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Mitten im Haidegefild und zunächst an des Meers Einöde. 35
Völker und Reiche zerstoben indeß, und es welkte für ewig
Jene dem Lenz nie wieder gelungene Rose von Pästum!
Aber ich lasse den Geist abirren. O komm' nach Amalfi,
Komm' nach Amalfi zurück! Hier führt ein lebendiges Tagwerk
Menschen vorüber. Wenn auch einstürzen die Burgen der
Väter

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Auf des Gebirgs Vorsprüngen, wenn auch kein Masaniello,
Der die Gemüther des Volks durch siegende Suada dahinriß,
Willkür haßt, noch branden die Wogen, es rudert der Enkel,
Wie es der Ahnherr that in den blühenden Tagen des Freistaats,
Noch aus heimischer Bucht, aufziehend die Segel, das Fahrzeug. 45
Sprich, was reizender ist? Nach Süden die Fläche der Salzfluth,
Wenn sie smaragdgrün liegt um zackige Klippen und anwogt,
Oder der plätschernde Bach nach Norden im schattigen Mühlthal?
Sei mir, werde gegrüßt dreimal mir, schönes Amalfi,

Dreimal werde gegrüßt! Die Natur lacht Segen, es wandeln 50
Liebliche Mädchen umher und gefällige Knabengestalten,
Wo du den Blick ruhn lässest in diesem Asyle der Anmuth.
Ja, hier könnte die Tage des irdischen Seins ausleben,
Ruhig wie schwimmendes Silbergewölk durch Nächte des Voll-
monds,

Jugend ein Herz, nach Stille begierig und süßer Beschränkung. 55
Aber es läßt ehrgeiziger Brust unstäte Begier mich
Wieder verlassen den Siz preiswürdiger Erdebewohner,
Bannt am Ende vielleicht in des Nords Schneewüste zurück mich,
Wo mein lautendes Wort gleichlautendem Worte begegnet.

Platen (1827).

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Das Fischermädchen in Burano.

20. Das Fischermädchen in Burano.

Strickt mir fleißig am Nez, ihr Schwestern! Es soll's der
Geliebte

Heut noch haben, sobald im besegelten Nachen er heimkehrt.

Weßhalb zaudert er heute so lang? Die Lagune verslacht sich Schon, und es legt sich der Wind; um das leuchtende hobe Venedig,

5 Wie es den Wassern entsteigt, ausbreitet sich Abendgewölk schon. Ostwärts fuhren sie heut mit dem Fahrzeug gegen Altino, Wo in den Schutt hinsank ehmals die bevölkerte Seestadt. Häufig erbeuten sie dort Goldmünzen und prächtige Steine, Wenn sie das Neß einziehn, die betagteren Fischer erzählen's : 10 Möchtest du auch, o Geliebter, und recht was Köstliches finden!

Schön wohl ist es zu fischen am Abende, wann die Lagune Bligt, und das schimmernde Nez vom hangenden Meergras funkelt,

Jegliche Masche wie Gold und die zappelnden Fische vergoldet; Aber ich liebe vor allem den Festtag, wann du daheimbleibst. 15 Auf dem besuchteren Plage dann wandelt die kräftige Jugend Jeder im Staat, mein Freund vor den Uebrigen schön und be

scheiden.

Oftmals lauschen wir dann dem Erzähler, und wie er verkündigt Worte der Heiligen uns, und die Thaten des frommen Albanus, Welcher gemalt hier steht in der Kirche, des Orts Wohlthäter. 20 Doch als seine Gebeine hierher einst brachten die Schiffer, Konnten sie nicht an's Ufer den Sarg ziehn, weil er so schwer schien ;

Lange bemühten die starken gewaltigen Männer umsonst sich,

Triefend von Schweiß, und zulezt ließ jeglicher ab von der Arbeit. Siehe, da kamen heran unmündige lockige Kinder,

Spannten, als wär's zum Scherz, an das Seil sich, zogen den Sarg dann

Leicht an den Strand, ganz ohne Beschwerde, mit freundlichem Lächeln.

Dieses erzählt der bewanderte Greis; dann häufig erzählt er Weltliche Dinge zumal, und den Raub der venetischen Bräute, Die nach Olivolo giengen zum fröhlichen Fest der Vermählung: Jede der Jungfrau'n trug in dem zierlichen Körbchen den Mahlschatz,

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Wie es die Sitte gebot. Ach, aber im Schilfe verborgen Lauert ein Trupp Seeräuber; verwegene Thäter der Unthat Stürzen sie plötzlich hervor und ergreifen die bebenden Mädchen, Schleppen in's Fahrzeug alle, mit hurtigen Rudern entweichend. Doch vom Geschrei widerhallt schon rings das entseßte Venedig: 35 Schon ein bewaffneter Haufe von Jünglingen stürmt in die Schiffe,

Ihnen der Doge voran. Bald holen sie ein die Verruchten, Bald, nach männlichem Kampfe, zurück im verdienten Triumphzug Führen sie heim in die jubelnde Stadt die geretteten Jungfrau'n. Also berichtet der ehrliche Greis, und es lauscht der Geliebte, Rüstig und schlank, wohl werth, auch Thaten zu thun wie die

Vorwelt.

Oft auch rudert hinüber in's nahe Torcello der Freund mich. Ehmals war's, so erzählt er, von wimmelnden Menschen bevölkert, Wo sich in Einsamkeit jest salzige Wasserkanäle

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Hinziehn, alle verschlammt, durch Felder und üppige Reben. 45
Aber er zeigt mir den Dom und des Attila steinernen Seffel
Auf dem verödeten Plaß mit dem alten zertrümmerten Rathhaus,
Wo der geflügelte Löwe von Stein aus sonstigen Tagen

.

Ragt, als diese Lagunen beherrschte der heilige Markus.
50 All dies sagt mir der Freund, wie's ihm sein Vater gesagt hat.
Rudert er heimwärts mich, dann singt er ein heimisches Lied mir,
Bald,,holdseliges Röschen" und bald,, in der Gondel die Blonde."
Also vergeht, uns allen zur Freude, der herrliche Festtag.

Strickt mir fleißig am Nez, ihr Schwestern! Es soll's der
Geliebte

55 Heut noch haben, sobald im besegelten Nachen er heimkehrt.
Platen (1833).

IO

21. Im Theater zu Taormina.

Zarte vergängliche Wölkchen umfliegen den schneeigen Aetna,
Während des Meers Abgrund klar wie ein Spiegel erscheint ;
Steil aufthürmt sich die Stadt, hoch über den Gärten der Klöster,
Ueber den blühenden Wein, ragen Cypressen empor.

5 Fern in der Sonne verglühn die gesegneten Küsten Italiens,
Schöner und üppiger noch als die sikulischen Au'n:
Vor mir seh' ich die kleine, die felfenumschattete Seebucht,
Welche zum Bad vormals seligen Nymphen gedient,
Die sich der ewigen Jugend erfreut in der tiefen Krystallfluth,
Oder der Brandungen auch rauschende Welle behorcht.
Weither hast du den Dichter geführt, auf griechischem Boden
Sei'n dir, deutscher Gesang, weichere Laute vergönnt!
Schon vor sechs Jahrhunderten einst, in den Tagen der Vorzeit,
Hast du der lyrischen Kunst würzige Blüthe gepflegt.
15 Walter und Wolfram lebten, und rings um die Wiege der Kaiser,
Die hier herrschten, erscholl feuriger Minnegesang.

Lang zwar schwiegst du hierauf, doch lang auch schwiegst du in
Hellas;

Denn Jahrhunderte flohn nach den Gedichten. Homers,

Bis der äolischen Leier entströmte die Seele der Sappho ;
Edlere Völker umwehn Stürme der Wiedergeburt,
Denen sie dann neukräftig entwachsen in doppelter Schönheit :
Selig der Morgen, an dem wieder, o Kunst, du erwachst!
Freudvoll seist du begrüßt, wiewohl schlaftrunken und scheu noch,
Dich wird stählen jedoch bald die geschäftige Zeit.
Ja, es entsprang auf's Neu germanischem Boden die reiche
Quelle der lyrischen Kunst. Freilich, es haben sich nicht
Allzuergiebiger Ader erfreut Kleist, Bürger und Stolberg,
Aber es war ihr Lied echten Gefühlen geweiht.

Schiller und Klopstock sangen und Goethe, die Blume der Anmuth
Nückert und auch Uhlands Muse, vor allen beliebt.
Darf ich der neunte zu sein mich rühmen? Bedächtige Männer
Leugnen es nicht, mir ward lieblicher Aeste Gewind.
Hier in dem ehmals oft von Gesängen umflutheten Eiland,
Das Epicharmus bereits füllte mit Festmelodien,
Wo Stesichorus sang und Simonides einst, und benachbart
Jbycus (deine zugleich, Aeschylus, Urne bewahrt's),
Wo so gewaltige Hymnen ersonnen der göttliche Pindar,
Wo Theokrit sich drauf unter die Hirten gemischt:
Hier, Germania, laß auf diesen unsterblichen Trümmern
Brechen die Lorbeern mich, die du bewilligetest!

Doch nicht sei'n um mein schwermüthiges Haupt sie gewunden,
Nein, auf deinem Altar seien sie niedergelegt.

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Platen (1835).

22. Die
Die schöne Buche.

Ganz verborgen im Wald kenn' ich ein Pläßchen, da stehet
Eine Buche: man sieht schöner im Bilde sie nicht,

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