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Dass Ebeling des Gehörsinnes (— so lange ich ihn kannte, gänzlich) entbehrte, erschwerte, so wie überhaupt, namentlich auch in Bibliothekangelegenheiten, allerdings den freien und lebendigen Verkehr mit dem geistreichen und gelehrten Mann; doch bedurfte es nur kurzer, andeutender schriftlicher Fragen, und sein rasches Auffassungsvermögen, sein seltener Scharfsinn und ausgebreitetes Wissen machten es ihm leicht, sie sofort und bestimmt zu beantworten.

Ausser seinen Vorlesungen über Encyklopädie, Geschichte und Litterärgeschichte, nahmen in den späteren Lebensjahren Ebeling's Zeit ganz in Anspruch: die Fortsetzung der leider unvollendet gebliebenen Erdbeschreibung und Geschichte von Amerika, und die Stadtbibliothek; mit der ersteren beschäftigte er sich in den Morgenstunden; in der Bibliothek verweilte er an den Tagen, wo sie dem Publikum geöffnet war (-damals nur zwei Tage in der Woche, von 12 bis 2 Uhr —), nach Schliessung derselben noch mehre Stunden; seine Nachmittage und Abende widmete er einzelnen bibliothekarischen Arbeiten und Korrespondenzen.

(Fortsetzung folgt.)

Johann Cesinge.

Es ist bekannt, dass Papst Nikolaus V. ein warmer Freund der Wissenschaften war und deren Wiederaufblühen im funfzehnten Jahrhunderte kräftigst förderte. Sein Lebensbeschreiber, der Kapellan Dominicus Georgius, hat seiner Vita Nicolai V., Romae 1742. eine besondere disquifitio de Nicolai erga viros literatos patrocinio beigefügt und er erzählt darin S. 193, dass der Papst auch die Ilias und Odyssee in das Lateinische übersetzt zu sehen lebhaft gewünscht und zu dieser Arbeit nicht nur kurz vor seinem Tode den Franz Philelphus durch beträchtliche Versprechungen aufgemuntert, sondern schon vorher zwei ausgezeichnete Männer dazu vermocht gehabt habe, deren einer den Namen Horatius geführt, der andere aber unbekannt geblieben sei.

Dieser zweite Uebersetzer des Homer ist höchst wahrscheinlich der nachmalige Bischof von Fünfkirchen, Johann Cesinge, oder wie er gewöhnlich genannt wird, Janus Pannonius, gewesen, ein geistreicher Dichter, auf welchen Ungarn mit Recht stolz ist, von dessen Schriften mehrere als verloren beklagt werden, dessen bekannt gewordene Werke am Besten von dem Grafen Teleki zu Utrecht 1784 herausgegeben worden sind und dessen Leben zuletzt von Budik, Leben und Wirken lateinischer Dichter, Wien 1828, Theil I. S. 106 fgde. beschrieben worden ist.

Die Dresdner Bibliothek besitzt nämlich eine mit D. 158

bezeichnete, ihren Schriftzügen nach aus Italien stammende und dem XV. Jahrhundert angehörende Papierhandschrift, welche Bl. 6 bis 34 nicht nur mehrere, in den Ausgaben gedruckt sich vorfindende Dichtungen des Cesinge, sondern auch ein noch unbekannt gebliebenes Gedicht desselben enthält. Dieses letztere führt das Rubrum:

und beginnt:

Ad Nicolaum V. pontificem maximum

de Homero traducendo

Alme pater, merito cingit cui tempora mitra,
Et Petri folio divino numine regnas

In noftras animas cuftos paftorque benignus,
Cui fancti mores cuique eft fapientia prima:
5 Praecipis in Latium divinum vertere Homerum
Infirmisque humeris tantum committere pondus
Non dubitas! Quis enim facro contendere vati
Aufit et illius noftris iam reddere carmen?
Nam qui Maeonio potis eft fubducere verfus,
10 Herculis ille manu nodofam avellere clavam
Iratoque Jovi candentia fulmina poffet!

Define me valido, pater oh, committere Atlanti,
Tam tenuis cervix vafto fubfiftere coelo

Non valet atque humeri pondus jam ferre recufant.
15 Apta giganteis non funt mea pectora pugnis,
Sed gruibus fcaevis rapior Pygmaeus in altum.

Qua potero illius vario me flectere curfu?
Namque modo immiffis laetus decurrit habenis,
Et modo lora premit, medius modo frena remittens
20 Contendensque fimul to moderamine currit.
Ac velut Oceano dicun'u mina labi,

Cunctas per terras uno currere ab ortu:
Sic uno facri vates nafcuntur Homero.
Ora rigant illo, pater eft atque omnibus idem.
25 Ille velut torrens, montanis imbribus auctus,
Perrumpit pontes et faxa ingentia volvit,

Nunc minor eft alveo, ripas nec fluctibus aequat.
Et modo fublimis cygnus fe tollit in auras,
Nunc humilis paribus delapfus ab aethere pennis,
30 Radit humum, medium gaudet nunc tendere curfum.
Inftruit ille acies conftanti pectore et audax
Coeleftes in bella vocat, tum corpora fancta
Perftringit ferro Veneris Martisque ferocis.
Principioque canit Chryfen etc.

(Schluss folgt.)

Verantwortlicher Redacteur: Dr. Robert Naumann. Verleger: T. O. Weigel. Druck von C. P. Melzer in Leipzig.

SERAPEUM.

Zeitschrift

für

Bibliothek wissenschaft, Handschriftenkunde und ältere Litteratur.

Im Vereine mit Bibliothekaren und Litteraturfreunden

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Welch einen grossen Werth im Mittelalter und vor Erfindung der Buchdruckerkunst liturgische Werke für die einzelnen Gotteshäuser oder Kirchen hatten, ist eine zu bekannte Thatsache, welche durch die Stiftungsurkunden von Beneficien und alten Anniversarien oder Jahrtagen, durch eigne Verträge, so wie durch Vormerkung in den Necrologien bestätiget wird. Letztere besonders vergassen fast nie, die Namen solcher Bücherschenker zu verewigen, indessen erstere solche Bücher bestimmten Altären zudachten, deren geistliche Inhaber, Capläne oder Beneficiaten, das Recht genossen, sich selbiger zu bedienen. So war es auch in München, dessen dermalige Domkirche, uranfänglich im XII. Jahrhundert in kleinen Anfängen begründet, seit sie die Begräbnisskirche Bayerischer Herzoge und endlich Kaiser Ludwig's ward, immer mehr an Bedeutung gewann! Noch finden sich die Urkunden solcher Stiftungen, wie jene Chunrat des Wilbrecht" von 1361, der „ze kauffen" hat geben „drey schilling der langen Münchner Pfening ewiger und lediger gült, um ein Gradwal musice. XVI. Jahrgang.

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...

um ein Messpuch, mit zwain plenari die darzu gehörnt für den Frauen chor" 1) Oder wie eine von 1457, wo fest gesetzt wird, das ain yeder Caplan . . . pücher kelch ornat vnd klainat die dabej sind oder hinfür dazu köment . . wesentlich vnd itiftlich innhaben, die nicht verkumern noch anders damit verfarn sol dann rechtlichen und der mess notturft ist").

Eine neue Zeitrechnung begann aber mit dem Jahre 1468, als Herzog Sigismund, (gestorben 1501) den Neubau dieser Kirche begann, welche bis heute noch besteht.

Vor Beginn dieses Baues war bereits die Buchdruckerkunst erfunden worden. Allein eigenthümlich bleibt es immerhin, dass dieselbe bei ihrem ersten Erscheinen wohl Rücksicht auf das Chorpsalterium, keineswegs aber auf Missalien und Ritualien nakm, deren Druck natürlich dem Ermessen der einzelnen Diöcesen anheim gestellt bleiben musste. So war es auch in Freysing, zu welchem Bisthum München gehörte. Dessen erstes gedrucktes Missale erschien nämlich im Jahre 1487, also ein Jahr vor Einsetzung des Schlusssteines der heutigen Münchner Cathedrale.

So mussten denn die Messbücher auch lange nach Erfindung der Buchdruckerkunst noch immer geschrieben werden; ja dieses Schreiben währte fort, als selbst in manchen Diocesen gedruckte Missalien existirten, weil man diese Manuscripte, zumal auf Pergament, bei weitem mehr zieren konnte und namentlich für den Festgebrauch zu schmücken pflegte, als die auf dem Wege der Typographie vervielfältigten; auch abgesehen davon, dass natürlich der eigentliche Kern der Priesterschaft an seine handschriftlichen Missalien aus langem Gebrauche und täglicher Uebung gewöhnt war.

So mochten auch in der Frauenkirche sich diese Missalien lange noch, auch neben den in den Jahren 1487 zu Bamberg, und 1492 zu Augsburg, erschienenen Drucken erhalten haben, indessen die Tradition aktenmässig existirte, der Erbauer Herzog Sigismund habe dem Marien- und Sanct UrsulaAltar ein Messbuch geschenkt!

Noch der neueste Beschreiber des Münchner Doms 3) erzählt: „Ferner war lange ein Pergament-Missale in der Kirche vorhanden, welches die Inschrift zeigte: „Diess Messbuch hat

1) Vgl. Monumenta Boica, Vol. XIX. Ed. 2da Monachii 1850. p. 497. Im Vol. XX. Monach. 1811 findet sich,,Donatio Librorum ad Ecclesiam B. M. V. per Parochum Joannem Schreiber 1427," allein ohne Specification.

2) Ebenda Vol. XX. p. 507. So sagt auch eine Urkunde von 1460. p. 535,,vnd geben darzu ain news mefspuch."

3) Die Frauenkirche zu Muuchen. Ihre Geschichte und Schilderung, zunächst vom kunsthistorischen Standpunkte aus entworfen von Dr. Joachim Sighart. Landshut 1853. S. 106.

Herzog Sigmund gekauft und zu diesem Altar geschenkt, so auch einen guten Kelch wie er einen der Kirche unserer Frau schon gegeben. Ebenso zwei schöne silberne und vergüldete Kännchen zur Einschenkung des Weins und Wassers beim heiligen Opfer, die beim Altar bleiben. Ebenso ein FriedensInstrument mit ächten Reliquien des heiligen Kreuzes. Dann gab er den weissen Ornat von Schamlott nebst andern Reliquien. Endlich im J. 1494 den kostbaren Ornat von Purpurtuch, der früher sein Kleid gewesen, dessen Unterfutter von Marderfell er dem Kaplan des Altars Georg Perger schenkte."

Ein Zufall liess in dem Jahre 1853 dieses vielleicht seit länger dann 100 Jahre verschollene Manuscript nebst mehrern alten gedruckten Missalien wieder auffinden.

Es war nämlich am 20. April 1853, als der Sakristan der Frauenkirche Peter Mayer, ein ebenso treuer als eifriger Diener, bald nach Uebernahme seines Amtes, in Gemeinschaft des Ministranten Jakob Winhart, das sogenannte Wächter-Kämmerlein, welches sich über der äussern Sakristey befindet, zu reinigen und abzustauben unternahm, wo beide zu ihrer Ueberraschung auf die dort verborgenen Bücher kamen, von welchen das Manuscript als eine wahre Kostbarkeit bezeichnet werden muss, welches in seinem Verstecke der Saecularisation, oder vielleicht selbst anderweitiger Verschleuderung entging, und nun bei der Administration des Metropolitan-Kirchenfondes sorgfältig nebst den Missalien unter No. 1 und 2 aufbewahrt wird, dessen Administrator Herr Canonicus Joseph Merk mit der freundlichsten Bereitwilligkeit die Beschreibung gestaltete.

Es folge nun dieselbe!

Missale

secundum ritum et ordinem
Ecclesiae Frisingensis.

Es ist dieses ein prachtvoller Pergament-Codex des XV. Jahrhunderts, bestehend aus 286 Blättern, in grossem FolioFormate. Die Höhe des ausgesuchten, festen und dennoch sehr weissen Pergaments beträgt 16, die Breite fast 12 Zoll. Jede Blattseite (mit Ausnahme der in fortlaufender Schrift geschriebenen Praefationen und des Canon) ist in zwei Columnen je zu 36 Zeilen getheilt. Die Schrift, den in den gedruckten alten Foliomissalien erscheinenden Typen gleichend, ist wundervoll sich gleich geblieben. Die Tinte ist durchaus schwarz. Die Rubriken zeigen eine glänzend rothe Farbe. Die Initialen sind wechselnd mit rother, oder mit blauer Farbe geschrieben.

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