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Aber in freicren Schlangen durchkreuzt die geregelten Felder,

Jezt verschlungen vom Wald, jezt an den Bergen hinauf 45 Klimmend, ein schimmernder Streif, die länderverknüpfende Straße.

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Auf dem ebenen Strom gleiten die Flöße dahin.

Vielfach ertönt der Heerden Geläut im belebten Gefilde,

Und den Wiederhall weckt einsam des Hirten Gesang. Muntre Dörfer bekränzen den Strom, in Gebüschen verschwinden Andre, vom Rücken des Bergs stürzen sie gäh dort herab. Nachbarlich wohnet der Mensch noch mit dem Acker zusammen,

Seine Felder umruhn friedlich sein ländliches Dach; Traulich rankt sich die Reb' empor an dem niedrigen Fenster,

Einen umarmenden Zweig schlingt um die Hütte der Baum. 55 Glückliches Volk der Gefilde! noch nicht zur Freiheit erwachet, Theilst du mit deiner Flur fröhlich das enge Gefeß. Deine Wünsche beschränkt der Ernten ruhiger Kreislauf, Wie dein Tagewerk, gleich, windet dein Leben sich ab! Aber wer raubt mir auf einmal den lieblichen Anblick? Ein fremder Geist verbreitet sich schnell über die fremdere Flur. Spröde sondert sich ab, was kaum noch liebend sich_mischte, Und das Gleiche nur ist's, was an das Gleiche sich reiht. Stände seh' ich gebildet, der Pappeln stolze Geschlechter

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Ziehn in geordnetem Pomp vornehm und prächtig daher. 65 Regel wird alles, und alles wird Wahl und alles Bedeutung; Dieses Dienergefolg' meldet den Herrscher mir an.

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Prangend verkündigen ihn von fern die beleuchteten Kuppeln,
Aus dem felsigen Kern hebt sich die thürmende Stadt.
In die Wildniß hinaus sind des Waldes Faunen verstoßen,
Aber die Andacht leiht höheres Leben dem Stein.

Näher gerückt ist der Mensch an den Menschen. Enger wird um ihn,
Reger erwacht, es umwälzt rascher sich in ihm die Welt.

Sich, da entbrennen in feurigem Kampf die eifernden Kräfte,
Großes wirket ihr Streit, Größeres wirket ihr Bund.
Tausend Hände belebt ein Geist, hoch schläget in tausend

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Brüsten, von einem Gefühl glühend, ein einziges Herz, Schlägt für das Vaterland und glüht für der Ahnen Geseze; Hier auf dem theuren Grund ruht ihr verehrtes Gebein. Nieder steigen vom Himmel die seligen Götter und nehmen In dem geweihten Bezirk festliche Wohnungen ein; Herrliche Gaben bescheerend erscheinen sie: Ceres vor allen Bringet des Pfluges Geschenk, Hermes den Anker herbei, Bacchus die Traube, Minerva des Delbaums grünende Reiser, Auch das kriegrische Roß führet Poseidon heran, Mutter Cybele spannt an des Wagens Deichsel die Löwen, 85 In das gastliche Thor zieht sie als Bürgerin ein. Heilige Steine! Aus euch ergossen sich Pflanzer der Menschheit, Fernen Inseln des Meers sandtet ihr Sitten und Kunst. Weise sprachen das Recht an diesen geselligen Thoren, Helden stürzten zum Kampf für die Penaten heraus. Auf den Mauern erschienen, den Säugling im Arme, die Mütter, Blickten dem Heerzug nach, bis ihn die Ferne verschlang. Betend stürzten sie dann vor der Götter Altären sich nieder,

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Flehten um Ruhm und Sieg, flehten um Rückkehr für euch. Ehre ward euch und Sieg, doch der Ruhm nur kehrte zurücke ; 95 Eurer Thaten Verdienst meldet der rührende Stein:

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Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest

Uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl." Ruhet sanft, ihr Geliebten! Von eurem Blute begossen

Grünet der Delbaum, es keimt lustig die köstliche Saat. Munter entbrennt, des Eigenthums froh, das freie Gewerbe, Aus dem Schilfe des Stroms winket der bläuliche Gott.

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Zischend fliegt in den Baum die Art, es erseufzt die Dryade,

Hoch von des Berges Haupt stürzt sich die donnernde Last. 105 Aus dem Felsbruch wiegt sich der Stein, vom Hebel beflügelt;

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In der Gebirge Schlucht taucht sich der Bergmann hinab. Mulcibers Amboß tönt von dem Taft geschwungener Hämmer, Unter der nervigen Faust sprißen die Funken des Stahls. Glänzend umwindet der goldene Lein die tanzende Spindel, Durch die Saiten des Garns sauset das webende Schiff. Fern auf der Rhede ruft der Pilot, es warten die Flotten, Die in der Fremdlinge Land tragen den heimischen Fleiß; Andre ziehn frohlockend dort ein, mit den Gaben der Ferne,

Hoch von dem ragenden Mast wehet der festliche Kranz. 115 Siehe, da wimmeln die Märkte, der Krahn von fröhlichem Leben, Seltsamer Sprachen Gewirr braust in das wundernde Ohr. Auf den Stapel schüttet die Ernten der Erde der Kaufmann, Was dem glühenden Strahl Afrika's Boden gebiert, Was Arabien focht, was die äußerste Thule bereitet,

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Hoch mit erfreuendem Gut füllt Amalthea das Horn. Da gebieret das Glück dem Talente die göttlichen Kinder, Von der Freiheit gesäugt, wachsen die Künste der Lust. Mit nachahmendem Leben erfreuet der Bildner die Augen, Und vom Meisel beseelt redet der fühlende Stein. 125 Künstliche Himmel ruhn auf schlanken ionischen Säulen, Und den ganzen Olymp schließet ein Pantheon ein. Leicht, wie der Iris Sprung durch die Luft, wie der Pfeil von der Senne,

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Hüpfet der Brücke Joch über den brausenden Strom.
Aber im stillen Gemach entwirft bedeutende Zirkel

Sinnend der Weise, beschleicht forschend den schaffenden Geist,
Prüft der Stoffe Gewalt, der Magnete Hassen und Lieben,
Folgt durch die Lüfte dem Klang, folgt durch den Aether
dem Strahl,

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Sucht das vertraute Gesez in des Zufalls grausenden Wundern,
Sucht den ruhenden Pol in der Erscheinungen Flucht.
Körper und Stimme leiht die Schrift dem stummen Gedanken,
Durch der Jahrhunderte Strom trägt ihn das redende Blatt.
Da zerrinnt vor dem wundernden Blick der Nebel des Wahnes,
Und die Gebilde der Nacht weichen dem tagenden Licht.
Seine Fesseln zerbricht der Mensch. Der Beglückte! Zerriss' er
Mit den Fesseln der Furcht nur nicht den Zügel der Scham! 140
Freiheit! ruft die Vernunft, Freiheit! die wilde Begierde,

Von der heil'gen Natur ringen sie lüstern sich los.
Ach, da reißen im Sturm die Anker, die an dem Ufer
Warnend ihn hielten, ihn faßt mächtig der fluthende Strom ;
In's Unendliche reißt er ihn hin, die Küste. verschwindet,

Hoch auf der Fluthen Gebirg wiegt sich entmastet der Kahn;
Hinter Wolken erlöschen des Wagens beharrliche Sterne,
Bleibend ist nichts mehr, es irrt selbst in dem Busen der Gott.
Aus dem Gespräche verschwindet die Wahrheit, Glauben und
Treue

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Aus dem Leben, es lügt selbst auf der Lippe der Schwur. In der Herzen vertraulichsten Bund, in der Liebe Geheimniß Drängt sich der Sykophant, reißt von dem Freunde den Freund. Auf die Unschuld schielt der Verrath mit verschlingendem Blicke, Mit vergiftendem Biß tödtet des Lästerers Zahn. Feil ist in der geschändeten Brust der Gedanke, die Liebe Wirst des freien Gefühls göttlichen Adel hinweg. Deiner heiligen Zeichen, o Wahrheit, hat der Betrug sich Angemaßt, der Natur köstlichste Stimmen entweiht, Die das bedürftige Herz in der Freude Drang sich erfindet; Kaum giebt wahres Gefühl noch durch Verstummen sich kund. 160 Auf der Tribüne prahlet das Recht, in der Hütte die Eintracht, Des Gesezes Gespenst steht an der Könige Thron.

Jahre lang mag, Jahrhunderte lang die Mumie dauern,
Mag das trügende Bild lebender Fülle bestehn,

165 Bis die Natur erwacht, und mit schweren, ehernen Händen
An das hohle Gebäu rühret die Noth und die Zeit,
Einer Tigerin gleich, die das eiserne Gitter durchbrochen,

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und des numidischen Wald's plößlich und schrecklich gedenkt,
Aufsteht mit des Verbrechens Wuth und des Elends die Menschheit,
Und in der Asche der Stadt sucht die verlorne Natur.
O, so öffnet euch, Mauern, und gebt den Gefangenen ledig,

Zu der verlassenen Flur kehr' er gerettet zurück!
Aber wo bin ich? Es birgt sich der Pfad. Abschüssige Gründe
Hemmen mit gähnender Kluft hinter mir, vor mir den Schritt.
175 Hinter mir blieb der Gärten, der Hecken vertraute Begleitung,
Hinter mir jegliche Spur menschlicher Hände zurück.
Nur die Stoffe seh' ich gethürmt, aus welchen das Leben

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Keimet, der rohe Basalt hofft auf die bildende Hand. Brausend stürzt der Gießbach herab durch die Rinne des Felsen, Unter den Wurzeln des Baums bricht er entrüstet sich Bahn. Wild ist es hier und schauerlich öd'. Im einsamen Luftraum Hängt nur der Adler und knüpft an das Gewölke die Welt. Hoch herauf bis zu mir trägt keines Windes Gefieder

Den verlorenen Schall menschlicher Mühen und Lust.
185 Bin ich wirklich allein? In deinen Armen, an deinem
Herzen wieder, Natur? ach! und es war nur ein Traum,
Der mich schaudernd ergriff; mit des Lebens furchtbarem
Bilde,

Mit dem stürzenden Thal stürzte der finstre hinab.
Reiner nehm' ich mein Leben von deinem reinen Altare,

Nehme den fröhlichen Muth hoffender Jugend zurück.
Ewig wechselt der Wille den Zweck und die Regel, in ewig
Wiederholter Gestalt wälzen die Thaten sich um.

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