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Steht nicht der Dreifuß hier auf schön geflügelten Sphinren?
Schüret das Feuer! Geschwind, Sclaven, bestellet den Herd!
Kauft, hier geb' ich euch Münzen, vom mächtigen Titus gepräget;
Auch noch die Waage liegt hier: sehet, es fehlt kein Gewicht. 40
Stecket das brennende Licht auf den zierlich gebildeten Leuchter,
Und mit glänzendem Del fülle die Lampe sich an!
Was verwahret dies Kästchen? O seht, was der Bräutigam sendet,
Mädchen! Spangen von Gold, glänzende Pasten zum Schmuck.
Führet die Braut in das duftende Bad! hier stehn noch die Salben, 45
Schminke find' ich noch hier in dem gehöhlten Krystall.
Aber wo bleiben die Männer? die Alten? Im ernsten Museum
Liegt noch ein köstlicher Schat seltener Rollen gehäuft.
Griffel findet ihr hier zum Schreiben, wächserne Tafeln;
Nichts ist verloren, getreu hat es die Erde bewahrt.
Auch die Penaten, sie stellen sich ein; es finden sich alle
Götter wieder; warum bleiben die Priester nur aus?
Den Caduceus schwingt der zierlich geschenkelte Hermes,
Und die Victoria fliegt leicht aus der haltenden Hand.
Die Altäre, sie stehen noch da, o kommet, o zündet-
Lang schon entbehrte der Gott-zündet die Opfer ihm an!
Schiller (1796).

8. Odysseus.

Alle Gewässer durchkreuzt, die Heimath zu finden, Odysseus; Durch der Scylla Gebell, durch der Charybde Gefahr, Durch die Schrecken des feindlichen Meers, durch die Schrecken des Landes,

Selber in Aïdes Reich führt ihn die irrende Fahrt. Endlich trägt das Geschickt ihn schlafend an Ithaka's Küste; 5 Er erwacht und erkennt jammernd das Vaterland nicht.

Schiller (1795).

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Steure, muthiger Segler! Es mag der Wiß dich verhöhnen,
Und der Schiffer am Steu'r senken die lässige Hand.
Immer, immer nach West! Dort muß die Küste sich zeigen,
Liegt sie doch deutlich und liegt schimmernd vor deinem Verstand.
Traue dem leitenden Gott und folge dem schweigenden Weltmeer!
War' sie noch nicht, sie stieg' jezt aus den Fluthen empor
Mit dem Genius steht die Natur im ewigen Bunde:

Was der eine verspricht, leistet die andre gewiß.
Schiller (1795).

10. Deutsche Treue.

Um den Scepter Germaniens stritt mit Ludwig dem Bayer Friedrich aus Habsburgs Stamm, Beide gerufen zum Thron; Aber den Austrier führt, den Jüngling, das neidische Kriegsglück In die Fesseln des Feinds, der ihn im Kampfe bezwingt. 5 Mit dem Throne kauft er sich los, sein Wort muß er geben.

Für den Sieger das Schwert gegen die Freunde zu ziehn; Aber was er in Banden gelobt, kann er frei nicht erfüllen, Siehe, da stellt er auf's Neu' willig den Banden sich dar. Tief gerührt umhalst ihn der Freund, sie wechseln von nun an, Wie der Freund mit dem Freund, traulich die Becher des Mahls, Arm in Arme schlummern auf einem Lager die Fürsten,

Da noch blutiger Haß grimmig die Völker zerfleischt. Gegen Friederichs Heer muß Ludwig ziehen. Zum Wächter

Bayerns läßt er den Feind, den er bestreitet, zurück. 15,, Wahrlich! So ift's! Es ist wirklich so! Man hat mir's geschrieben!"

Rief der Pontifer aus, als er die Kunde vernahm.

Schiller (1795).

II.
11. Deutscher Genius.

Ringe, Deutscher, nach römischer Kraft, nach griechischer Schönheit! Beides gelang dir-doch nie glückte der gallische Sprung.

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Jeht da jeglicher lies't, und viele Leser das Buch nur Ungeduldig durchblättern und, selbst die Feder ergreifend, Auf das Büchlein ein Buch mit feltner Fertigkeit pfropfen, Soll auch ich, du willst es, mein Freund, dir über das Schreiben Schreibend die Menge vermehren und meine Meinung verkünden, 5 Daß auch andere wieder darüber meinen, und immer So in's Unendliche fort die schwankende Woge sich wälze. Doch so fähret der Fischer dem hohen Meer zu, sobald ihm Günstig der Wind und der Morgen erscheint; er treibt sein

Gewerbe,

Wenn auch hundert Gesellen die blinkende Fläche durchkreuzen. 10

Edler Freund, du wünschest das Wohl des Menschengeschlechtes, Unserer Deutschen besonders und ganz vorzüglich des nächsten Bürgers, und fürchtest die Folgen gefährlicher Bücher; wir haben. Leider oft sie gesehen. Was sollte man, oder was könnten Biedere Männer vereint, was könnten die Herrscher bewirken ? 15 Ernst und wichtig erscheint mir die Frage, doch trifft sie mich eben In vergnüglicher Stimmung. Im warmen heiteren Wetter Glänzet fruchtbar die Gegend; mir bringen liebliche Lüfte Ueber die wallende Fluth süßduftende Kühlung herüber, Und dem Heitern erscheint die Welt auch heiter, und ferne 20 Schwebt die Sorge mir nur in leichten Wölkchen vorüber.

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Was mein leichter Griffel entwirft, ist leicht zu verlöschen, Und viel tiefer präget sich nicht der Eindruck der Lettern, Die, so sagt man, der Ewigkeit trogen. Freilich an viele 25 Spricht die gedruckte Columne; doch bald, wie jeder sein Antlig, Das er im Spiegel gesehen, vergißt, die behaglichen Züge, So vergißt er das Wort, wenn auch von Erze gestempelt.

Reden schwanken so leicht herüber hinüber, wenn viele Sprechen, und jeder nur sich im eigenen Worte, sogar auch 30 Nur sich selbst im Worte vernimmt, das der andere sagte. Mit den Büchern ist es nicht anders. Lies't doch nur jeder Aus dem Buch sich heraus; und ist er gewaltig, so lies't er In das Buch sich hinein, amalgamirt sich das Fremde. Ganz vergebens strebst du daher durch Schriften des Menschen 35 Schon entschiedenen Hang und seine Neigung zu wenden; Aber bestärken kannst du ihn wohl in seiner Gesinnung, Oder wär' er noch neu, in dieses ihn tauchen und jenes.

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Sag' ich, wie ich es denke, so scheint durchaus mir, es bildet Nur das Leben den Mann, und wenig bedeuten die Worte. Denn zwar hören wir gern, was unsre Meinung bestätigt, Aber das Hören bestimmt nicht die Meinung: was uns zuwider Wäre, glaubten wir wohl dem künstlichen Redner; doch eilet Unser befreites Gemüth, gewohnte Bahnen zu suchen.

Sollen wir freudig horchen und willig gehorchen, so mußt du 45 Schmeicheln. Sprichst du zum Volke, zu Fürsten und Königen, allen

Magst du Geschichten erzählen, worin als wirklich erscheinet,
Was sie wünschen, und was sie selber zu leben begehrten.

Wäre Homer von allen gehört, von allen gelesen,
Schmeichelt' er nicht dem Geiste sich ein, es sei auch der Hörer,

Wer er sei; und klinget nicht immer im hohen Palaste,
In des Königes Zelt, die Ilias herrlich dem Helden?
Hört nicht aber dagegen Ulyffens wandernde Klugheit
Auf dem Markte sich besser, da wo sich der Bürger versammelt ?
Dort sieht jeglicher Held in Helm und Harnisch, es sieht hier
Sich der Bettler sogar in seinen Lumpen veredelt.

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Also hört ich einmal, am wohlgepflasterten Ufer Jener Neptunischen Stadt, allwo man geflügelte Löwen Cöttlich verehrt, ein Mährchen erzählen. Im Kreise geschlossen, Drängte das horchende Volk sich um den zerlumpten Rhapsoden. Einst, so sprach er, verschlug mich der Sturm an's Ufer der Insel, 60 Die Utopien heißt. Ich weiß nicht, ob sie ein andrer Dieser Gesellschaft jemals betrat; sie lieget im Meere Links von Herkules Säulen. Ich ward gar freundlich empfangen; In ein Gasthaus führte man mich, woselbst ich das beste Effen und Trinken fand und weiches Lager und Pflege. So verstrich ein Monat geschwind. Ich hatte des Kummers Völlig vergessen und jeglicher Noth; da fieng sich im Stillen Aber die Sorge nun an: wie wird die Zeche dir leider Nach der Mahlzeit bekommen? Denn nichts enthielte der Seckel. Reiche mir weniger! bat ich den Wirth; er brachte nur immer 70 Desto mehr. Da wuchs mir die Angst, ich konnte nicht länger Essen und sorgen und sagte zuleht: Ich bitte, die Zeche Billig zu machen, Herr Wirth! Er aber mit finsterem Auge Sah von der Seite mich an, ergriff den Knittel und schwenkte Unbarmherzig ihn über mich her und traf mir die Schultern, Traf den Kopf und hätte beinah mich zu Tode geschlagen. Eilend lief ich davon und suchte den Richter; man holte Gleich den Wirth, der ruhig erschien und bedächtig verseßte :

Also müss' es allen ergehn, die das heilige Gastrecht

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