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Vergebung der schweren Sünden muss der göttlichen Gnade vorbehalten bleiben. Wenn die Apostel solche schwere Sünden vergeben, so waren sie dazu durch die Wunder, die sie ausrichteten, legitimiert. Der Satz, dass die Kirche die Macht habe, die Sünden zu vergeben, ist zwar in der Theorie richtig, allein sie wird es hier nicht thun wollen, da durch eine solche Vergebung der Kirche ein grosser Schaden erwächst. Übrigens kommt dieses Recht nicht der Kirche der Katholiken zu, sondern der Geisteskirche d. h. der montanistischen. Scharf tadelt er, dass auch den Martyrern das Recht der Sündenvergebung eingeräumt wird.

Ueber die Bussdisziplin der Montanisten vgl. BONWETSCH, Die Geschichte des Montanismus p. 108; HARNACK, Art. Lapsi in der Realencyklopädie von Herzog 8, 420.

Die Abfassungszeit. Dass unter dem pontifex maximus c. 1 aller Wahrscheinlichkeit nach Kallistus zu verstehen ist, zeigt HARNACK, Zeitschr. für Kirchengesch. 2, 582. Die Schrift ist also in der Zeit von 217-222 geschrieben. Früher sah man als Autor des peremptorischen Ediktes Zephyrin an (vgl. LANGEN, Gesch. d. röm. Kirche, p. 220; Döllinger, Hippolytus und Kallistus p. 126).

Der Montanismus der Schrift ist der extreme. Die Katholiken heissen psychici (c. 1; c. 6). c. 21 ecclesia quidem delicta donabit, sed ecclesia spiritus per spiritalem hominem, non ecclesia numerus episcoporum. c. 22 martyras tuos. c. 7 procedant ipsae picturae calicum vestrorum.

7) Antihäretische Werke.

691. Übersicht Auch nachdem Tertullian sich dem Montanismus angeschlossen hatte und selbst nachdem er aus der Grosskirche ausgeschieden war, hörte er nicht auf, die christlichen Wahrheiten gegen die Ketzer zu verteidigen. Er erkannte wohl mit scharfem Blick, dass die Niederwerfung der Gnosis eine Lebensfrage für das Christentum war. Diesem Kampf sind die Schriften gegen Hermogenes und gegen die Valentinianer gewidmet. Ausser den Gnostikern war dem Christentum ein höchst gefährlicher Feind in Marcion erwachsen, da dieser Häretiker eine grosse organisatorische Kraft besass und es mit ihr zu einer festgeschlossenen Kirchengründung brachte. Gegen ihn schrieb Tertullian sein grösstes Werk, fünf Bücher adversus Marcionem. In der Trinitätslehre hatte Praxeas mit vielem Glück die monarchianische Auffassung vertreten; auch dessen Bekämpfung war eine für das Christentum wichtige Sache; Tertullian nahm dieselbe vor in der Schrift gegen Praxeas. Häretische Lehren berühren auch die Monographien über die Seele, über den Leib Christi und über die Auferstehung des Fleisches. Von diesen kann die zuerst genannte auch ein sehr hohes allgemeines Interesse für sich in Anspruch nehmen, da wir hier grosse Partien aus einem Werk des griechischen Arztes Soranos vor uns haben.

692. Die Gnosis. So lange das Christentum sich vorwiegend aus den niederen Kreisen der Gesellschaft ergänzte, waren Glaube und Hoffnung die massgebenden Faktoren in seinem Leben; der Glaube, dass Gott seinen einzigen Sohn, Jesus Christus, den Menschen geschickt habe, die Hoffnung, dass Jesus bald wiederkommen werde, um sein himmlisches Reich aufzurichten; dieser Glaube und diese Hoffnung gaben den ersten Christen die Kraft, ein sittenreines, Gott gewidmetes Leben zu führen. Anders gestaltete sich die Sache, als das Christentum in stets wachsender Zahl Anhänger aus den Kreisen der besseren Gesellschaft erhielt. Diese brachten natürlich ihre

heidnische Bildung mit ins Christentum und es stellte sich bei ihnen das Bedürfnis ein, ihr bisheriges Wissen mit dem christlichen zu vergleichen und eine neue Grundlage für ihre Bildung zu gewinnen. So wurde statt des Glaubens und der Hoffnung die Erkenntnis das treibende Element im Christentum. Diese Erkenntnis ging nicht darauf aus, die in dem Christentum liegenden Gedanken herauszustellen und in systematische Form zu bringen, sondern ihr Streben war vielmehr dahin gerichtet, dem Christentum die heidnischen Philosopheme dienstbar zu machen. Solche lagen in reicher Fülle vor. Nicht bloss das Griechentum, sondern auch der Orient hatte eine Reihe von Ideen aufgespeichert. Dieselben hatten vielfach Berührungen mit religiösen Problemen und sogar zu kultisch asketischen Formen geführt. Es lag daher sehr nahe, christliche und philosophische Ideen zu kombinieren. Der Synkretismus war ja überhanpt ein hervorstechender Zug jener Zeiten. In der Ausführung wurde die christliche Religion als die absolute angenommen, allein ihr historischer Inhalt wurde verflüchtigt, das Heilsprinzip zurückgeschoben und kosmologische Prinzipien in den Vordergrund gestellt. Eigentümlich ist die Form der gnostischen Spekulation, indem sie mit Vorliebe die Allegorie verwendet und an Stelle der Begriffe mythologische Formen einführt.

Es ist klar, dass die christliche Religion an einen Wendepunkt ihres Seins gelangt war, es handelte sich um die Entscheidung, ob der Glaube durch ein Wissen ersetzt werden, und ob das Christentum in eine philosophische Lehre aufgelöst werden sollte. Gewiss hatte die hellenische Philosophie grossen Einfluss auf die wissenschaftliche Gestaltung des Christentums gewonnen, allein der Weg, den sie damals dem Christentum zeigte, war nicht der richtige, die Kirche überwand jene Formen der Erkenntnis, um in ruhiger, allmähliger Entwicklung eine neue zu gewinnen, welche dem christlichen Geist entsprach.

Quellen des Gnostizismus. Unsere Hauptquelle für die Kenntnis des Gnostizismus sind die Kirchenväter. Von der gnostischen Litteratur besitzen wir grösstenteils nur Fragmente, ferner die Pistis Sophia, die koptischen Schriften des codex Brucianus und den Brief des Ptolemäus an Flora, Fragmentsammlung bei GRABE, Spicilegium T. 1. II, Oxf. 1700; VOLKMAR, Die Quellen der Ketzergeschichte 1855; HILGENFELD, Die Ketzergeschichte des Urchristentums, Leipzig 1884; LIPSIUS, Quellen der ältesten Ketzergeschichte, Leipzig 1875; LIPSIUS, Zur Quellenkritik des Epiphanios, Wien 1865; A. HARNACK, Zur Quellenkritik der Geschichte des Gnostizismus, Leipzig 1873; HILGENFELD, Judentum und Judenchristentum, Leipz. 1886; HARNACK, Dogmengeschichte 13, 211; I. Kunze, De historiae gnosticismi fontibus novae quaestiones criticae, Leipz. 1894; HARNACK, Theologische Litteraturztg. XIX 1894, 340 f. Allgemeine Werke. NEANDER, Genet. Entw. d. vornehmsten gnostischen Systeme, Berlin 1818; BAUR, Die christliche Gnosis, Tübingen 1835; LIPSIUS, Der Gnostizismus (in Ersch. u. Grubers Allgem. Encyklopädie 71. Bd. [1860]); KING, The gnostics and their remains, London 1887; MANSEL, The gnostic Heresies of the 1 and 2 cent. Edit. by Lightfoot 1875; JACOBI, Art. Gnosis“ in Herzogs R.Encykl. 2. Aufl.; KRÜGER, Geschichte der altchristlichen Litteratur in den ersten drei Jahrhunderten, Freiburg und Leipzig 1895 p. 43 ff. HARNACK, Geschichte der altchristlichen Litteratur, Leipzig 1893, I 143; LIPSIUS, Die apokryphen Apostelgeschichten, I. Bd. 1883, II. Bd. 1. Abt. 1887, 2. Abt. 1884. Ergänzungsh. 1890.

Einzelne Systeme. G. HEINRICI, Die valentinianische Gnosis und die hl. Schrift, Berlin 1871; LIPSIUS, Art. Valentin im Dictionary of Christ. Biogr., HARNACK, Art. Valentin in der Encykl. Britt.; J. N. GRUBER, Ueber die Ophiten, Würzburg 1864; A. HARNACK, De Apellis gnosi monarchica, Lips. 1874; Ders., Sieben neue Bruchstücke der Syllogismen des Apelles in Texte und Untersuchungen VI 3, 1890 p. 109-120; KÖSTLIN, Das gnost. System der Pistis Sophia in Theol. Jahrb. XIII, 1854, p. 1-104, 137-196; HARNACK, Texte und Untersuchungen VII 2, 1891; C. SCHMIDT, Gnostische Schriften in koptischer Sprache aus dem Codex Brucianus (Texte u. Untersuchungen VIII 1. 2, 1892).

693. Adversus Hermogenem (gegen die Ewigkeit der Materie). Den Maler Hermogenes hatte das Problem des Verhältnisses zwischen Gott und Welt zu tiefsinnigen Untersuchungen angeregt. Fest stand ihm der Satz, dass Gott die Welt erschaffen habe. Schwierigkeiten stellten sich ihm aber gegenüber, als näher festgestellt werden sollte, in welcher Weise diese Schöpfung vor sich ging. Hermogenes sagte, es lassen sich drei Möglichkeiten denken. Die erste ist die, dass Gott die Welt aus seinem Wesen gebildet habe, die andere, dass Gott die Welt aus nichts geschaffen habe, die dritte, dass neben Gott eine ewige Materie bestehe, und dass Gott aus dieser Materie die Welt geschaffen. Die beiden ersten Theorien erscheinen ihm widerspruchsvoll. Die Emanationstheorie setzt Veränderlichkeit und Teilbarkeit Gottes voraus, diese Eigenschaften aber widerstreiten der Anschauung, welche wir von dem göttlichen Wesen haben. Da er noch auf andere Widersprüche mit dem göttlichen Wesen in jener Theorie stiess, so war sie für ihn beseitigt. Aber auch der Schöpfung aus nichts stand nach seiner Anschauung ein unübersteigliches Hindernis gegenüber. In der von Gott geschaffenen Welt findet sich unstreitig das Böse. Wie soll nun dies erklärt werden? Gott ist doch durchaus gut und kann auch nur Gutes wollen. Wenn er aus nichts schuf, war es doch selbstverständlich, dass er dann etwas schuf, was seiner Natur entsprach, also nur Gutes, denn in diesem Fall war ja lediglich sein Wille massgebend. Sonach fiel auch die zweite Annahme weg. Es blieb also nur die dritte übrig, Gott schuf die Welt aus der ewigen, nicht erschaffenen und nicht gewordenen, unendlichen Materie.1) Interessant ist es nun, dass diese Lehre von der Ewigkeit der Materie von Hermogenes nicht bloss spekulativ, sondern auch durch die Schrift begründet wurde. Dieser Versuch eines Schriftbeweises ist interessant, weil eruns zeigt, wie sehr die Gesetze einer vernünftigen Exegese verletzt werden konnten. Um seine Ewigkeit der Materie aus der Bibel zu erweisen, scheut er sich nicht, die Anfangsworte der Genesis „Im Anfang" auf dem schon vorhandenen Urstoff zu deuten. Die nächste Aufgabe für Hermogenes war, die Eigenschaften der Materie festzustellen; dies war keine leichte Aufgabe, er durfte ihr keine Attribute beilegen, die schon eine bestimmte Körperlichkeit bezeichnen, er musste ihr Gegensätze zuschreiben, um damit die Möglichkeit der Entfaltung nach zwei Seiten zu kennzeichnen.) Die Krone der ganzen Spekulation gipfelte in der Darlegung der göttlichen schöpferischen Thätigkeit. Dieselbe nimmt einen ziemlich phantastischen Verlauf. Damit Gott auf die Materie einwirken kann, muss zwischen ihm und ihr etwas Gemeinsames vorhanden sein, es ist dies die Bewegung.) Aber die Bewegung Gottes ist eine geordnete, die Bewegung der Materie dagegen ist eine wirre, er stellte sich daher den Urstoff unter dem Bilde eines brodelnden, überfliessenden Kochtopfes vor.

1) c. 1 materiam cum domino poscit, quae et ipsa semper fuerit, neque nata neque facta nec initium habens nec finem, ex qua dominus omnia postea fecerit.

Die Materie ist daher von

corporalis; c. 37 nec bona nec mala.

3) c. 42 commune autem inter illa facis (deum et materiam), quod a semetipsis moventur sed deus composite, materia incondite moventur.

2) z. B. c. 35 neque corporalis neque inHandbuch der klass. Altertumswissenschaft. VIII. 3. Teil,

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Sehnsucht nach Gestaltung durch die Gottheit erfüllt. Diese vollzieht aber Gott nicht in der Weise, dass er durch die Materie hindurchgeht, sondern dass er ihr bloss naht und durch seinen Glanz und seine Schönheit wirkt.1) Unleugbar ist Hermogenes ein scharfsinniger und interessanter Denker; er behandelt Probleme, die auch heutzutage noch die Geister bewegen, und wir finden bei ihm Äusserungen, die auch jetzt noch ihren Wert haben, wie z. B. die Bestreitung des Satzes, dass das Böse notwendig sei als Folie des Guten. 2) Freilich hat auch er wie die Gnostiker nicht ganz den phantastischen Zug in seiner Spekulation abstreifen können.

Die Widerlegung Tertullians ist dialektisch scharf, nur von gehässigen persönlichen Ausfällen vermag er sich nicht frei zu halten. Man darf auf Grund derselben wohl vermuten, dass Tertullian mit Hermogenes persönlich bekannt war; der Häretiker wird also eine Zeitlang in Karthago gelebt haben. Auch ist Tertullian nicht ganz gerecht, es ist ihm mehr darum zu thun, einzelne, aus dem Zusammenhang gerissene Sätze ad absurdum zu führen, als das ganze System vorurteilsfrei zu würdigen.

Quelle Tertullians war vielleicht die Schrift des Theophilos von Antiochia († etwa 182), welche sich gegen die Häresie des Hermogenes gerichtet hatte (Eusebius h. e. 4, 24 τοῦ δὲ Θεοφίλου τρία τὰ πρὸς Αὐτόλυκον στοιχειώδη φέρεται συγγράμματα καὶ ἄλλο πρὸς τὴν αἵρεσιν Ἑρμογένους τὴν ἐπιγραφὴν ἔχον, ἐν ᾧ ἐκ τῆς ἀποκαλύψεως Ἰωάννου nézontai μaoτvoiaus (HARNACK, Geschichte der altchristl. Litteratur 1, 200).

Ueber Hermogenes vgl. HILGENFELD, Ketzergeschichte des Urchristentums (Leipz. 1884) p. 553, wo die hauptsächlichsten Fragmente zusammengestellt sind. Notwendig ist eine scharfe Rekonstruktion der Lehre des Hermogenes. NOELDECHEN (Tertullian p. 203) weist die vielfache Uebereinstimmung des Systems des Hermogenes mit dem des nach der Mitte des zweiten Jahrh. lebenden syrischen Griechen Numenios auf.

Die Abfassungszeit. Das Werk fällt vor de anima; denn dort c. 21 heisst es inesse nobis rò avtɛžovaior naturaliter iam et Marcioni ostendimus et Hermogeni, adv. Hermog. c. 10 audiat et Hermogenes, dum alibi de mali ratione distinguimus. c. 16 igitur in praestructione huius articuli et alibi forsitan retractandi beziehen sich auf Marc. 2, 5-10 und 14 und zwar nimmt man an, dass bereits auf die erste Ausgabe des Marcion diese Anspielung geht. Auch nach de praescr. müssen wir es setzen nach c. 1 solemus haereticis compendii gratia de posteritate praescribere. Der Montanismus des Vf. liegt indirekt vor in seinem Urteil über die Wiederverheiratung des Hermogenes (c. 1 pingit illicite, nubit assidue, legem dei in libidinem defendit, in artem contemnit vgl. NEANDER p. 344).

694. Adversus Valentinianos (gegen die valentinianische Gnosis). Unter den Gnostikern ist nach dem einstimmigen Urteil der Theologen der bedeutendste und hervorragendste Valentinus. Seine Blüte fällt in die Regierungszeit des Antoninus Pius, nach 140.3) Als Tertullian seine Schrift schrieb, war daher Valentinus nicht mehr am Leben. Aber seine Schule war noch in voller Blüte. Sie war über das ganze römische Reich verbreitet und in zwei Hauptrichtungen gespalten, in eine italische und in eine orientalische. Beide Sekten unterschieden sich dadurch von einander, dass die orientalische sich treuer an die Lehren des Stifters hielt als die

1) c. 44 wird als eine Aeusserung des Hermogenes angeführt non (deus) pertransiens illam (materiam) facit mundum, sed solummodo apparens et adpropinquans ei, sicut facit qui decor solummodo apparens et magnes lapis solummodo adpropinquans.

2) c. 15 Hermogenes expugnat quorundam argumentationes dicentium mala necessaria fuisse ad inluminationem bonorum ex contrariis intelligendam.

3) Irenaeus adv. haer. 3, 4, 3. HEINRICI, Die valentinianische Gnosis p. 10; HILGEN FELD, Ketzergeschichte p. 285.

italische. Einer so stark verbreiteten antikirchlichen Richtung konnte Tertullian nicht gleichgiltig gegenüberstehen; er wendet sich daher in seinen Schriften öfters gegen die valentinianische Gnosis, ') er widmet derselben sogar eine eigene Schrift. In derselben geht er aber ganz anders zu Werk als in den Bestreitungen des Marcion und des Hermogenes; er will nicht in die Tiefen des Systems eindringen und dasselbe mit den Waffen der Wissenschaft bekämpfen, er steckt sich ein geringeres Ziel, er will dasselbe lächerlich machen. Zu dem Zweck beschränkt er sich auf die ins Scurrile gehende Darstellung der valentinianischen Lehre. Sein Material entnimmt er aus der Ketzerbestreitung des Irenaeus; die Entlehnung beginnt mit dem siebenten Kapitel. Selbständigkeit können daher nur die ersten sechs Kapitel beanspruchen, die wir kurz skizzieren wollen. Der Eingang weist auf den esoterischen Charakter der Schule hin. Bei den Valentinianern geht es zu wie bei den eleusinischen Mysterien. Ihre Geheimnisthuerei prägt sich auch in den Unterredungen aus. Fragt man sie etwas, so nehmen sie eine ernste Miene an und sagen „das liegt sehr tief". Sie wollen eher bereden als belehren, während doch bei der Wahrheit das Umgekehrte der Fall ist. Auf die ausserhalb der Sekte Stehenden sehen sie mit einem gewissen Mitleid herab, diese erscheinen ihnen einfältig. Allein Tertullian hielt ihnen das Wort der Schrift entgegen. „Seid klug wie die Schlangen und einfältig wie die Tauben", d. h. er wollte sagen, dass die Einfalt der Christen mit der Weisheit verbunden sei. Den Schlangenwindungen der valentinianischen Gnosis gegenüber liegt die christliche Wahrheit einfach und offen da. Die Valentinianer haben allen Grund, mit ihren Wunderlichkeiten anfangs zurückzuhalten, um nicht abschreckend zu wirken. Allein ihre Geheimnisse müssen und können enthüllt werden. Tertullian gibt sofort sein Wissen kund, indem er die Sektenhäupter uns vorführt; dann macht er uns mit den Bestreitern der Häresie bekannt. Zuletzt berührt er die Frage der griechischen Terminologie und rechtfertigt sich, dass er viele griechische termini beibehalten müsse. Es folgt die Darstellung des Systems. Allein der Autor sieht selbst ein, dass damit die Aufgabe nur zum Teil gelöst ist; er nennt daher auch seine Schrift nur einen ersten Gang, dem ein zweiter hätte folgen sollen, die Kritik des Systems.

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Ueber den Charakter der Schrift gibt der Autor c. 6 deutlichen Aufschluss: si et ridebitur alicubi, materiis ipsis satisfiet. Multa sunt sic digna revinci, ne gravitate adorentur. Congruit et veritati ridere, quia laetans, de aemulis suis ludere, quia secura est. Dass die Schrift nur der Vorläufer einer Bestreitung der valent. Lehre sein kann, besagen c. 3 hunc primum cuneum congressionis armavimus, detectorem et designatorem totius conscientiae illorum primamque hanc victoriam auspicamur. c. 6 Igitur hoc libello, quo demonstrationem solum promittimus illius arcani quamquam autem distulerim congressionem, solam interim professus narrationem congressionis lusionem deputa, lector, ante pugnam. BONWETSCH (p. 51) schliesst mit Recht daraus, dass Tertullian die Absicht hatte, dieser Darstellung eine zweite folgen zu lassen. Er geht noch weiter, indem er die Vermutung ausspricht: Es ist durchaus möglich, dass T. wirklich ein Werk geschrieben, dessen erstes Buch aber nur erhalten ist und diese Möglichkeit erhält grosse Wahrscheinlichkeit durch de resurr. carn. 59, wo eine frühere Schrift T.s gegen die Valentinianer erwähnt wird, welche adv. Val. 1 (c. 29) gar nicht und auch Scorpiace (c. 10) nicht leicht sein kann."

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1) Eine Sammlung der Stellen bei HARNACK, Geschichte der altchristl. Litt. 1, 117.

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