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europäische Pflanzung durch Apollos begossen ward (18, 24 f.), als solche ins Auge gefasst und insofern die Entstehung der Heidenkirche überhaupt behandelt.

So weit sich nachkommen lässt, hat der Autor ad Theophilum diese Vorlage, welche als die Schrift eines Begleiters des Paulus von Philippi bis Jerusalem und Rom (nur nicht ununterbrochen) erscheint, freilich mit manchen Zusätzen versehen, auch oft genug verändert. Um den Paulus in bestem Einvernehmen mit den (Ur)aposteln und der Urgemeinde erscheinen zu lassen, hat er 9, 26-30 sein erstes Auftreten in Jerusalem so abweichend von Gal. 1, 18-20 dargestellt und von vornherein auf dessen Apostel würde verzichtet. Noch vor der Reise nach Jerusalem Gal. 2, 1 f. soll Paulus dahin gesandt sein (11, 30. 12, 25). Aller Heidenbekehrung des Paulus geht Petrus bahnbrechend voran (10, 1 bis 11, 18). Die Synagogen Rede in Antiochia ad Pisid. ist mit Zuthaten versehen und geändert (13, 25. 27. 38. 39), in sein Auftreten daselbst eingeschaltet 13, 42. 45-47. 50. 51, ebenso antijudaistisch auch in Lystra 14, 19. 20. Die Verhandlungen in Jerusalem über die Heidenchristen hat der Autor ad Theophilum von 15, 7 an im Sinne des Kirchenfriedens wesentlich umgebildet, so dass die von Paulus unternommene Heidenbekehrung hinterher ihre urapostolische Anerkennung, aber auch ihre Beschränkung erhält. So hat er auch 15, 418. 16, 3-5 die Beschneidung des Timotheus und die Einschärfung des Apostel - Decrets hinzugefügt. In Philippi wird er 16, 13. 16 das jüdische Bethaus eingetragen haben, dann 16, 24-34 die Kerkerscene. In Thessalonich hat er 17, 1 f. das Heidenchristentum der begründeten Gemeinde fast getilgt, ähnlich wohl auch in Beröa (17, 10 f). Selbst zu Athen lässt er den Paulus in der Synagoge auftreten (17, 17), andrerseits auch einen Areopagiten bekehren (17, 24). In Korinth wiederholt der Autor ad Theophilum den durch das Verhalten der Juden veranlassten Übergang zu den Heiden (18, 4. 5. 6). Bei der Abreise von Korinth gehört ihm die Haarschur 19, 18, in Ephesus die nebelhaften

Johannes-Jünger (19, 1-7), die Unterscheidung des Paulus von jüdischen Teufelsbeschwörern und von Magiern (19, 12 bis 20). Die letzte Reise des Paulus nach Jerusalem hat er versehen mit der Abschiedsrede des Paulus in Milet an die Presbyter von Ephesus (20, 18-38), mit der Warnung in Tyros (20, 4), den prophetischen Töchtern des Philippus (20, 9). In Jerusalem gehört ihm die Beteiligung des Paulus an Nasiräatsopfern in dem Tempel (21, 20-26), die Vorführung des Paulus vor das Synedrium (22, 30-23, 10), Zuthaten in dem Schreiben des Tribunen (23, 27-29).

In Cäsarea hat der Autor ad Theophilum zu der Verteidigung des Paulus vor Felix hinzugefügt 24, 17-21, auch 24, 25, vor Porcius Festus 25, 8 ori-quaqtov und die ganze Erzählung von Agrippa 25, 13-26, 32. In der Reise von Cäsarea nach Rom gehört ihm 27, 21-26, bei der Ankunft in Rom die Verhandlung mit den Häuptern der Judenschaft 28, 17-29. Die Hauptsache ist für den Autor ad Theophilum, dass Paulus als Gesetzesstürmer eine reine Erfindung der böswilligen Juden ist, was freilich weniger für die ungläubigen, schon aufgegebenen, als für die gläubigen, immer noch an dem Gesetze wesentlich festhaltenden Juden gesagt ist. Sie sollen ihr tiefgewurzeltes Vorurteil gegen den Begründer der gesetzesfreien Heidenkirche, welcher seinerseits ein gutes Verhältnis zu „den Aposteln" und der Urgemeinde festgehalten und deren Anerkennung erhalten habe, aufgeben. In allem diesem behält die alttübingische Kritik Recht.

Anders verhält es sich aber doch, wenn das Ergebnis dieser literarhistorischen Untersuchung sich bestätigen sollte, dass der Autor ad Theophilum drei alte Quellenschriften zu Grunde gelegt und verarbeitet hat. Die Hauptquelle waren für ihn die πράξεις Παύλου, wie man die Vorlage C wohl nennen darf, wenn man nur nicht übersieht, dass sie keineswegs blos die Person, sondern auch das Werk des Paulus, die hauptsächlich durch ihn begründete Heidenkirche behandelt. Der Sinn dieser Schrift ist: Mag man mehr auf der Seite des Paulus oder der Urapostel stehen, Anerkennung

verdient Paulus durch sein Thun als Bekehrer der Heiden und durch sein Leiden von Seiten der Juden, welche ihn schliesslich der Freiheit berauben. Der Autor ad Theophilum ging dann so weit, dass er das Thun des Paulus durch den Vorgang des Petrus und ausdrückliche Anerkennung von Seiten der Urapostel und der Urgemeinde auch durch die Unempfänglichkeit der Juden rechtfertigte, sein. Leiden von Seiten der Juden aber als durch keinen Verstoss gegen das Gesetz verschuldet darstellte. Die Misshelligkeiten zwischen Paulus und den Uraposteln nebst Urgemeinde werden von ihm nicht blos übergangen, sondern durch das beste Einvernehmen ersetzt.

Sollte Paulus aber zu Uraposteln und Urgemeinde in dem besten Verhältnis gestanden haben, so musste auch die Entstehung der Urgemeinde unter der Leitung der Urapostel, vor allem des Petrus dargestellt werden. Daher die Benutzung und grossenteils Wiedergabe der Vorlage A, gleichfalls nicht ohne Zuthaten und Überarbeitung. Diese Vorlage kann man πράξεις Πέτρου nennen, wenn man nur nicht übersieht, dass auch sie nicht blos die Person des Petrus, sondern die Entstehung der Urgemeinde im Kampfe mit der jüdischen Obrigkeit darstellte. Diese Quellenschrift hat der Autor ad Theophilum bis zum Tode des königlichen Verfolgers (12, 23) benutzt und grossenteils ausgeschrieben.

Wie sollten aber diese πράξεις Παύλου und diese πράξεις Πέτρου verbunden werden? Ein Bindeglied ergab die Vorlage B, die πράξεις τῶν ἑπτά, die Geschichte der hellenistischen Septemvirn, aus welcher der Autor ad Theophilum C. 8. 9 wenigstens die beiden ersten, Stephanus und Philippus, aufgenommen, freilich auch mit einer bezeichnenden Zuthat, wie 8, 9-24, versehen hat.

Für das Gesamtwerk, welches auf solche Weise entstand, konnte der Autor ad Theophilum kaum eine andere Benennung wählen, als πράξεις ἀποστόλων. Denkt man sich in herkömmlicher Weise, dass er von vornherein darauf ausging, eine Geschichte der Apostel zu schreiben, so kann

man es weder begreifen noch erklären, dass von den meisten Aposteln so gut wie nichts erzählt wird. Geht man dagegen davon aus, dass der Autor ad Theophilum eine Geschichte des Paulus und der Begründung der Heidenkirche mit einer Geschichte der von den Uraposteln geleiteten Urgemeinde zusammenarbeiten wollte, so konnte er Beides zusammenfassen als Geschichte der Apostel, welche ja auch über die Heidenkirche nach seiner Darstellung eine gewisse Oberleitung behielten.

So wird sich auch wohl der Schluss dieser Apostelgeschichte erklären, welche mit der zweijährigen Gefangenschaft des Paulus in Rom gerade vor dem Tode des Paulus und des Petrus stehen bleibt. Mögen die πράξεις Παύλου den Tod des Paulus enthalten haben oder nicht, die oάses άnooτólov waren zu Ende, als das Werk der Apostel abgeschlossen war. Von Seiten der Urapostel war alles fertig durch das Apostel-Decret. Und mochte Paulus in der römischen Gefangenschaft sein Leben verlieren oder befreit werden, sein grosses Werk, die gesetzesfreie Heidenkirche stand fest und ward noch in der Welthauptstadt gerechtfertigt durch das Verhalten der Juden.

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Die Untersuchung der Überlieferung über die römische Wirksamkeit des Apostels Petrus schien bis jetzt immer wieder das längst gewonnene Ergebnis zu bestätigen, dass bei dieser wie bei so vielen anderen Erzählungen die Zeug

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nisse für die angeblichen Thatsachen um so reichlicher fliessen, je weiter wir uns der Zeit nach von ihnen entfernen, dass sie dagegen um so seltener werden, je näher wir ihnen kommen, und in einem Zeitpunkt gänzlich verstummen, welcher weit genug von ihnen abliegt, um für die Entstehung ungeschichtlicher Angaben den weitesten Spielraum zu lassen. Was ich in dieser Beziehung schon vor 20 Jahren im Anschluss an Lipsius nachzuweisen versucht habe 1), war, wie ich glaube, bis jetzt nicht widerlegt, es war kein Zeugnis für eine Anwesenheit des Petrus in Rom nachgewiesen worden, welches über den Anfang des zweiten Jahrhunderts hinaufreichte, und von dem Simonsroman unabhängig wäre, dessen älteste Schicht bald nach diesem Zeitpunkte entstanden zu sein scheint; während die zuverlässigsten Daten aus dem ersten und der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts ihrer Geschichtlichkeit die schwersten Bedenken in den Weg legen. Um so wichtiger wäre es ohne Zweifel, wenn es jetzt einem gelehrten Mitarbeiter dieser Zeitschrift gelungen wäre, das römische Martyrium des Petrus durch die unantastbare Aussage eines Zeitgenossen sicherzustellen. Die sog. „Himmelfahrt des Jesaias", wie sie uns in der äthiopischen Übersetzung des verlorenen griechischen Werks (bezw. Dillmann's lateinischer Übertragung derselben) vorliegt, weissagt c. 4: Am Ende der Tage werde der Engel Berial, der Beherrscher dieser Welt, aus seinem Firmament herabkommen (v. 2) in specie hominis, regis iniquitatis, matricidae, hic est rex hujus mundi, (v. 3) et plantam, quam plantaverunt duodecim apostoli Dilecti, persequetur; e duodecim in manum ejus tradetur". In der Gestalt dieses Königs werde Berial erscheinen und mit ihm als seine Diener die Gewalten dieser Welt; auf seinen Befehl werde die Sonne bei Nacht aufgehen und der Mond bei Tage, er werde Wunder aller Art

1) Die Sage von Petrus als römischem Bischof. Deutsche Rundschau 1875, jetzt Vortr. und Abhandl. II, 214 ff. Zur Petrusfrage, Ztschr. f. w. Theol. XIX (1876), 31 ff.

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