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immer wieder brach dem Sohn das verlezte Selbstgefühl als Troz hervor.

So wuchs er auf von plumpen Spionen umgeben, welche dem König jedes Wort zutrugen. Ein Gemüth von den reichsten Anlagen, der feinsten geistigen Begehrlichkeit, ohne 5 jede männliche Gesellschaft, die für ihn gepaßt hätte. Kein Wunder, daß der Jüngling auf Abwege gerieth. Der preußische Hof konnte im Vergleich zu den andern Höfen Deutschlands für einen sehr tugendhaften gelten; aber seit einem Besuch an dem lüderlichen Hofe in Dresden begann 10 es Prinz Friedrich zu treiben, wie andere Prinzen seiner Zeit, er fand gute Kameraden unter den jungen Officieren seines Vaters. Wir wissen aus dieser Zeit wenig von ihm, aber wir dürfen schließen, daß er dabei allerdings in einige Gefahr kam, nicht zu verderben, aber in Schulden und unbedeutenden 15 Verhältnissen werthvolle Jahre zu verlieren. Es war sicher nicht der steigende Unwille des Vaters allein, der ihn in dieser Zeit verstimmte und rathlos umherwarf, sondern eben so sehr ein inneres Mißbehagen, das den unfertigen Jüngling um so wilder in die Irre treibt, je größer die stillen An- 20 sprüche sind, die sein Geist an das Leben macht.

Er beschloß nach England zu entfliehen. Wie die Flucht mißlang, wie der Zorn des Vaters gegen den fahnenflüchtigen Officier aufbrannte, ist bekannt. Mit den Tagen seiner Gefangenschaft in Küstrin und dem Aufenthalt in Ruppin 25 begannen seine ernsten Lehrjahre. Das Fürchterliche, das er erfahren, hatte auch neue Kraft in ihm wach gerufen. Er hatte alle Schrecken des Todes, die greulichsten Demüthigungen mit fürstlichem Stolze ertragen. Er hatte über die größten Näthsel des Lebens, über den Tod und was darauf 30 folgen soll, in der Einsamkeit seines Gefängnisses nachgedacht,

er hatte erkannt, daß ihm nichts als Ergebung, Geduld, ruhiges Ausharren übrig bleibe. Aber das bittere, herzfref= sende Unglück ist doch keine Schule, welche nur das Gute herausbildet; auch manche Fehler wachsen dabei groß. Er 5 lernte in stiller Seele seine Entschlüsse bewahren, mit Argwohn auf die Menschen sehn und sie als seine Werkzeuge gebrauchen, sie täuschen und mit einer kalten Klugheit liebkosen, von welcher sein Herz nichts wußte. Er mußte dem feigen, gemeinen Grumbkow schmeicheln, und froh sein, daß 19 er ihn allmählich für sich gewann; er mußte sich Jahre lang immer wieder Mühe geben, den Widerwillen und das Mißtrauen des harten Vaters klug zu bekämpfen. Immer sträubte sich seine Natur gegen solche Demüthigung, durch bittern Spott suchte er sein geschädigtes Selbstgefühl geltend 15 zu machen; sein Herz, das für alles Edle erglühte, bewahrte ihn davor, ein harter Egoist zu werden, aber milder, versöhnlicher wurde er nicht.

Doch er lernte in diesen Jahren auch etwas Nüßliches ehren: die strenge Wirthschaftlichkeit, mit welcher die be20 schränkte, aber tüchtige Kraft seines Vaters für das Wohl des Landes und seines Hauses sorgte. Wenn er, um dem König zu gefallen, Pachtanschläge machen mußte, wenn er sich Mühe gab, den Ertrag einer Domäne um einige hundert Thaler zu steigern, wenn er auch auf die Liebhabereien des 25 Königs mehr als billig einging und ihm den Vorschlag machte,

einen langen Schäfer aus Mecklenburg als Rekruten zu entführen, so war im Anfang allerdings diese Arbeit nur ein lästiges Mittel den König zu versöhnen; denn Grumbkow sollte ihm einen Mann schaffen, der die Tare statt seiner 30 machte, die Amtleute und Kammerbeamten selbst gaben ihm

an die Hand, wie hie und da ein Plus zu gewinnen war,

und über die Riesen spottete er immer noch, wo er das ungestraft konnte. Aber die neue Welt, in die er versezt war, die praktischen Interessen des Volkes und des Staates zogen ihn doch allmählich an. Es war leicht einzusehen, daß auch die Wirthschaftlichkeit seines Vaters oft tyrannisch und wunder-, 5 lich war. Der König hatte immer die Empfindung, daß er nichts als das Beste seines Landes wollte, und deßhalb nahm er sich die Freiheit mit der größten Willkür bis in das Einzelne in Besiß und Geschäft der Privatpersonen einzugreifen. Den klugen Sinn und die wohlwollende Absicht, to die hinter solchen Erlassen erkennbar war, lernte der Sohn doch ehren, und er selbst eignete sich allmählich eine Menge von Detailkenntnissen an, die sonst einem Fürstensohn nicht geläufig werden: Werthe der Güter, Preise der Lebensmittel, Bedürfnisse des Volkes, Gewohnheiten, Rechte und Pflichten 15 des kleinen Lebens. Es ging sogar auf ihn viel von dem Selbstgefühl über, womit der König sich dieser Geschäftskenntnisse rühmte. Und als er der allmächtige Hauswirth seines Staates geworden, da wurde der unermeßliche Segen offenbar, den seine Kenntniß des Volkes und des Verkehrs haben 20 follte. Nur dadurch wurde die weise Sparsamkeit möglich, mit welcher er sein eigenes Haus und die Finanzen verwaltete, seine unabläffige Sorge für das Detail, wodurch er Landbau, Handel, Wohlstand, Bildung seines Volkes erhob. Wie die Tagesrechnungen seiner Köche, so wußte er die 25 Anschläge zu prüfen, in denen die Einkünfte der Domänen, Forsten, der Accise berechnet waren. Daß er das Kleinste wie das Größte mit scharfem Auge übersah, das verdankte sein Volk zum größten Theil den Jahren, in denen er gezwungen als Assessor am grünen Tische zu Ruppin saß. Und zuweilen 30 begegnete ihm selbst, was zu seines Vaters Zeit ärgerlich ge

wesen war, daß seine Kenntniß der geschäftlichen Einzelheiten doch nicht groß genug war, und daß er hier und da, grade wie sein Vater, befahl, was gewaltsam in das Leben seiner Preußen einschnitt und nicht durchgeführt werden konnte.

Kaum hatte Friedrich die Schläge der großen Katastrophe ein wenig verwunden, da traf ihn ein neues Unglück, seinem Herzen eben so schrecklich wie das erste, in seinen Folgen noch verhängnißvoller für sein Leben. Der König zwang ihm eine Gemahlin auf. Herzerschütternd ist das Weh, in dem er 10 ringt, sich von der erwählten Braut loszumachen. „Sie soll frivol sein, so viel sie will, nur nicht einfältig, das ertrage ich nicht." Es war alles vergebens. Mit Bitterkeit und Zorn sah er auf diese Verbindung bis kurz vor der Vermählung. Nie hat er den Schmerz überwunden, daß der Vater dadurch 15 sein inneres Leben zerstört habe. Seine reizbare Empfindung, das liebebedürftige Herz, sie waren in rohester Weise verkauft. Nicht er allein wurde dadurch unglücklich, auch eine gute Frau, die des besten Schicksals werth gewesen wäre. Die Prinzessin Elisabeth von Bevern hatte viele edle Eigenschaften 20 des Herzens, sie war nicht einfältig, sie war nicht häßlich und vermochte selbst vor der herben Kritik der Fürstinnen des königlichen Hauses erträglich zu bestehen. Aber wir fürchten, wäre sie ein Engel gewesen, der Stolz des Sohnes, der im Kern seines Lebens durch die unnöthige Barbarei des 25 Zwanges empört war, hätte dennoch gegen sie protestirt. Und doch war das Verhältniß nicht zu jeder Zeit so kalt, wie man wohl annimmt. Sechs Jahre gelang es der Herzensgüte und dem Takt der Prinzessin, den Kronprinzen immer wieder zu versöhnen. In der Zurückgezogenheit von Rheinsberg war 30 sie in der That seine Hausfrau und eine liebenswürdige Wirthin seiner Gäste, und schon wurde von den österreichischen

Agenten an den Wiener Hof berichtet, daß ihr Einfluß im Steigen sei. Aber der bescheidenen Anhänglichkeit ihrer Seele fehlten zu sehr die Eigenschaften, welche einen geistreichen Mann auf die Dauer zu feffeln vermögen. Die aufgeweckten Kinder des Hauses Brandenburg hatten das Bedürfniß ihr 5 leichtbewegtes Innere launig, schnell und scharf nach außen zu kehren. Die Prinzessin wurde, wenn sie erregt war, still, wie gelähmt, die leichte Grazie der Gesellschaft fehlte ihr. Das paste nicht zusammen. Auch die Art, wie sie den Gemahl liebte, pflichtvoll, sich immer unterordnend, wie ge- 10 bannt und gedrückt von seinem großen Geiste, war dem Prinzen wenig interessant, der mit der französischen geistreichen Bildung auch nicht wenig von der Frivolität der französischen Gesellschaft angenommen hatte.

Als Friedrich König wurde, verlor die Fürstin schnell den 15 geringen Antheil, den sie sich am Herzen ihres Gemahls etwa erworben hatte. Die lange Abwesenheit im ersten schlesischen Kriege that das Lezte, den König von ihr zu entfernen. Im mer sparsamer wurden die Beziehungen der Gatten, es vergingen Jahre, ohne daß sie einander sahen, eine eisige 20 Kürze und Kälte ist in seinen Briefen erkennbar. Daß der König ihren Charakter so hoch achten mußte, erhielt sie in der äußeren Stellung.— Seine Verhältnisse mit Frauen waren seitdem wenig einflußreich auf sein inneres Empfinden; selbst seine Schwester von Baireuth, kränklich, nervös, verbittert 25 durch Eifersucht auf einen ungetreuen Gemahl, wurde dem Bruder auf Jahre fremd, und erst, als sie sich für das eigene Leben resignirt hatte, suchte dies stolze Kind des Hauses Brandenburg alternd und unglücklich wieder das Herz des Bruders, dessen kleine Hand sie einst vor den Füßen des 30 strengen Vaters gehalten hatte. Auch die Mutter, der König

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