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Die sonst Jupiters Winke gesandt von dem wallenden Helmbusch,

Sigt stilltrauernd und lehnt über zerbrochnen Trophä’n.
Nach viel grausenden Nächten, als Alles verheert und geraubt war, 185
Alles entvölkert, zuleßt kam die verlassene Ruh.

Leise beseufzend umhaucht sie die halb noch verödeten Hügel,
Welche, wie Gräbern geziemt, Tellus mit Rasen gedeckt.
Friedlicher mögen sie nun hinsinken, die leßten Ruinen,
Längst zu verschwistertem Schutt neiget sich Säul' und Gebälk. 190
Sieh, hier lenkte herauf sich die heilige Straße: wie oftmals
Her vom capenischen Thor trug sie den Pomp des Triumphs,
Feldherr, Krieger und Volk, und gefesselter Könige Fußtritt,
Oft vor dem Festruf scheu schneeiger Roffe Gespann,

Bis die geweiheten Ehren des Siegs, der Gelübde Bewährung 195
Unter dem Golddach barg Jupiter Capitolin!

Jeht ein versäumter und einsamer Pfad, wo träge das Saumthier,
Ländliche Waare zur Stadt schaffend, den Treiber ernährt.
Sieh das Palatium drüben, das alle Palläste benannt hat,
Wo, weil Einer nur galt, wachsend des Einzigen Haus
Romulus' Rom einnahm, und die alten Penaten hinaustrieb,
und dem bethörten Gelüst Nero's zu enge doch schien.
Kann's dein Auge noch blenden, ein epheuumranktes Gemäuer,
Mit Weinreben umkränzt, Stauden und Gartengewächs?
über dem Badegemach nun spielen der Winzerin Kinder,
Und das Gewölbe bewahrt häusliches Ackergeräth.
„Weidet,“ so rief aus begeisterter Brust die Sibylle von Cumă,
Als glorreichen Beruf sie dem Dardanier sang:

Weil es vergönnt ist, weidet, ihr Stiere, das Gras von den
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Höh'n! denn bald soll hier stehen die herrlichste Stadt!" 210 Nun ist's wieder vergönnt: Jahrhunderte brachten im Kreislauf Stets umwandelnd, den Stand frühester Zeiten zurück

Dorthin lagert die Mittagsruh' in dem niedern Velabrum

Heerden, im Forum sogar tönet das Rindergebrüll.

215 Schau' an dem grafigen Hügel die weidenden! wie sie des Cacus
Höhle sich sorglos nahn unter dem Hang Aventins!
Am hochstämmigen Bau und den speergleichragenden Hörnern
Scheinet der Landschaft Vieh noch gervonische Zucht
Und es beschämet der Menschen Geblüt. Sind dies die Quiriten ?
Jeglicher Kriegsarbeit fremd und dem übenden Roß,
Wie sein selber zu spotten, hinunter gezogen in's Marsfeld,

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Drängt sich in engem Verkehr bleiches und ärmliches Volk, Was auch möge geschehn, ein geduldig erwartender Haufe; Bettler der Vorzeit stets, Bettler des Tages zugleich. 225 Tränkte Agrippa sie nicht mit dem Thau jungfräulicher Quelle, Auf Schwibbogen heran luftige Wege geführt,

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Möchten sie wohl hinschmachten im Durst des versengenden
Hundsterns,

Oder sie schöpften ihr Naß lau in umsumpfendem Schilf.
Sind Bruchstücke der alten die Zier der erneuerten Tempel,
Sehn Graburnen, erstaunt, sich wie Altäre verehrt;

Borgtet ihr porphyrne Säulen genug und von punischem Mar

mor;

Borgt von den Ahnherrn auch hohe Gesinnung einmal! Aber umsonst. So sah ich verdorrt apenninische Eichen,

Welchen sich Epheu rings, Bacchus' geselliges Laub, 235 Schlang um die Aeste zu lockigem Schmuck; wohl lügt es die Krone,

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Doch nie dringet die Kraft mehr von der Wurzel in's Haupt.
So auch spielt die Natur hier gern in gefälligen Gaben,
Während zu männlicher That Ernst dem Gemüthe gebricht.
Einzig die Bildnerin Kunst wetteiferte noch mit der Vorwelt,
Als, in dem Schooße der Nacht langem Vergessen geweiht,

Jene hellenische Huldin erstand; an erhabnen Gebilden
Wies sich ergiebig der Geist, nicht ja der Boden allein.
Raphael dichtete liebend, prophetisch ersann Bonarotti,
Wägte des Pantheons Dom stolz in den. Aether hinauf.
Aber sie auch schwand hin, die erheiternde Blüthe.
„Gewesen" 245
Ist Rom's Wahlspruch; nennt, welches Bestreben ihr wollt,
Gähnend entschleichet die Zeit, als hätte sie nichts zu erwarten,
Stets dreht Ocnus am Seil, stets von dem Esel zernagt.
Janus erscheint hier selber, der Gott der Beginne, verstümmelt:
Sein vorschauend Gesicht löschte der Jugendlichkeit
Hoffnungen aus, formlos, unkenntlicher Züge; die andre
Rückwärts schauende Stirn furchet unendlicher Gram.
Welches Gefieder noch brächt' Augurien? welche Sibylle
Deutete Zukunft wohl solchem versunkenen Sein?
Altert die Welt? und indeß wir Spätlinge träumen, entlöst sich 255
Ihr hinfälliger Bau schon in lethäisches Graus?

Mit gleichmüthigem Sinne der Dinge Beschluß zu erwarten,
Kein unwürdiger Ort wäre die ewige Stadt.

Also sang ich am Fuße von Cestius Denkpyramide,

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Weil allmählich ihr Schatt' unter den Gräbern verschwomm. 260 Dämmrung entfaltete rings den gefildeinhüllenden Mantel, Um den Betrachtenden schwieg tiefere Feierlichkeit: Fernher flüsterten nur wehmüthige dunkle Cypressen,

Und mitfühlend, so schien's wankte der Pinie Haupt. Stumm war alles Gewühl und Getös' unruhiges Treibens, 265 Leisesten Pulsschlag kaum spürte die ganze Natur, Und fast schauerte mir, ob nicht den Lebendigen fremd ich Ohn' eindrückende Spur wandelt im Schattengebiet. Schwermuthsvoller Moment, wann sinkend des Tages Monarchin

270 Sammt dem beseelenden Licht Formen und Farben entrückt, Alles, gedämpft und erblaßt, mahnt unser entschwindendes Dasein,

Und kein Hoffen erhebt über den irdischen Staub.

Noch nicht funkeln die Sterne, und gleichsam zwischen das Leben Dränget ein Stillstand sich und die Unsterblichkeit ein. 275 Doch, wie die heilige Nacht mit verheißenden Augen herabschaut, Ahnet der strebende Geist freudige Wiedergeburt. Tröstend begegnete so Dein Blick mir, edle Gefährtin, Jener entzückende Strahl göttlichen Doppelgestirns. Wahrheit wohnet in ihm, und die liebende hohe Begeistrung, Welche, zur Wonne dem Schmerz, selber in Thränen erglänzt. Wem du botest der Freundschaft Hand, kann nimmer verzweifeln,

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Wann ungläubiger Hohn macht zum Fantom das Gefühl. Zartheit hegend in tiefem Gemüth, beim Guten das Schöne, Kennst Du der Huld Anhauch gleich wie der Größe Gewalt. 285 Mit vielfarbigem Zauber umgiebst Du den Dichter: es hemmt nicht,

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Was Nationen entfernt, Deinen geflügelten Geist.

Laß denn lauschen mich Dir, Mittheilerin großer Gedanken,
Wann das beredte Gespräch siegenden Lippen entströmt!
Viel von erhabenen Männern der Vorwelt wollen wir reden,

Von Mitlebenden auch oder den Opfern der Zeit.
Und wann unter den Weisen, die rein für das Ganze gestrebet,
Wir aufsuchen ein Bild mildester Väterlichkeit,

Streng' in der eigenen Brust, langmüthig dem Wahn und dem
Undank,

Gleichwie ein Schußgeist schwebt über dem Menschengeschlecht: 295 Dann sei dessen Gedächtniß geheiliget, welchen zu kennen Nicht mir gegönnt war, ach! welchen Du ewig beweinst.

A. W. von Schlegel.

16. Die Eichbäume.

Aus den Gärten komm' ich zu euch, ihr Söhne des Berges! Aus den Gärten: da lebt die Natur geduldig und häuslich, Pflegend und wieder gepflegt, mit dem fleißigen Menschen zusammen.

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ΙΟ

Aber ihr, ihr Herrlichen, steht, wie ein Volk von Titanen,
In der zahmeren Welt und gehört nur euch und dem Himmel,
Der euch nährt' und erzog, und der Erde, die euch geboren.
Keiner von euch ist noch in der Menschen Schule gegangen,
Und ihr drängt euch, fröhlich und frei, aus kräftiger Wurzel
Unter einander herauf und ergreift, wie der Adler die Beute,
Mit gewaltigem Arme den Raum, und gegen die Wolken
Ist euch heiter und groß die sonnige Krone gerichtet.
Eine Welt ist jeder von euch; wie die Sterne des Himmels
Lebt ihr, jeder ein Gott, im freien Bunde zusammen.
Könnt' ich die Knechtschaft nur erdulden, ich neidete nimmer
Diesen Wald und schmiegte mich gern an's gesellige Leben; 15
Fesselte nur nicht mehr an's gesellige Leben das Herz mich,
Das von Liebe nicht läßt, wie gern würd' ich unter euch wohnen!
Hölderlin.

17. An den Aether.

Treu und freundlich, wie du, erzog der Götter und Menschen Keiner, o Vater Aether! mich auf. Noch ehe die Mutter In die Arme mich nahm und ihre Liebe mich nährte, Faßtest du zärtlich mich an und gossest himmlischen Trank mir, Mir den heiligen Odem zuerst in den keimenden Busen. Nicht von irdischer Kost gedeihen einzig die Wesen, Aber du nährest sie all' mit deinem Nektar, o Vater!

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