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4. Adversus Marcionem 1. IV (gegen das Evangelium Marcions). Verschiedenheiten zwischen dem alten und dem neuen Testament kann Tertullian nicht leugnen. Allein er findet die Einheit in demselben Gotte, der sowohl im alten als im neuen Testament herrscht. Im alten Bund selbst ist das neue Gesetz verheissen. Dass dieses Gegensätze schaffen muss, ist selbstverständlich. Von einem Evangelium muss verlangt werden, dass es die apostolische Auktorität für sich hat, dass es sonach entweder von einem Apostel selbst oder von einem Apostelschüler verfasst ist. Diese Erfordernisse erfüllen die vier Evangelien, dagegen vermag Marcion sein Evangelium nicht auf eine bestimmte apostolische Auktorität zurückzuführen, er legt zwar den Lukas zu Grund, allein er muss denselben erst zurichten. Dann ist zu bedenken, dass Lukas nur als Apostelschüler schreibt, also nicht eine Autorität ersten Grades darstellt. Selbst die Autorität des Paulus, an den sich Lukas anschloss, steht nicht in erster Linie. Um die anderen Evangelien zu verwerfen, benutzte Marcion den Galaterbrief, besonders die Stelle (2, 14), wo der Apostel sagt, dass Petrus und seine Anhänger nicht richtig nach der Wahrheit des Evangeliums wandelten. Tertullian weist die Berechtigung Marcions, mit jenem Tadel sein Testament zu verteidigen, zurück und deutet auf die Unmöglichkeit der Annahme, welche dem Vorgehen Marcions zu Grunde liegt, hin. Auch macht er den Einwand geltend, dass sein (des Tert.) Testament die Priorität 1) für sich habe und sich bei den apostolischen Gemeinden finde, und dass es nicht verständlich sei, warum Marcion gerade an Lukas sich halte. Doch noch in anderer Weise glaubt Tertullian das Testament Marcions zu nichte machen zu können. Der Häretiker ging, als er sein Testament konstruierte, von dem Gedanken aus, dass der Gott des neuen Bunds ein anderer sei als der des alten. Wo er daher mit letzterem übereinstimmende Eigenschaften in seinem Lukas fand, musste er zu Änderungen schreiten. Allein auch so konnte er nicht jede Kongruenz beseitigen. Selbst in dem zurechtgemachten Werk des Marcion finden sich noch genug Stellen, welche Marcions Ansicht von der Verschiedenheit des alttestamentlichen und des neutestamentlichen Gottes widerlegen. Selbst das Evangelium Marcions war also nicht im Stande, die Wahrheit von dem einen Christus zu verdrängen.3) Die Zusammengehörigkeit des alten und des neuen Testaments wird an der Hand vieler Stellen bewiesen.

5. Adversus Marcionem l. V (gegen das Apostolicum Marcions). Den zweiten Teil der marcionitischen Bibel bildeten zehn Briefe des Apostels Paulus. Es sind das der Brief an die Galater, der erste und zweite Brief an die Korinther, der Brief an die Römer, der erste und zweite Brief an die Thessalonicher, der Brief an die Laodicener, an die Kolosser, an die Philipper und an Philemon. Unter dem Brief an die Laodicener versteht Marcion den an die Epheser. Mit Ausnahme des letzten Briefs hatte auch hier Marcion Änderungen und starke Streichungen

1) veritas falsum praecedat necesse est (c. 5).

2) c. 23 wird eine Fabel des Aesop citiert: asinus de Aesopi puteo modo venis,

et iam exclamas.

3) Das Buch schliesst mit den Worten: Christus Jesus in evangelio tuo meus est.

vorgenommen.') Auch beim Apostolicum sucht Tertullian zuerst die allgemeine Grundlage zu erschüttern, er wendet ein, dass Marcion mit seinem Evangelium gar nicht im stande ist, die höhere Autorität des Paulus zu begründen. Dann zeigt er an den von Marcion verstümmelten Briefen des Paulus, dass auch der Apostel keinen neuen Gott lehrt.*)

Eine Restitution der hl. Schrift Marcions versucht ZAHN, Geschichte des neutestamentl. Kanons II, 1 p. 455-529.

Entstehungsgeschichte. 1, 1 primum opusculum quasi properatum pleniore postea compositione rescideram. Hanc quoque nondum exemplariis suffectam fraude tunc fratris, dehinc apostatae, amisi, qui forte descripserat quaedam mendosissime et exhibuit frequentiae. Emendationis necessitas facta est; innovationis eius occasio aliquid adicere persuasit.

Verhältnis der ersten und der dritten Bearbeitung. Die zweite Bearbeitung ist niemals vollständig erschienen, sie ging aber mit einigen neuen Zusätzen in die dritte über. Wir haben es daher im Grunde genommen nur mit zwei Ausgaben zu thun. Das Verhältnis der ersten und dritten Bearbeitung ist im wesentlichen dies, dass die letztere ausführlicher war. So sagt Tertullian ausdrücklich, dass das erste und zweite Buch der dritten Ausgabe in der früheren ein einziges Buch bildeten (2, 1 occasio reformandi opusculi huius hoc quoque contulit nobis, uti duobus deis adversus Marcionem retractandis suum cuique titulum et volumen distingueremus pro materiae divisione). Dass die Christologie Marcions in der zweiten Bearbeitung behandelt war, erhellt aus 3, 1: secundum vestigia pristini operis, quod amissum reformare perseveramus, iam hinc ordo de Christo. Allein es ist wahrscheinlich, dass sie auch in der ersten Bearbeitung vorkam, da sie zu wichtig war. Weiterhin ist es undenkbar, dass Tertullian eine Bekämpfung der marcionitischen Häresie vorgenommen, ohne auf die marcionitische Bibel einzugehen. Wir müssen daher auch diese Streitmaterie der ersten Bearbeitung zuteilen; der Hinweis de carne Christi c. 7 quid iam responsum sit Marcioni a nobis eo libello, quo evangelium ipsius provocavimus wird sich auf diese erste Bearbeitung beziehen.

Abfassungszeit der dritten Ausgabe. Unter allen Schriften Tertullians hat nur der Antimarcion ein ausdrückliches chronologisches Datum (1, 15): at nunc quale est, ut dominus a XII Tiberii Caesaris revelatus sit, substantia vero ad XV iam Severi imperatoris nulla omnino comperta sit. Das 15. Jahr des Kaisers Severus ist, die Rechnung nach Tribunatsjahren vorausgesetzt, das Jahr 207. (Ueber die Abfassungszeit der ersten Ausgabe vgl. HAUCK p. 188 Anm. 5, der die Schrift auf Grund des Verhältnisses zum AntiHermogenes [c. 10 und c. 16] gleich nach den Präskriptionen entstanden sein lässt.)

Montanismus. 1,29 sed et si nubendi iam motus ponitur, quem quidem apud nos spiritalis ratio paracleto auctore defendit unum in fide matrimonium praescribens. 4, 22 defendimus in causa novae prophetiae gratiae ecstasin, id est amentiam, convenire? In spiritu enim homo constitutus, praesertim cum gloriam dei conspicit, vel cum per ipsum deus loquitur, necesse est excidat sensu, obumbratus scilicet virtute divina; de quo inter n08 et psychicos quaestio est. 3, 24 et qui apud fidem nostram estnovae prophe

tiae sermo.

Die Zeitintervalle zwischen den einzelnen Büchern. Es ist eine Streitfrage, ob zwischen den einzelnen Büchern ein grösseres Zeitintervallum anzusetzen ist. Mehrere Gelehrte nehmen zwei solche Intervalle an und zwar zwischen dem ersten und zweiten Buch und zwischen dem vierten und fünften. Für das erste Intervallum wird angeführt adv. Marc. 1, 1 in tantum haeresis deputabitur, quod postea inducitur, in quantum veritas habebitur, quod retro et a primordio traditum est. Sed alius libellus hunc gradum sustinebit adversus haereticos, etiam sine retractatu doctrinarum revincendos, quod hoc sint de praescriptione novitatis. Nunc quatenus admittenda congressio est, interdum ne compendium praescriptionis ubique advocatum diffidentiae deputetur, regulam adversarii prius praetexam, ne cui lateat in qua principalis quaestio dimicatura est. Die mit libellus angedeutete Schrift ist die de praescriptione, wegen des sustinebit hat man dieselbe in die Zukunft gerückt und demnach angenommen, dass 1. I adv. Marcionem vor de praescriptione fällt. Der letzgenannte liber soll wie de censu animae, de paradiso, de

1) c. 21 soli huic epistulae brevitas sua profuit, ut falsarias manus Marcionis evaderet.

2) c. 1 ut profiteamur nos proinde probaturos nullum alium deum ab apostolo

circumlatum, sicut probavimus nec a Christo, ex ipsius utique epistulis Pauli, quas proinde mutilatas etiam de numero forma iam haeretici evangelii praeiudicasse debebit.

anima, adversus Valent., adv. Appell. zwischen dem 1. I und 1. II des Antimarcion verfasst sein (vgl. UHLHORN, Fundam. p. 60). Allein nach dem Sprachgebrauch Tertullians kann das Futurum sich auch auf eine bereits geschriebene Schrift beziehen, da ja die Realisierung der durch das Futurum ausgedrückten Handlung erst durch die Kenntnis der Schrift eintritt (de pud. 2 sed et Ioannes docebit; vgl. BONWETSCH, Die Schriften Tertullians p. 44, 6). Die Worte compendium praescriptionis ubique advocatum machen aber die Beziehung auf den libellus de praescriptione fast zur Notwendigkeit. Der Schluss dieser Schrift führt zu demselben Ergebnis. Es heisst dort: sed nunc quidem generaliter actum est nobis adversus haereses omnes certis et iustis et necessariis praescriptionibus repellendas a conlatione scripturarum. De reliquo, si dei gratia adnuerit, etiam specialiter quibusdam respondebimus. Wäre der Antimarcion schon damals vorhanden gewesen, so würden diese Schlussworte, zumal bei der Wichtigkeit des Werks, sehr auffällig sein. Wir müssen im Gegenteil annehmen, dass die Streitschriften gegen die einzelnen Häretiker nach dem libellus de praescriptione fallen. Allerdings ist ein Intervallum zwischen dem 1. I und II anzunehmen; denn am Schlusse des 1. I heisst es: proinde si cui minus quid videmur egisse, speret reservatum suo tempori, sicut et ipsarum scripturarum examinationem quibus Marcion utitur. Aus diesen Worten muss man folgern, dass das zweite Buch nicht zugleich mit dem ersten ausgegeben wurde. Die Annahme HAUCKS (p. 345), dass Tertullian, als er in der neuen Ausgabe den Stoff in zwei Bücher sonderte, nur die Schlussworte des ersten und die einleitenden Bemerkungen des zweiten einfügte, ohne sonst etwas zu ändern, ist unwahrscheinlich. Dass aber das Intervallum durch andere Schriften ausgefüllt wurde, ist sehr wenig glaublich, denn es handelte sich ja nur um die Umarbeitung eines bereits fertigen Werks. Das zweite grössere Intervallum soll zwischen 1. IV und V liegen und durch die Schriften de carne Christi und de resurrectione carnis ausgefüllt sein. Hier stützt man sich auf die Stelle de carne (c. 7): audiat Apelles quid iam responsum sit a nobis Marcioni eo libello quo evangelium ipsius provocavimus. Uhlhorn bezieht diese Worte auf das vierte Buch der letzten Ausgabe, allein sie können ebensogut auf die erste Ausgabe des Antimarcion hindeuten. Bei dem engen Zusammenhang, in dem 1. IV und V zu einander stehen, ist ein längerer Zwischenraum zwischen beiden nicht wahrscheinlich.

Quellen. Benutzt hat Tertullian sicher die Antithesen Marcions und zwar in allen fünf Büchern und dessen Bibel. Auch einen Brief Marcions kannte er (1, 1): non negabunt discipuli eius primam illius fidem nobiscum fuisse, ipsius litteris testibus (vgl. 4, 4). Dass er ausser diesen Quellen auch noch eine ältere Streitschrift herangezogen habe, behauptet HARNACK, Gesch. der altchristl. Litt. 1, 192; ZAHN (Zeitschr. f. Kirchengesch. 9, 235) glaubt, dass die Schrift des Theophilus gegen Marcion benutzt ist (HARNACK p. 502).

697. Adversus Praxeam (gegen den Monarchianismus in der Trinitätslehre). Die grössten Schwierigkeiten bereitete der sich entwickelnden Theologie die Lehre von der Trinität. Auch hier wogte der Kampf Jahrhunderte hindurch, bis die jetzt geltende Lehre fixiert wurde. Auch Tertullian griff mit einer Schrift in diesen Kampf ein, die ein interessantes Denkmal dieses theologischen Streites ist. Es ist die Schrift gegen Praxeas. Die Veranlassung derselben erzählt uns der Autor im Eingang folgendermassen: Praxeas, ein unruhiger Kopf, der ausserdem sich wegen einer kurzen Gefangenschaft den Ruhm des Martyriums anmasste, hatte eine nach der Ansicht Tertullians häretische Lehre über das Verhältnis des Vaters zu dem Sohn zuerst aus Asien nach Rom gebracht. Zu diesem Unheil gesellte sich noch ein zweites. Der römische Bischof war damals gerade daran, die Prophetien des Montanus, der Prisca (Priscilla) und der Maximilla anzuerkennen und mit den Gemeinden Asiens und Phrygiens Frieden zu schliessen, da griff Praxeas ein und bestimmte den Bischof, indem er auf die Entscheidungen der Vorgänger desselben hinwies, die bereits abgeschickten Friedensbriefe (litterae pacis) zurückzunehmen und dem Montanismus seine Anerkennung zu versagen. So kam es, fügt Tertullian seiner Erzählung hinzu, dass Praxeas zwei Teufelswerke in Rom glücklich vollbrachte, er trieb die Prophetie aus und führte dafür die Häresie ein, mit anderen Worten, er trieb den Parakleten in die Flucht

und liess den Vater ans Kreuz schlagen. Von Rom aus, erzählt Tertullian weiter, dehnte sich die Häresie auch nach Afrika aus und gewann Verbreitung, da viele in der Einfalt der Lehre schliefen"; allein es stellte sich doch auch die Opposition ein; und ihr gegenüber konnte Praxeas nicht stand halten; er musste eine Erklärung abgeben, welche die Katholiken zufriedenstellte und die bei ihnen aufbewahrt wurde. Aber auch das half nichts. Nachdem sich Tertullian von der Kirche getrennt hatte, brach die Häresie von neuem aus.

Dies ist der Bericht Tertullians. Ganz deutlich werden bezüglich der Häresie des Praxeas drei Stufen unterschieden: die erste ist die, in der Praxeas die häretische Lehre nach Rom brachte; die zweite die, in der Praxeas seine Lehre in Karthago verbreitete; die dritte endlich die, in der die Häresie von neuem ans Tageslicht trat.

Dieser Entwicklungsgang läst auch ein Licht auf die Komposition unserer Schrift fallen. Durch die schriftliche Erklärung des Praxeas, welche die Katholiken völlig zufriedenstellte, war seine Person jedem Streite völlig entrückt. Und in der That, betrachten wir die Schrift genauer, so erkennen wir, dass Praxeas nur eine vorgeschobene Person ist. Seine Lehre war längst abgethan, monarchianische Gedanken in Bezug auf das Verhältnis des Sohnes zum Vater wurden jetzt von anderen Persönlichkeiten und zum Teil in modifizierter Gestalt verteidigt. Gegen diese neuen Monarchianer wendet sich Tertullian in der Streitschrift. Wenn er nun statt der damaligen Häupter den gar nicht mehr in Betracht kommenden Praxeas vorschob, so muss dies doch einen Grund haben. Wir werden nicht irren, wenn wir annehmen, dass die montanistische Anschauung hier von Einfluss war. Tertullian, der, als er unsere Schrift schrieb, völlig mit den Katholiken gebrochen hatte, konnte es nicht vergessen, dass Praxeas es war, der den dem Siege nahen Montanismus noch in letzter Stunde zum Fall gebracht hatte. Tertullian wollte sich rächen und er rächte sich dadurch, dass er den Praxeas als einen Ketzer an den Pranger zu stellen suchte. Wir haben daher auch keine völlig objektive Darstellung zu erwarten. Widersprüche waren bei dem eigentümlichen Standpunkt der Schrift nicht zu vermeiden. Der Gegenstand des Streites war, wie gesagt, das Verhältnis des Sohnes zu dem Vater. Die Entscheidung musste in der heiligen Schrift gesucht werden. Die Monarchianer gingen von Stellen aus wie ich und der Vater sind eins", „wer mich sieht, sieht den Vater", „der Vater ist in mir und ich in ihm" und wurden dadurch zur Leugnung der Verschiedenheit des Vaters und des Sohnes geführt. Die Gegner legten wieder auf andere Stellen der heiligen Schrift allen Nachdruck und gelangten so zur Unterscheidung des Vaters und des Sohnes, ohne jedoch dadurch die Einheit Gottes aufheben zu wollen. Dass zur Zeit Tertullians die monarchianische Anschauung auch in den Gemeinden die verbreitete war und keineswegs als Häresie angesehen wurde, kann nach dem eigenen Zeugnis Tertullians nicht zweifelhaft sein. 1) Es war vielmehr die Lehre Tertullians, die verteidigt werden musste. Er thut dies in der Weise,

') Vgl. c. 3.

dass er, nachdem er seine Auffassung über das Verhältnis, in dem der Sohn zum Vater steht, dargelegt, einerseits dafür den Schriftbeweis zu erbringen sucht, andrerseits die Schriftstellen, welche die Monarchianer für sich anführen, widerlegen will. Auch der Nichttheologe muss den grossen Scharfsinn, der für die Lösung des Problems aufgeboten wurde, bewundern und anerkennen.

Die Stellung des Praxeas in dem Werk hat LIPSIUS in grundlegender Weise behandelt (Jahrb. f. d. Theologie 13 [1878] 701). Doch hatte zuvor auch HAGEMANN (Röm. Kirche, Freib. 1864) richtige Blicke in das Verhältnis, in dem Praxeas zu dem Werk des Tertullian steht, gethan.

Die Frage nach dem römischen Bischof, unter dem Praxeas die Häresie nach Rom brachte, ist nicht mit voller Sicherheit zu lösen. Aus den Worten Tertullians kann der Bischof nicht festgestellt werden, da dieselben zu unbestimmt gehalten sind. Ausserdem steht uns noch ein ausdrückliches Zeugnis des libellus adversus omnes haereses zu Gebote (c. 8): sed post hos omnes etiam Praxeas quidam haeresim introduxit, quam Victorinus corroborare curavit. Das corroborare zwingt uns an einen einflussreichen Mann zu denken; es wird daher ein römischer Bischof hier zu verstehen sein; allein wir kennen in dieser Zeit keinen Victorinus, wohl aber einen Victor (189-198/9). Ein Teil der Gelehrten glaubt daher, dass unter Victor die Häresie eingeführt wurde, und dass dessen Vorgänger den Montanisten feindselig gesinnt waren, so z. B. ZAHN; andere nahmen an, dass schon unter Eleutherus (c. 175-189) Praxeas nach Rom kam, aber erst unter Victor zu grösserem Einfluss gelangte. Vgl. LIPSIUS 1. c. p. 715 und Chronologie der röm. Bischöfe, Kiel 1869 p. 174; HARNACK, Dogmengeschichte 13, 692. Die wahrscheinliche Entscheidung kann nur auf Grund einer Betrachtung der ganzen Zeitlage vorgenommen werden, eine solche Untersuchung kann aber hier nicht stattfinden. Die Worte des libellus scheinen mehr für die zweite Ansicht zu sprechen.

Die Abfassungszeit. Das entscheidende Kriterium ist die Trennung Tertullians von der Kirche. (c. 1): et nos quidem postea agnitio paracleti atque defensio disiunxit a psychicis. Es sind also viele Jahre seit dem Auftreten des Praxeas verflossen und es begreift sich leicht, dass Hippolytos diese verschollene Persönlichkeit in seiner Widerlegung aller Häresien" nicht mehr berücksichtigte.

"

Zur Quellenfrage. PETER CORSSEN (Die Altercatio Simonis Judaei et Theophili Christiani, Jever 1890, p. 32) stellt die Ansicht auf, dass Tertullian den griechischen Dialog Ιάσονος καὶ Παπίσκου ἀντιλογία περὶ Χριστοῦ (vgl. über denselben HARNACK, Gesch. der altchristl. Lit. 1, 92) benutzt hat.

698. De anima (über die Natur der Seele). Diese Schrift schliesst sich an die verlorene gegen Hermogenes gerichtete „über den Ursprung der Seele an. Der Eingang hebt den Gegensatz zwischen der Philosophie und dem Christentum in scharfen Zügen hervor. Die christliche Wahrheit gibt uns allein in dieser Frage den festen Inhalt; selbst die Standhaftigkeit des Sokrates im Kerker wird als eine künstliche hingestellt. Zwar will der Autor nicht leugnen, dass die Philosophen bezüglich der Seele manches Wahre gefunden, allein dies ist mehr dem Zufall und den natürlichen Gaben der Seele zuzuschreiben. Die Grundlage für die Untersuchung muss demnach die Lehre des Christentums sein. Nachdem in der vorausgegangenen Schrift der Ursprung der Seele aus dem Hauche Gottes dargelegt ist, handelt es sich in der vorliegenden darum, ihr Wesen genauer darzulegen und das dort Vorgebrachte in allen Beziehungen zu vervollständigen. Kurz wird abgemacht, dass die Seele geschaffen oder geboren sei. Um so ausführlicher wird der merkwürdige Satz zu begründen versucht, dass die Seele körperlich ist. Um diesen Satz zu stützen, wird erst die gegenteilige Ansicht, dass die Seele unkörperlich ist, zu widerlegen versucht. Und hier nennt der Schriftsteller die Autorität, auf die er sich stützt, es ist der zur Zeit Hadrians lebende Arzt Soranos, der

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