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waren es, wornach später die Künstler die ihrigen entwarfen. 9) "Bilder waren die Förderungsmittel der ersten religiösen Erziehung der Völker. Da den Menschen das natürliche Bedürfniß treibt, seine religiösen Empfindungen auf irgend eine Weise festzuhalten, und er dies in Begriffen nicht zu thun vermag, so thut er es vermittelst der Einbildungskraft und sinnlichen Anschauung, indem er an irgend eine Erscheinung, an irgend einen Gegenstand der Natur seine Empfindung anknüpft. Quelle und Stein, die Natur überhaupt wird ihm zum Denkmal und Zeichen Gottes, der ihm in hoher Erscheinung das Herz entzündet; selbst die Stelle wird heilig, wo das Heilige in sanfter Berührung an ihm vorübergieng.", 10) Sodann verlangt die Liebe Bildnisse der geliebten und verehrten Personen. Diese wurden durch die Kunst vers schönert, und es geschah, daß die bei Lebzeiten abgebildeten Menschen nach ihrem Lode für Götter gehalten wurden. 11) Es findet indessen zwischen Sinnbildern und eigentlichen Bildern ein wichtiger Unterschied Statt. Erstere wurden gewöhnlich bei ihrer Entstehung nur als Deutung und Denkzeichen des Göttlichen für heilig geachtet; lehtere aber nur zu oft gleich im Ursprung selbst zu Gegenständen der Verehrung erhoben. Doch geschah auch, daß die eigentlichen Bilder, ihrer wahren Bestimmung gemäß, nur zur Belehrung und Erbauung dienten, während Sinnbilder nach und nach die Verehrung erhielten, die nur den Gegenständen gebührt, welche sie andeuten, Die mosaische

9) Winkelmanns Versuch einer Allegorie. Dresden 1766. S. 8. Suspendit picta vultum mentemque tabella. Horat. II.

10) J. S. Drey kurze Einleitung in das Studium der Theologie. Tübingen 1819. S. 25 und 51.

11) Buch der Weisheit XIV. 12-20. Vergl. Lactant. Inst. divin. II. 2.

Religion, so wenig die Symbolik ihr fremd ist, stellte jedoch in Beziehung auf Bilder, als Gegenstände der Verehrung zuerst eine höchst merkwürdige Ausnahme auf. Dies muß beim ersten Anblick befremden. Denn Moses unternahm ein Volk zu bilden, in welchem durch langwierige harte Knechtschaft in dem bereits sehr gebildeten, dem Dienste der Sonne (Osiris) und des Mondes (Isis) ergebenen Egypten, der Sinn für Wahrheit abgestumpft war, und das an roher Sinnlichkeit vielleicht alle Nationen, gegen die es nun zu kämpfen hatte, übertraf. Davon legte dasselbe die auffallendsten Beweise während seiner wundervollen Wanderuug in der Wüste ab. Auch håtte der Bilderdienst (die Anbetung des goldenen Kalbs, der Baal- und Molochgößen und des Gestirnes Remphan (Saturn) seiner Neigung weit mehr zuges sagt, 12) als die reine Verehrung des Einen unsichtbaren Gottes, von dem ein Bildniß zu machen, um es anzubeten, ihm durch die schauervolle Kundmachung vom Berge Sinai streng verboten war. Allein, ganz von andern Gesetzgebern abweichend, die der Sinnlichkeit ihrer Völker befriedigend entgegen kamen, und ihr nur eine ihren höhern Absichten entsprechende Richtung zu geben suchten, legte der hebräische Gesetzgeber alles darauf an, sein Volk durch den Glauben an den Einen (keine Abbildung zuLassenden) Gott, Ihm ein neues Geschlecht zu erziehen, das, von Abgötterei fern, aus entehrender Knechtschaft sich erhebe, und durch eine große Anzahl beschwerlicher Vorschriften in Beziehung auf die Gebräuche des Lebens, seine Treue an jenem Einen Gott so auf die Probe zu sehen, daß sie gegen alle Läuschungen der Sinnlichkeit geborgen sey. Selbst alle Steine, mit hierogli

12) Frod. XXXII. 1. Amos V. 25. Apostelg. VII. 39-43. Vergl. Miltons verlornes Paradies. Ges. I.

phischen Figuren beschrieben, verbot Moses, weil ihr Geheimnißvolles zum Betrug des (egyptischen) Gößendienstes verleiten könnte. 13) Das am meisten in die Augen fallende Bild der Gottheit ist die Sonne, deren Anbetung auch in die frühesten Zeiten hinabreicht. 14) Moses verbot deswegen den Betenden ihr Angesicht gegen die Sonne zu wenden, und die Beter in der Stiftshütte kehrten der Morgensonne den Rücken. 15) Kein Bildniß war darin geduldet, ausser den in Anbetung versunkenen zwei Cherubinen auf der Bundeslade (Mos. II. B. XXXVII. 8.) und denen auf Vorhången und Tapeten im Allerheiligsten; ferner die eherne Schlange; sodann sah man in Salomo's Tempel nebst Cherubinen von gigantischer Größe die Verzierungen mit Blumenwerk, Löwenköpfen u. dgl. (I. Buch der Könige VI. 23.) und die zwölf Rinder von Bronze als Gestell des sogenannten ehernen Meeres (1. Buch der Könige VII. 23.) 16) Metallarbeiter und Steinschneider waren im Volk hochverehrt, und Moses selbst sagt von einem

13) Mos. B. III. K. 26. V. 1. Vergl. M. Mendelssohn Jerusalem S. 150.

14) Bei den Südamerikanern, wie bei den Persern. S. Robertson Hist. de l'Amerique T. 11. P. 385. sq. 15) S. Mos. B. II. K. XXVI. V. 18, 20, 22, und einen Aufsaß in J. G. Müllers philosophischen Aufsäßen. Breslau. 1789. S. 206. 16) Erst in der Folgezeit dehnten die Juden das mosaische Verbot von Gößenbildern auf jede Art von Figuren aus (Origines contra Celsum IV. C. 37.) Flavius Josephus (Jüd. Alterth. B. 18. Kap. 5, n. 3.) erzählt, daß die Juden den Vitellius gebeten, die rom. Feldzeichen nicht durch ihr Land gehen zu lassen, weil diese Figuren von Adlern enthielten. Maimonides hingegen erklärt die Bilder von wilden und andern Thieren, auch von Bäumen, Pflanzen u. dgl. nur nicht die von Menschen für zulässig. Reiske de Imagine Christi. p. 130.

solchen: Gott habe ihn mit Weisheit und Verstand erfüllt. (Mos. II. B. XXXI. 2, 3. XXXVI. 1, 2.) Ueberhaupt erreichten die Künste im Judenland eine hohe Stufe, und der Lempel zu Jerusalem, den kein anderer je an Majeståt, Umfang und Prachtverzierung übertraf, ist ein augenscheinlicher Beweis, daß auch in diesem Lande die Religion mit der Kunst im Bunde stand. Es war also weder Kunsthaß, noch Mangel an Kunstfinn, was die eigentlichen Bilder, sowohl gemalte als plastische, von dem Bereiche der Religion ausschloß. Nur der grelle Gegensatz zwischen der Vielgötterei und der Verehrung Eines Gottes war es, was alle auf Moses gefolgten Propheten, mit wie heiligem Eifer sie auch die stolzen und abergläubischen Mißdeutungen des mosaischen Geseßes bekämpften, fortwährend antrieb, den Bann gegen die Bilder inner dem Heiligthum Jehovah's ohne Nachsicht aufrecht zu halten. Die gewissenhafte Beobachtung des Verbots des Bilderdienstes, der bei andern Völkern so weit ausschweifte, daß man Menschen schlachtete, um sie den häßlichen Verkörperungen des Widersinnigsten, den angebeteten Thiergestalten (sogar einer scheußlichen Meerkaße) zu opfern, sonderte die Juden von allen Anhängern des Gößendienstes ab, machte sie aber über alle in ihrer Nachbarschaft siegreich. Jede Abweichung von diesem Verbote stürzte sie in Sittenverderbniß und in Sklaverei, 17) indem der Geist durch schnöden Sinnentrug knechtisch gefesselt wurde. Wenn indessen gleich Moses kein Bild zuließ, um den Einen ewigen Schöpfer und Herrn Himmels und der Erde zu bezeichnen; so bediente er sich doch nicht nur eines pomphaften

17) S. nebst hundert Stellen in den Propheten, besonders Isaias und Jeremias, Michaelis mosaisches Recht. Thl. I. §. 32, 33. Thl. V. §. 245

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und weitläufigen Zermoniels beim Gottesdienste, sondern auch großer, wundervoller Naturerscheinungen, um den Gemüthern durch den Sinneneindruck von der Macht und Herrlichkeit des höchsten Wesens hohe Ideen einzuprågen, und in seiner Sprache sind schon die Keime des Reichthums von erhabenen Bildern in den Büchern der spåtern jüdischen Propheten zu finden. 18) Wie herrlich sind die Worte des Jesaias 66, 1: "Der Allerhöchste wohnt nicht in Tempeln von Menschenhånden gemacht. Der Himmel ist mein Thron, die Erde mein Fußschemmel. Welches Haus wollet ihr mir bauen? spricht der Herr; oder welcher Ort könnte für mich ein beständiger Wohnsiz seyn? Hat nicht meine Hand dieses Alles hervorgebracht?" Doch immer mehr entfremdeten sich die Juden dem Geist ihrer Propheten. Blos den Buchstaben der Ueberlieferungen festhaltend, entfernte sich ihr Herz von Gott und wurde voll der Gößen, obgleich sie äusserlich uur Einen Gott anbeteten. Sie fuhren fort, die Aufstellung von Bildern als die höchste Verunreinigung des Tempels anzusehen. Aber sie beugten sich vor Gott nur, weil sie in ihm den dereinstigen Vollstrecker ihrer Wünsche und Träume von irdischer Größe zu erblicken wähnten.

18) Die Weisheit dieser Lehrmethode empfiehlt sich jedem Erzieher. ,,Das Erhabene, sagt Jean Paul (Levana S. 139) ist die Tempelstufe zur Religion, wie die Sterne zur Unermeßlichkeit. Wenn in die Natur das Große hineintritt, der Sturm, der Donner, der Sternenhimmel, der Tod; so sprecht das Wort Gott vor dem Kinde aus! Ein hohes Unglück, ein hohes Glück, eine große Uebelthat, eine Edelthat find Bauståtten einer andern Kinderkirche." Vergl. Herder über die Hebr. Poesie. — Die geschnittenen Steine der Hebräer beweisen übrigens, daß sie sich allmählig auch mit Ausübung schöner Kunst befreundeten. Eichhornii Comment. de Gemmis sculptis Hebr. in Comment. Göttingens. de an. 1813.

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