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Martin Schian, Die Ebed-Jahwe-Lieder in Jesaias 40-66. Ein litterarkritischer Versuch. InauguralDissertation. Halle a. S. 1895.

Ref. hatte im vergangenen Jahre bei seiner Promotion in Halle u. a. Gelegenheit, eine These über Jes. 40 ff. zu verteidigen, des Inhaltes, dass die Ebed-Jahwe-Stücke in diesen Capiteln älter seien als diese Schrift selbst und vom Verfasser derselben seiner Predigt als Themen zu Grunde gelegt wären. Der Einfluss Duhm's und Smend's war darin nicht zu verkennen. Wenn sich ihm nun auch diese These inzwischen als nicht ganz haltbar erwiesen hat und zwar hauptsächlich, weil darin eine zu moderne Auffassung der streitigen Capitel zu Tage trat, so muss er doch gestehen, durch das inzwischen über Jes. 40 ff., speciell die schwierigen und viel umstrittenen Ebed-Jahwe-Lieder (42, 1 ff. 49, 1 ff. 50, 4 ff. 52, 13—53, 12) Gesagte in der Erkenntnis des Richtigen nicht gerade gefördert zu sein; auch nicht durch Schian's fleissiges Schriftchen, das sich leider durch seinen fragmentarischen Charakter selbst im Wege steht. Schian kommt in seiner, besonders gegen Duhm, Smend und Dillmann gerichteten Polemik zu dem Resultate, dass die genannten Lieder ursprünglich nicht zu dem Bestande von Cap. 40-55 gehört haben können beweisend hierfür ist nach ihm vor allem die in jenen Capiteln nirgends mit Sicherheit nachweisbare Auffassung von der Berufsthätigkeit des und dass sie, ausgenommen das letzte, später als diese Schrift verfasst sind, da sie nur als in der Absicht der Ergänzung und Einschaltung geschrieben verständlich seien (p. 58). Für Cap. 53 glaubt Schian überdies einen anderen Verfasser als den der drei erstgenanuten Lieder, und frühere Abfassungszeit als die jener sowohl wie seiner Umgebung vermuten zu dürfen.

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Neues bringt Schian damit nicht, auch nicht in der streng individuellen Ausdeutung von Cap. 53; aber es kann nichts schaden, wenn bei dem jetzt Mode werdenden Traditionalismus immer wieder auf die Haltlosigkeit der Anschauung hingewiesen wird, Jes. 40 ff sei ein Werk aus einem Gusse, zumal es ja bei Cap. 53 ein festgewurzeltes apologetisches Vorurteil auszumerzen gilt: Schian hat hier m. E. mit Recht darauf aufmerksam gemacht, dass Jes. 53 gar keine Weissagung, sondern Schilderung von Vergangenem ist!

Ob Verfasser Recht gethan hat, sich gegen Duhm aufzuspielen, erscheint mir mindestens zweifelhaft, da er im Grunde

des Rätsels Lösung ebenso wenig gefunden hat, wie dieser. Die alten Rabbinen haben mit ihrem Gleichnis vom Schuh, den sich anziehen mag, wer will, ganz recht gehabt: es wird uns wohl kaum je gelingen, dieses schwierigste, weil am stärksten glossirte Stück des alttestamentlichen Kanons völlig klarzulegen. Doch: in magnis voluisse sat est!

Halensee b. Berlin.

W. Staerk.

Johannes Watterich, Der Consecrationsmoment im heiligen Abendmahl und seine Geschichte. Heidelberg 1896. 8. VIII u. 340 S.

Der Verfasser dieses sowohl nach der eingeschlagenen Methode wie nach seinen Resultaten bedeutsamen Buches beginnt mit einer eingehenden Untersuchung der biblischen Abendmahlsberichte behufs Feststellung des Consecrationsmomentes beim ersten Herrenmahl. Er weist nach, dass die Apostel, dem Gebote des Herrn entsprechend, „Dies“ in dramatischer Wiederholung ganz richtig gethan" und verordnet haben. Den Moment erkannten sie in dem Act bezw. Wort: „er segnete", nicht in dem bei der Darreichung des Brotes und Weines declarativ gesprochenen Worten: „Dies ist ". Diese Erkenntnis schwand, wie Watterich an der Hand des Clemensbriefes und der Didache darlegt, gegen Ende des 1. Jahrhunderts mit dem Hinscheiden der Apostel in der Kirche, auch zu Rom; und im Anfang des 2. Jahrhunderts und fortan überhaupt giebt es, nach den richtig verstandenen Zeugnissen des Justin, des Irenaeus und der folgenden Kirchenschriftsteller des Morgen- und des Abendlandes, sowie der ältesten Liturgien in der ganzen Kirche nur Eine Consecrationsform, die durch ein Gebet durch die Epiklese. Die aus einem alten leicht erklärlichen Miss verständnis herrührenden Väterstellen, die dieser Thatsache zu widersprechen scheinen, entkräftet Watterich durch den Nachweis der in ihnen vorliegenden Selbstwidersprüche und der sie absolut ausschliessenden Liturgien. Der weitaus interessanteste und ernsteste Teil der Untersuchung befasst sich, von Seite 120 an, mit dem Beweis, dass die Consecrationsform in der Kirche zu Rom von jeher bis in die Mitte des Pontificates Gelasius I. (J. 494-495) keine andere gewesen ist als die der ganzen übrigen Christenheit, nämlich die consecratorische Epiklese. In diesem, den Morgenländern feindlich gesinnten und

von den extremsten Primatsansprüchen erfüllten, energischen Papst Gelasius I., der auch das erste Index decret erlassen hat, zeigt Watterich den Unterdrücker der nachapostolischen allgemein christlichen Consecrationsform, der consecratorischen Epiklese, in der Kirche Roms und den wahren Vater der neurömischen Consecrationsform durch die Herrenworte. Die Umwälzung hat sich, wie Watterich reichlich aus dem im wesentlichen noch erhaltenen Gelasianischen Messbuche und anderen neurömischen Liturgiedenkmälern nachweist, verhältnismässig still vollziehen lassen durch die Verlegung der altrömischen Epiklesen vor den Abendmahlsbericht, wodurch von diesem, nachdem der richtige Moment desselben seit der Apostelzeit verwischt war, die Herrenworte von selbst als die Consecrations form übrig blieben. Das so „reformirte" neurömische Messbuch Gelasius' I. wurde mit sehr geringem Erfolg von Rom aus in Oberitalien, Spanien und Gallien einzuführen gesucht; Volk und Geistlichkeit hielten zäh am Alten fest. Auch die durch Gregor I. vollzogene knappere Fassung des Gelasianischen Messbuches, begleitet von feinem musikalischen Arrangement, führte nur langsam weiter. Erst Bonifatius gelang es, die fränkischen Hausmeyer und späteren Könige für das neurömische Messbuch und die Abschaffung der alten Liturgie zu gewinnen. Karl der Grosse vollendete in Mailand und Gallien seines Vaters Werk. In Spanien, dessen alte Liturgie noch erhalten ist, führte Gregor VII. mit Gewalt die neurömische Messe ein.

Dies der geschichtliche Entwickelungsgang, wenn man ihn so nennen darf, der christlichen Liturgie im Abendlande in ihrem massgebenden, centralen Teile, wie ihn Watterich, gestützt auf die zum Teil päpstlichen Quellen, aufrollt. Das Bild, das sich hieraus für einen wichtigen, bisher etwas leicht genommenen Abschnitt der Kirchengeschichte ergiebt, ist ein neues. Von römischer Seite wird heftiger Widerspruch nicht ausbleiben. Watterich kann ihm, nach unserem Dafürhalten, ruhig entgegensehen. Die Orientalen aber finden in dem hochwichtigen Werke endlich gerade jetzt, wo sie Leo XIII. zur Vereinigung mit der römischen Kirche einladet, das Arsenal zur Gegenwehr im heiligsten Mittelpunkte, das ihnen auf dem Concil von Florenz die selbst von ihrem tapferen Markus von Ephesus gemachte Concession Rom gegenüber erspart haben würde.

Nürnberg.

Karl Joseph Klotz, altkathol. Stadtpfarrer.

Texts and studies of Biblical and patristic literature, edited by J. Armitage Robinson. Vol. III, No. 2. The fourth book of Ezra. The latin version edited from the Mss. by the late Robert L. Bensly with an introduction by Montague Rhodes James. Cambridge 1895. 8. XC and 107 pp.

Der zu früh verstorbene Robert L. Bensly hat das in der altlateinischen Uebersetzung des Ezra - Propheten (4 Ezra) fehlende Stück zwischen VII, 35 und 36 aus einer Hs. von Amiens saec. IX. ergänzt in der Schrift: „The missing fragment of the latin translation of the fourth book of Ezra, discovered and edited", Cambridge 1875. So konnte ich meine Ausgabe in dem „Messias Iudaeorum" (1869) ergänzen durch die Abhandlung: „Der vollständige lateinische Ezra-Prophet" in dieser Zeitschrift 1876. III, S. 421-435.

Seine Ausgabe der vollständigen lateinischen Ezra-Propheten verzögerte Bensly durch Aufsuchung noch weiterer Hss., welche erfolgreich genug war. Konnte er doch in Madrid eine wichtige spanische Hs. vergleichen, nicht so eine andere spanische, welche S. Berger erst 1893 bekannt machte. Durch Letzteren erhielt Bensly auch genaue Kenntnis von einer Pariser Hs. Die von Bensly unfertig hinterlassene Ausgabe des lateinischen Ezra-Propheten hat nun M. R. James für den Druck vollendet und mit einer sorgfältigen Einleitung versehen.

Die Einleitung beginnt mit den Hss. (p. XII-XXII). An der Spitze steht 1) Cod. Sangermanensis (S) vom Jahre 822, aus welchem schon frühe ein Blatt mit allem, was zwischen VII, 35 und 36 steht, beseitigt ist. Weil die Auslassung sich auch in den Hss., Turicensis (T) saec. XIII. und Dresdensis (D) saec. XV. findet, hat Bensly diese Hss. als blosse Ausflüsse von S ganz bei Seite gelassen. Hätte er jedoch die Lesarten dieser deutschen Hss., welche mein „Messias Iudaeorum“ verzeichnet, nur einiger Beachtung gewürdigt, so könnte er diese Behauptung nicht aufrecht erhalten haben (z. B. IV, 36. VIII, 45). 2) Cod. Ambiensis (A) saec. IX, stammend aus Corbie, die Hs., aus welcher das fehlende Stück zuerst veröffentlicht ward. 3) Cod. Complutensis (C) in Madrid, westgotisch. 4) Cod. Mazarinaeus (M) in Paris, sehr verwandt mit C. Das sind die vier Haupthandschriften, welche der Herausgeber in zwei Gruppen teilt, eine französische (SA) und eine spanische (CM), letztere sehr eigentümlich und wichtig. Nur eine Abschrift von C ist 5) Cod. Abulensis (V) in Madrid. Dagegen erscheint als be

deutend 6) Cod. Legionensis (L), von welchem James leider keine vollständige Vergleichung erhalten konnte.

In den vier zu dem eigentlichen Ezra - Propheten (4 Ezr. III-XIV) hinzugefügten Capiteln (I. II. XV. XVI), welche ich zusammengefasst habe als „Liber Ezrae prophetae secundus“, tritt die Verschiedenheit der französischen und der spanischen Gruppe besonders stark hervor. In C. XV trennt sich auch A von S und zeigt wesentliche Uebereinstimmung mit den Anführungen bei Gildas. In C. I. II giebt James dem spanischen Texte im allgemeinen den Vorzug. Cod. M, welchen James zu der spanischen Gruppe rechnet, ist sehr eigentümlich bei der oft besonders abgeschriebenen und selbständig erhaltenen Confessio Esdrae (4 Ezr. VIII, 20”—36).

Nur der Kern des Buches (C. III-XIV) ist auch in nicht lateinischen Uebersetzungen erhalten, welche auch für den lateinischen Text von Bedeutung sind. Zu meiner Zusammenstellung trägt James (p. XXII-XXIV) A. Dillmann's Ausgabe der äthiopischen Uebersetzung (Vetus Testam. aeth.) und Gildemeister's Ausgabe von Arab. nach.

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Die Bezeugung des Ezra-Propheten (p. XXVII-XXXVIII) beginnt James mit meiner Zeugenliste, welche schon vor der römischen Zerstörung Jerusalems anfängt, hält sich aber thatsächlich an die Mehrheit der Kritiker, welche dieses Buch, obwohl es X, 48 nur eine einzige Zerstörung Jerusalems (die chaldäische) kennt, nach seiner zweiten (römischen) Zerstörung ansetzen und nicht vor dem Briefe des Barnabas bezeugt sein lassen. Hätte er es nur begreiflich gemacht, wie die noch vor 70 A. D. geschriebene Aválnyig Movoέws X, 28 auf „cervices et alas aquilae“ kommen konnte, ohne den Vorgang des dreiköpfigen Adlers 4 Ezr. XI. XII. In den Schlussbemerkungen verweist James auf A. Dillmann's Abhandlung über das Adler-Gesicht 4 Ezr. XI. XII (Sitzungsberichte der kgl. preuss. Akad. der Wissensch. zu Berlin 1888, VIII), ohne meine Beleuchtung (in dieser Zeitschrift 1888. III, S. 380 f.) nur zu berücksichtigen. Diese Zeitschrift, welche doch den Ezra-Propheten nie aus dem Auge verloren hat, wird überhaupt nirgends erwähnt, nicht einmal bei ihrer Wiedergabe des fehlenden Bruchstückes".

Aus meiner Bearbeitung dieses Stückes hatte man am Ende doch Einiges lernen können, z. B. die Ausfüllung von Lücken, wie VII, 62. 105 u. s. w.

Dass Bensly bei solcher Bereicherung der Hülfsmittel manches richtiger hergestellt hat, als es früher möglich war,

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