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haltung von solchem Genusse, ja Röm. C. 14 hinsichtlich des Essens und Trinkens und zu feiernder Tage ähnliche Rücksichtnahme empfohlen hatte.

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Eine Entscheidung der apostolischen Versammlung 15, 6 muss der Autor ad Theophilum schon in seiner Vorlage vorgefunden haben. Diese Fassung kann jedoch von einem unmittelbaren Genossen des Paulus, welchen wir in den Wir"- Berichten erkennen und wohl schon als einen der ältesten Christen Antiochiens erkannt haben (11, 28 ), nicht herrühren und wird auch ferner als Eigentum des Autor ad Theophilum anzusehen sein. Derselbe hat 13, 45-47 den bezeichnenden Grundsatz, dass Paulus und Barnabas sich erst infolge der Unempfänglichkeit der Juden mit der Verkündigung des Wortes Gottes an die Heiden wenden, wie wir gesehen haben, eingezwängt. Bei den Verhandlungen in Jerusalem über die Beschneidung und Gesetzesverpflichtung der Heidenchristen wird er seine Vorlage, als er an den hitzigen Streit 15, 7 kam, verlassen und durch eine andersartige Darstellung bis zu der Entscheidung ersetzt haben. Wer den hitzigen Streit kennen lernen will, muss sich an Gal. 2, 1-10 halten. Der Autor ad Theophilum schweigt von Titus, dessen Beschneidung verlangt, aber nicht abgezwungen ward 1). Fast paulinisch lässt er den Petrus für die Gesetzesfreiheit der Heidenchristen sprechen und nach dem blossen Berichte des Paulus und Barnabas über ihre Erfolge den Jacobus einen Antrag stellen, welcher für gemässigte Judenchristen und Pauliner gleich annehmbar ist. Ohne allen Widerspruch wird dieser Antrag, welcher den Paulus zur Bekehrung der Heiden ohne Zwang der Beschneidung

1) Die Weglassung des ovdè Gal. 2, 5, welche bei abendländischen Kirchenvätern, wie Irenäus, Tertullianus u. A., aus Bedrängnis durch Marcion hervorging, empfiehlt sich heutigen Theologen, wie Spitta (S. 194 f.), J. Weiss (S. 508 f.) u. A., zur Abwehr „Tübingischer" Kritik. Welchen Grund hätte dann aber der Autor ad Theophilum gehabt, den Titus, diesen treuesten Genossen des Paulus, nirgends zu erwähnen?

und Gesetzesverpflichtung berechtigt, angenommen. Keine Spur von einem versuchten Zwange, welchem Paulus auch nicht einen Augenblick nachgab. Darin stimmt diese Darstellung freilich zu dem Berichte des Paulus (Gal. 2, 9), dass dieser nebst Barnabas nun ungehindert seine Wirksamkeit unter den Heiden fortsetzen kann, wie die Urapostel andererseits ihre nur von Petrus in Cäsarea überschrittene Wirksamkeit unter der Beschneidung fortsetzen werden. Alles dieses lässt den Autor ad Theophilum nicht verkennen; aber hat er die Veranlassung des Apostel-Concils (15, 1-6) einer Vorlage entnommen, so giebt auch dessen Ausgang oder das Apostel-Decret noch diese Vorlage kund. Denn wird in dem weiteren Verlaufe der quellenmässigen Darstellung Silas der Reisegenosse des Paulus von Antiochien aus (15, 40 f.), so muss dessen Ankunft und Aufenthalt in Antiochien vorher mitgeteilt sein. Das geschieht aber nur 15, 22. 27. 32. 34, wo wir erfahren, dass die Urgemeinde dem Paulus und dem Barnabas bei ihrer Rückkehr nach Antiochien den Justus Barsabbas und den Silas beigab, welche den Inhalt des Briefes in Antiochien mündlich verkündigen sollten, und dass Judas und Silas, gleichfalls (wie Paulus und Barnabas) Propheten 1), durch viele Worte die Brüder befestigten, was allerdings kaum nötig gewesen sein würde, wenn die Heidenbekehrung in Cäsarea schon lange vorhergegangen und die Verhandlungen in Jerusalem so glatt abgelaufen wären. Nach einiger Zeit werden die beiden Abgeordneten entlassen. Aber Silas beliebt in Antiochien zu bleiben. Das Missverhältnis von 15, 33 und 34 ist so scheinbar, dass die Auslassung des letzteren Verses bei beträchtlichen Zeugen begreiflich ist. Entbehrlicher ist der erstere Vers. Die förmliche Entlassung der urgemeindlichen Über

1) Diese einzig natürliche Erklärung (s. o. S. 26, Anm. 1) stimmt gut zu 11, 28. 13, 1. Als Propheten des neuen Bundes stellt auch der antimontanistische Presbyter von 192/3 bei Eusebius KG. V, 17, 3 zusammen οὔτε "Αγαβον (Apg. 11, 28. 21, 10) οὔτε Ἰούδαν οὔτε Σιλαν οὔτε τὰς Φιλίππου θυγατέρας (Apg. 21, 9) κτλ.

bringer (15, 33) hängt offenbar zusammen mit ihrer förmlichen Absendung (15, 22. 27) und sieht fast aus wie eine Zuthat des Autor ad Theophilum, welcher in seiner Vorlage nur das Verbleiben des Silas in Antiochien und die Rückkehr des Judas nach Jerusalem vorfand. Das scheinbare Missverhältnis beider Verse beseitigte dann der a-Text durch Tilgung des zweiten.

Der Autor ad Theophilum hat also seine Vorlage nicht blos mit allerlei Zuthaten versehen, sondern auch in der Weise überarbeitet, dass er manches unterdrückt und in seinem Sinne ersetzt hat, wie wir schon bei dem ersten Besuche des bekehrten Paulus in Jerusalem 9, 26-30 (vgl. 22, 17--21) wahrscheinlich fanden. So hat er die Verhandlungen des Paulus mit Uraposteln und Urgemeinde in Jerusalem, welche nach der Darstellung des Paulus Gal. 2, 1-10 mit hitzigem Streite über die Beschneidung der gläubigen Heiden, mindestens eines Lehrers, wie Titus, begannen und mit dem Compromiss, dass die Beschneidungsund die Heiden-Mission (letztere mit einer Art von Tribut) neben einander fortgehen sollten, endigten, unionspaulinisch wiedergegeben, indem er den Titus, dessen Nennung er auch ferner sorgsam vermeidet, unter „einigen Anderen" [schon Ausdruck der Vorlage?] von Antiochien belässt (15, 2) und auf den in Jerusalem entbrannten Streit 15, 7 ganz friedliche Verhandlungen, bei welchen Barnabas und Paulus nur als Berichterstatter zu Worte kommen, und einen ohne Widerspruch angenommenen Beschluss, dessen Überbringer nach Antiochien auch Barnabas und Paulus werden, gefolgt sein lässt. Was er in seiner Vorlage über diese Vorgänge gefunden hat, können wir nicht weiter angeben, als dass irgend eine Übereinkunft zustande gekommen sein muss, und dass von Jerusalem auch der dort angesehene Silas nach Antiochien gereist sein muss.

J. Weiss hat in seiner anregenden Untersuchung über „das Judenchristentum in der Apostelgeschichte und das s. g. Apostel-Concil" (Th. St. u. Kr. 1893. III, S. 480-540)

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A. Hilgenfeld: Die Apostelgeschichte. Art. V. unterschieden einen Bericht Apg. 15, 1-4. 12, welcher in Antiochien einen hitzigen Streit gegen Paulus und Barnabas wegen der Beschneidung der Heidenchristen entbrannt sein lässt, und einen anderen Bericht Apg. 15, 5-11. 13-33, welcher in Jerusalem das Bild einer durchaus friedlichen Besprechung gebe (S. 519), aber einer späteren Zeit angehöre, als Paulus nicht mehr anwesend war. Diese Scheidung ist undurchführbar, da doch auch in Jerusalem ein grosser Streit entbrannt (15, 7), und Barnabas und Paulus (abgesehen von 15, 12) nur gewaltsam aus 15, 22. 25 getilgt werden können. Aber so viel ist richtig, dass dem hitzigen Streite 15, 7 das Folgende nicht entspricht. Eine ähnliche Scheidung ist auch in dem Berichte des Paulus Gal. 2, 1-10 nicht durchführbar, wo J. Weiss (S. 504 f.) Gal. 2, 3-5 aus dem Zusammenhange beseitigt 1) und die nicht erzwungene (aber freiwillig gewährte!) Beschneidung des Titus nebst den eingedrungenen falschen Brüdern auf Antiochien bezieht, so dass auch aus Gal. 2, 1. 2. 6-10 eine gütliche Verhandlung in Jerusalem herauskommt. Er hat allen Grund zu befürchten, dass dies Verfahren bei den modernen Rittern der paulinischen Consequenz keine sonderliche Begeisterung erwecken" wird (S. 518). Wir aber haben nicht zu befürchten, dass ein solches Verfahren das Feld behaupten werde. Die Abwesenheit des Paulus bei dem Beschlusse des Apostel-Decrets ward auch durchaus nicht erwiesen durch Apg. 21, 25, wo Jacobus so thun soll, als ob Paulus von demselben nichts wisse (S. 520). Wie wenn Jacobus den Paulus recht gut auf einen Brief verweisen könnte, welchen dieser weder vorgeschlagen noch abgefasst, nicht einmal mit überbracht haben würde!

Hat unsere Untersuchung zu einem sicheren Ergebnis geführt, so hat der Autor ad Theophilum den Bericht seiner

1) J. Weiss S. 518: „Entweder hat man später wegen des άvéßny sè den 2. Vers [welcher mit 2, 6 zusammengehören soll] hinaufgerückt, oder V. 3-5 sind eine spätere nachträgliche Randbemerkung des Paulus.“

Vorlage über die Verhandlungen in Jerusalem durch eine eigene Darstellung des Apostel-Concils und Apostel-Decrets ersetzt, welcher die gleichfalls von ihm, nur nicht ohne Anschluss an Überlieferung, gebildete Erzählung von der Bekehrung des heidnischen Cornelius zur Grundlage dient.

Berichtigung: S. 29, Z. 7 v. o. lies Mnason statt Mnaseas.

III.

Die eschatologische Ideengruppe: Antichrist-Weltsabbat-Weltende und Weltgericht in den Hauptmomenten ihrer christlich-mittelalterlichen Gesamtentwickelung

von

Dr. th. et ph. Ernst Wadstein,
Director des Gymnasiums zu Carlskrona.
(Fortsetzung.)

B. Antichrist.

Im Anschluss an die vorhergehende Erörterung darf zunächst daran erinnert werden, dass die Idee des Weltendes eine vor allem kosmische ist, die demgemäss sehr häufig gerade auf Anlass kosmischer Erscheinungen oder physischer Thatsachen und Verhältnisse überhaupt zum Gegenstand sogar chronologisch bestimmter Erwartungen und Berechnungen gemacht wird. Zudem ist aber diese Idee eine ihrem Wesen nach überwiegend volkstümliche und praktisch wirkungsvolle, was namentlich die von derselben hervorgerufenen grossen Volksbewegungen - Pilgerzüge und Geisslerfahrten in auffallender Weise bestätigen. Auch geht sie, wie gezeigt, vorzugsweise aus der Stimmung hervor, die unter Einfluss der augustinischen Eschatologie bis gegen Ausgang des 11. Jahrhunderts die Gemüter in angstvoll gespannter Erwartung des Endes hielt.

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