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Nagt, als diese Lagunen beherrschte der heilige Markus.
50 All dies sagt mir der Freund, wie's ihm sein Vater gesagt hat.
Rudert er heimwärts mich, dann singt er ein heimisches Lied mir,
Bald, holdseliges Röschen" und bald,, in der Gondel die Blonde."
Also vergeht, uns allen zur Freude, der herrliche Festtag.

Strickt mir fleißig am Nez, ihr Schwestern! Es soll's der
Geliebte

55 Heut noch haben, sobald im besegelten Nachen er heimkehrt.
Platen (1833).

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21. Im Theater zu Taormina.

Zarte vergängliche Wölkchen umfliegen den schneeigen Aetna,
Während des Meers Abgrund klar wie ein Spiegel erscheint ;
Steil aufthürmt sich die Stadt, hoch über den Gärten der Klöster,
Ueber den blühenden Wein, ragen Cypressen empor.

5 Fern in der Sonne verglühn die gesegneten Küsten Italiens,
Schöner und üppiger noch als die sikulischen Au'n:
Vor mir seh' ich die kleine, die felsenumschattete Seebucht,
Welche zum Bad vormals seligen Nymphen gedient,
Die sich der ewigen Jugend erfreut in der tiefen Krystallfluth,
Oder der Brandungen auch rauschende Welle behorcht.
Weither hast du den Dichter geführt, auf griechischem Boden
Sei'n dir, deutscher Gesang, weichere Laute vergönnt!
Schon vor sechs Jahrhunderten einst, in den Tagen der Vorzeit,
Hast du der lyrischen Kunst würzige Blüthe gepflegt.
Walter und Wolfram lebten, und rings um die Wiege der Kaiser,
Die hier herrschten, erscholl feuriger Minnegesang.

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Lang zwar schwiegst du hierauf, doch lang auch schwiegst du in Hellas;

Denn Jahrhunderte flohn nach den Gedichten Homers,

Bis der äolischen Leier entströmte die Seele der Sappho ;
Edlere Völker umwehn Stürme der Wiedergeburt,
Denen sie dann neukräftig entwachsen in doppelter Schönheit :
Selig der Morgen, an dem wieder, o Kunst, du erwachst!
Freudvoll seist du begrüßt, wiewohl schlaftrunken und scheu noch,
Dich wird stählen jedoch bald die geschäftige Zeit.
Ja, es entsprang auf's Neu germanischem Boden die reiche
Quelle der lyrischen Kunst. Freilich, es haben sich nicht
Allzuergiebiger Ader erfreut Kleist, Bürger und Stolberg,
Aber es war ihr Lied echten Gefühlen geweiht.

Schiller und Klopstock sangen und Goethe, die Blume der Anmuth
Rückert und auch Uhlands Muse, vor allen beliebt.
Darf ich der neunte zu sein mich rühmen? Bedächtige Männer
Leugnen es nicht, mir ward lieblicher Aeste Gewind.
Hier in dem ehmals oft von Gesängen umflutheten Eiland,
Das Epicharmus bereits füllte mit Festmelodien,
Wo Stesichorus sang und Simonides einst, und benachbart
Jbycus (deine zugleich, Aeschylus, Urne bewahrt's),
Wo so gewaltige Hymnen ersonnen der göttliche Pindar,
Wo Theokrit sich drauf unter die Hirten gemischt:
Hier, Germania, laß auf diesen unsterblichen Trümmern
Brechen die Lorbeern mich, die du bewilligetest!

Doch nicht sei'n um mein schwermüthiges Haupt sie gewunden,
Nein, auf deinem Altar seien sie niedergelegt.

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Ganz verborgen im Wald kenn' ich ein Pläßchen, da stehet
Eine Buche: man sieht schöner im Bilde sie nicht,

Rein und glatt, in gediegenem Wuchs, erhebt sie sich einzeln,

Keiner der Nachbarn rührt ihr an den seidenen Schmuck. 5 Rings, so weit sein Gezweig der stattliche Baum ausbreitet, Grünet der Rasen, das Aug' still zu erquicken, umher; Gleich nach allen Seiten umzirkt er den Stamm in der Mitte; Kunstlos schuf die Natur selber dies liebliche Rund. Zartes Gebüsch umgränzet es erst; hochstämmige Bäume, Folgend in dichtem Gedräng', wehren dem himmlischen Blau. Neben der dunkleren Fülle des Eichbaums wieget die Birke

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Ihr jungfräuliches Haupt schüchtern im goldenen Licht. Als ich unlängst einsam, von neuen Gestalten des Sommers

Ab vom Pfade gelockt, dort im Gebüsch mich verlor, 15 Führt ein freundlicher Geist, des Hains auflauschende Gottheit, Hier mich zum erstenmal plöglich, den Staunenden, ein. Welch Entzücken! Es war um die hohe Stunde des Mittags, Lautlos alles, es schwieg selber der Vogel im Laub. Und ich zauderte noch auf den zierlichen Teppich zu treten, Festlich empfieng er den Fuß, leise beschritt er ihn nur. Jezo gelehnt an den Stamm (er trägt das breite Gewölbe Nicht zu hoch), ließ ich rundum die Augen ergehn, Wo den beschatteten Kreis die feurig strahlende Sonne Fast gleich messend umher säumte mit blendendem Nand. 25 Aber ich stand und rührte mich nicht; dämonischer Stille, Unergründlicher Ruh' lauschte mein innerer Sinn. Eingeschlossen mit dir in diesem sonnigen ZauberGürtel, o Einsamkeit, fühlt' ich und dachte nur dich.

23. Chelidono.

Ed. Mörike.

Wo die Platane sich riesig erhebt im Schatten der Waldschlucht, Ragt, in Trümmern bereits fallend, das Kloster empor.

Längst ist der Mönche Gesang in der Kirche verhallt, und es

duftet

Weihrauch nimmer; des Chors ewige Lampe verlosch : Aber der Quell, der kühl am Altar aufsprudelt, erquickt noch 5 Häufig den Wandrer; er spricht dankend ein kurzes Gebet. Geibel (1839).

24. Grab des Themistokles.

Wo am zackigen Fels das Gewog sich brandend emporbäumt, Senkten die Freunde bei Nacht heimlich Themistokles Leib In heimathlichen Grund. Festgaben und Todtengeschenke

Brachten sie dar, und es floß reichlich die Spende des Weins. Aber den Zorn des verblendeten Volkes kleinmüthig befürchtend

Stahlen sie leise sich heim, ehe die Dämmrung erschien. Denksteinlos nun schlummert der Held. Doch drüben im Spätroth

Ragt ihm, ein ewiges Mal, Salamis Felsengestad.
Geibel (1839).

25. Gnomen.

I.

Bist du der Selbstsucht los, so gehorche der ahnenden Seele,
Und das Bezweifeln der Welt störe dir nimmer den Weg;
Folge getrost. Am schroffesten Hang wallt sicher die Unschuld,

Durch die Grube des Leu'n führt sie beschirmend ein Gott.
Selber das Unglück wandelt sich ihr zur erhebenden Staffel;

Gieng doch aus finsterer Haft Joseph im Purpur hervor. Aber fürchte die Schuld, und mehr noch fürchte den Hochmuth, Der wie berauschender Wein rasch dir die Sinne verwirrt. Auch Alerander erlag, der gewaltige Liebling des Schicksals, Eh' sein Ziel er erreicht, weil er der Götter vergaß.

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II.

Kühl zu deinem Verstand spricht jegliche Lehre; sie bleibt dir
Ewig ein Todtes, sobald fremd sie von außen dir kommt.
Was dir ein Anderer giebt, und wär' es das Köstlichste, frommt
nicht,

Wenn du den schlafenden Klang tief in der Seele nicht trugst. 5 Wunder begreifen sich nicht, du mußt sie im Innern erleben,

Jeglicher Glaub' ist ein Wahn, den du nicht selber erfuhrst. Nur was selbst du erkennst als ein Göttliches, das dir herabkam, Hat, ein lebendiger Hauch, dich zu verwandeln die Macht.

26. Shakespeare.

Geibel.

Keiner erkannte den Menschen wie du, glorwürdiger Britte,
Aber ein Höheres noch, Meister, verehr' ich an dir:
Daß du in sterblicher Brust stets klar die geheiligte Sazung
Trugst, nach welcher der Welt Lenker die Dinge regiert.

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Menschen, willst du sie lieben, so mußt du zuvor sie erkennen,
Gott erkennest du nur, Suchender, wenn du ihn liebst.

28. Der Glaube.

Geibel.

Unsichtbar, wie das Wasser den Baum von der Wurzel zum Gipfel

Tränkt und jeglichem Zweig Blätter und Blüthen erweckt, So durchströme mit Kraft dein innerstes Leben der Glaube, Doch man erkenn' ihn nur an der gezeitigten Frucht.

Geibel (1877).

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