Page images
PDF
EPUB

Er geißelte sich bis aufs Blut,
Und wußte wie das Wachen thut.
Er fastete wohl ganze Tage,
Und blieb auf Einem Fuße stehn;
Und machte sich rechtschaffne Plage,
In Himmel mühsam einzugehn.
Was Wunder also, daß gar bald
Bom jungen Heiligen im Wald

Der Ruf bis in die Stadt erschallt?

Die erste, die aus dieser Stadt
Zu ihm die heil'ge Wallfahrt that,
War ein betagtes Weib.

Auf Krücken, zitternd, kam sie an,
Und fand den wilden Gottesmann,
Der sie von weitem kommen sahe,
Dem hölzern Kreuze knieend nahe.
Je näher sie ihm kömmt, je mehr

Schlägt er die Brust, und weint, und winselt er,
Und wie es sich für einen Heil'gen schicket,
Erblickt sie nicht, ob er sie gleich erblicket;
Bis er zuletzt vom Knieen matt,
Und heiliger Berstellung satt,
Bom Fasten, Kreuz'gen, Klosterleben,
Marienbildern, Opfergeben,

Bon Beichte, Salbung, Seelenmeffen,
Ohn' das Vermächtniß zu vergessen,
Bon Rojenkränzen mit ihr redte,
Und das so oratorisch sagt,

Daß sie erbärmlich weint und klagt,

Als ob er sie geprügelt hätte.

Zum Schluß bricht sie von seiner Hütte,
Wozu der saure Eremite

Mit Noth ihr die Erlaubniß gab,
Sich einen heil'gen Splitter ab,
Den sie beküsset und beleđet,
Und in den welken Busen stecket.
Mit diesem Schatz von Heiligkeit
Kehrt sie zurück begnadigt und erfreut,
Und läßt daheim die frömmsten Frauen,
Ihn küssen, andre nur beschauen.
Sie ging zugleich von Haus zu Haus,

Und rief auf allen Gassen aus:

„Der ist verloren und verflucht,

„Der unsern Eremiten nicht besucht!"

Und brachte hundert Gründe bei,

Warum es sonderlich den Weibern nützlich sey.

Ein altes Weib kann Eindruck machen;

Zum Weinen bei der Frau, und bei dem Mann zum Lachen.

Zwar ist der Satz nicht allgemein;

Auch Männer können Weiber seyn.

Doch dießmal waren sie es nicht.

Die Weiber schienen nur erpicht,
Den theuern Waldseraph zu sehen.
Die Männer aber? wehrten's nicht
Und ließen ihre Weiber gehen.
Die Häßlichen und Schönen,
Die ältesten und jüngsten Frauen,

Das arme wie das reiche Weib,

Kurz jede ging, sich zu erbauen,

Und jede fand erwünschten Zeitvertreib.

,,Was? Zeitvertreib, wo man erbauen will? „Was soll der Widerspruch bedeuten ?"

Ein Widerspruch? Das wäre viel!

„Er sprach ja sonst von lauter Seligkeiten!"

O! davon sprach er noch, nur mit dem Unterscheide: Mit Alten sprach er stets von Tod und Eitelkeit, Mit Armen von des Himmels Freude,

Mit Häßlichen von Ehrbarkeit,

Nur mit den Schönen allezeit

Bom ersten jeder Christentriebe.

Was ist das? Wer mich fragt, kann der ein Christ wohl seyn ? Denn jeder Christ kommt damit überein,

Es sey die liebe Liebe.

Der Eremit war jung; das hab' ich schon gesagt.

Doch schön? Wer nach der Schönheit fragt,

Der mag ihn hier besehn.

Genug, den Weibern war er schön.`

Ein starker, frischer, junger Kerl,

Nicht dicke wie ein Faß, nicht hager wie ein Querl „Nun, nun, aus seiner Kost ist jenes leicht zu schließen.“ Doch sollte man auch wissen,

Daß Gott dem, den er liebt,

Zu Steinen wohl Gedeihen giebt;
Und das ist doch kein fett Gerichte!
Ein bräunlich, männliches Gesichte,
Nicht allzu klein, nicht allzu groß,
Das sich im dichten Barte schloß;

Die Blicke wild, doch sonder Anmuth nicht;

Die Nase lang, wie man die Kaisernasen dicht't.

Das ungebund'ne Haar floß straubicht um das Haupt;
Und wesentlichre Schönheitsstücke

Hat der zerrißne Rock dem Blicke
Nicht ganz entdeckt, nicht ganz geraubt.
Der Waden nur noch zu gedenken:

Sie waren groß, und hart wie Stein.

Das sollen, wie man sagt, nicht schlimme Zeichen seyn; Allein den Grund wird man mir schenken.

Nun wahrlich, so ein Kerl kann Weiber lüstern machen. Ich sag' es nicht für mich; es sind geschehne Sachen. „Geschehne Sachen? was?

„So ist man gar zur That gekommen?“

Mein lieber Simplex, fragt sich das?

Weßwegen hätt' er denn die Predigt unternommen?
Die süße Lehre füßer Triebe?

Die Liebe heischet Gegenliebe,

Und wer ihr Priester ist, verdienet keinen Haß.

O Andacht, mußt du doch so manche Sünde decken!
Zwar die Moral ist hier zu scharf,

Weil mancher Mensch sich nicht bespiegeln darf,
Aus Furcht, er möchte vor sich selbst erschrecken.
Drum will ich nur mit meinen Lehren

Ganz still nach Hause wieder kehren.
Kommt mir einmal der Einfall ein,
Und ein Verleger will für mich so gnädig seyn,

Mich in groß Quart in Druck zu nehmen;

So könnt' ich mich vielleicht bequemen,
Mit hundert englischen Moralen,
Die ich im Laden sah, zu prahlen,
Erempelschäße, Sittenrichter,
Die alten und die neuen Dichter
Mit wit'gen Fingern nachzuschlagen,
Und was die sagen und nicht sagen,

In einer Note abzuschreiben.

Bringt, sag' ich noch einmal, man mich gedruckt an Tag;

Denn in der Handschrift laß ich's bleiben,

Weil ich mich nicht belügen mag.

--

Ich fahr' in der Erzählung fort
Doch möcht' ich in der That gestehn,
Ich hätte manchmal mögen sehn,

Was die und die, die an den Wallfahrtsort
Mit heiligen Gedanken kam,

Für fremde Mienen an sich nahm,
Wenn der verwegne Eremit,
Fein listig, Schritt vor Schritt,
Vom Geist aufs Fleisch zu reden kam.

Ich zweifle nicht, daß die verletzte Scham
Den Zorn nicht ins Gesicht getrieben,

Daß Mund und Hand nicht in Bewegung kam,
Weil beide die Bewegung lieben;
Allein, daß die Versöhnung ausgeblieben,
Glaub' ich, und wer die Weiber kennt,
Nicht eher, als kein Stroh mehr brennt.
Denn wird doch wohl ein Löwe zahm;

Und eine Frau ist ohnedem ein Lamm.

„Ein Lamm? du magst die Weiber kennen.“

Je nun, man kann sie doch in so weit Lämmer nennen, Als sie von selbst ins Feuer rennen.

„Fährst du in der Erzählung fort? „Und bleibst mit deinem Kritisiren ,,Doch ewig an demselben Ort?"

So kann das Nützliche den Dichter auch verführen.

Nun gut, ich fahre fort,

Und sag', um wirklich fort zu fahren,

Daß nach fünf Vierteljahren

Die Schelmereien ruchbar waren.

,,Erst nach fünf Vierteljahren? Nu;

„Der Eremit hat wacker ausgehalten.

"

So viel trau ich mir doch nicht zu;

„Ich möchte nicht sein Amt ein Vierteljahr verwalten. ,,Allein, wie ward es ewig kund?

„Hat es ein schlauer Mann erfahren?
„Verrieth es einer Frau waschhafter Mund?
„Wie? oder daß den Hochverrath

„Ein alt neugierig Weib, aus Neid, begangen hat?"

O nein; hier muß man besser rathen,
Zwei muntre Mädchen hatten Schuld,
Die voller frommen Ungeduld

Das thaten, was die Mütter thaten;

Und dennoch wollten sich die Mütter nicht bequemen, Die guten Kinder mit zu nehmen.

,,Sie merkten also wohl den Braten ?"

Und haben ihn gar dem Papa verrathen.

„Die Töchter sagten's dem Papa ? „Wo blieb die Liebe zur Mama?“

O! die kann nichts darunter leiden;

Denn wenn ein Mädchen auch die Mutter liebt, Daß es der Mutter in der Noth

Den letzten Bissen Brod

Aus seinem Munde giebt;

So kann das Mädchen doch die Mutter hier beneiden, Hier, wo so Lieb' als Klugheit spricht:

Ihr Schönen, trotz der Kinderpflicht,

Bergeßt euch selber nicht!

Kurz, durch die Mädchen kam's ans Licht,
Daß er, der Eremit, beinah die ganze Stadt
Zu Schwägern oder Kindern hat.

O! der verfluchte Schelm! Wer hätte das gedacht!
Die ganze Stadt ward aufgebracht,

Und jeder Ehmann schwur, daß in der ersten Nacht
Er und sein Mitgenoß, der Hain,
Des Feuers Beute müsse seyn.
Schon rotteten sich ganze Schaaren,

Die zu der Nache fertig waren.

Doch ein hochweiser Magistrat

Besetzt das Thor, und sperrt die Stadt,

Der Eigenrache vorzukommen,

Und schicket alsobald

Die Schergen in den Wald,

Die ihn vom Kreuze weg und in Verhaft genommen.

Man redte schon von Galgen und von Rad,

So sehr schien sein Verbrechen häßlich;

Und keine Strafe war so gräßlich,

Die, wie man sagt, er nicht verdienet hat.

Und nur ein Hagestolz, ein schlauer Advokat, Sprach:,,o! dem kommt man nicht ans Leben, ,,Der es unzähligen zu geben

„So rühmlich sich beflissen hat.“

Der Eremite, der die Nacht

Im Kerker ungewiß und sorgend durchgewacht,
Ward morgen ins Verhör gebracht.

Der Richter war ein schalkscher Mann,
Der jeden mit Vergnügen schraubte,
Und doch -
(wie man sich irren kann!)
Von seiner Frau das bèste glaubte.
„Sie ist ein Ausbund aller Frommen,
„Und nur einmal in Wald gekommen,
„Den Pater Eremit zu sehn.

„Einmal! Was kann da viel geschehn ?“
So denkt der gütige Herr Richter.
Dent' immer so, zu deiner Ruh,
Lacht gleich die Wahrheit und der Dichter,
Und deine fromme Frau dazu.

Nun tritt der Eremit vor ihn.

„Mein Freund, wollt ihr von selbst die nennen,

„Die die ihr kennt, und die euch kennen:

"

[ocr errors]

So könnt ihr der Tortur entfliehn.

[blocks in formation]
[merged small][ocr errors][merged small][ocr errors]

„Der Henker mag sie alle fassen,

„Gemach! und eine nach der andern fein!

[ocr errors]

‚Denn eine nur vorbei zu laffen“ —

Wird wohl kein großer Schade seyn,

Fiel jeder Rathsherr ihm ins Wort.
„Hört, schrieen sie, erzählt nur fort!“
Weil jeder Nathsherr in Gefahr
Sein eigen Weib zu hören war.

„Ihr Herren, schrie der Richter, nein!

„Die Wahrheit muß am Tage seyn;

„Was können wir sonst für ein Urtheil faffen?“

Ihn, schrieen alle, gehn zu lassen.

„Nein, die Gerechtigkeit“ — und kurz der Delinquent Hat jede noch einmal genennt,

Und jeder hing der Nichter dann

Ein loses Wort für ihren Hahnrei an.
Das Hundert war schon mehr als voll;
Der Eremit, der mehr gestehen soll,
Stockt, weigert sich, scheut sich zu sprechen
„Nu, nu, nur fort! was zwingt euch wohl,
„So unvermuthet abzubrechen ?“

„Das sind sie alle!" „Seyd ihr toll?
„Ein Held wie ihr! Gestehet nur, gesteht!
„Die letzten waren, wie ihr seht,
Klara, Bulcheria, Susanne,
,,Charlotte, Mariane, Hanne.
„Denkt nach! ich laßz euch Zeit dazu!“

"

„Das sind sie wirklich alle!“ „Nu

Macht, eh wir schärfer in euch dringen!"

[ocr errors]

„Nein, teine mehr; ich weiß genau" „Ha! ha! ich seh, man soll euch zwingen“. „Run gut, Herr Richter, Seine Frau."

Daß man von der Erzählung nicht
Als einem Weibermährchen spricht,
So mach' ich sie zum Lehrgedicht
Durch beigefügten Unterricht:
Wer seines Nächsten Schande sucht,
Wird selber seine Schande finden!

Nicht wahr, so liest man mich mit Frucht?
Und ich erzähle sonder Sünden?

XIV.

Die Brille.

Dem alten Freiherrn von Chrysant,

Wagt's Amor, einen Streich zu spielen.

Für einen Hagestolz bekannt,

Fing um die Sechzig er sich wieder an zu fühlen.

Es flatterte, von Alt und Jung begafft,
Mit Reizen ganz besondrer Kraft,

Ein Bürgermädchen in der Nachbarschaft.
Dieß Bürgermädchen hieß Finette.
Finette ward des Freiherrn Siegerin.

Ihr Bild stand mit ihm auf und ging mit ihm zu Bette.
Da dacht' in seinem Sinn

Der Freiherr: „Und warum denn nur ihr Bild?

„Ihr Bild, das zwar den Kopf, doch nicht die Arme füllt?
„Sie selbst steh' mit mir auf, und geh' mit mir zu Bette.
,,Sie werde meine Frau! Es schelte, wer da schilt;
„Genäd'ge Tant' und Nicht' und Schwägerin!
Finett ist meine Frau und — ihre Dienerin.“

Schon so gewiß? Man wird es hören.
Der Freiherr kommt, sich zu erklären,
Er greift das Mädchen bei der Hand,
Thut, wie ein Freiherr, ganz bekannt,
Und spricht: „Ich, Freiherr von Chrysant,
„Ich habe Sie,, mein Kind, zu meiner Frau ersehen.

,,Sie wird sich hoffentlich nicht selbst im Lichte stehen.
„Ich habe Guts die Hüll' und Fülle.“

Und hierauf las er ihr, durch eine große Brille
Von einem großen Zettel ab,

Wie viel ihm Gott an Gütern gab;

Wie reich er sie beschenken wolle;

Welch großen Wittwenschatz sie einmal haben solle.
Dieß alles las der reiche Mann

Ihr von dem Zettel ab, und guckte durch die Brille
Bei jedem Punkte fie begierig an.

„Nun, Kind, was ist ihr Wille ?"

Mit diesen Worten schwieg der Freiherr stille,
Und nahm mit diesen Worten seine Brille
(Denn, dacht' er, wird das Mädchen nun

So wie ein kluges Mädchen thun;

Wird mich und sie ihr schnelles Ia beglücken;

Werd' ich den ersten Kuß auf ihre Lippen drücken:
So könnt' ich, im Entzücken,

Die theure Brille leicht zerknicken !) -
Die theure Brille wohlbedächtig ab.

--

Finette, der dieß Zeit sich zu bedenken gab,

Bedachte sich, und sprach nach reiflichem Bedenken:

31

„Sie sprechen, gnäd’ger Herr, vom Freien und vom Schenken ; „Ach! gnäd'ger Herr, das alles wär' sehr schön!

„Ich würd' in Sammt und Seide gehn

[ocr errors]

„Was gehn? Ich würde nicht mehr gehn; „Ich würde stolz mit Sechsen fahren.

„Mir würden ganze Schaaren

„Von Dienern zu Gebote stehn.

„Ach! wie gesagt, das alles wär' sehr schön,

„Wenn ich — wenn ich

1111

[merged small][merged small][ocr errors]
[blocks in formation]
[merged small][ocr errors][merged small]

1749.

Ich wollte antworten, aber die Muse verschwand. „Sie verschwand? höre ich einen Lejer fragen. Wenn du uns doch nur wahrscheinlicher täuschen wolltest! Die seichten Schlüsse, auf die dein Unvermögen dich führte, der Muse in den Mund zu legen! Zwar ein gewöhnlicher Betrug -"

Vortrefflich, mein Leser! Mir ist keine Muse erschienen. Ich erzählte eine bloße Fabel, aus der du selbst die Lehre gezogen. Ich bin nicht der erste und werde nicht der letzte seyn, der seine Grillen zu Orakelsprüchen einer göttlichen Erscheinung macht.

2. Der Hamster und die Ameise.

Ihr armseligen Ameisen, sagte ein Hamster. Verlohnt es sich der Mühe, daß ihr den ganzen Sommer arbeitet, um ein so weniges einzusammeln? Wenn ihr meinen Vorrath sehen solltet!

Höre, antwortete eine Ameise, wenn er größer ist, als du

ihn brauchst, so ist es schon recht, daß die Menschen dir nachgraben, deine Scheuren ausleeren, und dich deinen räubrischen Geiz mit dem Leben büßen lassen!

3. Der Löwe und der Hase.

Aelianus de natura animalium lib. I. cap. 38. Opowder & ¿legas κεραστην κριον και χοιρου βοην. Idem lib. III. cap. 31. Αλεκτρυόνα φοβεῖται ὁ λεων·

Ein Löwe würdigte einen drolligten Hasen seiner nähern Be kanntschaft. Aber ist es denn wahr, fragte ihn einst der Hase, daß euch Löwen ein elender krähender Hahn so leicht verjagen fann?

Allerdings ist es wahr, antwortete der Löwe; und es ist eine allgemeine Anmerkung, daß wir große Thiere durchgängig eine gewisse kleine Schwachheit an uns haben. So wirst du zum Exempel von dem Elephanten gehört haben, daß ihm das Grunzen eines Schweins Schauder und Entsetzen erweckt.

Wahrhaftig? unterbrach ihn der Hase. Ja, nun begreif ich auch, warum wir Hasen uns so entsetzlich vor den Hunden fürchten.

4. Der Esel und das Jagdpferd.

Ein Esel vermaß sich, mit einem Jagdpferd um die Wette zu laufen. Die Probe fiel erbärmlich aus und der Esel ward ausgelacht. Ich merke nun wohl, sagte der Esel, woran es gelegen hat; ich trat mir vor einigen Monaten einen Dorn in den Fuß, und der schmerzt mich noch.

Entschuldigen Sie mich, sagte der Kanzelredner Lieder hold, wenn meine heutige Predigt so gründlich und erbaulich nicht gewesen, als man sie von dem glücklichen Nachahmer eines Mo 8heims erwartet hätte; ich habe, wie Sie hören, einen heisern Hals, und den schon seit acht Tagen.

5. Beus und das Pferd.

Καμηλον ὡς δεδοικεν ἵππος, έγνω Κυρος τε και Κροίσος. Aelianus de nat. an. lib. III. cap. 7.

Bater der Thiere und Menschen, so sprach das Pferd und nahte sich dem Throne des Zeus, man will, ich sey eines der schönsten Geschöpfe, womit du die Welt geziert, und meine Eigenhebe heißt mich es glauben. Aber sollte gleichwohl nicht noch verschiedenes an mir zu bessern seyn ?

Und was meinst du denn, daß an dir zu bessern sey? Rede; ich nehme Lehre an: sprach der gute Gott, und lächelte.

Bielleicht, sprach das Pferd weiter, würde ich flüchtiger seyn, wenn meine Beine höher und schmächtiger wären; ein langer Schwanenhals würde mich nicht verstellen; eine breitere Brust würde meine Stärke vermehren; und da du mich doch einmal bestimmt hast, deinen Liebling, den Menschen, zu tragen, so könnte mir ja wohl der Sattel anerschaffen seyn, den mir der wehlthätige Reiter auflegt.

Gut, versetzte Zeus; gedulde dich einen Augenblick! Zeus, mit ernstem Gesichte, sprach das Wort der Schöpfung. Da quoll Leben in den Staub, da verband sich organisirter Stoff; und vlözlich stand vor dem Throne das häßliche Kameel. Das Pferd sah, schauderte und zitterte vor entseßendem Abscheu.

Hier find höhere und schmächtigere Beine, sprach Zeus; hier ist ein langer Schwanenhals; hier ist eine breitere Brust; hier ist der anerschaffne Sattel! Willst du, Pferd, daß ich dich so umbilden soll?

Das Pferd zitterte noch.

[merged small][merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small]

8. Der Wolf und der Schäfer. /

Ein Schäfer hatte durch eine grausame Seuche seine ganze Heerde verloren. Das erfuhr der Wolf, und kam seine Condolenz abzustatten.

Schäfer, sprach er, ist es wahr, daß dich ein so grausames Unglück betroffen? Du bist um deine ganze Heerde gekommen? Die liebe, fromme, fette Heerde! Du dauerst mich, und ich möchte blutige Thränen weinen.

Habe Dank, Meister Jsegrimm; versetzte der Schäfer. I sehe, du hast ein sehr mitleidiges Herz.

Das hat er auch wirklich, fügte des Schäfers Hylar hinzu, so oft er unter dem Unglücke seines Nächsten selbst leidet.

9. Das Roß und der Stier.

Auf einem feurigen Rosse floh stolz ein dreister Knabe daher. Da rief ein wilder Stier dem Nosse zu: Schande! von einem Knaben ließ ich mich nicht regieren!

Aber ich, versette das Noß. Denn was für Ehre könnte es mir bringen, einen Knaben abzuwerfen?

10. Die Grille und die Nachtigall.

Ich versichere dich, sagte die Grille zu der Nachtigall, daß es meinem Gesange nicht an Bewundrern fehlt. — Nenne mir sie doch, sprach die Nachtigall. Die arbeitsamen Schnitter, verfette die Grille, hören mich mit vielem Vergnügen, und daß dieses die nützlichsten Leute in der menschlichen Republik sind, das wirst du doch nicht leugnen wollen?

Das will ich nicht läugnen, sagte die Nachtigall; aber deßwégen darfst du auf ihren Beifall nicht stolz seyn. Ehrlichen Leuten, die alle ihre Gedanken bei der Arbeit haben, müssen ja wohl die feinern Empfindungen fehlen. Bilde dir also ja nichts eher auf dein Lied ein, als bis ihm der sorglose Schäfer, der selbst auf seiner Flöte sehr lieblich spielt, mit stillem Entzücken lauscht.

11. Die Nachtigall und der Habicht. Ein Habicht schoß auf eine fingende Nachtigall. Da du so lieblich singst, sprach er, wie vortrefflich wirst du schmecken!

War es höhnische Bosheit, oder war es Einfalt, was der Habicht sagte? Ich weiß nicht. Aber gestern hört' ich sagen: dieses Frauenzimmer, das so unvergleichlich dichtet, muß es nicht ein allerliebstes Frauenzimmer seyn! Und das war gewiß Einfalt!

12. Der kriegerische Wolf.

Mein Vater, glorreichen Andenkens, sagte ein junger Wolf zu einem Fuchse, das war ein rechter Held! Wie fürchterlich hat er sich nicht in der ganzen Gegend gemacht! Er hat über mehr als zweihundert Feinde nach und nach triumphirt, und ihre schwarzen Seelen in das Reich des Verderbens gesandt. Was Wunder also, daß er endlich doch einem unterliegen mußte! So würde sich ein Leichenredner ausdrücken, sagte der Fuchs; der trockene Geschichtschreiber aber würde hinzusetzen: die zweihundert Feinde, über die er nach und nach triumphirt, waren

3

« PreviousContinue »