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Die Gespenster.

Der Alte.

O Jüngling! sey so ruchlos nicht,
Und leugne die Gespenster.

Ich selbst sah eins beim Mondenlicht
Aus meinem Kammerfenster,
Das saß auf einem Leichenstein:
Drum müssen wohl Gespenster seyn.
Der Jüngling.

Ich wende nichts dawider ein;
Es müssen wohl Gespenster seyn.

Der Alte.

Als meiner Schwester Sohn verschied,
(Das sind nunmehr zehn Jahre !)
Sah seine Magd, die trefflich fieht,
Des Abends eine Bahre,
Und oben drauf ein Todtenbein:
Drum müssen wohl Gespenster seyn.
Der Jüngling.

Ich wende nichts dawider ein;
Es müssen wohl Gespenster seyn.
Der Alte.

Und als mein Freund im Treffen blieb,
Das Frankreich jüngst verloren,
Hört' seine Frau, wie sie mir schrieb,
Mit ihren eignen Ohren

Zu Mitternacht drei Eulen schrein:
Drum müssen wohl Gespenster seyn.
Der Jüngling.

Ich wende nichts dawider ein;
Es müssen wohl Gespenster seyn.

Der Alte.

In meinem Keller selbst geht's um.
Ich hör' oft ein Gesause;

Doch werden die Gespenster stumm,
Ist nur mein Sohn zu Hause.

Dent' nur, sie saufen meinen Wein:
Das müssen wohl Gespenster seyn.
Der Jüngling.
Ich wende nichts dawider ein;
Doch wünscht' ich eins davon zu seyn.
Der Alte.

Auch weiß ich nicht, was manche Nacht
In meiner Tochter Kammer

Sein Wesen hat, bald feufzt, bald lacht;
Oft bringt mir's Angst und Jammer.
Ich weiß, das Mädchen schläft allein;
Drum müssen es Gespenster seyn.
Der Jüngling.

Ich wende nichts dawider ein;

Doch wünscht' ich ihr Gespenst zu seyn.

Der trunkne Dichter lobt den Wein.

Mit Ehren, Wein, von dir bemeistert,
Und deinem flüßz'gen Feu'r begeistert,
Stimm' ich zum Danke, wenn ich kann,
Ein dir geheiligt Loblied an.

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Ich will ein neues Urtheil wagen.
Geschmack und Wiß, es frei zu sagen,
War bei den Alten allgemein.
Warum? fie tranken alle Wein.

Doch ihr Geschmack war noch nicht fein;
Warum? sie mischten Wasser drein.

Die lügenhafte Phyllis.

Mein Damon spricht:
Kind, lüge nicht!

Sonst werd ich strafen müssen,
Und dich zur Strafe küssen.

Er droht mir, sieht verdrießlich aus,

Und strafet mich schon im voraus.

Sonst log ich nicht.

Nur seit er spricht:

Du sollft mir fein mit Küssen

Die losen Lügen büßen,

Red' ich kein wahres Wörtchen mehr.

Nun, Schwestern, sagt, wo kommt das her?

Die siebenundvierzigste Ode Anakreons.
Alter, tanze! Wenn du tanzest,
Alter, so gefällst du mir!

Jüngling, tanze! Wenn du tanzest,
Jüngling, so gefällst du mir.

Alter, tanze, troh den Jahren!
Welche Freude, wenn es heißt:
Alter, du bist alt an Haaren,
Blühend aber ist dein Geist!

Nachahmung dieser Ode. Jüngling, lebst du nicht in Freuden, Jüngling, o so haßz' ich dich! Alter, lebst du nicht in Freuden, Alter, o so haß' ich dich!

Jüngling, trauerst du in Jahren, Wo die Pflicht sich freuen heißt? Schäme dich! so frisch an Haaren, Jüngling, und so schwach an Geist!

Der Wunsch.

Wenn ich, Augenluft zu finden, Unter schatticht kühlen Linden Schielend auf und nieder gehe, Und ein häßlich Mädchen sehe, Wünsch' ich plötzlich blind zu seyn.

Wenn ich, Augenluft zu finden, Unter schatticht fühlen Linden Schielend auf und nieder gehe,

Und ein schönes Mädchen sehe,

Möcht' ich lauter Auge seyn.

Der größte Mann.

Laßt uns den Priester Orgon fragen: Wer ist der größte Mann?

Mit stolzen Mienen wird er sagen:

Wer sich zum kleinsten machen kann.
Laßt uns den Dichter Kriton hören:
Wer ist der größte "Mann?
Er wird es uns in Versen schwören:
Wer ohne Mühe reimen kann.

Laßt uns den Hofmann Damis fragen:
Wer ist der größte Mann?

Er bückt sich lächelnd; das will sagen: Wer lächeln und sich bücken kann. Wollt ihr vom Philosophen wissen, Wer ist der größte Mann?

Aus dunkeln Reden müßt ihr schließen:
Wer ihn verstehn und grübeln kann.
Was darf ich jeden Thoren fragen:
Wer ist der größte Mann?

Ihr seht, die Thoren alle sagen:
Wer mir am nächsten kommen kann.
Wollt ihr den klügsten Thoren fragen:
Wer ist der größte Mann?

So fraget mich; ich will euch sagen:
Wer trunken sie verlachen kann.

Der Irrthum.

Den Hund im Arm, mit bloßen Brüsten,
Sah Lotte frech herab.

Wie mancher ließ sich's nicht gelüften
Daß er ihr Blicke gab.

Ich kam gedankenvoll gegangen,
Und sahe steif heran.

Ha! denkt sie, der ist auch gefangen,
Und lacht mich schalkhaft an.

Allein, gesagt zur guten Stunde,
Die Jungfer irrt sich hier.

Ich sah nach ihrem bunten Hunde;
Es ist ein artig Thier.

An den Wein.

Wein, wenn ich dich jetzo trinke,
Wenn ich dich als Jüngling trinke,
Sollst du mich in allen Sachen
Dreist und flug, beherzt und weise,
Mir zum Nuß, und dir zum Preise,
Kurz, zu einem Alten machen.

Wein, werd' ich dich künftig trinken,
Werd' ich dich als Alter trinken,
Sollst du mich geneigt zum Lachen,
Unbesorgt für Tod und Lügen,

Dir zum Ruhm, mir zum Vergnügen,
Kurz, zu einem Jüngling machen.

Phyllis an Damon.
Lehre mich, o Damon, fingen,
Singen, wie du trunken singst.
Laß auch mich dir Lieder bringen,
Wie du mir begeistert bringst.
Wie du mich willst ewig fingen,
Möcht' auch ich dich ewig singen.

Durch des Weines Feuerkräfte,
Nur durch sie singst du so schön.
Aber diese Göttersäfte
Darf ich schmachtend nur besehn.
Dir rieth Venus Wein zu trinken,
Mir rieth fie, ihn nicht zu trinken.
Was wird nun mein Lied beleben,

Kann es dieser Trank nicht seyn?

Wie? Du willst mir Küsse geben,
Küffe, feuriger, als Wein?
Damon, ach! nach deinen Küssen
Werb' ich wohl verstummen müssen.

Für wen ich singe.

Ich singe nicht für kleine Knaben,
Die voller Stolz zur Schule gehn,
Und den Ovid in Händen haben,
Den ihre Lehrer nicht verstehn.
Ich singe nicht für euch, ihr Richter,
Die ihr voll spitz'ger Gründlichkeit
Ein unerträglich Joch dem Dichter,
und euch die Muster selber seyd.
Ich singe nicht den kühnen Geistern,
Die nur Homer und Milton reizt;
Weil man den unerschöpften Meistern
Die Lorbeern nur umsonst begeizt.

Ich finge nicht durch Stolz gedrungen,
Für dich, mein deutsches Vaterland.
Ich fürchte jene Lästerzungen,
Die dich bis an den Pol verbannt.
Ich singe nicht für fremde Neiche.
Wie täm' mir solch ein Ehrgeiz ein?
Das sind verwegne Autorstreiche.
Ich mag nicht überschet seyn.

Ich singe nicht für fromme Schwestern,
Die nie der Liebe Reiz gewinnt,
Die, wenn wir munter singen, lästern,
Daß wir nicht alle Schmolken sind.
Ich singe nur für euch, ihr Brüder,
Die ihr den Wein erhebt, wie ich.
Für euch, für euch sind meine Lieder.
Singt ihr sie nach: o Glück für mich!

Ich singe nur für meine Schöne,
O muntre Phyllis, nur für dich.
Für dich, für dich sind meine Töne.
Stehn sie dir an, so küsse mich.

Die schlafende Laura.

Nachlässig hingestrect

Die Brust mit Flor bedeckt,
Der jedem Lüftchen wich,
Das fäuselnd ihn durchstrich,

Ließ unter jenen Linden
Mein Glück mich Lauren finden.

Sie schlief, und weit und breit
Schlug jede Blum' ihr Haupt zur Erden,
Aus mißvergnügter Traurigkeit,
Von Lauren nicht gesehn zu werden.
Sie schlief, und weit und breit
Erschallten keine Nachtigallen,
Aus weiser Furchtsamkeit,
Ihr minder zu gefallen,

Als ihr der Schlaf gefiel,

Als ihr der Traum gefiel,
Den sie vielleicht jeßt träumte,
Von dem, ich hoff' es, träumte,
Der staunend bei ihr stand,
Und viel zu viel empfand,
Um deutlich zu empfinden,
Um noch es zu empfinden,
Wie viel er da empfand.
Ich ließ mich sanfte nieder,
Ich segnete, ich küßte sie,
Ich segnete und küßte wieder:
Und schnell erwachte sie.
Schnell thaten sich die Augen auf.
Die Augen?

Es donnert!

nein, der Himmel that sich auf.

Der Donner.

Freunde, laßt uns trinken! Der Frevler und der Heuchler Heer Mag knechtisch auf die Kniee sinken. Es donnert! Macht die Gläser leer! Laßt Nüchterne, laßt Weiber zagen! Zeus ist gerecht, er strast das Meer: Sollt' er in seinen Nektar schlagen?

Der müßige Pöbel.

Um einen Arzt und seine Bühne Stand mit erstaunungsvoller Miene Die leicht betrogne Menge

In lobendem Gedränge.

Ein weiser Trinker ging vorbei,

Und schrie: welche Polizei!

So müßig hier zu stehen?

Kann nicht das Volk zu Weine gehen?

Die Musik.

Ein Orpheus spielte; rings um ihn,

Mit lauschendem Gedränge,
Stand die erstaunte Menge,
Durchs Ohr die Wollust einzuzichn.

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Ich schwör' es allen Schönen, sie zu hassen; Weil alle treulos sind, wie du.

Ich schwör' es dir, vor Amors Ohren,

Daß ich.. ach! daß ich falsch geschworen.

Trinklied.

Boll, voll, voll!

Freunde, macht euch voll!
Wein, Wein, Wein,
Freunde, schenkt ihn ein!
Küßt, küßt, füßt,
Die euch wieder küßt!
Boll von Wein,
Voll von Liebe,

Voll von Wein und Liebe,
Freunde, voll zu seyn,
Küßt und schenket ein!

Der Verlust.

Alles ging für mich verloren,
Als ich Sylvien verlor.

Du nur gingst nicht mit verloren,
Liebe, da ich sie verlor!

Der Genuß.

So bringst du mich um meine Liebe, Unseliger Genuß? Betrübter Tag für mich! Sie zu verlieren, meine Liebe,

Sie zu verlieren, wünscht' ich dich?

Nimm sie, den Wunsch so mancher Lieder,
Nimm sie zurück, die kurze Lust!

Nimm fie, und gieb der öden Brust,

Der ewig öden Bruft, die beßre Liebe wieder!

Das Leben.

Sechs Tage kannt' ich sie,

Und liebte sie sechs Tage.

Am siebenten erblaßte sie,

Dem ersten meiner ew'gen Klage.
Noch leb' ich, zauderndes Geschick!
Ein pflanzengleiches Leben,

Himmel, ist für den kein Glück,
Dem du Gefühl und Herz gegeben!
O! nimm dem Körper Wärm' und Blut,

Dem du die Seele schon genommen!

Hier, wo ich wein', und wo sie ruht,

Hier laß den Tod auf mich herab gebeten kommen!

Was hilft es, daß er meine Jahre

Bis zu des Nestors Alter spare?
Ich habe, trotz der grauen Haare,
Womit ich dann zur Grube fahre,
Sechs Tage nur geliebt,

Sechs Tage nur gelebt.

2

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Der Tod. 1747.

Gestern, Brüder, könnt ihr's glauben?
Gestern bei dem Saft der Trauben,
(Bildet euch mein Schrecken ein!)
Kam der Tod zu mir herein.

Drohend schwang er seine Hippe,
Drohend sprach das Furchtgerippe:
Fort, du theurer Bacchusknecht!
Fort, du hast genug gezecht!

Lieber Tod, sprach ich mit Thränen,
Solltest du nach mir dich sehnen?
Sieh', da stehet Wein für dich!
Lieber Tod verschone mich!

Lächelnd greift er nach dem Glase;
Lächelnd macht er's auf der Base,
Auf der Pest, Gesundheit leer;
Lächelnd setzt er's wieder her.

Fröhlich glaub' ich mich befreiet,
Als er schnell sein Drohn erneuet.
Narre, für dein Gläschen Wein
Denkst du, spricht er, los zu seyn?
Tod, bat ich, ich möcht' auf Erden
Gern ein Mediciner werden.
Laß mich: ich verspreche dir
Meine Kranken halb dafür.

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