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Und nun trennt uns die gräßliche Fluth! Du lügst nur den

Himmel,

Welle! dein herrliches Blau ist mir die Farbe der Nacht. Alles rührte sich schon; da kam ein Knabe gelaufen

An mein väterlich Haus, rief mich zum Strande hinab. Schon erhebt sich das Segel, es flattert im Winde, so sprach er; Und gelichtet, mit Kraft, trennt sich der Anker vom Sand. Komm, Alexis! o fomm! Da drückte der wackere Vater, Würdig, die segnende Hand mir auf das lockige Haupt: Sorglich reichte die Mutter ein nachbereitetes Bündel:

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Glücklich kehre zurück! riefen sie, glücklich und reich! Und so sprang ich hinweg, das Bündelchen unter dem Arme, An der Mauer hinab, fand an der Thüre dich stehn Deines Gartens. Du lächeltest mir und sagtest: Aleris! Sind die Lärmenden dort deine Gesellen der Fahrt? Fremde Küsten besuchest du nun, und köstliche Waaren Handelst du ein, und Schmuck reichen Matronen der Stadt. Aber bringe mir auch ein leichtes Kettchen! ich will es Dankbar zahlen; so oft hab' ich die Zierde gewünscht. Stehen war ich geblieben, und fragte, nach Weise des Kaufmanns, Erst nach Form und Gewicht deiner Bestellung genau. Gar bescheiden erwogst du den Preis; da blickt ich indessen Nach dem Halse, des Schmucks unserer Königin werth. Heftiger tönte vom Schiff das Geschrei; da sagtest du freundlich: 75 Nimm aus dem Garten noch einige Früchte mit dir! Nimm die reifsten Orangen, die weißen Feigen; das Meer bringt Keine Früchte, sie bringt jegliches Land nicht hervor. Und so trat ich herein. Du brachst nun die Früchte geschäftig, Und die goldene Last zog das geschürzte Gewand. Defters bat ich: es sei nun genug; und immer noch eine Schönere Frucht fiel dir, leise berührt, in die Hand.

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Enolich kamst du zur Laube hinan; da fand sich ein Körbchen,

Und die Myrte bog blühend sich über uns hin.

85 Schweigend begannest du nun geschickt die Früchte zu ordnen ;
Erst die Orange, die schwer ruht als ein goldener Ball,
Dann die weichliche Feige, die jeder Druck schon entstellet;
Und mit Myrte bedeckt ward und
Aber ich hob es nicht auf; ich stand.

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geziert das Geschenk. Wir sahen einander

In die Augen, und mir ward vor dem Auge so trüb Deinen Busen fühlt' ich an meinem! Den herrlichen Nacken,

Ihn umschlang nun mein Arm ; tausendmal küßt' ich den Hals. Mir sank über die Schulter dein Haupt; nun knüpften auch deine

Lieblichen Arme das Band um den Beglückten herum, 95 Amor's Hände fühlt' ich: er drückt' uns gewaltig zusammen,

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Und aus heiterer Luft donnert' es dreimal: da floß Häufig die Thräne vom Aug' mir herab, du weintest, ich weinte,

Und vor Jammer und Glück schien uns die Welt zu vergehn.
Immer heftiger rief es am Strand; da wollten die Füße
Mich nicht tragen, ich rief: Dora! und bist du nicht mein?
Ewig! sagtest du leise. Da schienen unsere Thränen,
Wie durch göttliche Luft, leise vom Auge gehaucht.
Näher rief es: Aleris! Da blickte der suchende Knabe

Durch die Thüre herein. Wie er das Körbchen empfing! 105 Wie er mich trieb! Wie ich dir die Hand noch drückte ! — Zu Schiffe

Wie ich gekommen? Ich weiß, daß ich ein Trunkener schien. Und so hielten mich auch die Gesellen, schonten den Kranken ;

Und schon deckte der Hauch trüber Entfernung die Stadt. Ewig! Dora, lispeltest du; mir schallt es im Ohre ΙΙΟ Mit dem Donner des Zeus. Stand sie doch neben dem Thron, Seine Tochter, die Göttin der Liebe; die Grazien standen Ihr zur Seiten! Er ist götterbekräftigt, der Bund.

Oso eile denn, Schiff, mit allen günstigen Winden!

Strebe, mächtiger Kiel! trenne die schäumende Fluth !

Bringe dem fremden Hafen mich zu, damit mir der Goldschmied 115
In der Werkstatt gleich ordne das himmlische Pfand.
Wahrlich! zur Kette soll das Kettchen werden, o Dora!

Neunmal umgebe sie dir, locker gewunden, den Hals.
Ferner schaff ich noch Schmuck, den mannichfaltigsten; goldne
Spangen sollen dir auch reichlich verzieren die Hand:
Da wetteifre Rubin und Smaragd, der liebliche Sapphir
Stelle dem Hyacinth sich gegenüber, und Gold
Halte das Edelgestein in schöner Verbindung zusammen.

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O, wie den Bräutigam freut einzig zu schmücken die Braut! Seh' ich Perlen, so denk' ich an dich; bei jeglichem Ringe 125 Kommt mir der länglichen Hand schönes Gebild' in den Sinn. Tauschen will ich und kaufen; du sollst das Schönste von allem Wählen; ich widmete gern alle die Ladung nur dir. Doch nicht Schmuck und Juwelen allein verschafft dein Geliebter: Was ein häusliches Weib freuet, das bringt er dir auch. 130 Feine wollene Decken mit Purpursäumen, ein Lager

Zu bereiten, das uns traulich und weichlich empfängt ; Köstlicher Leinwand Stücke. Du sizest und nähest und kleidest Mich und dich und auch wohl noch ein Drittes darein. Bilder der Hoffnung, täuschet mein Herz! O mäßiget, Götter, 135 Diesen gewaltigen Brand, der mir den Busen durchtobt! Aber auch sie verlang' ich zurück, die schmerzliche Freude, Wenn die Sorge sich kalt, gräßlich gelassen, mir naht. Nicht der Erinnyen Fackel, das Bellen der höllischen Hunde Schreckt den Verbrecher so, in der Verzweiflung Gefild, Als das gelaff'ne Gespenst mich schreckt, das die Schöne von fern mir

Zeiget: die Thüre steht wirklich des Gartens noch auf!

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Und ein anderer kommt! Für ihn auch fallen die Früchte!

Und die Feige gewährt stärkenden Honig auch ihm!

145 Lockt sie auch ihn nach der Laube? und folgt er? O, macht mich, ihr Götter,

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Blind, verwischet das Bild jeder Erinnrung in mir! Ja, ein Mädchen ist sie! und die sich geschwinde dem einen Giebt, sie kehret sich auch schnell zu dem andern herum. Lache nicht diesmal, Zeus, der frechgebrochenen Schwüre! Donnere schrecklicher! Triff!-Halte die Blize zurück! Sende die schwankenden Wolken mir nach! Im nächtlichen Dunkel Treffe dein leuchtender Bliß diesen unglücklichen Mast! Streue die Planken umher, und gieb der tobenden Welle Diese Waaren, und mich gieb den Delphinen zum Raub !— 155 Nun, ihr Musen, genug! Vergebens strebt ihr zu schildern, Wie sich Jammer und Glück wechseln in liebender Brust. Heilen könnet die Wunden ihr nicht, die Amor geschlagen; Aber Linderung kommt einzig, ihr Guten, von euch.

15. Rom.
Elegie.

Goethe (1796).

An Anne Luise Germaine, Baronin v. Staël-Holstein, geb. Necker.
Hast Du das Leben geschlürft an Parthenope's üppigem Busen,
Lerne den Tod nun auch über dem Grabe der Welt.
Zwar es umlächelt die Erde von Latium heiterer Himmel,
Rein am entwölkten Azur bildet sich Roms Horizont,
5 Wie es die Ebne beherrscht mit den siebengehügelten Zinnen
Bis zu dem Meer jenseits, dort vom Sabinergebirg.
Aber den Wanderer leitet ein Geist tiefsinniger Schwermuth
Mit oft weilendem Gang durch des Ruins Labyrinth.
Von uralter und ältester Zeit, unerwecklich entschlummert,
Heget der Ort Nachhall, bleibet der Stein Monument.

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Fast in der Dinge Beginn fand Zuflucht hier vom Olympus,
Hier im genügsamen Reich waltete golden Saturn.
Drüben erstreckte sich dann dein Siz, zweistirniger Janus;
Nach Jahrtausenden noch heißet der Hügel von dir.
Ferner, ein hirtlicher Held Arkadiens, wendet Evander

Sich ansiedelnd, hieher; Amphitryoniades

Ward, aus Iberien kommend, beherbergt unter dem Strohdach Pallanteums, und schlug, rächend, im Felsengeklüft

Cacus, der Nachbarn Schrecken, den flammaushauchenden Räuber:

Also cyklopisch verwirrt starrte noch Wildniß umher. Endlich erschwollen die Segel aus Phrygien : mild sie empfangend Ebnete landeinwärts Tibris den Wellenerguß,

Denn wohl wußt' er bestimmt den Entführer der troischen Laren,

Fruchtbar an Weltherrschaft Ilions Asche zu sä’n.

Aber Lavinium wurde nur erst, dann Alba gepflanzet,

Keiner der Sterblichen noch hatte von Roma gehört. Langsam reifte zum Licht die Geburt; es versuchte das Schicksal Vieles darum: nie gab's eine gewaltigere. Mavors muß erst liebend erglühn zur vestalischen Jungfrau, Erst sich der Wölfin Gier mildern in Mütterlichkeit, Ehe die weihende Furche der Pflugschaar konnte den Umkreis Jener romulischen Stadt ziehn um den Berg Palatin. Doch wie der Halbgott gleich in der Wieg' einst Schlangen erwürgte,

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Wies, unmündig und klein, schon sie den hohen Beruf. Die zwölf Adler des Zeus, so Romulus sah zu der Rechten, 35 Ueber den Erdball einst sollten sie breiten den Flug.

Nicht durch rohe Gewalt: Rom wußte den Tod zu verachten, Aber das Leben zugleich ehrt es mit Sitt und Gesez.

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