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Zischend fliegt in den Baum die Art, es erseufzt die Dryade,

Hoch von des Berges Haupt stürzt sich die donnernde Last. 105 Aus dem Felsbruch wiegt sich der Stein, vom Hebel beflügelt;

IIO

In der Gebirge Schlucht taucht sich der Bergmann hinab. Mulcibers Amboß tönt von dem Takt geschwungener Hämmer, Unter der nervigen Faust sprißen die Funken des Stahls. Glänzend umwindet der goldene Lein die tanzende Spindel, Durch die Saiten des Garns sauset das webende Schiff. Fern auf der Rhede ruft der Pilot, es warten die Flotten, Die in der Fremdlinge Land tragen den heimischen Fleiß; Andre ziehn frohlockend dort ein, mit den Gaben der Ferne,

Hoch von dem ragenden Mast wehet der festliche Kranz. 115 Siehe, da wimmeln die Märkte, der Krahn von fröhlichem Leben, Seltsamer Sprachen Gewirr braust in das wundernde Ohr. Auf den Stapel schüttet die Ernten der Erde der Kaufmann, Was dem glühenden Strahl Afrika's Boden gebiert, Was Arabien kocht, was die äußerste Thule bereitet,

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Hoch mit erfreuendem Gut füllt Amalthea das Horn. Da gebieret das Glück dem Talente die göttlichen Kinder, Von der Freiheit gesäugt, wachsen die Künste der Lust. Mit nachahmendem Leben erfreuet der Bildner die Augen, Und vom Meisel beseelt redet der fühlende Stein. 125 Künstliche Himmel ruhn auf schlanken ionischen Säulen, Und den ganzen Olymp schließet ein Pantheon ein. Leicht, wie der Iris Sprung durch die Luft, wie der Pfeil von der Senne,

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Hüpfet der Brücke Joch über den brausenden Strom.
Aber im stillen Gemach entwirft bedeutende Zirkel

Sinnend der Weise, beschleicht forschend den schaffenden Geist,
Prüft der Stoffe Gewalt, der Magnete Hassen und Lieben,
Folgt durch die Lüfte dem Klang, folgt durch den Aether
dem Strahl,

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Sucht das vertraute Gesez in des Zufalls grausenden Wundern,
Sucht den ruhenden Pol in der Erscheinungen Flucht.
Körper und Stimme leiht die Schrift dem stummen Gedanken,
Durch der Jahrhunderte Strom trägt ihn das redende Blatt.
Da zerrinnt vor dem wundernden Blick der Nebel des Wahnes,
Und die Gebilde der Nacht weichen dem tagenden Licht.
Seine Fesseln zerbricht der Mensch. Der Beglückte! Zerriff' er
Mit den Fesseln der Furcht nur nicht den Zügel der Scham! 140
Freiheit! ruft die Vernunft, Freiheit! die wilde Begierde,

Von der heil'gen Natur ringen sie lüstern sich los.
Ach, da reißen im Sturm die Anker, die an dem Ufer
Warnend ihn hielten, ihn faßt mächtig der fluthende Strom;
In's Unendliche reißt er ihn hin, die Küste verschwindet,

Hoch auf der Fluthen Gebirg wiegt sich entmastet der Kahn ;
Hinter Wolken erlöschen des Wagens beharrliche Sterne,
Bleibend ist nichts mehr, es irrt selbst in dem Busen der Gott.
Aus dem Gespräche verschwindet die Wahrheit, Glauben und
Treue

Aus dem Leben, es lügt selbst auf der Lippe der Schwur.
In der Herzen vertraulichsten Bund, in der Liebe Geheimniß
Drängt sich der Sykophant, reißt von dem Freunde den Freund.
Auf die Unschuld schielt der Verrath mit verschlingendem Blicke,
Mit vergiftendem Biß tödtet des Lästerers Zahn.

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Feil ist in der geschändeten Brust der Gedanke, die Liebe 155
Wirst des freien Gefühls göttlichen Adel hinweg.
Deiner heiligen Zeichen, o Wahrheit, hat der Betrug sich
Angemaßt, der Natur köstlichste Stimmen entweiht,
Die das bedürftige Herz in der Freude Drang sich erfindet;
Kaum giebt wahres Gefühl noch durch Verstummen sich kund. 160
Auf der Tribüne prahlet das Recht, in der Hütte die Eintracht,
Des Gesezes Gespenst steht an der Könige Thron.

Jahre lang mag, Jahrhunderte lang die Mumie dauern,
Mag das trügende Bild lebender Fülle bestehn,

165 Bis die Natur erwacht, und mit schweren, ehernen Händen
An das hohle Gebäu rühret die Noth und die Zeit,
Einer Tigerin gleich, die das eiserne Gitter durchbrochen,

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Und des numidischen Wald's plößlich und schrecklich gedenkt,
Aufsteht mit des Verbrechens Wuth und des Elends die Menschheit,
Und in der Asche der Stadt sucht die verlorne Natur.
O, so öffnet euch, Mauern, und gebt den Gefangenen ledig,

Zu der verlassenen Flur kehr' er gerettet zurück!
Aber wo bin ich? Es birgt sich der Pfad. Abschüssige Gründe
Hemmen mit gähnender Kluft hinter mir, vor mir den Schritt.
175 Hinter mir blieb der Gärten, der Hecken vertraute Begleitung,
Hinter mir jegliche Spur menschlicher Hände zurück.
Nur die Stoffe seh' ich gethürmt, aus welchen das Leben
Keimet, der rohe Basalt hofft auf die bildende Hand.
Brausend stürzt der Gießbach herab durch die Rinne des Felsen,
Unter den Wurzeln des Baums bricht er entrüstet sich Bahn.
Wild ist es hier und schauerlich öd'. Im einsamen Luftraum
Hängt nur der Adler und knüpft an das Gewölke die Welt.
Hoch herauf bis zu mir trägt keines Windes Gefieder

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Den verlorenen Schall menschlicher Mühen und Luft. 185 Bin ich wirklich allein? In deinen Armen, an deinem Herzen wieder, Natur? ach! und es war nur ein Traum, Der mich schaudernd ergriff; mit des Lebens furchtbarem Bilde,

Mit dem stürzenden Thal stürzte der finstre hinab. Reiner nehm' ich mein Leben von deinem reinen Altare, 190 Nehme den fröhlichen Muth hoffender Jugend zurück. Ewig wechselt der Wille den Zweck und die Regel, in ewig Wiederholter Gestalt wälzen die Thaten sich um.

Aber jugendlich immer, in immer veränderter Schöne
Ehrst du, fromme Natur, züchtig das alte Gesez.

Immer dieselbe, bewahrst du in treuen Händen dem Manne, 195
Was dir das gaukelnde Kind, was dir der Jüngling vertraut.
Nährst an gleicher Brust die vielfach wechselnden Alter;
Unter demselben Blau, über dem nämlichen Grün
Wandeln die nahen und wandeln vereint die fernen Geschlechter,
Und die Sonne Homers, siehe! sie lächelt auch uns.

Schiller (1795).

6. Archimedes und der Schüler.

Zu Archimedes kam ein wißbegieriger Jüngling;

„Weihe mich," sprach er zu ihm, „ein in die göttliche Kunst, Die so herrliche Frucht dem Vaterlande getragen

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Und die Mauern der Stadt vor der Sambuca beschüßt! ,,Göttlich nennst du die Kunst? Sie ist's," verseßte der Weise, 5 ‚Aber das war sie, mein Sohn, eh' sie dem Staat noch gedient. Willst du nur Früchte von ihr, die kann auch die Sterbliche zeugen; Wer um die Göttin freit, suche in ihr nicht das Weib." Schiller.

7. Pompeji und Herkulanum.

Welches Wunder begiebt sich? Wir flehten um trinkbare Quellen,
Erbe, dich an, und was sendet dein Schooß uns herauf!
Lebt es im Abgrund auch? Wohnt unter der Lava verborgen
Noch ein neues Geschlecht? Kehrt das entfloh'ne zurück ?
Griechen, Römer, o kommt! o seht, das alte Pompeji

Findet sich wieder, auf's Neu bauet sich Herkules' Stadt.
Giebel an Giebel steigt, der räumige Portikus öffnet
Seine Hallen, o eilt, ihn zu beleben, herbei!

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Aufgethan ist das weite Theater, es stürze durch seine

Sieben Mündungen sich fluthend die Menge herein! Mimen, wo bleibt ihr? Hervor! Das bereitete Opfer vollende Atreus' Sohn, dem Orest folge der grausende Chor! Wohin führet der Bogen des Siegs? Erkennt ihr das Forum? Was für Gestalten sind das auf dem curulischen Stuhl? 15 Traget, Lictoren, die Beile voran! Den Sessel besteige

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Richtend der Prätor, der Zeug' trete, der Kläger vor ihn! Neinliche Gassen breiten sich aus, mit erhöhetem Pflaster

Ziehet der schmälere Weg neben den Häusern sich hin. Schüßend springen die Dächer hervor, die zierlichen Zimmer Reih'n um den einsamen Hof heimlich und traulich sich her. Oeffnet die Läden geschwind und die lange verschütteten Thüren ! In die schaudrige Nacht falle der lustige Tag!

Siehe, wie rings um den Rand die netten Bänke sich dehnen,

Wie von buntem Gestein schimmernd das Estrich sich hebt! 25 Frisch noch erglänzt die Wand von heiter brennenden Farben. Wo ist der Künstler? Er warf eben den Pinsel hinweg. Schwellender Früchte voll und lieblich geordneter Blumen Fasset der muntre Feston reizende Bildungen ein. Mit beladenem Korb schlüpft hier ein Amor vorüber,

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Emsige Genien dort keltern den purpurnen Wein; Hoch auf springt die Bacchantin im Tanz, dort ruhet sie schlummernd,

Und der lauschende Faun hat sich nicht satt noch gesehn. Flüchtig tummelt sie hier den raschen Centauren, auf Einem

Knie nur schwebend, und treibt frisch mit dem Thyrsus ihn an. 35 Knaben, was säumt ihr? Herbei! da stehn noch die schönen Geschirre.

Frisch, ihr Mädchen, und schöpft in den etrurischen Krug!

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