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M. Hertz dargebracht, Bresl. 1888 p. 1-13 („aequales, quos praeter omnes admirabatur et ex quorum ore pendebat, sermocinantes potius inducere quam describere solitus, veluti Frontonis Herodisque Attici scriptorum nulla apud eum exstat memoria" HERTZ, opusc. p. 77) Ueber die Quellen handelt grundlegend Mercklin, Die Citiermethode und Quellenbenutzung des A. G. Fleckeis. Jahrb. 3. Supplementbd. p. 635; A. Gellii noctium Atticarum capita quaedam ad fontes revocata, Dorpat 1861 (Programm); DIRKSEN, die Auszüge aus den Schriften der röm. Rechtsgel. in den N. A. des A. G., Hinterl. Schr. 1 (1871) p. 21; KRETZSCHMER, De A. Gellii fontibus, part. I, Posen 1860; RUSKE, De A. Gellii noctium Atticarum fontibus quaestiones selectae, Bresl. Diss. 1883; HERTZ, A. Gellius und Nonius Marcellus in den Opusc. Gelliana, Berl. 1886 p. 85; NETTLESHIP, Essays and lectures, Oxf. 1885 p. 228; J. W. BECK, Studia Gelliana et Pliniana, Jahrb. f. Philol. 19. Supplementb. p. 1.

609. Charakteristik. Gewiss verdient A. Gellius unseren Dank dafür, dass er uns so viele Fragmente verlorener Schriften aufbewahrt hat. Allein noch grösseren Dank würde sich der Schriftsteller von unserer Seite erworben haben, wenn er diese Auszüge in einen grösseren Zusammenhang gerückt hätte. Allein da er in erster Linie die Ermüdung des Lesers verhindern und ein lesbares Buch schreiben wollte, so konnte er sich nicht in tiefere Untersuchungen einlassen, sondern musste sich an Einzelheiten halten. Die Sucht, mehr als ein Epitomator sein zu wollen, hat ihn von der ungeschminkten Wahrheit öfters abgedrängt und ihn auf eine Bahn gebracht, in der er dem Leser zwar vielerlei, aber nicht viel bietet. Aber wenn diese herausgehobenen Einzelheiten auch nur immer bedeutsam wären! Dies ist leider oft nicht der Fall; in der Auswahl der Stellen spiegelt sich die Geistesbeschaffenheit des Autors; sie bekundet, dass er nicht selten den nichtigsten Dingen seine Aufmerksamkeit zugewendet hat. Überhaupt erkennt man aus dem ganzen Buch, dass Gellius eine gutmütige, aber kleinliche und pedantische Natur war, ein Mann, der keinen offenen Blick für das Grossartige und Bedeutende hat, sondern ganz und gar in kleinlichen Dingen aufgeht, ein Mann, der, wie Niebuhr sagt, die Welt keinen Feiertag gesehen, sondern in seinen Büchern lebt und von Bewunderung, derselben überfliesst, ein Mann, der die verdorrten Blätter, nicht den blühenden Baum mit seiner Liebe umfasst. Gleichwohl hat auch dieser Autor auf die spätere Zeit seine Wirkung ausgeübt; schon das bunte Material, das man aus ihm mit leichter Hand schöpfen konnte, musste ihn besonders den Kompilatoren wichtig erscheinen lassen; selbst im Mittelalter stand er in Ansehen, nur hiess er hier Agellius, indem sich in sonderbarer Weise das Praenomen und das Nomen verschmolzen. Erst die neuere Zeit hat ihm seinen wahren Namen zurückgegeben.

Die Ueberlieferung des Gellius ist eine ältere und eine jüngere. Die älteren Handschriften des Gellius spalten sich in zwei Klassen, von denen die erste die Bücher 1-7, die zweite die Bücher 9-20 umfasst.

a) Die Ueberlieferung der Bücher 1-7 beruht auf dem Palimpsest PalatinoVaticanus 24 s. V/VI, dem Vaticanus 3452 s. XIII, dem Parisinus 5765 s. XIII und dem Leidensis oder, wie er nach seinem früheren Besitzer auch heisst, Rottendorfianus 21 s. XII.

8) Die Ueberlieferung der Bücher 9-20 beruht auf dem Leidensis-Vossianus 112 (Vossianus minor) s. X, dem Vaticanus-Reginensis 597 (Danielinus) s. X, dem Vaticanus-Reginensis 1646 (Petavianus) s. XII, dem Parisinus 8664 s. XIII, dem Leidensis-Vossianus Fol. 7, 2 (Vossianus maior) s. XIV, dem Florentinus s. Magliabecchianus 329 s. XV und dem Fragmentum Bernense 404 s. XII.

Die Handschriften, welche alle Bücher enthalten, sind jung und stark interpoliert. Sie geben aber die Kapitelüberschriften des 8. Buchs und die letzten Paragraphen des 20. Buchs; auch für das 7. Buch sind sie beizuziehen (HERTZ II p. XCVI).

Die Ausgaben (vgl. die Besprechung bei HERTZ II p. CVIII). Die erste kritische Ausgabe ist von L. CARRIO Paris. 1585; sein Text war lange Zeit die Vulgata. Eine neue

Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. VIII. 3. Teil.

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Phase der Gelliuskritik begründete J. F. Gronovius, da er die erste methodische Recension lieferte. Die dritte Periode der Gelliuskritik knüpft sich an M. HERTZ, der eine grössere Ausgabe des Autors in zwei Bänden (Berl. 1883. 1886) und daneben eine kleinere (Leipz. 1886) veranstaltete. Vgl. auch dessen Opuscula Gelliana, Berl. 1886.

Uebersetzung von WEISS 2 Bde., Leipz. 1875 und 76.

2. Sammonicus Serenus.

610. Die gelehrten Schriften des Sammonicus Serenus. Unter Septimius Severus (193-211) lebte ein gelehrter Mann des Namens Sammonicus Serenus. Von ihm existierten viele gelehrte Schriften, wir kennen nur den Titel einer einzigen, es sind seine rerum reconditarum libri, von denen bei Macrobius 3, 9, 6 das fünfte Buch citiert wird. Er stand mit dem Hof in engen Beziehungen, eine seiner Schriften war an Septimius Severus gerichtet, eine andere an Antoninus, wie es scheint, Antoninus Geta. Über den Inhalt seiner Schriften erfahren wir einiges aus Macrobius, welcher den gelehrten Schriftsteller für sein Sammelwerk benutzte; 3, 16, 6 ist die Rede von dem Seefisch acipenser; über denselben handelte auch Sammonicus Serenus und zwar erörterte er die abweichende Wertschätzung desselben zu verschiedener Zeit; aus Plinius ergebe sich, so führte er aus, dass der Fisch zu dessen Zeit ganz entwertet gewesen sei, in alten Zeiten sei derselbe dagegen hoch im Preis gestanden; doch gelangte der Fisch, wie Sammonicus Serenus des Weiteren berichtet, in späterer Zeit wieder zu grossem Ansehen, denn bei einem Gastmahl des Septimius Severus, dem der Erzähler selbst beiwohnte, wurde der Fisch von bekränzten Sklaven unter Flötenschall hereingetragen. Noch eine andere Notiz des Sammonicus über einen sehr hohen Preis, den Asinius Celer für eine Meerbarbe ausgegeben habe, verdanken wir dem Macrobius an der erwähnten Stelle. Das Gesagte gibt einen Fingerzeig für den Charakter der Schriftstellerei des Sammonicus. Die Notiz führt auf ein Kapitel über den Luxus der Römer. An einer zweiten Stelle teilt Macrobius (3, 9, 6) zwei Formeln mit, eine, durch welche die Götter einer belagerten Stadt abgerufen werden, und eine zweite, durch welche eine feindliche Stadt dem Untergang geweiht wird. Diese Formeln sollen nach der Angabe des Macrobius im fünften Buch der reconditae res gestanden sein. Vielleicht dürfen wir auch die Stelle über den Luxus diesem Werk zuteilen, das anscheinend nach Suetons Vorgang über Sitten und Gebräuche der Römer sich verbreitet hat.

Für solche Kuriositäten sind Bücher notwendig; Sammonicus besass in der That eine Bibliothek von 62,000 Büchern. Diese Bibliothek kam an seinen Sohn, der sie bei seinem Tode dem jüngeren Gordianus (II) hinterliess.) Unter den von Sammonicus zu Rate gezogenen Autoren können wir namhaft machen Nigidius Figulus, den älteren Plinius und den „vetustissimus liber" des Furius. 2) Seinen Tod fand er durch die Grausamkeit des Caracalla im Jahre 212. Seinen Sohn haben wir als Dichter kennen gelernt (§ 517 p. 29). Lebenszeit des Sammonicus Serenus. Macrob. 3, 16, 6 temporibus Severi principis qui ostentabat duritiam morum Sammonicus Serenus, vir saeculo suo doctus, cum ad principem suum scriberet; Spart. Antonin. Geta 5, 6 Sereni Sammonici libros familiaris

1) Capitol. Gordiani tres 18, 2.
2) HERTZ (Fleckeis. Jahrb. 85, 54) iden-

tifiziert diesen Furius mit L. Furius Philus (Cons. 136) vgl. oben § 76 p. 119.

simos habuit, quos ille ad Antoninum scripsit; Spart. Antonin. Caracall. 4, 4 occisique nonnuili etiam cenantes, inter quos etiam Sammonicus, cuius libri plurimi ad doctrinam extant. Ueber seine Schriften. Als Quelle von Macrob. 3, 13-18 weist den Sammonicus Serenus nach WISSOWA, Hermes 16 (1881) p. 503; er glaubt aber, Macrobius habe eine Kompilation aus Sammonicus benutzt. Erwähnt wird der Autor auch bei Apollinaris Sidonius praef. c. 14 p. 314 MOHR.

3. Cornelius Labeo.

611. Labeos Schriften über Sakralaltertümer. Zu einer Zeit, da christliche Lehren schon Verbreitung unter dem heidnischen Publikum gefunden hatten, machte Cornelius Labeo den Versuch, die alte nationale Religion darzustellen. An Litteratur über diesen Zweig des römischen Lebens fehlte es nicht. Allein den Bedürfnissen der Zeit konnte nicht eine blosse Materialsammlung genügen; das siegreich vordringende Christentum machte eine Neubelebung des Stoffes notwendig; es lagen zu viel disparate Elemente in den religiösen Gebräuchen aufgespeichert; ferner waren viele ausländische Kulte mit dem nationalen zusammengeflossen. Bekanntlich strebte die neuplatonische Philosophie diese Neubelebung an. Auch Cornelius Labeo muss sich dieser Richtung angeschlossen haben; denn es wird uns berichtet, 1) dass er den Plato zu den Halbgöttern gerechnet habe. Eine dem Untergang geweihte Religion kann noch eine Zeit ihr Leben fristen, indem sie die Vorstellungen umdeutet. Diese Erscheinung tritt auch in den Fragmenten des Cornelius Labeo zu Tage. Wir finden, dass er die Götter sowohl im physikalischen als im mythischhistorischen Sinn interpretiert hat. Weiter finden wir bei Labeo eine Einteilung der numina in gute und in böse und diese Verschiedenheit soll auch eine Verschiedenheit des Kultus bedingen, denn die bösen numina müssten durch schreckliche Mittel besänftigt werden, die guten dagegen durch freudigen Gehorsam.2) Schriften, in denen Labeo seine Ansichten aussprach, werden uns zwei genannt, die eine war betitelt de oraculo Apollinis Clarii, die andere de diis animalibus, d. h. über Götter, welche aus menschlichen Seelen hervorgegangen waren (Serv. Aen. 3, 168).

Labeos Versuche, den nationalen Kultus wieder zu beleben, konnten die christlichen Autoren nicht wohl unberücksichtigt lassen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Arnobius, obwohl er den Labeo nicht genannt hat, ihn doch vorgenommen, um gegen ihn zu polemisieren. 3) Aber auch heidnische Autoren, wie Macrobius, 4) Servius, Lydus 5) schöpften aus ihm. Die Schriften des Cornelius Labeo. Als sichere Titel von Schriften Labeos lassen sich folgende ermitteln: 1. de oraculo Apollinis Clarii. Macrob. 1, 18, 21 huius oraculi vim exsecutus est Cornelius Labeo in libro cui titulus est de oraculo Apollinis Clarii; 2. de diis animalibus. Serv. Aen. 3, 168 dicit Labeo in libris qui appellantur de diis animalibus.

Aus Macrob. 3, 4, 6 Cornelius quoque Labeo de dis Penatibus eadem existimat geht nicht hervor, dass Labeo eine Schrift de dis Penatibus geschrieben; denn es ist damit nur

1) August. de civ. dei 2, 14.

2) August. de civ. dei 2, 11 Labeo, quem huiuscemodi rerum peritissimum praedicant, numina bona a numinibus malis ista etiam cultus diversitate distinguit, ut malos deos propitiari caedibus et tristibus supplicationibus asserat, bonos autem obsequiis laetis

atque iucundis qualia sunt, ut ipse ait, ludi, convivia, lectisternia.

3) Bestritten von BURESCH, Klaros p. 34 und p. 128. 4) WISSOWA, Hermes 22 (1887) 35. 5) WACHSMUTH, Lydus de ostentis,

p. XXIII.

gesagt, dass Labeo über die di penates dieselbe Ansicht wie Nigidius hatte. Weiterhin citiert Macrob. 1, 16, 29 Cornelius etiam Labeo primo Fastorum libro nundinis ferias esse pronuntiat. Danach hätte also Cornelius Labeo eine Schrift Fasti geschrieben. WISSOWA (De Macrobii Saturnaliorum fontibus p. 26) meint, dass hier eine Verwechslung mit Antistius Labeo vorliege, da der Abschnitt, in dem dieses Citat vorkommt, auf Sueton zurückgehe. Bedenklich ist lediglich, dass wir keine Schrift des Antistius Labeo unter diesem Titel nachweisen können. An WISSOWA schliesst sich KAHL p. 803 an. Verdächtig ist das Citat des Fulgentius Expos. serm, antiq. p. 388 RoтH (Noniusausg.): Labeo qui disciplinas Etruscas Tagetis et Bacidis (über die Lesart handelt ZINK, Fulgentius p. 90)_quindecim voluminibus explanavit, ita ait. Vgl. O. MÜLLER, Etrusker II 30; SCHMEISSER, Die etrusk. Disziplin 1881 p. 30; KAHL p. 738. (Schol. Stat. Theb. 4, 482 Corvilius quattuor Mercurios esse scribit. O. JAHN wollte, Rh. Mus. 9 [1854] p. 627 schreiben Cornelius und unseren Cornelius Labeo verstanden wissen, allein der Name Cornelius findet sich nie allein zur Bezeichnung des Cornelius Labeo [KAHL p. 734]. HERTZ, Berl. Phil. Wochenschr. 1889, Sp. 594 schreibt Corvinus und denkt an Messalla Corvinus.)

Die Zeit des Cornelius Labeo kann nur hypothetisch bestimmt werden. Die Ansichten der Forscher weichen voneinander ab. REIFFERSCHEID (Ind. scholarum Vratislav. 1879/80 p. 9) und KAHL (p. 805) setzen Labeo in die zweite Hälfte des dritten Jahrh.; O. MÜLLER (Etrusker II 36 Änm. 69) und BURESCH (Klaros p. 54 und p. 128) noch in das zweite Jahrh.

Litteratur. KETTNER, Cornelius Labeo, ein Beitrag zur Quellenkritik des Arnobius, Pforta 1877. (Dagegen REIFFERSCHEID, Ind. lect., Breslau 1879/80); KAHL, Cornelius Labeo Philol. 5. Supplementbd. p. 717; MÜLLENSEIFFEN, De Cornelii Labeonis fragmentis, studiis, assectatoribus, Marb. 1889 (dazu KAHL, Wochenschr. f. klass. Phil. 1890 nr. 24 p. 655).

Bruttius. Vielleicht dürfen wir unter die Antiquare auch Bruttius stellen, der über die Bestrafung der Christin Flavia Domitilla (Euseb. hist. eccles. 3, 18), über Alexander den Grossen (Malal. 8 p. 193 DINDORF) und über Mythologisches (Malal. 2 p. 34 DINDORF) geschrieben. Genannt wird er iorogixos xeovoyoάpos. Vielleicht ist ausser einem rein historischen Werk noch ein gelehrtes Werk anzunehmen. PETER, Historic. Rom. fragm. p. 375.

3. Die Juristen.

612. Allgemeines. Das Recht der Kaiserzeit wird öfters als ius novum dem vetus ius gegenübergestellt. In der That ist der Weg, welcher zur Rechtsbildung führt, jetzt ein anderer. Wir bekommen zwei neue Rechtsquellen, das Senatus consultum und die Constitutio principis. In den Zeiten der Republik war die Ausführung der Gesetze in die Hand des Senats gelegt; mit dem Aufkommen des Principats übt er thatsächlich gesetzgebende Gewalt aus. Das Volksgesetz erlischt, an seine Stelle tritt das Senatus consultum. Der Prinzeps kann in dasselbe insofern eingreifen, als er befugt ist, den Senat durch eine Rede zu einem Beschlusse zu veranlassen, und seit Hadrian nimmt der Prinzeps allein das Recht für sich in Anspruch, im Senat Gesetzesanträge zu stellen. Im Laufe der Zeit sank der Beschluss des Senats zu einer blossen Formalität herab, massgebend war die oratio des Prinzeps, welche den Beschluss des Senats einleitete, und nicht selten wird von den Juristen nicht das Senatus consultum, sondern die oratio principis citiert. Seit der Konstituierung der Monarchie erlosch die Gesetzgebung des Senats, sie wird abgelöst durch das Kaisergesetz.

Ausser den Senatus consulta sind noch ein wichtiger juristischer Faktor die Constitutiones principis. Man bezeichnet mit diesem allgemeinen Ausdruck die verschiedenen Äusserungen der kaiserlichen Gewalt, welche zur Rechtsbildung führten. Der Prinzeps besitzt, wie jeder Magistrat, das ius edicendi, er konnte also durch Edikte, öffentliche Verordnungen die Grundsätze bekannt machen, welche er in der Handhabung des Privatrechts befolgt wissen wollte. Sein Edikt war streng ge

nommen nur für seine Regierungszeit gültig, allein in der Regel nahm es der Nachfolger stillschweigend an. Die zweite zur Rechtsbildung führende Äusserung des Prinzeps war das Dekret, das Urteil des Prinzeps in einer Streitsache; dasselbe konnte in erster Instanz oder auf Appellation hin erlassen werden. Da besonders zweifelhafte Fälle an den Kaiser gebracht wurden, so gewann die Entscheidung des Prinzeps eine über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Tragweite. Die dritte Quelle der kaiserlichen Rechtsbildung ist das Reskript, die Antwort auf eine Anfrage, sei es eines Magistrats, sei es einer Privatperson in einer Rechtssache. Die Antwort nimmt entweder die Form eines selbständigen Schreibens, einer epistula oder die Form einer der Eingabe beigefügten Entscheidung (subscriptio oder adnotatio) an. Naturgemäss musste seit der Redigierung des prätorischen Ediktes das Reskript an Stelle der prätorischen edicierenden Thätigkeit die Fortbildung des Rechtes übernehmen. Hadrians Regierung bildet auch hier einen Einschnitt. Die Dekrete und die Reskripte gehörten zur Interpretation des Rechts, waren also auch über die Regierungszeit des Kaisers hinaus verbindlich. Endlich werden von vielen Juristen auch die Mandate zu den constitutiones principum gerechnet. Das Mandat ist ein Schreiben des Prinzeps an die ihm untergebene Beamtenschaft. Auch in einem solchen Schreiben war die Möglichkeit gegeben, einen privatrechtlichen Grundsatz aufzustellen, wenngleich das Mandat sich mehr für Mitteilung von polizeilichen und strafrechtlichen Bestimmungen eignete. Allmählich schlossen sich diese Mandate zu einem Ganzen zusammen, d. h. es bildete sich ein Corpus.

Eine neue, höchst wichtige Rechtsquelle wurden in der Kaiserzeit die responsa prudentium. Schon in der republikanischen Zeit war das respondere neben dem cavere die vornehmste Beschäftigung des Rechtsgelehrten, d. h. das Rechtsgutachten und das Geschäftsformular wurden von ihm erbeten und gegeben. Aber diese freie Thätigkeit des Respondierens erhielt in der Kaiserzeit ihre gesetzliche Regelung. Die responsa sollten fortan unter kaiserlicher Autorität (ex auctoritate principis) erstattet werden. Diese Anordnung traf Augustus. Die Form, die (wahrscheinlich durch Tiberius) festgesetzt wurde, war die, dass hervorragenden Juristen von dem Prinzeps das ius respondendi förmlich erteilt wurde. Ein von einem solchen Juristen abgegebenes schriftliches, mit dem Siegel des Respondenten versehenes responsum war für den Magistrat wie für den entscheidenden Richter verbindlich, wenn nicht von der Gegenpartei ein entgegenstehendes eines anderen privilegierten Juristen vorgelegt wurde. Wenn rechtlich ein solches responsum nur für den einzelnen Fall verbindliche Kraft hatte, so lag es doch in der Natur der Sache, dass dasselbe auch in anderen ähnlichen Fällen faktische Beachtung erfuhr. Ja selbst die in Schriften niedergelegten responsa der juristischen Meister haben ohne Zweifel die Rechtsprechung stark beeinflusst. Durch die Erteilung des ius respondendi hatte der Principat in kluger Weise eine sehr angesehene Stellung der Juristen begründet; was der Redner unter der Republik war, war der Jurist in der Kaiserzeit. Auch bahnte die Jurisprudenz ihren Jüngern den Weg zu den höchsten Ämtern des Staates. Die Rechts

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