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Doch der balsamische Trank, der altende, löste dem Alten Sanft den behaglichen Sinn und duftete süße Betäubung.

Mütterchen hatte mit Sorg' ihr freundliches Stübchen gezieret, Wo von der Schule Geschäft fie ruheten und mit Bewirthung Rechtliche Gäst' aufnahmen, den Prediger und den Verwalter; Hatte gefegt und geuhlt und mit feinerem Sande gestreuet, Reine Gardinen gehängt um Fenster und luftigen Alkov, 50 Mit rothblumigem Teppich gedeckt den eichenen Klapptisch, Und das bestäubte Gewächs am sonnigen Fenster gereinigt, Knospende Ros' und Levkoj und spanischen Pfeffer und Goldlack, Sammt dem grünenden Korb Maililien hinter dem Ofen. Ringsum blinkten gescheurt die zinnernen Teller und Schüffeln 55 Auf dem Gesims; auch hingen ein Paar stettinische Krüge, Blaugeblümt, an den Pflöcken, die Feuerkieke von Messing, Desem und Mangelholz und die zierliche Elle von Nußbaum. Aber das grüne Klavier, vom Greise gestimmt und besaitet, Stand mit bebildertem Deckel und schimmerte; unten befestigt 60 Hing ein Pedal; es lag auf dem Pult ein offnes Choralbuch. Auch den eichenen Schrank mit geflügelten Köpfen und Schnörkeln, Schraubenförmigen Füßen und Schlüsselschilden von Messing (Ihre felige Mutter, die Küsterin, kauft ihn zum Brautschaß) Hatte sie abgestäubt und mit glänzendem Wachse gebohnet. 65 Oben stand auf Stufen ein Hund und ein züngelnder Löwe, Beide von Gyps, Trinkgläser mit eingeschliffenen Bildern, Zween Theetöpfe von Zinn und irdene Tassen und Aepfel.

Als sie den Greis wahrnahm, wie er ruht' in athmendem
Schlummer,

Stand das Mütterchen auf vom binsenbeflochtenen Spinnstuhl, 70 Langsam, trippelte dann auf knirrendem Sande zur Wanduhr

Leis' und knüpfte die Schnur des Schlaggewichts an den Nagel, Daß ihm den Schlaf nicht störe das klingende Glas und der Kukuk. Jego sah sie hinaus, wie die stöbernden Flocken am Fenster Rieselten, und wie der Ost dort wirbelte, dort in den Eschen Rauscht und der hüpfenden Krähn Fußtritte verweht an der Scheuer.

Lange mit ernstem Gesicht, ihr Haupt und die Hände bewegend, Stand fie vertieft in Gedanken und flüsterte halb, was sie dachte:

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Lieber Gott, wie es stürmt und der Schnee in den Gründen

sich anhäuft!

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Armer, wer jezt auf Reisen hindurch muß, ferne der Einkehr! Auch wer, Weib zu erwärmen und Kind, auswandert nach Reisholz, 80 Hungrig oft und zerlumpt! Kein Mensch wohl jagte bei solchem Wetter den Hund aus der Thür, wer seines Viehs sich erbarmet! Dennoch kommt mein Söhnchen, das Fest mit dem Vater zu feiern! Was er wollte, das wollt' er, von Kind auf. Gar zu besonders Wühlt mir das Herz. Und seht, wie die Kaz' auf dem Tritte des Tisches

Schnurrt und das Pfötchen sich leckt, auch Bart und Nacken sich

puget!

Das bedeutet ja Fremde nach aller Vernünftigen Urtheil."

Sprach's, und trat an den Spiegel, die festliche Haube zu ordnen, Welche der Vater verschob, mit dem Kuß ausgleichend den Zwiespalt;

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Denn er leerte das Glas auf die Enkelin, sie auf den Enkel. 90 Nicht ganz schäme sich meiner die Frau im modischen Kopfzeug! Dachte sie leis' im Herzen und lächelte selber der Thorheit.

Neben dem schlummernden Greif', an der andern Ecke des Tisches,

Deckte sie jezt ein Tuch von feingemodeltem Drillich, 95 Stellete dann die Tassen mit zitternden Händen in Ordnung; Auch die blechene Dos', und darin großklumpigen Zucker, Trug sie hervor aus dem Schrank und scheuchte die sumsenden Fliegen,

Die ihr Mann mit der Klappe verschont zur Wintergesellschaft; Auch dem Gesims' enthob sie ein Paar Thonpfeifen mit Posen, 100 Grün und roth, und legte Toback auf den zinnernen Teller.

Als sie drinnen nunmehr den Empfang der Kinder bereitet, Gieng sie hinaus vorsichtig, damit nicht knarrte der Drücker. Aus der Gesindeftube darauf, vom rummelnden Spulrad,

Rief sie, die Thür halb öffnend, Marie, die geschäftige Hausmagd, 105 Welche gehaspeltes Garn von der Wind' abspulte zum Weben, Hastigen Schwungs, von dem Weber gemahnt und eigenem Ehrgeiz.

Heiser ertönte der Ruf; und gehemmt war plößlich der Umschwung:

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‚Flink, lebendige Kohlen, Marie, aus dem Ofen gescharret, Dicht an die Platte der Wand, die den Lehnstuhl wärmet im

Rücken :;

110 Daß ich frisch (denn er schmeckt viel kräftiger) brenne den Kaffee. Heize mit Kien dann wieder und Torf und büchenem Stammholz, Ohne Geräusch, daß nicht aus dem Schlaf aufwache der Vater. Sinkt das Feuer in Gluth, dann schiebe den knorrigen Kloß nach, Der in der Nacht fortglimmt, dem leidigen Froste zur Abwehr. 115 Siebzigjährige sind nicht Fröstlinge, wenn sie im Sommer Gern an der Sonn' ausruhn und am wärmenden Ofen im Winter.

Auch für die Kinderchen wohl braucht's gründliche Wärme zum Aufthaun."

Rasch der Ermahnenden folgte Marie und sprach im Heraus

gehn:

„Barsch durchkältet der Oft; wer im Sturm luftreiset, ist unklug;

Nur ein wähliges Paar, wie das unsrige, dammelt hindurch wohl. 120 Wärmenden Trank auch bracht' ich den Kälberchen heut und den

Milchküh'n,

Auch viel wärmende Streu in das Fach. Schönmädchen und

Blüming

Brummten am Trog und leckten die Hand und ließen sich kraueln.“

Sprach's, und sobald sie dem Ofen die funkelnden Kohlen ent

scharret,

Legte sie Feurung hinein und weckte die Gluth mit dein Blasbalg, 125 Hustend, und schimpfte den Rauch, und wischte die thränenden

Augen.

Emsig stand an dem Heerde das Mütterchen, brannte den
Kaffee

Ueber der Gluth in der Pfann' und rührte mit hölzernem Löffel:
Knatternd schwizten die Bohnen und bräunten sich, während ein
würzig

Duftender Qualm aufdampfte, die Küch' und die Diele durch

räuchernd.

Sie nun langte die Mühle herab vom Gesimse des Schornsteins,
Schüttete Bohnen darauf, und fest mit den Knieen sie zwängend,
Hielt sie den Rumpf in der Linken und drehete munter den
Knopf um;

Oft auch hüpfende Bohnen vom Schooß haushälterisch sammelnd,
Goß sie auf graues Papier den grobgemahlenen Kaffee.
Plöglich hemmte sie nun die rasselnde Mühl’' in dem Umlauf;
Und zu Marie, die den Ofen verspündete, sprach sie gebietend :

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"

Eile, Marie, und sperre den wachsamen Hund in das
Backhaus;

Daß, wenn der Schlitten sich naht, das Gebell nicht störe den

Vater.

140 Denkt auch Thoms an die Karpfen für unsern Sohn und den

Pastor,

Der uns zu Abend beehrt, ihr Lieblingsessen von Alters? Hol' er vor dunkeler Nacht, sonst geht ihm der kizliche Fischer Schwerlich zum Hälter hinab. AusVorsicht bring' ihm den Beutel! Wenn er auch trockenes Holz für die Bratgans, die wir gestopfet, 145 Splitterte! Bring' ihm das Beil und bedeut' ihn! Dann im Vorbeigehn

Steig' auf den Taubenschlag und sieh, ob der Schlitten nicht anfommt!"

Kaum gesagt, so enteilte Marie, die geschäftige Hausmagd, Nehmend von rußichter Mauer das Beil und den maschigen Beutel;

Lockte den treuen Monarch mit Geburtstagsbrocken zum Backhaus, 150 Fern an den Garten hinab, und schloß mit der Krampe den Kerker. Anfangs kraßte der Dogg' und winselte; aber sobald er

Wärme roch vom frischen Gebäck des festlichen Brodes,

Sprang er behend auf den Ofen und streckt' ausruhende Glieder. Jene lief in die Scheune, wo Thoms mit gewaltiger Arbeit 155 Häckerling schnitt, denn ihn fror, und sie sagt in der Eile den Auftrag:

„Splittere Holz für die Gans und hol' in dem Beutel die
Karpfen,

Thoms, vor dunkeler Nacht; sonst geht dir der kizliche Fischer
Schwerlich zum Hälter hinab, troß unserem Sohn und dem

Pastor!"

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