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80 Unserer Insel verlegen und, unanständig und gottlos,
Zeche verlangen vom Manne, der sie doch höflich bewirthet.
Sollt ich solche Beleidigung dulden im eigenen Hause?
Nein! es hätte fürwahr statt meines Herzens ein Schwamm nur
Mir im Busen gewohnt, wofern ich dergleichen gelitten.

85 Darauf sagte der Richter zu mir: Vergesset die Schläge,
Denn ihr habt die Strafe verdient, ja schärfere Schmerzen ;
Aber wollt ihr bleiben und mitbewohnen die Insel,
Müfset ihr euch erst würdig beweisen und tüchtig zum Bürger.
Ach! verseht' ich, mein Herr, ich habe leider mich niemals
9° Gerne zur Arbeit gefügt. So hab' ich auch keine Talente,
Die den Menschen bequemer ernähren; man hat mich im Spott

nur

Hans Ohnsorge genannt und mich vom Hause vertrieben.

so sei uns gegrüßt! verseßte der Richter, du sollst dich Oben sezen zu Tisch, wenn sich die Gemeine versammelt, 95 Sollst im Rathe den Plaz, den du verdienest, erhalten.

Aber hüte dich wohl, daß nicht ein schändlicher Rückfall Dich zur Arbeit verleite, daß man nicht etwa das Grabscheit Oder das Ruder bei dir im Hause finde: du wärest Gleich auf immer verloren und ohne Nahrung und Ehre. 100 Aber auf dem Markte zu sigen, die Arme geschlungen. Ueber dem schwellenden Bauch, zu hören lustige Lieder Unserer Sänger, zu sehn die Tänze der Mädchen, der Knaben Spiele, das werde dir Pflicht, die du gelobest und schwörest.

So erzählte der Mann, und heiter waren die Stirnen 105 Aller Hörer geworden, und alle wünschten des Tages

Solche Wirthe zu finden, ja solche Schläge zu dulden.
Goethe (1794).

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Würdiger Freund, du runzelst die Stirn; dir scheinen die Scherze
Nicht am rechten Orte zu sein; die Frage war ernsthaft,
Und besonnen verlangst du die Antwort; da weiß ich, beim
Himmel!

Nicht, wie eben sich mir der Schalk im Busen bewegte.
Doch ich fahre bedächtiger fort. Du sagst mir: so möchte
Meinetwegen die Menge sich halten im Leben und Lesen,
Wie sie könnte; doch denke dir nur die Töchter im Hause,
Die mir der kuppelnde Dichter mit allem Bösen bekannt macht.

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Dem ist leichter geholfen, versez' ich, als wohl ein andrer Denken möchte. Die Mädchen sind gut und machen sich gerne 10 Was zu schaffen. Da gieb nur dem einen die Schlüssel zum Keller, Daß es die Weine des Vaters besorge, sobald sie vom Winzer Oder vom Kaufmann geliefert die weiten Gewölbe bereichern. Manches zu schaffen hat ein Mädchen, die vielen Gefäße, Leere Fässer und Flaschen in reinlicher Ordnung zu halten; 15 Dann betrachtet sie oft des schäumenden Mostes Bewegung, Gießt das Fehlende zu, damit die wallenden Blasen Leicht die Oeffnung des Fasses erreichen, trinkbar und helle Endlich der edelste Saft sich künftigen Jahren vollende. Unermüdet ist sie alsdann zu füllen, zu schöpfen, Daß stets geistig der Trank und rein die Tafel belebe.

Laß der andern die Küche zum Reich; da giebt es wahrhaftig Arbeit genug, das tägliche Mahl, durch Sommer und Winter, Schmackhaft stets zu bereiten und ohne Beschwerde des Beutels. Denn im Frühjahr forget sie schon, im Hofe die Küchlein Bald zu erziehen und bald die schnatternden Enten zu füttern. Alles, was ihr die Jahrszeit giebt, das bringt sie bei Zeiten

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Dir auf den Tisch und weiß mit jeglichem Tage die Speisen Klug zu wechseln; und reift nur eben der Sommer die Früchte, 30 Denkt sie an Vorrath schon für den Winter. Im kühlen Gewölbe Gährt ihr der kräftige Kohl, und reifen im Effig die Gurken; Aber die luftige Kammer bewahrt ihr die Gaben Pomonens. Gerne nimmt sie das Lob vom Vater und allen Geschwistern, Und mißlingt ihr etwas, dann ist's ein größeres Unglück, 35 Als wenn dir ein Schuldner entläuft und den Wechsel zurückläßt. Immer ist so das Mädchen beschäftigt und reifet im Stillen Häuslicher Tugend entgegen, den klugen Mann zu beglücken. Wünscht sie dann endlich zu lesen, so wählt sie gewißlich ein Kochbuch,

Deren Hunderte schon die eifrigen Preffen uns gaben.

40 Eine Schwefter besørget den Garten, der schwerlich zur Wildniß,
Deine Wohnung romantisch und feucht zu umgeben, verdammt ist,
Sondern in zierliche Beete getheilt, als Vorhof der Küche,
Nügliche Kräuter ernährt und jugendbeglückende Früchte.
Patriarchalisch erzeuge so selbst dir ein kleines gedrängtes
45 Königreich und bevölk're dein Haus mit treuem Gesinde!
Hast du Töchter noch mehr, die lieber sizen und stille
Weibliche Arbeit verrichten, da ist's noch besser; die Nadel
Ruht im Jahre nicht leicht; denn noch so häuslich im Hause,
Mögen sie öffentlich gern als müßige Damen erscheinen.
50 Wie sich das Nähen und Flicken vermehrt, das Waschen und
Biegeln,

Hundertfältig, seitdem in weißer arkadischer Hülle

Sich das Mädchen gefällt, mit langen Röcken und Schleppen Gassen kehret und Gärten, und Staub erreget im Tanzsaal. Wahrlich! wären mir nur der Mädchen ein Dußend im Hause, 55 Niemals wär' ich verlegen um Arbeit, sie machen sich Arbeit

Selber genug, es sollte kein Buch im Laufe des Jahres
Neber die Schwelle mir kommen, vom Bücherverleiher gesendet.
Goethe (1794).

14. Alexis und Dora.

Ach! unaufhaltsam strebet das Schiff mit jedem Momente
Durch die schäumende Fluth weiter und weiter hinaus.
Langhin furcht sich die Gleise des Kiels, worin die Delphine
Springend folgen, als flöh' ihnen die Beute davon.
Alles deutet auf glückliche Fahrt: der ruhige Bootsmann
Ruckt am Segel gelind, das sich für alle bemüht;
Vorwärts dringt der Schiffenden Geist, wie Flaggen und Wimpel;
Einer nur steht rückwärts traurig gewendet am Mast,
Sieht die Berge schon blau, die scheidenden, sieht in das Meer sie
Niedersinken: es sinkt jegliche Freude vor ihm.
Auch dir ist es verschwunden, das Schiff, das deinen Aleris,

Dir, o Dora, den Freund, ach! dir den Bräutigam raubt.
Auch du blickest vergebens nach mir. Noch schlagen die Herzen
Für einander, doch, ach! nun aneinander nicht mehr.
Einziger Augenblick, in welchem ich lebte! du wiegest
Alle Tage, die sonst kalt mir verschwindenden, auf.
Ach! nur im Augenblick, im leßten, stieg mir ein Leben,
Unvermuthet in dir, wie von den Göttern, herab.
Nur umsonst verklärst du mit deinem Lichte den Aether;
Dein allleuchtender Tag, Phöbus, mir ist er verhaßt.
In mich selber kehr' ich zurück; da will ich im Stillen
Wiederholen die Zeit, als sie mir täglich erschien.
War es möglich, die Schönheit zu sehn und nicht zu empfinden?
Wirkte der himmlische Reiz nicht auf dein stumpfes Gemüth?

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25 Klage dich, Armer, nicht an! — So legt der Dichter ein Näthsel, Künstlich mit Worten verschränkt, oft der Versammlung in's

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Chr.

Jeden freuet die feltne, der zierlichen Bilder Verknüpfung,

Aber noch fehlet das Wort, das die Bedeutung verwahrt.

Ist es endlich entdeckt, dann heitert sich jedes Gemüth auf,
Und erblickt im Gedicht doppelt erfreulichen Sinn.
Ach, warum so spät, o Amor, nahmst du die Binde,

Die du um's Aug' mir geknüpft, nahmst sie zu spät mir
hinweg!

Lange schon harrte befrachtet das Schiff auf günstige Lüfte, Endlich strebte der Wind glücklich vom Ufer in's Meer. 35 Leere Zeiten der Jugend! und leere Träume der Zukunft!

Ihr verschwindet, es bleibt einzig die Stunde mir nur. Ja, sie bleibt, es bleibt mir das Glück! ich halte dich, Dora:

Und die Hoffnung zeigt, Dora, dein Bild mir allein. Defter sah ich zum Tempel dich gehn, geschmückt und gesittet, 40 Und das Mütterchen gieng feierlich neben dir her. Eilig warst du und frisch, zu Markte die Früchte zu tragen; Und vom Brunnen, wie kühn! wiegte dein Haupt das Gefäß.

Da erschien dein Hals, erschien dein Nacken vor allen,

Und vor allen erschien deiner Bewegungen Maß. 45 Oftmals hab' ich gesorgt, es möchte der Krug dir entstürzen ; Doch er hielt sich stät auf dem geringelten Tuch. Schöne Nachbarin, ja, so war ich gewohnt dich zu sehen, Wie man die Sterne sieht, wie man den Mond sich beschaut, Sich an ihnen erfreut, und innen im ruhigen Busen Nicht der entfernteste Wunsch, sie zu besigen, sich regt. Jahre, so giengt ihr dahin! Nur zwanzig Schritte getrennet Waren die Häuser, und nie hab' ich die Schwelle berührt.

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