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tretenden Orgasmus, Samenentleerungen selbst bei stärkster Erregung nicht mehr eintreten können, und am Ende wird auch die Entstehung des Orgasmus ganz zur Unmöglichkeit; Penis und Hoden beginnen zu schrumpfen und die Erektionfähigkeit erlischt. Auffällige Veränderungen in Hang und Neigungen gehen mit dieser Entmannung des Mujerado schrittweise einher. Er verliert die Lust an seinen früheren Beschäftigungen und sein vorher bewiesener Mut schwindet dahin. Er wird so scheu, daß er, der vielleicht eine hervorragende Stellung im Rat der Pueblo bekleidete, um alle Macht, alle Verantwortlichkeit und um jeden Einfluß gebracht wird. War er Gatte und Vater, so entziehen Weib und Kinder sich seiner Fürsorge und betrachten ihn als Fremden sei dieses aus eigenem Entschlusse, sei es auf seine Veranlassung, sei es auf Grund von Stammesnormen. Mujerado zu sein ist für einen Pueblo keine Schande; im Gegenteil genießt er den Schutz seiner Stammesgenossen und es werden ihm gewisse Ehren zuteil, da er z. B., wenn er will, sich jeder Arbeit enthalten darf. Seiner veränderten Gemütsrichtung entsprechend sucht er mit Vorliebe das weibliche Geschlecht auf und entäußert sich so viel als möglich aller körperlichen und geistigen Charakter-Eigenschaften der Männlichkeit. Männer sucht er nicht mehr auf, obwohl diese ihn nicht meiden. Seine ganze Lage wird ihm durch die Macht der Überlieferung, der Sitte und der öffentlichen Meinung aufgenötigt. Wird sie vielleicht auch anfangs von ihm mit Widerstreben angenommen, so zeigt er doch schließlich bereitwilliges Entgegenkommen. Es ist ihm eben unmöglich, der Tradition seines Stammes, deren Macht unter den Pueblo von Neu-Mexiko von größtem Einflusse ist, sich zu entziehen; und auf der Macht der Tradition beruht auch, wenigstens für die Gegenwart, die Daseinsberechtigung des Mujerado. Ob der Mujerado als öffentliches Eigentum auch außerhalb der jährlichen Saturnalien für päderastische Zwecke benutzt wird, wurde nicht ermittelt; es ist aber sicher, daß wenigstens Häuptlinge berechtigt sind, sich seiner zu bedienen und daß der Mujerado diesem Privilegium sich nicht widersetzt. Jede derartige Anspielung des ärztlichen Forschers ließ der Mujerado unbeachtet; er gab einfach an, davon nichts

zu wissen. Nur der alte Laguna-Häuptling in HAMMONDS Begleitung war, obwohl nach Indianerart sonst nicht sehr mitteilsam, bezüglich dieses Punktes nicht verschwiegen, gab sogar für sich selbst mit vollster Seelenruhe zu, in seinen jüngeren Jahren den Mujerado seines Stammes zu geschlechtlichen Genüssen gebraucht zu haben. HAMMOND findet eine große Übereinstimmung zwischen dem Mujerado der Pueblo-Indianer und den Enareern der Skythen; ein wesentlicher Unterschied liege aber in dem Umstand, daß bei den Pueblo der Verlust der männlichen Potenz mit voller Absichtlichkeit zu einem bestimmten Zweck angestrebt werde und der Mujerado eine staatliche Einrichtung sei, während die Impotenz bei den Skythen (Skythenkrankheit) nur als eine ungewollte Folge ihrer Sitten und Bräuche sich eingestellt habe. Den Pueblo scheine bekannt zu sein, einen wie großen Einfluß das Reiten auf die Geschlechtstätigkeit ausübe, wenn es sich darum handle, jemanden zum Mujerado zu machen; die nomadenhaften Indianerstämme, gewissermaßen die Repräsentanten der Skythen in Amerika, insonderheit die Apachen und Navajo, besäßen nach seiner persönlichen Erfahrung kleine Geschlechtsorgane, schwachen Geschlechtstrieb und geringe Potenz; schon in ihrer frühesten Kindheit gewöhnten sie sich daran, selbst für die geringsten Entfernungen zu Pferde zu steigen; sie gingen zu Fuß nur an solchen Stellen, die ihre Pferde leicht zum Straucheln brächten, und blieben stets bei ihren Pferden; er sah selber, wie sie, bloß um den Sattel zu holen, eine Strecke von 25 Fuß ritten. Eine Folge dieser Lebensgewohnheit seien: Schwache Muskulatur der Beine, dünne Schenkel, handflache Waden und die Unfähigkeit, weite Märsche zu Fuß zurückzulegen. Impotenz sei bei ihnen häufig und er als „,Medizinmann“ von gesunden Männern um Mittel zur Stärkung ihrer Potenz oft genug gebeten worden. Ein Weib dieser Stämme mit mehr als zwei bis drei Kindern würde ein Unikum bleiben. HAMMOND hatte Gelegenheit, zwei Mujerado zu untersuchen. Der eine, ein etwa 35 Jahre alter, großer und schlanker Mann vom Dorfe Laguna, war schon sieben Jahre Mujerado; er trug Weiberkleidung und ließ sich vom Arzt nur im Beisein des alten Laguna-Häuptlings entblößen und untersuchen.

Auffallend war an ihm eine außergewöhnliche Entwicklung der Brustdrüsen, die,,völlig denen einer schwangeren Frau glichen“. Er behauptete, mehrere Kinder, deren Mütter gestorben waren, genährt zu haben und daß er diesen sehr viel eigene Milch habe reichen können. Seine Genitalien erwiesen sich als klein und welk; doch behauptete der Mujerado mit Stolz, bevor er Mujerado geworden, ein großes Glied und Hoden,,so groß wie Eier" besessen zu haben, was der alte Häuptling sofort bestätigte. Über den Befund war der Arzt dennoch überrascht, da er erwartet hatte, irgend eine Art Hermaphroditismus oder wenigstens Kryptorchismus vorzufinden. Ein zweiter Mujerado vom Dorfe Acoma, etwa 20 Meilen vom Dorf Laguna entfernt, im Alter von 36 bis 37 Jahren und seit 10 Jahren im Amt, trug ebenfalls Frauenkleidung, war aber in dieser Tracht von den wirklichen Weibern, mit denen er verkehrte, nicht zu unterscheiden und sah auch nackt mehr einem Weibe als einem Mann ähnlich; bei ihm bestanden die Hoden nur noch aus Bindegewebe. HAMMOND hat eine sehr eingehende Beschreibung dieser beiden Mujerado gegeben, da er von dem Wunsche geleitet wurde, möglichst viel Licht auf eine alte Sitte zu werfen, welche die aufmerksamste Beachtung nicht nur der Neurologen, sondern auch der Ethnologen wohl verdiene und zweifellos schon bald vor der vorrückenden Macht der Kulturvölker gänzlich verschwinden werde, wenn sie nicht schon verschwunden sei.252

Zu dieser Schilderung HAMMONDS macht der Arzt KIERNAN (Chicago) die treffende Bemerkung, daß der Einfluß alter religiöser Bräuche auch dann noch lange bestehen zu bleiben pflege, wenn die Grundlagen dafür längst verschwunden sind. Solche Bräuche tauchten in den Landsitzen alter römischer und griechischer Kolonien, in Frankreich, in Italien, in Deutschland, immer wieder auf. Der ZuñiMujerado sei daher weder ein Beweis für Unsittlichkeit noch ein solcher von Wahnsinn, wie er das bei der angelsächsischen Rasse freilich sein würde.253 Dieses Urteil KIERNANS läßt indessen vermuten, daß er die Bedeutung homoerotischer Veranlagung für das Zustandekommen religiöser Bräuche, wie des Mujerado, unterschätzt.

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Schon 1540 hat auf seiner Reise nach Cibola, deren Beschreibung erst 1838 veröffentlicht wurde, PEDRO DE CASTANEDA bei den Tahus in Culiacan gleichgeschlechtliche Gepflogenheiten beobachtet. Unter diesen mexikanischen Indianern gab es Männer in Frauentracht, die andern Männern als Geliebte dienten und sie sogar ehelichten. Die Tahus werden von DE CASTANEDA als der intelligenteste und,,gebildetste" Stamm dargestellt, den er auf seiner Reise angetroffen hat. Sie zeigten sich dem Christentum geneigt." Auch die,,ungebildeten" P acasas

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in Culiacan waren nach demselben Gewährmann dem,,wider

natürlichen Laster" sehr ergeben. 257 Nur für die Acaxas, bei denen der Geschlechtsakt an den Frauen in der Stellung der Haustiere öffentlich vollzogen wurde, gibt er Päderastie nicht ausdrücklich an, ohne indessen ihr Vorkommen in Abrede zu stellen. 258

Reichlich ein Jahrhundert nach DE CASTANEDA, 1645, sprach der Pater ANDRES PEREZ DE RIBAS in Hinsicht auf die Indianer von Sinalóa (Cinalóa), wahrscheinlich die Tubares, von jenem,,wegen seiner Unanständigkeit unnennbaren unflätigen Laster", das man zuweilen unter diesen Leuten antreffe. Aber weil es noch mehr als viehisch sei, da es bei den unvernünftigen Tieren sich nicht finde, sei es von diesen so verblendeten und dem Lichte der Vernunft so fernen Völkern doch für verächtlich und schändlich gehalten worden. Diese Bewertung habe besonders die passiv Beteiligten betroffen, welche leichter erkannt und von allen gering geachtet worden wären. Man habe sie mit Spitznamen benannt und mit Schimpfworten verspottet. Und sie hätten

weder Bogen noch Pfeil geführt, einige sogar sich wie Weiber gekleidet.259 Leider hat DE RIBAS diese Spitznamen für die Päderasten von Sinalóa uns vorenthalten.

Auch den Teguecos (Tehuecos) werden von DE RIBAS große,,Ausschweifungen" vorgeworfen. Es sei notwendig gewesen, sie einem wirklich apostolischen erfahrenen Geistlichen, dem Pater Pedro Mendez zu unterstellen, da bei ihnen mehr noch als bei anderen Stämmen Laster und heidnische wilde Bräuche in Übung gewesen seien, besonders aber Laster der Sinnenlust (sensuallidad), so daß es z. B. viele Männer gab, welche 3, 4 oder 5 Frauen besaßen, wobei es vorgekommen sei, daß die eine die Tochter der anderen und die dritte deren Schwester war. Diese Lasterhaftigkeit habe sich derartig der Rothäute bemächtigt, daß sehr zu befürchten sei, sie möchte ihrer Bekehrung und der Einführung der christlichen Religion unter ihnen im Wege stehen.26

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Die Pim a

BROWN hat ein älteres Festgepränge der Pima - und der Maricopa - Indianer geschildert, das Ernte- oder Getreide-Fest, von ihnen Pan-neech,,,wilder Zeitvertreib" geheißen. Es wurde bei diesen Stämmen 1906 nicht mehr gefeiert und es ist dem Gewährmann auch nicht bekannt, daß es in den 25 oder 30 vorhergehenden Jahren noch wäre gefeiert worden. Obwohl als ein Ernte fest bekannt, wurde es doch bei allen wichtigen Anlässen, also mehrmals im Jahre begangen. Irgend ein bemerkenswertes Ereignis im Leben des Stammes wurde allgemein so gefeiert eine reiche Ernte, ein erfolgreicher Raubzug gegen den Apachenstamm oder die Ausrottung einer der zahlreichen Banden räuberischer Indianer, die damals fast alle Teile des Landes heimsuchten. Was aber für ein Anlaß auch vorliegen mochte, der Festtag wurde die Losung zu einer Massenversammlung. Man sagte BROWN, daß einmal nicht weniger als 4000 Indianer Pima, Maricopa und Papago zusammengeströmt seien. Des Anlasses zu jener Festlichkeit kann sich BROWN aber nicht mehr entsinnen und seine Aufzeichnungen lassen ihn im Stich.

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