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nehmen sollten, sich an die von der Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen für das Jahr 1899 ausgeschriebene und mit einem Preise von 1000 Mark bedachte Lösung der Aufgabe zu machen: Was an Schriften des Apollinaris von Laodicea erhalten ist, soll untersucht, kritisch bearbeitet und für die Darstellung seiner Theologie verwertet werden." Als ich vor mehr als 15 Jahren mit meinen Apollinarios - Forschungen begann und, durch Beruf und Lebensstellung dazu gezwungen, sie bruchstückweise, je nachdem mich weiteres Eindringen in das von den Theologen bis dahin ganz ungebührlich vernachlässigte Gebiet zu neuen Ergebnissen führte, hier und dort zu veröffentlichen genötigt war, da habe ich je dann und wann öffentlich und im brieflichen Verkehr jüngere Theologen dazu aufgefordert, nach gründlicher Prüfung meiner Ergebnisse nunmehr eine zusammenfassende Darstellung der Theologie des Laodiceners, auf deren hervorragende Bedeutung besonders A. Harnack in seiner Dogmengeschichte (II, S. 312) hingewiesen hatte, in Angriff zu nehmen. Mein Mahnen ist vergeblich gewesen. Ich war mir von vornherein dessen bewusst, dass ich selbst nur im Stande sei, Vorarbeiten zur Lösung dieser Aufgabe zu liefern. Und das beabsichtigte ich auch nur mit der Zusammenfassung meiner Arbeiten, wie sie, von vielen Seiten gewünscht, mir durch das freundliche Entgegenkommen Harnack's und O. v. Gebhardt's, der Herausgeber der „Texte und Untersuchungen“, ermöglicht wurde. Um so mehr freut es mich jetzt, dass schon vier Jahre nach Veröffentlichung meines „Apollinarios von Laodicea" (a. a. O. Bd. VII, Heft 34) meine Aufforderung von einer so hochansehnlichen gelehrten Gesellschaft, wie die der Wissenschaften in Göttingen, wiederholt worden ist. Möge dieser Ruf nun recht viele willige Hörer und geschickte, schaffensfreudige Thäter finden! Ich werde mich um so mehr über die Lösung der Aufgabe freuen, je länger ich auf diesem Gebiete ein einsamer Prediger in der Wüste war. Die Apollinarios - Forschung ist, meines Wissens, bisher nur von Funk wieder aufgenommen, der

kürzlich, an die von mir über die "Exeois nioτews veröffentlichten Forschungen anknüpfend, meine Ergebnisse, wie ich höre, erheblich umgestaltet, bezw. verworfen und anders gefasst hat. Ich selbst gedenke mich an der Untersuchung nicht weiter zu beteiligen. Dass aber von meinen verschiedenen Forschungs-Ergebnissen denn doch noch etwas mehr als probehaltig erfunden werden wird, als z. B. der so ziemlich alles besser wissen wollende Recensent meines „Apollinarios" in den Gött. gel. Anzeigen s. Z. die wissenschaftliche Welt hat glauben machen wollen, darin hat mich die vielfache Zustimmung anderer Beurteiler ganz erheblich bestärkt. Manche hier in Betracht kommende Fragen, die zuvor noch ihre Erledigung finden müssten, sind bisher noch gar nicht berührt worden. Das ist, von Apollinarios' Leistungen als christlicher Dichter zu geschweigen, einmal die von mir s. Z. ausdrücklich abgelehnte Frage nach der Bedeutung des Apollinarios als Schriftausleger, die nur durch Sammlung und Durchforschung seiner zahlreichen, weit zerstreuten exegetischen Bruchstücke beantwortet werden kann, und sodann die Frage nach Apollinarios' Zusammenhang mit der neuplatonischen Philosophie, auf die ich gelegentlich nur hingewiesen habe. Wer also die Göttinger Preisaufgabe lösen will, muss mancherlei gelehrte Kenntnisse vereinigen und vor allen Dingen gründlich philosophisch gebildet und genügend speculativ begabt sein, um die Gedankenwelt des ausgezeichneten Kirchenlehrers wirklich nach allen Seiten erfassen und durchdringen zu können. — Doch ich wende mich nach diesen beiläufigen Bemerkungen wieder zu Apollinarios' Κατὰ μέρος πίστις zurück.

Die Schrift trägt in der Überlieferung bekanntlich den Namen des Gregorios Thaumaturgos als Verfassers mit Unrecht. Mit Recht dagegen steht dieser Name über der Schrift Λόγος κεφαλαιώδης περὶ ψυχῆς πρὸς Tariavov, wie ich in dieser Zeitschrift (XXXIX, S. 166 bis 169) bewiesen habe. Zu diesem Nachweise sei mir nach

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J. Dräseke: Adnotatiuncula Laodicena.

träglich noch eine kurze Bemerkung gestattet. Durch die Güte Victor Ryssel's in Zürich bin ich nämlich in den Stand gesetzt, meinen Beitrag „Zu Gregorios Thaumaturgos“ im Sinne der Bestätigung der Echtheit der Schrift über die Seele nicht unwesentlich zu vervollständigen. Gegen Möhler's Vermutung, dass diese Schrift, deren Echtheit, wie ich jetzt erst sehe, auch W. Möller (Herzog's Real-Encyklopädie XVIII, S. 677) bezweifelte, um ihres aristotelischen Gepräges willen der Zeit der Scholastik angehöre, führte ich die Thatsache an, dass dieselbe uns in syrischer Übersetzung, deren Handschriften dem 8. Jahrhundert angehören, noch erhalten worden ist, was also auf noch weit früheren Ursprung hinweist. Ich hätte gleichzeitig bemerken sollen, dass es sich hier nur um einige Bruchstücke handelt, die de Lagarde aus zwei Handschriften des Britischen Museums zuerst veröffentlichte (Analecta Syriaca S. 31). Nun schreibt mir aber Ryssel (1. 1. 96), dass in einer aus dem 7. Jahrhundert stammenden Handschrift des Sinaiklosters auch eine syrische Übersetzung der ganzen Schrift, nur mit Ausnahme der Einleitung - die auch in griechischen Handschriften nach G. Vossius bisweilen fehlt vorhanden ist, die von derjenigen syrischen Übersetzung verschieden ist, aus welcher in Lagarde's Anal. Syr. ein Bruchstück abgedruckt ist (s. Ryssel's „Gregorius Thaumaturgus" S. 51). Eine von Ryssel angefertigte deutsche Übersetzung des syrischen Textes ist soeben im Rhein. Museum (LI, S. 1-20) erschienen, zusammen mit der Übersetzung einer Abhandlung von Plutarchos, von der uns aber gleichfalls die griechische Urschrift erhalten ist. Beide Stücke sind erstmalig in den Stud. Sinait. I, 4 veröffentlicht; die Schrift über die Seele jedoch nicht unter dem Namen des Gregorios Thaumaturgos, sondern als „Schrift eines Philosophen", ein Umstand, der in dem Fehlen jedes im besonderen Sinne christlichen Gedankens seine hinreichende Erklärung findet.

XIX.

Die Sassaniden von Shâpûr II. bis Chosroes II. (310–628)

und das Christentum nach den von Georg Hoffmann veröffentlichten syrischen Martyreracten des britischen Museums1).

Von

Dr. phil. Franz Görres zu Bonn.

In meinem Aufsatze „Das Christentum im Sassanidenreich" (Zeitschr. f. wiss. Theol. XXXI, H. 4, S. 449-468) habe ich versucht, auf Grund einer umsichtigen Kritik der Quellen, der byzantinischen Zeitgenossen Sozomenos, Sokrates und Theodoret, sowie einiger von Ruinart und den Bollandisten veröffentlichten echten Martyreracten (acta s. Sadoth, passio s. Bademi, acta s. Tarbulae) und unter beständiger Berücksichtigung des geschichtlichen Zusammenhangs ein möglichst treues anschauliches Bild der wechselnden Geschicke des Christentums im mittelpersischen Reich zu entwerfen. Da ich aber, damals (1888) zu Düsseldorf lebend, noch nicht die reichen Schätze der Bonner Universitäts-Bibliothek zur unbedingten Verfügung hatte, so entging mir leider eine hervorragend beachtenswerte Publication. Georg Hoffmann hatte nämlich schon einige Jahre früher aus zwei Handschriften des britischen Museums, dem „Codex Add. 7200 Rich" und dem Wälzer Add. 12174", unter dem Titel „Auszüge aus syrischen Erzäh

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1) Vgl. hierzu namentlich wegen der Chronologie Nöldeke, Geschichte der Perser, Leyden 1879.

lungen von persischen Märtyrern" zahlreiche, auf das Sassanidenreich bezügliche aramäische Passionen in deutscher Übersetzung in den „Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes VII, Leipzig 1880, Nr. 3, S. 1 bezw. 8-115 herausgegeben und durch 20 Excurse und einen Nachtrag zumeist topographisch erläutert (S. 115 bis 297). In den „Prolegomenis“ (S. 3-7) findet sich die soeben mitgeteilte Notiz über die Herkunft der fraglichen Acten (S. 3); weiter heisst es da (S. 5): „Meine Anmerkungen und Excurse vermeiden mit wenig Ausnahmen geflissentlich jede historische Ausbeutung und Beurteilung des in den Texten enthaltenen Stoffes. Sie beschränken sich meistenteils auf geographische Orientirung"... Die fraglichen Heiligenleben bedeuten die abschliessende nestorianische Überlieferung über die Schicksale des Christentums im mittelpersischen Staate; das dortige, ursprünglich katholische Christentum verflüchtigte sich nämlich später in NestorianisDie Acten bieten freilich, wie zu erwarten war, sehr viel Spreu; nestorianische Eitelkeit und die sattsam bekannte orientalische Ruhmredigkeit scheinen nur zu oft die Feder geführt zu haben. Da es aber darunter auch einige äusserst wertvolle Stücke giebt, so kann die geschichtliche Wahrheit nur gewinnen, wenn ich das gesamte Material zum erstenmal wie der Verfasser, so hat sich bisher auch kein anderer Forscher an den etwas spröden Stoff gewagt! Schritt vor Schritt einer methodischen Kritik unterziehe und, sorgfältig die Perlen aus der Spreu auslesend, das historische Facit ziehe. Ein solches Verfahren wird dahin führen, die Ergebnisse meiner früheren Studie vielfach zu ergänzen und in einer nicht unwichtigen Einzelheit zu berichtigen.

mus.

Ehe ich aber zur Einzelkritik übergehe, schicke ich noch zur Aufklärung des Lesers ein kurzes Wort über die eigenartige Stellung des Christentums im Sassanidenreich voraus:

Im Reiche der feueranbetenden Perser wurde das Christentum, genauer der Katholicismus, zumeist von den Grenzländern, von Armenien und der römischen Provinz

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