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Vorrede zur ersten Auflage.

Das vorliegende Werk ist aus Vorlesungen hervorgegangen, die ich in den Sommersemestern 1880, 1882 und 1884 an hiesiger Universität gehalten habe; für das Wintersemester 1886-87 hatte ich dasselbe Colleg angekündigt, wurde aber durch Gesundheitsrücksichten verhindert es zu lesen. Trotz dieser wiederholten Durcharbeitung des Stoffes habe ich geschwankt, ob ich schon jetzt an die Herausgabe des Buches gehen solle, bis meine Bedenken durch die Worte beschwichtigt worden sind, mit denen mein, der Wissenschaft allzufrüh entrissener Landsmann und Jugendfreund Eduard Fiedler einst das Erscheinen seiner Wissenschaftlichen Grammatik gerechtfertigt hat (Vorrede, S. IV). Gleich ihm weiss ich, wie viele wichtige Quellen mir noch zu durchforschen bleiben, und wie manche Lücke ich noch auszufüllen habe; aber gleich ihm halte auch ich es für ein Verdienst, in einer guten Sache vorzugehen und bin überzeugt, dass meine Arbeit ihren Zweck nicht verfehlt haben wird, 'wenn sie Andere in den Stand setzt, Vollkommneres und Besseres zu liefern.' Mein Buch zeigt, wenn auch nicht immer mit ausgesprochenen Worten, wie viel Stoff noch der philologischen Bearbeitung bedarf. Zunächst fehlt es noch allenthalben an Specialforschungen aus den Quellen, namentlich auf dem Felde der Alterthümer. Sodann kann jedes einzelne Kapitel meines Buches zu einem selbständigen Handbuche erweitert werden, und wenn das einmal geschehen ist, selbst

verständlich mit deutsch-philologischer Methode und wo möglich nach einem einheitlichen Plane, dann kann auf's neue ein allgemeiner Grundriss hergestellt werden, der sich ungleich besserer Grundlagen erfreuen wird, als der gegenwärtige. Einstweilen kann ich nur

sagen: his utere mecum.

Ich habe durchgehends das Neu- Englische in den Vordergrund gestellt, nicht nur aus dem persönlichen Grunde, weil es mein specielles Fach ist, sondern auch aus einem zweiten, sachlichen Grunde. Bezüglich des Angelsächsischen und Mittel-Englischen wird nämlich jetzt wol allseitig zugegeben werden, dass sie Gegenstand der philologischen Behandlung sein können und zu sein verdienen, beim NeuEnglischen dagegen werden in dieser Hinsicht noch immer Zweifel gehegt, und es kam mir darauf an darzuthun, dass auch die neuere und lebende Sprache, die neuere Literatur usw. ganz ebenso wie die ältere nicht nur systematisch-philologisch behandelt werden können, sondern behandelt werden müssen, und dass nur auf diese Weise ein fruchtbringender, wissenschaftlicher Betrieb derselben ermöglicht wird.

Was den bibliographischen Apparat anlangt, so weiss jeder, der einmal auf diesem Felde thätig gewesen ist, dass es unmöglich ist, hierin Vollständigkeit zu erreichen, und wenn es möglich wäre, so würde es namentlich für einen Grundriss nur hinderlich und nachtheilig sein. Es ist aber auch unmöglich, die aufgeführten Quellen und Hülfsmittel ohne Ausnahme aus eigener Anschauung zu kennen. Man müsste ein paar Jahre unausgesetzt auf dem Britischen Museum oder der Bodleiana arbeiten können, und selbst dann würden noch Lücken übrig bleiben. So weit meine Kräfte und Verhältnisse es gestattet haben, bin ich redlich bemüht gewesen, mich in der Bibliographie auf eigene Füsse zu stellen und aus eigener Kenntniss zu sprechen.

Im dritten Kapitel habe ich häufig meine Notes on Elizabethan Dramatists angezogen, was hoffentlich nicht gemissdeutet werden wird. Ich hielt es für unerlässlich Beispiele zu geben oder auf solche zu verweisen und musste zu dem Ende ein Buch wählen, das meinen

Lesern ohne Schwierigkeit zugänglich ist. Sidney Walker's Critical Examination konnte daher nicht in Betracht kommen, da dies vortreffliche Werk leider vergriffen ist; P. A. Daniel's scharfsinnige Conjectural Emendations sind zu wenig ausgeführt und Abbott lässt sich nicht auf Conjectural-Kritik ein. Genug, ich fand kein anderes zweckentsprechendes Buch als mein eigenes.

Die noch immer brennende und leider nicht zu umgehende Frage, welche Vorbildung unsere angehenden englischen (überhaupt modernen) Philologen erhalten sollen, mit andern Worten, wer zum akademischen Studium der englischen Philologie zugelassen werden solle und wer nicht, beantwortet sich aus meiner Auffassung und Darstellung der englischen Philologie ganz von selbst; nichtsdestoweniger habe ich nicht umhin gekonnt, es an ein paar Stellen mit ausdrücklichen Worten auszusprechen. Nach den Erfahrungen, die ich in einer langjährigen Thätigkeit als Lehrer an Gymnasium und Realschule, als Universitätsprofessor und als Mitglied einer wissenschaftlichen Prüfungscommission gesammelt habe, hat diese Berechtigungs-Frage für mich aufgehört discutirbar zu sein, und ich möchte im Interesse der Sache wünschen, dass es an massgebender Stelle eben so wäre.

Halle, 9. Juni 1887.

Vorwort zur zweiten Auflage.

Dem, was ich in der Vorrede zur ersten Auflage über die Stellung und Einrichtung dieses Grundrisses gesagt habe, habe ich jetzt nur noch Eine Bemerkung hinzuzufügen, die nämlich, dass ich nach Kräften bestrebt gewesen bin, denselben der ihm zu Theil gewordenen wohlwollenden Aufnahme würdiger zu machen.

Der ver

gleichende Leser wird fast auf jeder Seite Berichtigungen und Verbesserungen finden, die sich von einem Worte oder einer Jahreszahl bis zur Einschaltung ganzer Paragraphen (wie z. B. der Paragraphen 90, 91, 106, 198, 201, 281 und 385) erstrecken. Andererseits haben an einzelnen Stellen auch Streichungen Statt gefunden, so dass die Paragraphen-Zählung leider nicht unverändert beibehalten werden. konnte. Ich entlasse jetzt das Werk auf's neue mit dem Wunsche, dass es sich für den wissenschaftlichen Ausbau der englischen Philologie auch fernerhin förderlich erweisen möge.

Halle, 9. Juni 1888.

K. E.

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