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hat mir die Steine geschickt, ich habe sie gefaßt und bin auf dem Wege, sie selbst zu überbringen."

Gerührt sah ihn die Gräfin an; Thränen drangen aus ihren Augen." So bist Du Felir Perner aus Nürn5 berg?" rief sie.

„Ja wohl! Aber woher wißt Ihr so schnell meinen Namen ?" fragte der Jüngling und sah sie bestürzt an.

O wundervolle Fügung des Himmels!" sprach sie gerührt zu ihrem staunenden Gemahl. „Das ist ja Felix, 10 unser Pathchen, der Sohn unserer Kammerfrau Sabine! Felir! Ich bin es ja, zu der Du kommen wolltest; so hast Du Deine Pathin gerettet, ohne es zu wissen!“

,,Wie? Seid denn Ihr die Gräfin Sandau, die so viel an mir und meiner Mutter gethan? Und dies ist das 15 Schloß Maienburg, wohin ich wandern wollte? Wie danke ich dem gütigen Geschick, das mich so wunderbar mit Euch zusammentreffen ließ; so habe ich Euch doch durch die That, wenn auch in geringem Maß, meine große Dankbarkeit bezeugen können!"

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„Du hast mehr an mir gethan," erwiderte sie, als ich je an Dir hätte thun können; doch so lange ich lebe, will ich Dir zu zeigen suchen, wie unendlich viel wir Alle Dir schuldig sind. Mein Gatte soll Dein Vater, meine Kinder Deine Geschwister, ich selbst will Deine treue Mutter 25 sein, und dieser Schmuck, der Dich zu mir führte in der Stunde der höchsten Noth, soll meine beste Zierde werden, denn er wird mich immer an Dich und Deinen Edelmuth erinnern."

So sprach die Gräfin und hielt Wort. Sie unterstüßte 30 den glücklichen Felir auf seinen Wanderungen reichlich. Als er zurückkam, als ein geschickter Arbeiter in seiner Kunst,

kaufte sie ihm in Nürnberg ein Haus, richtete es vollständig ein, und ein nicht geringer Schmuck in seinem besten Zimmer waren schön gemalte Bilder, welche die Scene in der Waldschenke und Felir' Leben unter den Räubern vorstellten.

Dort lebte Felir als ein geschickter Goldarbeiter, der 5 Ruhm seiner Kunst verband sich mit der wunderbaren Sage von seinem Heldenmuth und verschaffte ihm Kunden im ganzen Reiche. Viele Fremde, wenn sie durch die schöne Stadt Nürnberg kamen, ließen sich in die Werkstatt des berühmten Meisters Felir führen, um ihn zu sehen, zu bewundern, wohl 10 auch ein schönes Geschmeide bei ihm zu bestellen. Die angenehmsten Besuche waren ihm aber der Jäger, der Zirkelschmied, der Student und der Fuhrmann. So oft der lettere von Würzburg nach Fürth fuhr, sprach er bei Felir ein; der Jäger brachte ihm beinahe alle Jahre Geschenke von der 15 Gräfin, der Zirkelschmied aber ließ sich, nachdem er in allen Ländern umhergewandert war, bei Meister Felir nieder. Eines Tages besuchte sie auch der Student. Er war indeffen ein bedeutender Mann im Staat geworden, schämte sich aber nicht, bei Meister Felir und dem Zirkelschmied ein 20 Abendessen zu verzehren. Sie erinnerten sich an alle Scenen der Waldschenke, und der ehemalige Student erzählte, er habe den Räuberhauptmann in Italien wieder gesehen; er hätte sich gänzlich gebessert, und diene als braver Soldat dem König von Neapel.

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Felir freute sich, als er dies hörte. Ohne diesen Mann wäre er zwar vielleicht nicht in jene gefährliche Lage gekommen, aber ohne ihn hätte er sich auch nicht aus Räuberhand befreien können. Und so geschah es, daß der wackere Meister Goldschmied nur friedliche und freundliche Erinnerungen hatte, wenn er zu 30 rückdachte an das Wirthshaus im Spessart.

NOTES.

Das Wirthshaus im Spessart.

PAGE I.

Der Spessart, a mountainous well-wooded district in Bavaria, between Aschaffenburg and Würzburg.

I. Vor vielen Jahren, many years ago.

2. Nicht so häufig als jeßt, more correctly wie jest. Wie (a relative related to wer; A. S. hu, E. how)=as, als=than (after a comparative), although als means orig. "all so"=just so, and is the E. as. So reich wie er; reicher als er. But this distinction between wie and als is not always strictly observed.

Befahren, frequented by carriages.

Ziehen as a neuter verb, "to move along"; here, "to travel".

4. Zirkelschmied, maker of compasses,

12. Darum refers to the following conjunction baß, "he did not trouble himself about this (namely) that the night was not distant”i.e. about the night not being distant.

15. Es ist mir als (with the subjunctive), I feel as if, I fancy that etc. 20. Lernen (of artisans), to serve one's apprenticeship.

PAGE 2.

1. Ihm saß das Herz am rechten Fleck, he had his heart in the right place, he had a brave heart. Ihm...das Herz-sein Herz; dative of the person instead of the possessive genitive or poss. pron., often called dative of interest. Sie schlugen ihm (dem Gefangenen) den Kopf ab, they cut off his (the prisoner's) head.

true.

2.

Mir ist sonderbar zu Muthe, I feel very strange.

3. Sollen, here, "to be said to". Es soll wahr sein, it is said to be

Ihr Wesen treiben, to be at work, to infest.

7. Da war ihm doch bange, he now became really alarmed. Mir ist, mir wird is used like an impersonal; we may supply zu Muthe, um's Herz.

8. Denn sie waren ja nur zu Zwei, a very common use of the particle ja; it introduces a well-known fact or evident reason which the person addressed might be expected to know or to remember. We may transl. "seeing that they were only two of them". Ja may often be rendered "you know", 66 'you see", "you remember".

14. Um etwas kommen, to lose something.

24.

Da muß man schon etc. Schon is here almost untranslatable, and yet it gives a certain colouring to the phrase; it expresses a preliminary condition; things must be carried to a certain point if such and such a thing is to happen. Perhaps we might render it by "first". "You must be first rich enough to drive in a coach and four if they are to attack you".

30. Lange kann es nicht mehr dauern, it cannot be long, sc. before we get to the inn.

31. Du hast gut reden, it is easy for you to talk, it is all very well to talk like that. Compare the French tu as beau parler.

PAGE 3.

5. Mit mir führe, carry, have with me.

7. Kämen jezt Vier, if four of them were now to come; the sub junctive of the pret. or pluperf. with the subject following after it is used instead of wenn, if, with the same subjunctive. This construction is, of course, known in English, e.g. were it true if it were true. But in German it is far more common.

8. Anlegen (a gun), to point at, to level.

9. Machet es Euch bequem, make yourselves comfortable, we mean to help you to carry it.

10. Was dergleichen (i. e. der gleichen Art) Redensarten sind, and other phrases of that description (lit. whatever phrases of the same kind there may be or may be in use on such occasions).

19. Ich lasse mich zerschneiden, I allow myself to be cut up. We might explain the passage, "I allow them to cut me up". But the active infin. is really used instead of the passive. See p. 56, 1. 31.

20. Jemandes Stelle vertreten, to act in the place of; lit. to step into the place of somebody.

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