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aus, dass das Recht Recht bleiben muss, und dass Handlungen, welche gegen die Pietät und überhaupt gegen die guten Sitten verstossen, für uns unmöglich sein sollen (Dig. 28, 7, 15).

Ueber das Leben Papinians sind die Hauptstellen: Spart. Carac. 8, 1 scio de Papiniani nece multos ita in litteras rettulisse, ut caedis non adsciverint causam, aliis alia referentibus; sed ego malui varietatem opinionum edere quam de tanti viri caede reticere. Papinianum amicissimum fuisse imperatori Severo et, ut aliqui loquuntur, adfinem etiam per secundam uxorem, memoriae traditur; et huic praecipue utrumque filium a Severo commendatum, eumque cum Severo professum sub Scaevola et Severo in advocatione fisci successisse, atque ob hoc concordiae fratrum Antoninorum favisse. Da die von Dio 76, 10 (II 399 BEKKER) erzählte Amtshandlung des Papinianus als praefectus praetorio ins Jahr 204 zu fallen scheint, so war er vielleicht unmittelbarer Nachfolger des Plautianus, der 203 getötet ward; vgl. die Inschrift bei OR. HENZEN 5603, die sich auf 205 bezieht. Ueber seine Absetzung durch Caracalla nach seiner Thronbesteigung (211) berichtet Dio 77, 1 (ΙΙ 403 BEKKER) τοὺς δὲ δὴ οἰκείους τοὺς μὲν ἀπήλλαξεν, ὧν καὶ Παπινιανὸς ὁ ἔπαρχος ἦν, τοὺς δὲ καὶ ἀπέκτεινεν. Nach anderer Version blieb er im Amt bis zu seinem Tode (Spart. Carac. 8, 8), über den verschiedene Berichte umliefen; vgl. 1. c. des Spart. und 4, 1, dann Dio 77, 4 (ΙΙ 405 BEKKER) ἐς δύο μυριάδας παραχρῆμα ἀπέκτεινεν ἐκ δὲ τῶν ἐπιφανῶν ἀνδρῶν ἄλλους τε καὶ τὸν Παπινιανόν · καὶ τῷ γε τὸν Παπινιανὸν φονεύσαντι ἐπετίμησεν, ὅτι ἀξίνῃ αὐτὸν καὶ οὐ ξίφει διεχρήσατο.

Ueber die Abfassungszeit der quaestiones und responsa siehe FITTING, Ueber das Alter etc. p. 30 und p. 32. Vgl. bezüglich der quaestiones Dig. 31, 64; 22, 3, 26; 31, 67, 9; 22, 1, 6, 1; 50, 5, 7 bezüglich der responsa vgl. 50, 5, 8 pr.; 24, 1, 32, 16; 27, 1, 30 pr.; 34, 9, 16, 1; 31, 78, 1. Die responsa halten für nicht vollendet FITTING p. 32, PERNICE, Labeo 1, 62 Anm. 9 und KARLOWA, R. Rechtsgesch. 1, 737.

Die Berliner und die Pariser Fragmente der Responsa Papinians. Im Jahre 1877 kamen von Aegypten einzelne Blätter einer Handschrift, die dem vierten oder fünften Jahrhundert angehörte, nach Berlin. Diese Berliner Fragmente gehören dem 5. Buch der responsa Papinians an und handeln von der Vormundschaft und der bonorum posessio contra tabulas. Es kamen 1882 weitere Fragmente nach Paris. Die Pariser Fragmente, welche von der Freilassung handeln, gehören dem 9. Buch an.

Litteratur: a) Die Berliner Fragmente. KRÜGER, Zeitschr. der Savignystiftung 1 (1880) p. 93; 2 (1881) p. 83; HUSCHKE, Die jüngst aufgefundenen Bruchstücke aus Schriften röm. Juristen, Leipz. 1880; ALIBRANDI, Studi e documenti di storia e diritto 1 (1880) p. 509, 2 (1801) p. 63; BRINZ, Münchner Sitzungsber. 1884 p. 562.

8) Pariser Fragmente. DARESTE, Nouvelle Revue historique 1883 p. 361; KRÜGER, Zeitschr. der Savignystiftung 5 (1884) p. 166; HUSCHKE 1. c. p. 181; ALIBRANDI 1. c. 4 (1883) p. 125.

Literatur. DIRKSEN, Die schriftstellerische Bedeutung des Papinian, Hinterl. Schr. 2, 449; Kalb, Roms Juristen p. 107; LEIPOLD im Progr. von Passau 1891.

Andere zeitgenössische Juristen sind:

1. Callistratus, wie schon der Name sagt, griechischer Herkunft, welcher der lateinischen Sprache nicht vollständig mächtig war. Seine Schriften sind

a) de iure fisci libri IV;

B) quaestionum libri II;

r) de cognitionibus libri VI;

d) institutionum libri III;

ε) edicti monitorii oder ad edictum monitorium libri VI, eine kurze Bearbeitung des edictum perpetuum (über den Titel vgl. RUDORFF, Zeitschr. f. Rechtsgesch. 3,28 und Pernice Miscellanea p. 102).

Die Schriften a und sind unter Severus geschrieben (Dig. 49, 14, 2, 6; 1, 3, 38); die Schrift dagegen unter Severus und Caracalla (Dig. 1, 19, 3, 2; 50, 2, 11). In den Büchern de cognitionibus nimmt er besondere Rücksicht auf die Provinzen; BREMER, Rechtslehrer p. 97 vermutet daher, dass die Schrift in einer Provinzialstadt (Seestadt) geschrieben ist.

2. Claudius Tryphoninus, Mitglied des consilium unter Severus (Dig. 49, 14, 50). Er schrieb Notae zu Scaevolas Digesten, und die disputationum libri XXI (Dig. 20, 5, 12, 1; 49, 7, 10), deren erste Hälfte unter Caracalla und Geta abgefasst ist (Dig. 27, 1, 44 pr.; 49, 15, 12, 17; 3, 1, 11; 48, 19, 39) (FITTING, Ueber das Alter etc. p. 32). Die Bücher,folgen der Ordnung des Edikts, reichen aber nur bis zum Testament, so dass man annehmen muss, das Werk sei entweder unvollendet geblieben oder habe den Kompilatoren nur etwa zur Hälfte vorgelegen" (KRÜGER, Quellen p. 201).

3. Arrius Menander schrieb unter Severus und Caracalla (Dig. 49, 16, 13, 6) vgl. FITTING, Ueber das Alter d. Sch. p. 33) 4 Bücher de re militari.

4. Tertullianus. Von ihm sind in den Pandekten ausgezogen quaestionum libri VIII und der liber singularis de castrensi peculio. Tertullian kann nicht nach Caracalla geschrieben haben, denn er wird von Ulpian ad Sabinum citiert (Dig. 29, 2, 30, 6), welche Schrift unter Caracalla abgefasst wurde. Bezüglich des liber singularis nimmt FITTING, Ueber das Alter etc. p. 33 auf Grund von Dig. 49, 17, 4 an, dass derselbe erst unter Severus entstanden ist, weil in der angeführten Stelle von einem Bestandteil des castrense peculium geredet wird, welcher erst in der Zeit von Marcus bis Severus, und sehr wahrscheinlich erst unter dem letztgenannten Kaiser entstanden ist". Es ist eine bekannte Streitfrage, ob der Jurist mit dem Kirchenschriftsteller identisch ist. Fest steht, dass der Jurist zu derselben Zeit lebte wie der Kirchenvater. Auch ist es richtig, dass in Tertullians Schriften vielfach Juristisches durchklingt; Eusebius nennt ihn einen Tous Pwμaiwv vóμovs yxgißwzóta ärdoa (hist. eccl. 2, 2); man hat aus der Stelle geschlossen, dass Tertullian Sachwalter war. Allein die Entscheidung ist davon abhängig zu machen, ob die juristischen Schriften in dieselbe Zeit fallen wie die theologischen. Findet dies statt, so haben wir die Identität aufzugeben, denn wer Tertullian kennt, wird es nicht für möglich erachten, dass der Autor zu gleicher Zeit noch weltlichen Disziplinen seine Aufmerksamkeit zuwendete. Eine juristische Schriftstellerei des Kirchenvaters Tertullian ist nur denkbar in der Zeit, ehe er Christ wurde. Leider kann die Abfassungszeit der juristischen Schriften Tertullians nicht so bestimmt werden, dass wir mit Sicherheit sagen könnten, sie fielen vor die kirchlichen. Alles erwogen, scheint der juristische Schriftsteller doch ein anderer zu sein als der kirchliche, zumal die Sprache des Juristen sehr abweicht von der des Kirchenvaters. Für Identität sprechen sich mit mehr oder weniger Bestimmtheit aus RUDORFF, R. Rechtsgesch. 1, 196; BREMER, Rechtslehrer p. 95; KARLOWA, Röm. Rechtsgesch. 1, 739; FITTING, Ueber das Alter d. Sch. p. 33; gegen Identität KRÜGER, Quellen p. 203.

7. Domitius Ulpianus.

621. Die Schriftstellerei Ulpians. Nach Papinian beginnt das Zeitalter der Epigonen in der juristischen Litteratur. Ulpian und Paulus sind ohne Zweifel auch tüchtige Juristen, allein sie stehen weit hinter Papinian zurück; sie legen mehr Nachdruck auf multa, statt auf multum. Ihre Schriftstellerei ist eine so ausgedehnte, dass ein tieferes Eindringen in die Sache unmöglich gemacht war. Die Polyhistorie wurde jetzt das wesentliche Element der juristischen Schriftstellerei.

Ulpian stammt aus Tyrus in Phönicien; er sagt es selbst, dass dort seine origo sei. Diese Ausdrucksweise lässt darauf schliessen, dass seine Eltern, nicht er selbst in Tyrus geboren waren. Wo er erzogen wurde, wer seine Lehrer waren, wissen wir nicht. Mehr erfahren wir über den grossen Juristen, als er in Rom in Amt und Würde sich befand. Aber auch hier zeigt sich noch mancher unaufgeklärte Punkt. Wir werden folgende Daten als gesicherte zu betrachten haben. Vor allem ist zweifellos, dass Ulpian durch seine Rechtskenntnis seine Karriere machte. Wir finden ihn mit Paulus als Assessor des praefectus praetorio Papinian. Auch magister a libellis war er, vielleicht schon unter den Kaisern Caracalla und Heliogabalus. Bei dem letzteren fiel er aber in Ungnade, und es mag sich die Ungnade in seiner Entfernung von dem Amt der Bittschriften geäussert haben. Zu grosser Macht gelangte er unter Alexander Severus (222-235). Im Jahre 222 tritt er in einem Reskript als praefectus annonae auf, und Ende desselben Jahres kann er urkundlich als praefectus praetorio nachgewiesen werden. Anfangs teilte er dieses Amt mit Flavianus und Chrestus, allein er beseitigte sie, indem er sie hinrichten liess; jetzt war er im Vollbesitz der Macht; der Kaiser hörte auf ihn wie auf einen Vormund, auch die Mutter des Kaisers, Mammaea, die

anfangs seine Gegnerin war, war später ganz für ihn eingenommen. Allein auch ihn ereilte das Geschick; im Jahre 228 wurde er in der Nacht von den Prätorianern, die ihn hassten, überfallen und ermordet (Dio 80, 1).

Ulpian war ein ungemein fleissiger Schriftsteller; seine Werke erstreckten sich über alle Gebiete des Rechts. Der grösste Teil derselben fällt in die Zeit der Alleinregierung Caracallas (212-217). Seine Hauptwerke waren die 81 Bücher ad edictum praetoris, wozu noch zwei Bücher ad edictum aedilium curulium kommen, so dass das Werk im ganzen 83 Bücher umfasste; dasselbe bildete die Grundlage für die Pandekten. In diesem Werk war das prätorische Recht bearbeitet. Ulpian wollte aber das gesamte Recht behandeln, es fehlte noch das ius civile; zur Darstellung desselben legte er die berühmten libri tres iuris civilis des Sabinus (§ 489, 1) zu Grund; auf dem Fundament des Sabinussystems ruhen die 51 Bücher ad Masurium Sabinum. Das Werk war in zwei Ausgaben vorhanden. Wie angesehen dasselbe war, zeigen die griechischen Scholien zu demselben, von denen in neuester Zeit einige Fragmente im Sinaikloster aufgefunden wurden. Ausser diesen beiden Hauptwerken verfasste Ulpian noch eine grosse Reihe von Schriften, welche sich auf die in der Kaiserzeit aufgekommenen Rechtsinstitute beziehen, Erläuterungen einzelner leges, Erörterungen über den Wirkungskreis verschiedener Magistraturen, Darstellungen einzelner Rechtsinstitute. Hiezu gesellt sich die wissenschaftliche Behandlung schwieriger Rechtsfragen in den disputationum publicarum libri X, und in den responsorum libri II. Aber auch Schriften didaktischer Natur, welche zur Einführung in das Recht dienten, schrieb er, wie den liber singularis regularum und die institutionum libri II; wir werden über dieselben eigens handeln. Mehr für den praktischen Gebrauch waren, wie es scheint, bestimmt die opinionum libri VI und die regularum libri VII.

Gewiss ergreift uns ein Gefühl des Staunens, wenn wir die reiche Schriftstellerei Ulpians überschauen. Unser Erstaunen wächst aber noch, wenn wir weiterhin sehen, dass diese zahlreichen Werke sich in einen kleinen Zeitraum zusammendrängen. Allein die Vertiefung in die Wissenschaft ist bei solcher Masse nicht möglich. Ulpian wurde zwar auch von den nachfolgenden Geschlechtern bewundert und er verdient diese Bewunderung schon wegen seiner gewandten Darstellung, allein wie er als Charakter weit hinter Papinian zurücksteht, so auch als Gelehrter.

Das Leben Ulpians. Ueber seine Herkunft. Dig. 50, 15, 1 pr. est in Syria Phoenice splendidissima Tyriorum colonia, unde mihi origo est (Worte Ulpians). Dass er Assessor im Konsilium eines Praetor war, zeigt Dig. 4, 2, 9, 3 et praetorem me adsidente interlocutum esse (40, 2, 8) Spart. Pescenn. 7, 4 Pauli et Ulpiani praefecturae, qui Papiniano in consilio fuerunt ac postea cum unus ad memoriam, alter ad libellos paruisset, statim praefecti facti sunt. Lamprid. Heliog. 16, 4 removit et Ulpianum iuris consultum ut bonum virum et Silvinum rhetorem, quem magistrum Caesaris fecerat. Lamprid. Alex. Sever. 26, 5 Paulum et Ulpianum in magno honore habuit, quos praefectos ab Heliogabalo alii dicunt factos, alii ab ipso; nam et consiliarius Alexandri et magister scrinii Ulpianus fuisse perhibetur, qui tamen ambo assessores Papiniani fuisse dicuntur. Vict. Caes. 24, 6 Domitium Ulpianum, quem Heliogabalus praetorianis praefecerat. Aus diesen Zeugnissen geht hervor, dass 1. strittig war, wann Ulpian praefectus praetorio wurde. Richtig ist, dass Ulpian erst unter Alexander Severus (222-235) dieses Amt erhielt; denn in einem Reskript des Jahres 222 März (Cod. 8, 38, 4) erscheint er noch als praefectus annonae, dagegen in einem Reskript vom Dezember 222

(Cod. 4, 65, 4) als praefectus praetorio. Also kann er erst unter Alex. Severus das Amt erhalten haben und so berichtet auch Dio 80, 1 (II 454 BEKKER) Aléαvdoos Ουλπιανῷ τήν τε τῶν δορυφόρων προστασίαν καὶ τὰ λοιπὰ τῆς ἀρχῆς ἐπέτρεψε πράγματα; 2. es wird berichtet, dass Ulpian magister libellorum war und sofort (statim) zum praefectus praetorio ernannt wurde. Allein, da wir wissen, dass Ulpian auch praefectus annonae war, so ist diese Nachricht bedenklich. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass viel früher (unter Caracalla oder Heliogabalus) Ulpian magister libellorum war; 3. es ist unklar, worauf sich das „removit (Heliogabalus)" bezog. KARLOWA, R. Rechtsgesch. 1, 741 bezieht es auf die Entfernung von dem Amt a libellis. Alexander Severus hätte ihn dann wieder herangezogen und zunächst zum Mitglied seines consilium und zum praefectus annonae, später zum praefectus praetorio ernannt."

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Ueber die Abfassungszeit der Schriften Ulpians vgl. im allgemeinen FITTING, Ueber das Alter etc. p. 34; KRÜGER, Quellen p. 216, über die einzelnen Schriften KARLOWA, R. Rechtsgesch. 1, 743. Vor dem Tod des Septimius Severus ist der liber singularis de excusationibus herausgegeben; die ersten 35 Bücher zum edictum sind noch unter Severus und Caracalla abgefasst, unter Caracalla wurden sie für die Herausgabe nochmals überarbeitet, aber so, dass nicht alle Spuren der Zeit der ersten Bearbeitung verwischt wurden (MOMMSEN, Zeitschr. für Rechtsgesch. 9, 101; KARLOWA, R. Rechtsgesch. 1, 743). Strittig ist, ob die folgenden Bücher sämtlich unter Caracallas Alleinregierung (212-217) geschrieben sind. Der Sabinuskommentar ist unter Caracallas Alleinregierung herausgegeben worden.

Die zwei Ausgaben der libri ad Sabinum. Praef. de emendatione codicis § 3: in antiquis etenim libris non solum primas editiones, sed etiam secundas, quas repetitae praelectionis veteres nominabant, subsecutas esse invenimus, quod ex libris Ulpiani viri prudentissimi ad Sabinum scriptis promptum erat quaerentibus reperire. (Dagegen KARLOWA, R. Rechtsgesch. 1, 744).

Die griechischen Scholien zu Ulpians libri ad Sabinum. Bruchstücke derselben wurden aufgefunden von G. BERNARDAKIS, publiziert nach seinem Apographon von DARESTE, Bulletin de corresp. Hellénique 4 (1880) p. 449; Nouvelle Revue de droit français et étranger 4 (1880) p. 643, von ZACHARIAE, Monatsber. der Berl. Akad. 1881 p. 621, von KRÜGER, Zeitschr. der Savignystiftung 4, 1 und von HUSCHKE, Jurispr. Anteiust.3 p. 815. Die Scholien, welche vor Justinian abgefasst wurden, sind selbständig ohne Text und sind aus dem Schulunterricht hervorgegangen.

Litteratur. PERNICE, Ulpian als Schriftsteller, Berl. Sitzungsber. 1885 p. 443; KALB

1. c. p. 126.

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623. Ulpians liber singularis regularum. Im Jahre 1514 fand Dutillet, der seinen Namen in Tilius latinisierte, in einer Handschrift der lex Romana Wisigothorum ein Werk Ulpians und gab dasselbe Paris 1549 heraus. Die Handschrift war lange verschollen, Savigny hat sie in einem Vaticanus-Reginensis 1128 s. X wiedergefunden. Es ist dies die einzige Handschrift des Ulpianischen Werks. Dasselbe wird in dem genannten Codex als Anhang, nicht als Bestandteil der lex Romana Wisigothorum gegeben; es wird eingeführt durch die Überschrift tituli ex corpore Ulpiani". Sehr üblich ist für die Schrift die Bezeichnung fragmenta Ulpiani" geworden. Das Werk ist ein Auszug aus Ulpians liber singularis regularum, der nach Mommsen nicht lange nach 320 gemacht wurde. 1) Dieser Charakter des Werkes erhellt aus der Übereinstimmung einer Stelle des Buchs mit einer Digestenstelle, welche hier ausdrücklich dem liber singularis regularum zugeschrieben wird (20, 6 Dig. 22, 5, 17).2) Der liber singularis wollte offenbar das gesamte Rechtssystem zur Darstellung bringen und schloss sich zu diesem Zweck an die Institutionen des Gaius an. Ergänzungen zu Idem Werk liefern die Pandekten und die Collatio.

Ueber eine Verwirrung am Anfang der Handschrift vgl. KRÜGER Ausg. p. 3. Ausgaben von BÖCKING (Leipz. 1855), VAHLEN Bonn 1856 und KRÜGER Ulpiani liber singularis etc., Berl. 1878.

1) Ausg. von BÖCKING p. 111. (KRÜGER, Quellen p. 248, 29).
2) Auch die Uebereinstimmung der Collatio 6, 2

=

Ulp. 5, 6. 7 beweist dies.

624. Die Institutionen Ulpians. Der Wiener Bibliothekar Endlicher entdeckte, dass mehrere Pergamentstreifen, die für eine Papyrushandschrift verwendet waren, ursprünglich einer juristischen Schrift angehörten. Welcher Schrift, konnte kein Zweifel sein, da auf einem Streifen Ulp. Inst. zu lesen war; man hatte also Reste von Ulpians Institutionen vor sich. Sie gehörten zwei nicht aufeinander folgenden Blättern eines verlorenen, wohl dem fünften oder sechsten Jahrhundert angehörigen Codex an. Sie handeln über Kontrakte und Interdikte. Zum erstenmal wurden diese Fragmente 1835 von ihrem Entdecker herausgegeben.

Andere Ausgaben von BREMER (De Ulpiani instit. scripsit, instit. reliquias adiecit, Bonn 1863), von KRÜGER, Krit. Versuche auf dem Gebiet des röm. Rechts, Berl. 1870 p. 163 und Ulpiani liber singularis regularum etc., Berl. 1878 p. 157.

Die übrigen Schriften Ulpians sind:
1. liber singularis de sponsalibus;
2. Fideicommissorum libri VI;

3. de appellationibus libri IV;

4. ad legem Aeliam Sentiam libri IV;

5. ad legem Juliam et Papiam libri XX;

6. de adulteris (ad legem Juliam de adulteriis) libri V;

7. de officio proconsulis libri X; vgl. über die Schrift RUDORFF, Abh. der Berl. Akad. 1865 p. 258 Für das Strafrecht ungefähr dasselbe, was Ulpians grosser Ediktskommentar für das Civilrecht" (NEUMANN, Der römische Staat und die allgem. Kirche 1, 203 Anm. 4);

8. de officio consulis libri III;

9. de officio consularium;

10. de officio quaestoris. Dig. 2, 1, 3 hat die Ueberschrift: Ulpianus libro secundo de officio quaestoris. Allein es muss wahrscheinlich heissen: de officio proconsulis (Karlowa, R. Rechtsgesch. 1, 742; anders BREMER, Rechtslehrer p. 86);

11. de officio praefecti urbi;

12. de officio praefecti vigilum;

13. de officio curatoris reipublicae;

14. de excusationibus.

15. de officio praetoris tutelaris; es ist gewissermassen die zweite Auflage der Schrift de excusationibus“;

Alle von 9-15 aufgezählten Nummern sind libri singulares.

16. De omnibus tribunalibus libri X;

17. de censibus libri VI;

18. Pandectarum libri X; dies ist der Titel im Index Florentinus, in den Digesten werden aber zwei Excerpte aus einem liber singularis pandectarum angeführt. Der Sachverhalt mag der sein, dass von Ulpians nicht stark benutzten pandectarum libri X nur ein Buch bis auf die Zeit der Kompilatoren gekommen war, welches in den Digest eninskriptionen nicht zutreffend als liber singularis bezeichnet ist" (Karlowa, R. Rechtsgesch. 1, 742);

19. Noten zu Marcellus' Digesten (p. 173) und zu Papinians Responsen (p. 180).

8. Julius Paulus.

625. Die Schriftstellerei des Julius Paulus. Gleichzeitig mit Ulpian lebte Julius Paulus, ebenfalls ein sehr fruchtbarer Schriftsteller. Die Beziehungen zwischen den beiden Juristen scheinen nicht besonders innige gewesen zu sein, denn sie citieren sich gegenseitig nicht in ihren Schriften.1) Über die Heimat des Julius Paulus fehlt uns jede Kunde. Besser sind wir über seine Lebensverhältnisse unterrichtet. Wir finden ihn zuerst als Rechtsanwalt thätig, dann als Assessor des praefectus praetorio Papinian. Er war magister memoriae, auch wurde er zu dem kaiserlichen consilium beigezogen, hier fungierte er noch neben Papinian. Von Heliogabalus 1) KRÜGER, Quellen p. 224 (scheinbare Ausnahme Dig. 19, 1, 43).

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