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Der Hermaphroditen-", Päderasten- oder Icoucoua-Tanz bei den Dakota-, Sax- und Fuchs-Indianern,

nach Catlin

mitzumachen und an dem Fest teilzunehmen. Da nur äußerst wenige im Stamme lebten, welche dieses besondere Privileg rechtmäßig erlangten oder gewillt seien, sich dazu öffentlich zu bekennen, so habe es den Anschein, daß diese Gesellschaft aus einer nur ganz beschränkten Zahl von ,,Sonderlingen" bestehe, 195

Der Berdashe- oder Icoucoua-Tanz ist nach CATLINS Erfahrung außer bei den Sioux nur noch unter den Sak und den Foxes üblich. Vielleicht jedoch wäre er auch bei anderen Stämmen in Brauch, trotzdem er selber ihm nicht begegnet sei. Für seine weitere Erforschung müsse er seinen Leser auf die Stämme verweisen, bei denen er sicher vorkäme. Er wünsche indessen, daß er bereits ausgerottet sei, bevor man ihn genauer erforscht habe.196

MARY ALICIA OWEN schildert neuestens den ,,I-coocoo-ah" oder Weib-Tanz der Foxes (Musquakies) als eine ganz außergewöhnliche und unangenehm berührende Zeremonie oder wie man den Vorgang sonst nennen wolle. Vielleicht könne man von ihm sagen, daß er nur noch der Vergangenheit angehöre, denn gegenwärtig (1902) lebe kein Musquakie-Indianer mehr, der den,,I-coo-coo-ah“ darzustellen vermöge. Vor zwei Jahren habe es aber auch in diesem Stamme noch einige Männer gegeben, welche in Weibertracht gekleidet waren und in von den anderen getrennten Hütten lebten. Man sagte, es seien das die Unglücklichen, denen es nicht gelungen wäre, den Kriegspfahl zu schlagen, als sie es zum ersten Male versucht hätten, oder denen es in irgend einer anderen Weise mißlungen wäre, dem Stammesvorbilde der Männlichkeit nahe zu kommen. Sie seien unnütze Geschöpfe, fast stets Trunkenbolde, meist ungekämmt, ungewaschen und in Lumpen gekleidet. Sie verrichteten keine (Männer-)Arbeit, statteten keine Besuche ab und sprächen nie mit einem Weibe. Sie brächten ihre Zeit im Spiel mit einander, mit Singen unzüchtiger Gesänge und

glaublich geschraubten und gequälten Wendungen des Engländers. Es dürfte sich darin um nichts anderes handeln, als um den vom einen oder andern der Tänzer an dem Berdashe bei Gelegenheit des Festes öffentlich vorzunehmenden Podikationakt oder doch um dessen pantomimische Darstellung. Karsch Haack, Das gleichgeschlechtliche Leben der Naturvölker.

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mit Schlummern und Träumen hin, einer Wirkung des verschluckten Tabakrauchs oder, falls sie solchen hätten erlangen können, des Branntweins. Sie würden als „gute Medizin“ für den Stamm angesehen. Ein gewisses Interesse nähmen an ihnen die Weiber, indem sie gekochte Speisen und Holzbündel vor ihren Türen niederlegten, wenn es niemand beobachte. Einmal im Jahre veranstaltete man ihnen ein Fest und führte einen Tanz auf, bei welchem einige der jungen Männer des gemeinen Volks sie an den Händen faßten, mit ihnen tanzten, sie mit erkünstelten Liebeerklärungen verspotteten und ihnen zum Schlusse als Geschenk alte Kleider gaben, die sie von Weibern erbettelt oder gekauft hatten. Während des Tanzes nahmen die Zuschauer beiderlei Geschlechts durch beständiges Klatschen Anteil und riefen,,I-coo-coo-ah" und,,Hoo-hoo, henowchee-chee". Der Grund, weshalb dieser Tanz heutigen Tages bei den Musquakies nicht mehr aufgeführt wird, liegt nach M. A. OWEN darin, daß die eingebildeten Henow-och (Weiber) im Lager nicht mehr zu finden sind. Die von der letzten Wahl Getroffenen weigerten sich, die ihnen zugedachte Stelle anzunehmen, und ein widerwillig Erwählter würde ein,,schlechte Medizin" abgeben.197

Wohl drei Viertel, insonderheit alles Gehässige dieser Schilderung, dürften auf Rechnung des Gegeninstinkts der Schriftstellerin zu setzen und der Rückgang oder das Erlöschen der Gewohnheit, wenn überhaupt wahr, dem antagonistischen Einfluß der weißen Rasse zuzuschreiben sein, deren,,Tabu“ ja eben diese von den Naturkindern als natürlich hingenommene Triebrichtung zu sein pflegt. Man halte nur daneben das maßvolle Urteil von SIMMS (Seite 349 dieses Buches).

Noch im Jahre 1889 werden unter den Dakota,,Hermaphroditen" erwähnt, die Umgang mit Männern hatten (GRAHAM) 198 und Weiber mieden, obwohl, wie BRYANT 1849 berichtete, viele Sioux-Weiber entschieden schön sind und manche von ihnen an Regelmäßigkeit der Gesichtszüge und an Ebenmäßigkeit der Gestalt manche der gefeiertsten europäischen Schönheiten sogar übertreffen.199

Über einen von Dr. HOLDER 1889 untersuchten Dakota-Bote bei den Crow sieh Seite 347-349 dieses Buches.

MALLERY gibt in seinen ,,Pictographs" auch zwei homoerotische Winter-Kalender, Waniyetu wówapi oder Hékta yawapi, bekannt, deren Originale im Besitz von Oglála Dakota Indianern der Pine Ridge Agency sich befanden. Der eine Kalender (I) ist die Kopie eines Kalenders des Indianers American-Horse, den schon sein Großvater anlegte, sein Vater und er selber fortsetzte. Der andere (II) ist die Kopie eines Kalenders im Besitz des Indianers CloudShield. Das Dakota-Kalenderjahr umfaßt einen Teil von zweien unserer Kalenderjahre. In den beiden obengenannten Dakota-Kalendern ist nun das von MALLERY berechnete Jahr 1848/49 auf folgende Weise durch Hinmordung eines indianischen ,,Hermaphroditen" gekennzeichnet:

Figur 6 (zu I)

Figur 7 (zu II)

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Skizzen eines Hermaphroditen" der Crow-Indianer in Dakota-Kalendern für 1848-49 nach Mallery

I: American-Horse Vater nahm einen Crow gefangen, der wie ein Weib gekleidet ging, sich aber als einen Hermaphroditen herausstellte und getötet wurde (Figur 6).

II: American-Horse Vater nahm ein Crow-Weib gefangen und überließ es den jungen Männern (seines Stammes), welche entdeckten, daß es ein Hermaphrodit war und es töteten (Figur 7).

In einem andern Dakota-Kalender von der Hand des Indianers White-Cow-Killer zu Pine Ridge Agency wird das Jahr 1848/49 als „Half-man-and-half-woman-killedwinter" bezeichnet, also als der,,Winter, in dem ein Halbmannund Halbweib-Wesen getötet wurde".

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