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Und es drängt sich und rinnt aus deiner ewigen Fülle

Die beseelende Luft durch alle Röhren des Lebens.

10 Darum lieben die Wesen dich auch und ringen und streben Unaufhörlich hinauf nach dir in freudigem Wachsthum. Himmlischer! sucht nicht dich mit ihren Augen die Pflanze, Streckt nach dir die schüchternen Arme der niedrige Strauch nicht? Daß er dich finde, zerbricht der gefangene Saame die Hülse; 15 Daß er belebt von dir in deiner Welle sich bade,

Schüttelt der Wald den Schnee wie ein überlästig Gewand ab. Auch die Fische kommen herauf und hüpfen verlangend Ueber die glänzende. Fläche des Stroms, als begehrten auch diese Aus der Woge zu dir; auch den edeln Thieren der Erde 20 Wird zum Fluge der Schritt, wenn oft das gewaltige Sehnen, Die geheime Liebe zu dir sie ergreift, sie hinaufzieht.

Stolz verachtet den Boden das Roß, wie gebogener Stahl strebt In die Höhe sein Hals, mit dem Hufe berührt es den Sand kaum. Wie zum Scherze berührt der Fuß der Hirsche den Grashalm, 25 Hüpft, wie ein Zephyr, über den Bach, der reißend hinabschäumt, Hin und wieder schweift, kaum sichtbar durch die Gebüsche. Aber des Aethers Lieblinge, sie, die glücklichen Vögel, Wohnen und spielen vergnügt in der ewigen Halle des Vaters. Raumes genug ist für alle. Der Pfad ist keinem bezeichnet, 30 und es regen sich frei im Hause die Großen und Kleinen. Ueber dem Haupt frohlocken sie mir, und es sehnt sich auch mein Herz

Wunderbar zu ihnen hinauf; wie die freundliche Heimath Winkt es von oben herab, und auf die Gipfel der Alpen Möcht' ich wandern und rufen von da dem eilenden Adler, 35 Daß er, wie einst in die Arme des Zeus den seligen Knaben, Aus der Gefangenschaft in des Aethers Halle mich trage. Thöricht treiben wir uns umher; wie die irrende Rebe,

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Wenn ihr der Stab gebricht, woran zum Himmel sie aufwächst,
Breiten wir über den Boden uns aus und suchen und wandern.
Durch die Zonen der Erd', o Vater Aether, vergebens ;
Denn es treibt uns die Lust in deinen Gärten zu wohnen.
In die Meeresfluth werfen wir uns, in den freieren Ebnen
Uns zu sättigen, und es umspielt die unendliche Woge
Unsern Kiel, es freut sich das Herz an den Kräften des Meergotts.
Dennoch genügt ihm nicht; denn der tiefere Ocean reizt uns, 45
Wo die leichtere Welle sich regt. O wer dort an jene
Goldenen Küsten das wandernde Schiff zu treiben vermöchte!
Aber indeß ich hinauf in die dämmernde Ferne mich sehne,
o da frembe Gestad' umfängst mit bläulicher Woge,
Kömmst du fäuselnd herab von des Fruchtbaums blühenden
Wipfeln,

Vater Aether, und sänftigest selbst das strebende Herz mir;
Und ich lebe nun gern, wie zuvor, mit den Blumen der Erde.
Hölderlin (1797).

18. Die Fischer auf Capri.

Hast Du Capri gefehn und des felfenumgürteten Eilands Schroffes Gestad als Pilger besucht, dann weißt Du, wie selten Dorten ein Landungsplaß für nahende Schiffe zu spähn ist: Nur zwei Stellen erscheinen bequem. Manch mächtiges Fahrzeug Mag der geräumige Hafen empfahn, der gegen Neapels Lieblichen Golf hindeutet und gegen Salerns Meerbusen. Aber die andere Stelle (fie nennen den kleineren Strand sie) Kehrt sich gegen das ödere Meer, in die wogende Wildniß, Wo kein Ufer du siehst, als das, auf welchem du selbst stehst. Nur ein geringeres Boot mag hier anlanden; es liegen Felsige Trümmer umher, und es braust die beständige Brandung

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ΤΟ

Auf dem erhöhteren Fels erscheint ein zerfallendes Vorwerk, Mit Schießscharten versehn; sei's, daß hier immer ein Wacht

thurm

Ragte, den offenen Strand vor Algiers Flagge zu hüten, 15 Die von dem Eiland oft Jungfrauen und Jünglinge wegstahl; Sei's, daß gegen den Stolz Englands und erfahrene Seekunst Erst in der jüngeren Zeit es erbaut der Napoleonide, Dem Parthenope sonst ausspannte die Pferde des Wagens, Ihn dann aber verjagte, verrieth, ja tödtete, seit er

20 Ans treulose Gestad durch schmeichelnde Briefe gelockt ward. Steigst du herab in den sandigen Kies, so gewahrst du ein Felsstück Niedrig and platt in die Wogen hinaus Troh bieten der Brandung;

Dort anlehnt sich mit rundlichem Dach die bescheidene Wohnung Dürftiger Fischer, es ist die entlegenste Hütte der Insel, 25 Blos durch riesige Steine beschützt vor stürmischem Andrang, Der oft über den Sand wegspült und die Schwelle beneßt ihr. Kaum hegt, irgend umher, einfachere Menschen die Erde; Ja kaum hegt sie sie noch, es ernährt sie die schäumende Woge. Nicht die Gefilde der Insel bewohnt dies arme Geschlecht, nie ' 30 Pflückt es des Oelbaums Frucht, nie schlummert es unter dem Palmbaum:

Nur die verwilderte Mycte noch blüht und der wuchernde Cactus Aus unwirthlichem Stein, nur wenige Blumen und Meergras ; Eher verwandt ist hier dem gewaltigen Schaumelemente

Als der beackerten Scholle der Mensch und dem üppigen Saatfeld. 35 Gleiches Geschäft erbt stets von dem heutigen Tage der nächste; Immer das Netz auswerfen, es einziehn; wieder es trocknen Ueber dem sonnigen Kies, dann wieder es werfen und einziehn. Hier hat frühe der Knabe versucht in der Welle zu plätschern, Frühe das Steuer zu drehen gelernt und die Ruder zu schlagen,

Hat als Kind muthwillig gestreichelt den rollenden Delphin, 40
Der, durch Töne gelockt, an die Barke heran sich wälzte.
Mög' euch Segen verleihen ein Gott, sammt jeglichem Tagwerk,
Friedliche Menschen, so nah' der Natur und dem Spiegel des
Weltalls!

Möge, da größeren Wunsch euch nie die Begierde gelispelt,
Möge der Thunfisch oft, euch Beute zu sein, und der Schwertfisch 45
Hier anschwimmen! Es liebt sie der Esser im reichen Neapel.
Glückliche Fischer! wie auch Kriegsstürme verwandelt den Erd-
freis,

Freie zu Sclaven gestempelt und Reiche zu Dürftigen, ihr nur Saht hier Spanier, saht hier Britten und Gallier herrschen, Ruhig und fern dem Getöse der Welt, an den Grenzen der Menschheit,

Zwischen dem schroffen Geklüft und des Meers anschwellender Salzfluth,

Lebet! Es lebten wie ihr des Geschlechts urälteste Väter, Seit dies Eiland einst von dem Siz der Sirene sich losriß, Oder die Tochter Augusts hier füße Verbrechen beweinte. Platen (1827).

19. Amalfi.

Festtag ist's und belebt sind Zellen und Gänge des Klosters, Welches am Felsabhang in der Nähe des schönen Amalfi Fluth und Gebirge beherrscht, und dem Auge behaglichen Spiel

raum

Gönnt, zu den Füßen das Meer und hinaufwärts kantige Gipfel, Steile Terraffen umher, wo in Lauben die Rebe sich aufrankt. Doch nicht Mönche bewohnen es mehr, nicht alte Choräle Hallen im Kirchengewölb' und erwecken das Echo des Kreuzgangs; Leer steht Saal und Gemach, in den Kalktufgrotten der Felswand

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Knien, der Gebete beraubt, eingehende Heiligenbilder. 10 Sonntags aber entschallt den verödeten langen Gebäuden Frohe Musik, es besucht sie die lustige Jugend Amalfi's ; Kinder beschwingen im Hof, blizäugige Knaben, den Kreisel Rasch an der Schnur, und sie fangen den taumelnden dann in der Hand auf;

Aeltere werfen die Kugel indeß, die Entfernungen messend, 15 Zählen, im Spiele der Morra, die Finger mit hurtigem Scharfblick,

Oder sie stimmen zu rauhem Gesang einfache Guitarren, Freudebewegt. Theilnehmend erscheint ein gesitteter Jüngling Unter der Schaar, doch nicht in die Spiele sich selbst einmengend; Hoch vom steilen Gebirge, das Fest zu begehn in Amalfi, 20 Schön, wie ein Engel des Herrn, in die Tiefe heruntergestiegen : Reizend in Ringen umkräuselt die Brau'n schwarzlockigen Haupt

haars

Schimmernde Nacht, rein leuchtet die blühende Flamme des Auges, Nie von Begierde getrübt und dem Blick zweideutiger Freundschaft.

Doch wer kann, da die Zeit hinrollt, festhalten die Schönheit? 25 Schweige davon! Rings gähnt, wie ein Schlund, die gewisse Zerstörung:

Tritt auf jene Balkone hinaus, und in duftiger Ferne Siehst du das Ufer entlegener Bucht und am Ufer erblickst da Herrliche Säulen, in Reihn aufstrebendes dorisches Bildwerk. Nur Eidechsen umklettern es jeßt, nur flatternde Raben 30 Ziehen geschaart jezt über das offene Dach lautkreischend; Brombeern decken die Stufen, und viel giftsamiges Unkraut Kleidet den riesigen Sturz abfallender Trümmer in Grün ein. Seit Jahrtausenden ruht, sich selbst hinreichend und einsam, Voll trozbietender Kraft, dein fallender Tempel, Poseidon,

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