Page images
PDF
EPUB

schlafen die Männer von den Frauen getrennt. Außer der Sitte der nächtlichen Geschlechtertrennung haben alle Stämme Neu-Kaledoniens noch die Sitte gemeinsam, daß sie ihren Geschlechtstrieb niemals in der Hütte, sondern nur im Gehölz befriedigen und daß der Begattungakt in der Stellung der Hunde vollzogen wird. Diese Naturvölker bilden zwar Familienverbände, in denen die Eltern ihre leiblichen Kinder, die Kinder ihre Eltern und auch die Geschwister einander als solche kennen; aber es fehlt ihnen der häusliche Herd und das gemeinsame Gattenlager; die Einwohner eines Dorfes speisen gemeinsam und die beiden Geschlechter schlafen getrennt. Die Männer stehen untereinander in einer mit Päderastie eng verflochtenen, vielleicht auf ihr beruhenden Waffenbrüderschaft. Die vielen Frauen, welche zur Zeugung dienen, sind nur Sklaven und Lasttiere der Männer und werden von diesen nach Laune verstoßen; neben ihnen gibt es in geringerer Anzahl alte Weiber und in jedem Dorfe einige Buhlerinnen; die alten Weiber wissen als Zauberinnen sich Achtung zu verschaffen und fertigen die wenigen Gerätschaften an, deren man bedarf; die Buhlerinnen aber sind die geborenen Feinde der Päderastie; sie suchen durch Putz und herausfordernde Gebärden, in denen sie es zu einer großen Kunst bringen, die Männer, und zwar vornehmlich die Oberhäupter, für sich zu gewinnen.155

Im 13. oder 14. Lebensjahre erreicht der junge Kanake nach dem französischen Arzte JACOBUS X... das Pubertätalter. Vor dem 20. Jahre aber kann er nicht Krieger werden. Da er bis dahin ein weibliches Wesen, eine Popine, ohne sich schwerer Bestrafung durch seinen Häuptling auszusetzen, nicht berühren darf, befände er sich in einer mißlichen Lage. Das sei der Grund, weshalb der junge Kanake, der vor der Pubertät masturbiere, sich nach erfolgter Geschlechtsreife dem Analkoitus zuwende und sich damit, so gut es eben gehe, bescheide. Sobald er dürfe, wende er sich ganz dem Weibe zu. Er sei nicht so wie die alten Orientalen geartet, daß er sich mit gleicher Lust dem Weibe und dem Manne zuwende und mit größter Leichtigkeit die aktive und die passive Rolle bei gleichgeschlechtlicher Befriedigung übernehme. Der Analkoitus

werde von ihm rein tierisch ohne alles Raffinement ausgeführt. Alle Sodomiten seines Bekanntenkreises unter den Kanaken haben den Gewährmann die Zeichen aktiver und passiver Podikation erkennen lassen.156 Der französische Stabsarzt macht hier den Fehler, daß er in gleichgeschlechtlichem Verkehr immer lediglich Notdurft, niemals Naturveranlagung

erkennt.

Bei seiner Schilderung der Nian-Feste stellt sich der Père LAMBERT, als ob er keine Ahnung davon hätte, daß auch Tänze der Männer allein, ohne Weiber, den Prinzipien seiner Kirchen-Moral zuwider laufen könnten.157

e) Die Fiji- oder Viti-Insulaner 158 MARINER teilt mit, auf Fiji wären um 1817 die Kinder von ihren Eltern schon mit drei oder vier Jahren verheiratet oder verlobt worden; die Tonganer, welche Fiji besuchten, hätten darüber Klage geführt, daß ihnen Umgang mit Weibern bei der großen Eifersucht ihrer Ehemänner unmöglich gewesen sei.159 Die soziale Stellung der Frau war auch noch um 1853 nach ERSKINE eine recht hohe und der Verkehr der Geschlechter unter einander, ohne schwärmerische Gefühle auszulösen, ein äußerst zarter, solange nicht das schlechte Beispiel des weißen Kulturmenschen die gute Sitte verdarb. In Rewa habe der Häuptling Thakon auto, der mehr als die meisten andern Häuptlinge diesem üblen Einflusse ausgesetzt gewesen sei, selber die Ausschweifungen so auf die Spitze getrieben, daß der Häuptling Thakomba u bei seinem Besuche in Rewa Thakonautos Haus voll Ekel verlassen habe,160

Die Beschneidung ist allgemein in Gebrauch. Sie wird an den Jünglingen im Alter vom 16. bis zum 20. Jahre vorgenommen als feierlicher aber nicht religiöser Akt. Es ereignen sich dabei Dinge,,,gegen die Einwendungen gemacht werden können“; leider sind die Vorgänge nicht geschildert, doch darf man wohl eben deshalb ohne weiteres auf päderastische Akte schließen. Haben sich die jungen Männer der nationalen Einrichtung unterworfen, so wird die Macht, über sie zu herrschen, den Weibern übertragen, welche selten unterlassen, ihre Gewalt

in recht fühlbarer Weise auszuüben.11

Da aber Vielweiberei

gestattet ist, bleiben schon deshalb viele Männer unbeweibt.162 Diese widmen sich besonders dem Waffendienste.

Die Art,

wie das geschieht, ist höchst eigenartig und erweckt den Anschein eines Verlöbnisses. Von den beiden Männern, welche den Waffenbund eingehen, spricht man als von Mann und Frau,,,um die Innigkeit ihrer Verbrüderung anzudeuten“. In dieser gegenseitigen Hingebung verpflichten sich beide zur Gemeinsamkeit im Wollen und Handeln, einander beizustehen in jeder Gefahr, sich wechselseitig bis zum Tode zu verteidigen und, wenn nötig, zusammen zu sterben. Will einer der beiden Männer eine Ehe mit einer Person des andern Geschlechts eingehen, so wird der bisherige Kontrakt förmlich für null und nichtig erklärt. Ein solches soldatisches Liebesverhältnis bestand beispielsweise zwischen Mbetelam bandei und Mbombo in Vatukarakara. Ersterer fiel in der Schlacht; als Mbombo von der Gefahr hörte, in der sein Freund schwebte, eilte er zu seiner Hilfe herbei; da er zu spät kam, tötete er sich selbst, um den Tod seines Freundes zu rächen.163 Nach SEEMANN hätte auch jeder andere" Fijianer seinen Busenfreund, an den er sich durch die stärksten Bande leidenschaftlicher Zuneigung gefesselt fühle.

164

Den Strophen ihrer Lieder gliedert sich stets ein Rundgesang, Dulena genannt, voll unschicklicher Anspielungen an, die selten in irgend einer Beziehung zum Inhalt der Lieder stehen; aber gerade in ihnen erblickt der Fijianer die Feinheit und den Reiz des Liedes. Unter dem,,reinigenden" Einflusse des Christentums nimmt daher ein Eingeborener an den nächtlichen Tänzen, welche von diesen Liedern begleitet werden, nicht mehr teil. Erst die Kenntnis dieser Tatsache befähigt diejenigen, welche die Gepflogenheit der Missionare, den Nationaltanz zu mißbilligen, verurteilen, zu der nach Meinung der Missionare einzig richtigen Auffassung."

165

Nach WATERHOUSE ist die durchschnittliche Lebensdauer des Fijianers nicht groß und liefert die Naturgeschichte der Fiji-Rasse einen besonders reichen Anteil an physischen Unregelmäßigkeiten, wie Albinos, Hermaphroditen, Zwergen und sechsfingerigen Familien. Unter Herma

166

phroditen" sind hier wahrscheinlich wieder nur weiblich veranlagte Männer von zwitterhafter Erscheinung gemeint.

66167

GUSTAV JÄGER läßt einen Ungenannten sagen: ,,BERTHOLD SEEMANN erzählte lustige homosexuale Geschichten von den Fidschi-Inseln." Dieses muß mündlich geschehen sein; denn die durch Zitate nicht belegte Behauptung findet sich in SEMANNNS Werken nicht bestätigt; es müßte denn die Schilderung des Auftretens eines als Weib verkleideten und ein Weib nachäffenden Mannes gemeint sein, dessen blosses Erscheinen bei seinen Zuschauern eine Flut von Witzen hervorrief und schallendes Gelächter auslöste, mit Homoerotik darum aber nicht notwendig zu schaffen haben muß.

168

Unter den Fijianern gibt es, wie BASIL THOMSON 1908 feststellt,,,einige Arten von Perversion," doch sind sie nicht gewöhnlich. Sie werden nach ihm für verächtlich angesehen, keineswegs aber als verbrecherisch und schrecklich.,,Vergehen wider die Natur" seien, so scheint ihm, auf die Inland-Stämme von West-Vitilevu beschränkt, welche am wenigsten durch Verkehr mit Europäern beeinflußt wurden. Und dort seien sie zweifelsohne schon in weit zurückliegender Zeit gelegentlich ausgeübt worden. Sonderbarerweise heiße die,,widernatürliche Handlung" dort Valavala vavalangi, d. h. des weißen Mannes Treiben.169 In einem viel Staub aufwirbelnden Falle, der einen diesem,,Laster“ fröhnenden Europäer betraf, habe der 1882 verstorbene König von Fiji oder Tui Viti, Thakombau, dem Lüstling befohlen, seinen Machtbereich zu verlassen. Der Ausgewiesene sei dann später auf den Neu-Hebriden ermordet worden.""

170

Nur wenige,,Verbrechen" werden von den Fijianern als solche strenge verurteilt: Diebstahl, Ehebruch, Fruchtabtreibung, Zauberei, Verletzung eines Tabu, Achtungverletzung gegen das Oberhaupt, Brandstiftung und Verräterei. Der von einem Häuptling begangene Mord wird für weniger abscheulich angesehen als der geringfügigste Diebstahl von einer Person niederen Standes ausgeführt. ,,Sodomie" befindet sich also unter den strafbaren Handlungen in der Gerichtsbarkeit der Fijianer nicht.

173

115

Die allgemeine Angabe von WAITZ " und FRIEDRICH MÜLLER,,,unnatürliche Laster", unter denen ohne Zweifel auch Päderastie einbegriffen sein dürfte, seien auf den Fidschiinseln unbekannt, bedarf nach dem hier Beigebrachten, so dürftig es ist, doch gar sehr der Einschränkung.

3. Die Harafuren

Gemäß einem Bericht des katholischen Kaplans DE ARGENSOLA aus dem Jahre 1609 wohnten zu Anfang des 17. Jahrhunderts auf Celebes in zahlreichen kleinen Städten Harafuren (Alfuren, Arfuren). Sie liebten es sehr, die abgeschlagenen Köpfe ihrer Feinde vor ihren Häusern aufzupflanzen. Der Kopfjäger, welcher die meisten Köpfe heimbrachte, wurde dementsprechend am höchsten geehrt. In ihren Städten gab es „abscheuliche Häuser sodomitischer Unzucht“. Auf der Insel Ternate existierten damals solche Häuser nicht, wohl jedoch auf der weiter südlich gelegenen Insel Amboina."* Aus neuerer Zeit erfährt man durch WILHELM JOEST 1895 nicht uninteressante Einzelheiten über dieses merkwürdige Volk, das vielleicht bald nur mehr der Geschichte angehören wird, von der Insel Seram (sprich Serang, gewöhnlich Ceram geschrieben). Der Wuchs bei beiden Geschlechtern wird als,,überraschend schön" bezeichnet.173 Die unverheirateten jungen Männer schlafen vom 15. Lebensjahre an gemeinsam in einem großen öffentlichen Gebäude, Bailéo, das in keinem Dorfe fehlt." Unter den Männern gibt es zwei Verbindungen oder Korps, Uli oder Pata siwa und Uli oder Pata lima (Uli heißt,,Bruder", Pata,,Korps")." Den dem Christentum gewonnenen 176 Männern der Strandalfuren verleiht die Art, ihr langes, stark eingefettetes Haar in der Mitte gescheitelt und durch einen runden Schildpattkamm aus der Stirn zurückgekämmt zu tragen, etwas Weibliches, Weibisches; ein Eindruck, der durch die Sitte der Leute, sich jede Spur von Bart abzurasieren, noch verstärkt wird." Bei diesen,,Wilden" wird, meint JOEST, bald die Stunde geschlagen haben, in welcher der letzte dem vorletzten den Kopf abschneidet.'

177

175

178

Zwischen DE ARGENSOLA und JOEST liegen fast volle dreihundert Jahre. Kopfjäger sind die Harafuren in

« PreviousContinue »