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673. De patientia (über die Geduld). Als Tertullian über die Geduld schrieb, konnte er sich nicht verhehlen, dass er eine Tugend behandle, welche ihm selbst abging. Trotzdem macht er sich frisch ans Werk, indem er daran erinnert, dass ja auch die Menschen dann am wärmsten von dem Gute der Gesundheit sprechen, wenn sie krank sind. Die Geduld ist göttlichen Ursprungs, Gott gibt in seiner Langmut gegen die Sünder das hehrste Beispiel der Geduld, noch glänzender ist die Geduld in der Menschwerdung Gottes hervorgetreten. Die menschliche Geduld muss sich vor allem in Gehorsam gegen Gott erweisen, die Ungeduld ist die Quelle der Sünde, ihr Vater ist der Teufel. Scharf wird auf die enge Verbindung der Geduld mit dem christlichen Glauben hingewiesen. Gelegenheit, die Geduld praktisch auszuüben, bietet uns das Leben, wenn Verluste an Hab und Gut über uns hereinbrechen, wenn wir Beleidigungen erfahren, wenn uns geliebte Personen durch den Tod entrissen werden. Der Geduld grösste Feindin ist die Rachsucht. Übrigens kann das Leben uns noch hundertfache Geduldproben auferlegen. Der Autor schildert nun den Segen der Geduld, sie bildet die Voraussetzung für die Busse und strahlt in die alles hinnehmende Liebe aus. Aber auch für das leibliche Leben ist die Geduld von grosser Bedeutung. Nachdem Vorbilder für die Geduld vorgeführt sind, folgt eine Schilderung der Tugend in den stärksten rhetorischen Farben, welche zuletzt uns sogar die patientia als Person vorführt. Der Schluss warnt vor der Verwechslung der Tugend mit ihrem heidnischen Zerrbild, welches das Ausharren im Schlechten ist.

Die Schrift ist sehr interessant, weil sie uns Blicke in die Seele des Autors thun lässt, und sie ist wichtig, weil sie zum erstenmal ausführlich eine christliche Tugend im Gegensatz zur entsprechenden heidnischen behandelt.

Der Gegensatz gegen heidnische Anschauung tritt öfters hervor: zwar wird im Eingang hervorgehoben (c. 1), dass die sonst so uneinigen Philosophen im Lobe der Geduld einig sind. Allein das Leben scheidet den Christen vom Heiden, das Christentum kennt keinen Talio, sondern den Satz, liebet eure Feinde. Weiter heisst es (c. 7): gentilium est omnibus detrimentis impatientiam adhibere, qui rem pecuniariam fortasse animae anteponant; nam et faciunt, cum lucri cupiditatibus quaestuosa pericula mercimoniorum in mari exercent, cum pecuniae causa etiam in foro nihil damnationi timendum aggredi dubitant, cum denique ludo et castris sese locant, cum per viam in morem bestiarum latrocinantur. Am Schluss bezeichnet er als heidnische Zerrbilder der christlichen patientia jene patientia, quae maritos dote venales aut lenociniis negotiantes uxorum potestatibus subicit, quae aucupandis orbitatibus omnem coacti obsequii laborem mentitis adfectionibus tolerat, quae ventris operarios contumeliosis patrociniis subiectione libertatis gulae addicit.

Die Abfassungszeit. Die Schrift steht an der Grenze. Dass T. aber noch nicht den Uebertritt zum Montanismus vollzogen, kann erwiesen werden; erstens: T. nimmt hier noch nicht den rigoristischen Standpunkt in Bezug auf die Flucht in der Verfolgung ein (vgl. c. 13); zweitens: das Gleiche ist der Fall gegenüber der Busse (vgl. NEANDER p. 144). Ueber Zweifel, die hier geäussert wurden, vgl. GOTTWALD, De montanismo Tertulliani, Berl. 1862 p. 63; BoNWETSCH p. 39, 45.

674. Ad uxorem 1. II (über Aufrechthaltung des Witwenstands). Die Frage, ob die Gattin Tertullians nach seinem Tode sich wieder vermählen soll, ist der Gegenstand des ersten Buches unserer Schrift. Tertullian widerrät eine zweite Ehe. Nur eine Ehe entspricht der christlichen Vollkommenheit. Die Gründe, welche man für das Eingehen eines zweiten Bundes geltend macht, sind nach Tertullians Ansicht nicht durchschlagend. Man beruft sich auf die Schwäche des Fleisches, allein auch der Geist ist da, und der ist stärker als das Fleisch. Man beruft sich

weiter auf weltliche Rücksichten, wie materielle Vorteile, hohe Stellung und anderes. Allein für den Christen sind solche Rücksichten gegenstandslos. Ein zartes Bild der Witwen, welche nicht wieder heiraten, sondern sich dem Dienste des Herrn weihen, schliesst sich daran. Sogar der Wunsch nach Nachkommenschaft schlägt nicht durch; denn in diesen traurigen Zeiten sind die Kinder eine Bürde und bilden nicht selten ein Hemmnis für die Bethätigung des christlichen Glaubens. Selbst durch Beispiele aus dem Heidentum weiss er seine Ansicht zu stützen. Die Lösung der Ehe durch den Tod des einen Teils ist Gottes Fügung; man soll also nicht durch eine zweite Ehe den Zustand, welchem Gott ein Ende gemacht hat, wiederherstellen. Im Einklang damit steht auch die kirchliche Disziplin, welche denen, die wieder heiraten, gewisse Ehren versagt. Allerdings ist die Bewahrung der Witwenschaft keine leichte Sache, sie ist sogar schwieriger als die Erhaltung der Virginität; allein darum ist ihr auch ein reicherer Lohn von Gott in Aussicht gestellt, welcher Schirmvater der Witwen und Waisen sein will.

War das erste Buch vom Ideal der christlichen Vollkommenheit ausgegangen, so geht das zweite von der harten Wirklichkeit aus, welche eine Wiederverheiratung verlangt. Diese Wiederverheiratung kann aber nur unter der Bedingung erfolgen, dass sie nicht zum Bunde mit einem Heiden führt. Ziel des zweiten Buchs ist sonach, überhaupt den Ehebund der Christen mit Heiden als verwerflich erscheinen zu lassen. Ein Fall, in dem eine Christin einen Heiden heiratete, hatte tiefen Eindruck auf Tertullian gemacht und ihn vermutlich bestimmt, seine Gedanken über dieses Thema niederzulegen. Eine solche Ehe ist durchaus unzulässig. Die hl. Schrift gestattet zwar, wenn ein Teil erst nach Abschluss der Ehe das Christentum annimmt, bei dem ungläubigen Genossen auszuharren, allein sie gebietet, einen neuen Ehebund nur im Herrn einzugehen (1 Kor. 7, 39). Der Autor schildert die Gefahren, welche dem religiösen Leben der Christin, die sich mit einem Heiden verbindet, drohen. Mit einigen Strichen wird ein schönes Bild des christlichen Lebens gezeichnet (c. 4). Selbst ein toleranter Gatte ist nicht ohne Übel, denn er wird Mitwisser der christlichen Geheimnisse, und die christliche Frau ist in der Ausübung ihres Kultus von seinem guten Willen abhängig. Muss sie denselben aber hinter dem Rücken ihres Mannes ausüben, so ist die Sache natürlich noch schlimmer. Dann bringt das Heidentum des Gatten der Frau fortwährend schwere Gefahren, fortwährend treten ihr die Gebräuche des heidnischen Götzendienstes entgegen. Bei Frauen, welche erst, nachdem sie den Ehebund geschlossen, das Christentum angenommen haben, sind die geschilderten Verhältnisse entschuldbar und auch viel erträglicher. Allein freiwillig seinen Glauben durch Heirat mit einem Heiden den Gefahren auszusetzen, ist nicht zu rechtfertigen. Überdies sind es auch manche weltliche Rücksichten, welche Christinnen bestimmen, ihre Hand einem Heiden zu reichen. Mit einer wundervollen Schilderung des religiösen Lebens eines christlichen Ehepaars schliesst das zweite Buch, das zwar ebenfalls an die Frau Tertullians gerichtet ist, allein die individuellen Beziehungen fast gar nicht hervortreten lässt.

Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. VIII. 3. Teil.

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Ueber die Materie vgl. BAUR, Das Christentum und die christl. Kirche der drei ersten Jahrhunderte, Tüb. 1853, p. 458, 468, 475.

Abfassungszeit. Da diese Bücher bereits Fragen anregen, über welche der Montanismus eine Entscheidung brachte, so werden sie zu den spätesten vormontanistischen Schriften zu rechnen sein (BoNWETSCH, Die Gesch. des Montanismus p. 181). Dass T. aber noch nicht Montanist ist, erhellt daraus, dass er die zweite Ehe, wenngleich mit Widerstreben, zulässt.

7) Antihäretische Schriften.

675. Übersicht. In der vormontanistischen Periode beschäftigten Tertullian die Kämpfe mit dem Heidentum und die inneren Angelegenheiten der christlichen Gemeinde in so hohem Grade, dass die Bestreitung der Ketzer, welche späterhin mit eine seiner vornehmsten Lebensaufgaben ausmachte, noch nicht im Vordergrund stand. Doch legte er in dieser Zeit das Fundament zu seinen ketzerbekämpfenden Schriften, indem er den Generaleinwand, der allen Häresien entgegenzusetzen sei, feststellte; derselbe geht dahin, dass die Häresie als eine Neuerung sich dadurch als der Abfall von dem Ursprünglichen, Wahren charakterisiere. Diesen Satz führt er in der Schrift de praescriptione haereticorum durch. Aber auch die speziellere Widerlegung häretischer Systeme stellt er bereits in dieser Schrift in Aussicht. Nicht im Zusammenhang mit dieser schriftstellerischen Thätigkeit steht die Schrift gegen die Juden. Es ist wahrscheinlich, dass dieselbe in den Anfang seiner Wirksamkeit gehört.

Hier soll noch bemerkt werden, dass die erste Auflage des Antimarcion in die nächste Zeit nach de praescr. haeret. gehört; vgl. HAUCK p. 188.

676. De praescriptione haereticorum (über die Einrede gegen die Häretiker). Die häretischen Streitigkeiten hatten zur Zeit Tertullians einen solchen Umfang angenommen, dass nicht wenige Christen in ihrem Glauben erschüttert wurden, zumal wenn sie die zahlreichen Übertritte wahrnahmen. Es war daher eine Belehrung sehr am Platz. Tertullian gab eine solche und erörterte zuerst das Verhältnis der Häresie zum orthodoxen Glauben. Er that dar, dass die Häresie als ein von Gott zugelassenes Übel zu betrachten sei, dass sie ihren Ursprung in der Regel aus der Philosophie nehme, und dass sie auf einer falschen Anwendung des biblischen Satzes , Suchet und ihr werdet finden" beruhe. Aber noch notwendiger war es, die Stellung zu bestimmen, welche der Gläubige dem Häretiker gegenüber einzunehmen habe. Tertullian ist gegen jede Disputation mit den Häretikern auf Grund der Schrift, weil dieselbe in der Regel resultatlos verlaufe. Er zeigt einen anderen Weg, indem er fordert, dass man von jedem materiellen Eingehen auf den Streitpunkt absehe und rein formalistisch zu Werke gehe. Er nennt sein Verfahren praescriptio und bezeichnet damit die im Prozess vorkommende Einrede (gewöhnlich exceptio genannt). Die Einrede, die jedem Häretiker entgegengestellt werden kann, besteht nun darin, dass derselbe nicht im stande ist, seine Lehre unmittelbar auf die Apostel zurückzuführen. Die wahre Lehre kann nur die sein, welche die Kirche von den Aposteln und dadurch von Christus selbst erhalten und bewahrt hat; die Häresie ist dagegen die spätere Neuerung. Die Häretiker sind also gar keine Christen und haben kein Recht auf die heilige Schrift.

Für die Abfassungszeit fehlen genauere Indizien; nur soviel lässt sich sagen, dass die Abhandlung den Schriften, welche die speziellen Irrlehren behandeln, vorausgeht; vgl. den Schluss: Sed nunc quidem generaliter actum est nobis adversus haereses omnes —. De reliquo etiam specialiter quibusdam respondebimus. Dagegen spricht nicht adv. Marc. 1,1 sed alius libellus hunc gradum sustinebit adversus haereticos, etiam sine retractatu doctrinarum revincendos, quod hoc sint de praescriptione novitatis, da sustinebit hier nur eine bescheidene Aussage markieren, keineswegs aber besagen soll, dass er erst in Zukunft darüber schreiben will (vgl. über dieses Futur KELLNER, Tüb. Theol. Quartalschr. 58 [1876] p. 234). Die Schrift ist also vor 207 abgefasst, fällt aber in die vormontanistische Zeit. Das geht schon daraus hervor, dass Tertullian, wenn er Montanist gewesen wäre, in den zweifelhaften, strittigen Fällen die Entscheidung durch die neue Prophetie hätte anführen müssen. Für Nichtmontanismus spricht auch die Behandlung der Stelle Joh. 16, 13 (c. 22) und die Verteidigung der Vollkommenheit der apostolischen Erkenntnis" (vgl. NEANDER p. 314, HAUCK p. 167, BONWETSCH p. 46, 13).

677. Adversus Iudaeos. Die Veranlassung der Schrift ist folgende: Es fand eine Disputation zwischen einem Christen und einem zum Judentum übergetretenen Heiden statt. Die Unterredung zog sich bis zum Abend hin und konnte nicht volle Klarheit schaffen. Die Lücke soll die vorliegende Schrift ausfüllen. Der brennende Punkt liegt in dem Nachweis, dass auch die Heiden an der Gnade Gottes Teil haben, darauf führen die Weissagungen. Es ist unrichtig, erörtert weiter der Verfasser, dass nur für ein Volk das Gesetz gegeben sei. Die mosaische Gesetzgebung schliesst nur die Weiterentwicklung des Gebotes, das Adam und Eva im Paradies erhielten, in sich, sie ist daher nicht unabänderlich. Weder die Beschneidung noch die Sabbatheiligung waren von allen Zeiten her da; sie können daher auch wieder beseitigt werden wie die irdischen Opfer der Juden. Ein neues Gesetz verkünden die Weissagungen, es ist das Gesetz der Liebe, welches an Stelle des Gesetzes der Vergeltung treten soll.1) Es handelt sich also noch um den Nachweis, dass dieses Gesetz wirklich gegeben worden ist, dass der verheissene Christus wirklich erschienen ist. Um den festen Beweis dafür zu geben, muss gezeigt werden, dass die alttestamentlichen Weissagungen erfüllt sind. Die Verbreitung des Christentums legt Zeugnis ab für die Erfüllung der Stelle Jesaias 46, 1. Chronologische Berechnungen beweisen, dass auch die Geburt, das Leiden Christi und die Zerstörung Jerusalems vollkommen mit der von dem Propheten Daniel vorausgesagten Zeit übereinstimmen. Also ist es irrig, müssen wir folgern, noch auf Christus zu warten, er ist vielmehr erschienen.

Bisher verlief die Untersuchung in durchaus geordneter Weise. Mit dem 9. Kapitel erscheint die Schrift in einem ganz anderen Licht. Es beginnt ein Exzerpt aus dem dritten Buch des Antimarcion. Wie wir unten) sehen werden, richtet sich dieses Buch gegen die Behauptung Marcions, dass der in dem alten Testament verheissene Christus noch gar nicht erschienen sei, und dass der auf die Welt gekommene Christus mit jenem alttestamentlichen nichts zu thun habe. In diesem Punkt berühren sich also die Marcioniten mit den Juden. Beide leugnen, dass Christus mit dem im alten Testament verkündeten identisch sei, beide behaupten, dass derselbe noch erscheinen werde, aber damit hört die Gemeinsamkeit auf, mit dem neuen Gott Marcions haben die Juden nichts mehr zu thun. Es ist ersichtlich, dass für eine Schrift gegen die Juden auch der Anti2) p. 280.

1) c. 3.

marcion Material liefern kann. Allein es gehört einige Überlegtheit dazu, um etwas, was für einen andern Zweck bestimmt ist, sich dienstbar zu machen. Vergleichen wir nun die Ausführungen unserer Schrift mit den betreffenden Partien des Antimarcion, so sehen wir sofort, dass die Herübernahme so ungeschickt als möglich ausgefallen ist. Es kann daher keine Rede davon sein, dass etwa Tertullian diese Ungeschicklichkeit begangen, denn es finden sich Fehler, wie sie nur ein elender Stümper sich zu schulden kommen lässt. Das Verhältnis ist vielmehr aller Wahrscheinlichkeit nach dies, dass die Schrift gegen die Juden von Tertullian nicht vollendet wurde und dass ein Dritter das Fragment zur Vollständigkeit ausgestalten wollte.

Tertullians Schrift unvollendet. Dass die ersten acht Kapitel von Tertullian herstammen, kann nicht wohl bestritten werden. Die Frage ist nun, ob auch im folgenden noch Tertullianisches Gut zu finden oder ob alles von c. 9 an dem Kompilator zuzuweisen ist. Das letzte nimmt NEANDER in seinem Antignosticus p. 458 an, das erste P. CORSSEN (Altercatio, Berl. 1890 p. 9): „Es kommen in dem zweiten Teile längere Abschnitte vor dahin zählt vor allen Dingen die grössere Hälfte des 13. Kapitels die man vergebens an dem Orte sucht, woher das Uebrige stammt, und die der Erfindungskraft des Bearbeiters nicht wohl zugetraut werden können, in denen vielmehr unzweifelhaft sich Tertullian ausspricht."

Das Verhältnis des zweiten Teils zu 1. III adversus Marcionem. SEMLER (Oehler III 620) hat in bequemer Weise die beiden Texte einander gegenübergestellt. Die ungeschickte Art des Interpolators soll an einigen Beispielen dargethan werden: c. 9 (723 Oehler) nec hoc enim novum scripturis divinis, figurate uti translatione nominum ex comparatione criminum. Nam et archontas Sodomorum appellat archontas vestros. Im Antimarcion 3, 13 hiess es novum creatori. Der Epitomator hat vergessen, dass scripturis divinis,appellant erforderlich macht. c. 9 (720 0.) at nos e contrario admonendos eos existimavimus, uti cohaerentia quoque huius capituli recognoscant. Im Original heisst es c. 12: at ego te admonebo, uti cohaerentia quoque utriusque capituli recognoscas. Die in Frage stehende Bibelstelle war aus Stellen von zwei Kapiteln zusammengesetzt, daher utriusque capituli. Der Kompilator verkannte dieses Verhältnis und schrieb huius statt utriusque. Tertullian liebt es den Marcion direkt anzureden. Der Kompilator muss als Subjekt Iudaei einführen, allein im Laufe der Untersuchung vergisst er das eingeführte Subjekt, und es erscheinen wieder inquis, non negabis u. s. w. Ganz verkehrt ist das generaliter des Originals (3, 17) in specialiter verwandelt (c. 9 p. 726 0.). Vgl. HAUCK p. 92 und besonders CORSSEN (Die Altercatio p. 4), der schlagende Beispiele beibringt.

Der Ansicht, dass unsere Schrift im letzten Teile unecht ist und der unechte Teil aus Antimarcion und aus einer neueren Quelle zusammengesetzt ist, tritt nach dem Vorgange Grotemeyers neuerdings Noeldechen entgegen in der Schrift Tertullians gegen die Juden, Leipzig 1894 (XII. Band der Texte und Untersuchungen, herausgegeben von GEBHARDT und HARNACK 4. 2) Noeldechen hält an der Einheit und Echtheit der ganzen Schrift fest und nimmt an, dass Tertullian im Antimarcion die Schrift gegen die Juden benutzt habe, deren Entstehungszeit er in die Jahre 195-196 verlegt (p. 87).1)

Die Abfassungszeit. Die von Tertullian selbst herrührende Partie zeigt noch keine Spur von Montanismus, vgl. die Stelle über die Gnadengabe c. 8 baptizato Christo omnis plenitudo spiritalium retro charismatum in Christo cesserunt, signante visionem et prophetias omnes, quas adventu suo adimplevit. Unde firmissime dicit adventum eius signare visus et prophetiam.

B. Werke aus der montanistischen Zeit.

678. Der Montanismus. Um in das Wesen des Montanismus einzudringen, hat man sich vor allem vor Auge zu halten, dass derselbe seine Quelle in einem überspannten religiösen Gefühl hat. Diese Überspannung ist aber durch den Glauben hervorgerufen, dass das Ende der Welt nahe sei, dass Christus demnächst erscheinen und das tausendjährige Reich hier auf Erden aufrichten werde. Hat ein solcher Gedanke einmal die ganze 1) Ein ehemaliger Zuhörer von mir wird die Unrichtigkeit der Noeldechen'schen Aufstellungen genauer darlegen.

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