ausgedrückt in seiner Ausgabe von 1601, ward erst nach Zeugenschaft des S. Gallener Herausgebers 5 Jahre später gelöst! Anno tandem 1606, quantum mihi quidem constat schreibt derselbe et ex Freheri originibus Palatinis conjicere datur, Marquardo Frehero videre haec duo volumina, vix tangere, frui omnino non licuit." In diesem Jahre also war es Freher vergönnt das Original dieser zweiten Ausgabe zu sehen.

Dieses aber blieb in Hirsau, und war in Hirsau auch dann noch, als die Heidelberger Bibliothek längst nach Rom geführt worden war.

Die nun kommenden Geschicke der Handschrift erzählt der S. Gallener Herausgeber in der Vorrede der Ausgabe von 1690.

Der Abt von Hirsau musste mit diesen Annalen nach Kloster Weingarten fliehen: „Frementibus deinde Protestantium et postea Suecorum armis verus et unus hic Unio pulsos Hirsaugia Monachos et Abbatem Wunibaldum comitatus est ad Vineas (Weingartense Monasterium) tanquam ad sinum et concham."

Von da floh er nach S. Gallen, wo er wohl aus Dank

יי

barkeit für genossene Gastfreundschaft eine Abschrift zu fertigen zuliess, welcher wir die Ausgabe verdanken! Sed cum grassante indies jam jam in Sueviae viscera bello inter manubias Martis rapi formidaret, securitatis ergo in Helvetiam ad nostrum D. Galli Asceterium ex tot procellis elapsus appulit, ex quo dein sagaci industria Apographum nostrum Exemplar descripsimus, eundemque (!?) jam alteri ruinae, quam dicemus, imminentem ab interitu vindicavimus."

Der Abt von Hirsau ging nämlich mit seinen Annalen nach Blumenegg, wo, wie die S. Gallische Tradition erzählt, das Trithemische Original mit vielen anderen KlosterDocumenten der Raub eines Brandunglücks wurden. „Eo adhuc madido et vix completo, avocatur rursus, et alio portu quaesito naufragium reperit, ut enim tutius lateret, Blumeneggae Castro in Walgoia sito una cum ultimo Hirsaugiensi Abbate Wunibaldo immigrat. Invida et infida sors! Incidit in Scyllam cupiens vitare Charybdim: declinato feliciter Marte, Vulcano spolium infeliciter cessit Trithemii Chronicon, post tot pericula et sortis insidias quiete incassum quaesita; repentino etenim exorto incendio cum universis aliis Hirsaugiensium Documentis priusquam in lucem prodiit, in flammam et cineres abiit, Wunibaldo vix illaeso, et paulo post animam doloris acerbitate vitam efflante.

Vorher waren jedoch die meisten Documente auf Befehl und Kosten des Churfürsten Maximilian abgeschrieben worden! „Audio quidem, jam antequam castrum flammis absumeretur, jussu et impensis Serenissimi Ducis Bavariae et Electoris Maximiliani pleraque ex Documentis descripta, Monachiumque deportata fuisse, quae nunc aevi fortassis in Electorali Bibliotheca Monacensi reperire liceat."

So ist die gewöhnliche Erzählung und in Folge dieser der Glaube, dass das von Trithemius eigenhändig geschrieben gewesene Originale der Annalium Hirsaugiensium damals verbrannt sei, wesshalb auch die S. Gallener Ausgabe, bei der Unmöglichkeit Trithems Original zu produciren, sagt: „ut.. benevolo lectori omnem formidatae forsitan suppositionis scrupulum tollamus."

Allein der Schreiber dieser Zeilen hat die unwiderlegbare Ueberzeugung gewonnen, dass das dem Kloster Hirsau eigenthümlich gewesene von Trithem eigenhändig geschriebene Original-Exemplar der Annalium Hirsaugiensium nicht verbrannt, sondern zur Zeit des Churfürsten Maximilians in die kurfürstliche Bibliothek nach München gekommen sei, wo es heute noch in der K. Hof- und Staats-Bibliothek aufbewahrt wird.

« PreviousContinue »