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S. v. Keussler a. a. O.: „Uebrigens veräusserte der Bauer eigentlich das Land selbst nicht, vielmehr nur das ihm zustehende Nutzungsrecht an demselben."

Das heisst das ,,Gemeindeland" war ursprünglich noch überhaupt kein Gegenstand eines Eigen

tumsrechtes.

Jene solidarische Haftbarkeit der Bauern für den Gesamtbetrag der auf dem Grund und Boden lastenden Steuern und die daraus hervorgegangene Befugnis der Gemeinde, das Land so zu verteilen, wie es dem Interesse der Aufbringung der Steuern jeweilen am meisten entsprach, scheint es auch erst gewesen zu sein, welche in Russland zur „,Feldgemeinschaft" oder zum Flurzwange geführt hat.

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Denn früher, im 14.-15. Jahrhundert, konnte noch der russische Bauer nicht nur „auf demselben „Utschastok" sein ganzes Leben hindurch bleiben und denselben seinen Erben hinterlassen", sondern er war auch ,,in Betreff der Bestellung seines Landanteiles" noch vollständig frei und unbehindert“. ,,Er konnte nach eigenem Gutdünken diesen Teil des Landes beackern, jenen brach liegen lassen, mit Umzäunung zum Garten machen, Bauten auf demselben aufführen etc. Die Gemeinde mischte sich hierin gar nicht.“ ,,In Betreff der Bestellung seines Landes war er vollständig unabhängig.“ (v. Keussler, nach Bělajew, a. a. O. I, p. 22 und 67.)

Desgleichen ist auch die „glebae adscriptio" in Russland, gerade so wie im römischen Kaiserreich 1), erst eine Folge jener Haftbarkeit der Bauern resp. des über ihnen stehenden Grundherrn für den Gesamtbetrag der Steuern gewesen: Um dem Boden die Steuerkraft zu sichern, hielt man es für notwendig, demselben auch die Arbeitskraft durch rechtliche Mittel zu sichern.

1) Vrgl. Fustel de Coulanges,,,Le Colonat Romain", in,,Recherches sur quelques probl. d'histoire", p. 87 u. ff.; Weber, „Röm. Agrargesch." p. 206. U. s. w.

S. v. Keussler a. a. O. I p. 70: „Schon im 14. und 15. Jahrhundert konnte der russische Bauer nur dann „die Gemeinde verlassen, wenn er einen Stellvertreter schaffte oder die Gemeinde auf andere Art in Betreff der Steuerquote sicherstellte."

Engelmann a. a. O. p. 27: „In der 2. Hälfte der Regierung des Zaren Iwan des Schrecklichen dürfen die auf schwarzem Lande sitzenden Bauern ihr Verhältnis nur kündigen und ihre Gemeinde nur verlassen, wenn sie einen anderen stellen, der alle ihre Verpflichtungen übernimmt.“ „Durch solche Massregeln sucht die damalige Verwaltung die Steuerkraft der schwarzen Gemeinden zu erhalten." p. 28: „Was bei den schwarzen Bauern auf dem Wege ,,amtlicher Gepflogenheit" eingeführt wird, das Recht, dem Bauer die Kündigung zu versagen und ihn zum Bleiben zu zwingen, das wird dann auch Klöstern und Gutsbesitzern durch besondere Gnadenbriefe verliehen." „Die Dienstleute, die keine solchen Privilegien zu erlangen vermögen, suchen sich zu helfen durch Kontrakte, in denen vermittelst besonderer Klauseln dem Bauer die Kündigung erschwert oder unmöglich gemacht wird, oder endlich durch Gewalt." Ende des 16. Jahrhunderts wird dann, mittelst Ukas vom 21. Nov. 1597, jedem Gutsbesitzer die Befugnis eingeräumt, die auf seinem Lande angesiedelten Bauern „nicht fortzulassen, und falls sie weggezogen sind, sie zurückzufordern mit Weib und Kind, mit Hab und Gut.“ „Dieses Rückforderungsrecht kann jedoch immer nur im Laufe von 5 Jahren geltend gemacht werden und erlischt durch Ablauf dieser Verjährungsfrist." „Diese Klage steht dem Berechtigten zu nicht nur gegen den Bauer, der ihn wider diesen Ukas verlassen hat, sondern auch wider den Grundbesitzer, der einen fremden Bauer bei sich aufgenommen und angesiedelt hatte." (Engelmann a. a. O. p. 33.) Durch das Gesetzbuch von 1640 wird schliesslich auch noch diese Verjährungsfrist aufgehoben und damit ist in Russland die „glebae adscriptio“ eine vollendete Thatsache. Ganz so wie es Cod. Justin. XI, 48, 23 heisst: ,,semper terrae inhaerent, quam semel colendam patres eorum susceperunt.“

Sobald aber der Bauer einmal,,an die Scholle gebunden“ oder seiner Freizügigkeit beraubt ist, unterscheidet sich die Dorfgemeinde nur noch wenig von der „,familia rustica“.

Wie es Cod. Just. XI, 48, 21 heisst: „,quae etenim differentia inter servos et adscripticios intellegetur, cum uterque in domini sui positus est potestate?"

Treffend bemerkt Fustel de Coulanges (,,Le problème des origines etc." a. a. O. p. 414), gegen Laveleye polemisirend, bezüglich des russischen „Mir“: „Loin d'être la propriété collective, le mir est un servage collectif."

Das ist es, was von dem vermeintlichen „ursprünglichen Gemeineigentum an Grund und Boden" in Russland übrig

bleibt!

Fassen wir alles über das ,,ursprüngliche Gemeineigentum an Grund und Boden" Gesagte zusammen, so ist „die vierfache Wurzel" dieser ganzen Theorie folgende:

Erstens hat man als ,,res communis" behandelt, was noch eine „res nullius" war.

Zweitens hat man für Gemeineigentum gehalten, was nur eine nicht vollkommen durchgeführte Erbteilung (pro indiviso) oder ein Miteigentum (condominium) war.

Drittens hat man für ein Eigentumsrecht der Bauern an Grund und Boden gehalten, was nur ein mehr oder weniger precäres,,ius in re aliena" oder Nutzungsrecht derselben an einem im Eigentum eines oder mehrerer Grundherren befindlichen Land war.

Und viertens hat man für ein Eigentumsrecht der Gemeinde an Grund und Boden angesehen, was nur eine rein administrative Befugnis derselben war.

Berichtigungen.

p. 13, Zeile 3: Das Citat über die Maoris hat wegzufallen, da die Maoris nicht mehr auf der untersten wirtschaftlichen Stufe stehen.

p. 36, Zeile 15 muss es heissen: Tencterer statt Teucterer. p. 68, Anm. muss es heissen: Coulanges statt Conlanges. Zu p. 80 Anm. Das hier (,,obwohl etc.") Gesagte bezieht sich natürlich nur auf den sog. Randbezirk, dessen Hauptort Johannisburg ist.

p. 84, Anm. muss es heissen: we statt whe.

p. 112, Zeile 44 muss es heissen: in these countries statt in the countries.

p. 127, Zeile 12 von unten muss es heissen: jugera statt jugeros.

p. 143, Anm. I muss es heissen: consensu statt concensu. p. 157, Zeile 12 von unten muss es heissen: Tscherkessen. Siehe o. p. 103 statt V p. 103.

p. 166 muss es in der Anmerkung Zeile 5 von unten pascuorum statt pascuarum heissen.

Zusatz

zu der Anmerkung p. 120: Auch braucht das gerodete oder Ackerland keineswegs immer in der unmittelbaren Nähe der Wohnstätten zu liegen. Siehe z. B. Pallas, „Reise durch versch. Prov. etc." II p. 389: „In Sibirien ist die durchgängige Gewohnheit, den Acker 8, 10, ja 20 Werst vom Dorfe anzulegen, wovon die Bauern keine andere Ursache anzugeben wissen, als diese, dass man, nach der allgemeinen nachlässigen Gewohnheit, das Vieh auch ausser den Befriedigungen, die man auf einige Werste zur Hütung um die Dörfer zieht, ohne Aufsicht weiden lässt, welches also das Getreide beschädigen würde, wenn man dieses nicht durch eine genugsame Entfernung der Aecker verhütete." Und Du Chaillu, „Explor.“ p. 51 über die Mpongwes: Their plantations are never near their villages and often many miles away." Vrgl. auch die oben p. 56 citirte Stelle bei v. Middendorf über die Kirgisen.

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Inhalt des I. Teils.

Vorwort

I. Jäger und Fischer

II. Hirten.

III. Bauern und Grundherren.

I) Primitivster Ackerbau. Die Ger

manen des Caesar und Tacitus

2) Grundeigentum.

Seite

III-IV

I-22

23-42

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43-139

140-189

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