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Zweite Abtheilung.

Von unsern vorzüglichen Musterbildern für den

Kirchengebrauch.

Erster Abschnitt.

Von den einzelnen Haupterfodernissen christlicher Bilder und von ihren Verstößen gegen die Würde der christlichen Religion, die Zeitrechnung, die Ortsverhältnisse, das Costům und die Wahrheit.

Durch die Menge von berühmten malerischen Darstellungen aus der christlichen Religionsgeschichte wird die Auswahl des Schönsten, Besten und Zweckmässigsten nicht wenig erschwert. Oft befriedigt in einem Bilde manches Einzelne, nicht so das Ganze. Der Glanz einer kräftigen und harmonischen Fårbung 1)

1) Lanzi (franz. Ausgabe. III. 282.) macht die sehr richtige Bemerkung: daß die Kunst schöner und kräftiger Fårbung lange durch mündliche Ueberlieferung der Meister, auf die Schüler sich fort=

schöne Rundung der Formen, meisterhafte Verkürzungen, zauberisches Helldunkel, gefällige Gegensähe von Licht und Schatten u. d. gl. tragen zwar viel zur Vollendung eines Gemåldes bei, gehören aber doch mehr zu seinem Körper als seiner Seele. 2)

gepflanzt habe; seitdem aber diese Ueberlieferung aufgehört, laufe man jeßt beinahe schon zwei Jahrhunderte nach der Methode der guten Coloristen, ohne sie zu erreichen.

Die Bemerkungen, welche Leffing aus des Jesuiten Franz Lana (gest. 1684.) Prodromo zu dem Werke Magisterium Natura et Artis in seine Kollektaneen zur Literatur unter dem Artikel Colorit aufgenommen hat, verdienen Beachtung; vorzüglich dasjenige, was er von der verschiedenen Wirkung der Farben nach der Lage, in welche das Gemälde zum Lichte kommt, vorbringt. Franz Lana war selbst Maler. Aber Füßlis Lerikon gibt keine Nachrichten von ihm und seinen Werken. · Sehr geistvoll und lehrreich ist auch, was Göthe in seiner Farbenlehre in der sechsten Abtheilung des I. Thl. S. 758 fg. sagt, und im II. Thl. S. 350. fg., die Geschichte des Colorits seit Wiederherstellung der Kunst. Treffend wahr ist Göthe's Aeußerung. S. 336. „Es ist zulcht doch nur der Geist, der jede Technik lebendig macht." Das Beste, was bisher über die Aneignung einer guten Farbengebung gesagt worden, find vielleicht die Bemerkungen von Mengs, dessen eigene Bilder die Vollendung der Zeichnung und des Colorits in hohem Grade vereinigen, in seinem praktischen Unterricht von der Malerei. Man sehe auch, über das Erzielen eines guten Colorits, die Schrift: Jak. Rour Die Faben. Ein Versuch über Technik alter und neuer Malerei. Heidelb. 1824. 2) Wenn daher Cochin Vojage d'Italie II. 184. sagt: le vrai charme de la peinture est le colorit, l'harmonie et l'accord général du tableau ; so ist dies in Hinsicht des sinnlichen Eindrucks ganz richtig; aber wie könnte sich, zumal bei christlichen Bildern ihr Werth hierauf beschränken? Derselbe sagt (III. 157.): das schöne Colorit und das Verständniß des Helldunkels entstehe von der Angewöhnung,

Auch kann ein Bild von großer ästhetischer Schönheit seyn, und dennoch eignet es sich für die Aufstellung in Tempeln wenig oder gar nicht. Ein anderes verdient diese Ehre wegen der großen, edeln Idee und schönen, geistvollen Zusammensehung in hohem Grade, obgleich die Ausführung des Kunstwerks im Einzelnen gerechter Ladel trifft. In einem dritten zeichnen sich einzelne Figuren als Musterbilder für den Kirchengebrauch besonders aus, wenn schon das Ganze ihm nicht geziemt. Diesen Unterschied hat man in diesem Werke zu beobachten und zu bezeichnen gesucht. Uebrigens ist der Kreis der hier beschriebenen oder angerühmten Bilder auf das in irgend einer Bezichung anerkannte Vorzügliche beschränkt, dem die Anführung von Bildern des zweiten Ranges nur zur Folie dienen soll. Wo es möglich war, sind die besten Kupferstiche, die nach jedem Bild erschienen, angegeben. 3) Die

die Natur nur mit ihren Wirkungen von Farben, Rundung, direkten Lichtern und Wiederscheinen aufzunehmen. Durch lange Praktik der Farbenmischung könne so die Technik allmählig zum Ausdruck der Empfindung gelangen, welche der Anblick der Natur erregt. Weil aber der Maler hiebei zu bestimmte Umrisse vermeiden muß so kann er freilich leicht in eine Unbestimmtheit der Zeichnung verfallen. Bei manchen guten Coloristen ist dies wirklich der Fall, wogegen die dem Plastischen sich zuneigenden Maler bei der besten Zeichnung schlechte oder mittelmäßige Coloristen find. Für Kirchenbilder ist allerdings ein schönes harmonisches und dauerhaftes Colorit um so wichtiger, weil ihr Eindruck vor= züglich von ihm abhängt, und ohne ihn die trefflichste Composition und Zeichnung für die meisten Beschauer verloren geht. 3) Man laffe übrigens nie ausser Acht, daß das ganze, allseitige Verdienst der Gemälde nur aus der Ansicht diefer selbst, und, was Zeichnung und Charakterausdruck betrifft, aus Originalzeichnungen und Cartons der Meister selbst, gewöhnlich alles weit

Beschreibungen und Beurtheilungen sind theils unsern besten Kritifern entnommen, theils nach eigener Beobachtung entworfen; mehrentheils freilich nur mit den Hauptzügen, weil diese dem Zweck genügen. Selten ist ein Ladel ausgesprochen, ohne daß zugleich das Schöne lobend anerkannt wäre. Besonders wichtig schien es, das Unterscheidende in der Composition verschiedener Bilder des nåmlichen Gegenstandes bemerklich zu machen. Nicht von allen bedeutenden Scenen der evangelischen Geschichte sind Vorbilder nahmhaft gemacht, weil mir von mehrern keine bekannt sind. Noch bleibt den Künstlern ein großes Feld zur Nachlese. Nur mit Schüchternheit hab' ich manche, obgleich berühmte Gemälde, und doch wohl eher noch zu viele, als zu wenige, angeführt. Vielleicht wird man sich auch für die Trockenheit ihrer Aufzählung oft zu wenig durch Reize der Darstellung entschådigt finden. Aber die ausführlichsten Beschreibungen wären gleichfalls unzureichend und würden überdies leicht ermüden. Man wird endlich die zu große Sparsamkeit ausführlicher Kritiken tadeln. Allein auch die Schäßung der Kunstwerke, noch mehr als die der Bücher erfährt den Wechsel der Meinungen und des Geschmacks. Oft fließen an einem Kunstwerke Jahrhunderte hin, bis seine Vorzüge recht erkannt und gewürdigt, und seine Mängel und Fehler entdeckt werden. Daher die Einseitigkeit und die Verschiedenheit der Urtheile in verschiedenen Zeiten. Man hat in diesem Werke gestrebt, nur solche Urtheile aufzustellen, welche die Bestätigung der Nachwelt hoffen dürfen. 4)

minder aus Kupferstichen beurtheilt werden könne. Das Malen blos nach Kupferstichen gewöhnt zu einer ängstlichen, kleinlichen Manier.

4) Bei der Aufzählung der Kunstwerke ist man nicht streng der Zeit

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