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Während der Geschichtschreiber mannmännlicher Gleichgeschlechtlichkeit unter den Naturvölkern in der Literatur ein Material vorfindet, dessen Bewältigung nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten möglich ist und das nur deshalb noch vielfach lückenhaft bleibt, weil der Gegenstand als solcher viele seiner Erforscher von der doch so notwendigen Mitteilung eingehendster Beobachtungen unberechtigterweise abschreckt oder sie veranlaßt, aus konventionellen Rücksichten sich mit den oberflächlichsten Hinweisen zu bescheiden, fällt das Ergebnis der Sammlung von Tatsachen über den Tribadismus bei Naturvölkern verhältnismäßig recht dürftig

aus.

Die Erklärung dieser Verschiedenheit liegt wesentlich in den so verschiedenartigen Aufgaben begründet, welche den beiden Geschlechtern durch ihre Geschlechtsnatur gestellt sind. Der Mann, auch der gleichgeschlechtlich veranlagte, wird überall stärker in den Vordergrund der Ereignisse gedrängt und führt, von der Familie losgerissen, ein mehr öffentliches, den höheren Interessen der Gemeinschaft zugewendetes Leben. Das Weib hingegen ist genötigt, seine ganze Aufmerksamkeit vorwiegend den kleinen und kleinsten, einem kurzsichtigen Manne deshalb leicht herzlich unwichtig oder gar verächtlich erscheinenden Dingen des Alltags zuzuwenden und wird so in den Hintergrund der Ereignisse geschoben. Der Mann schafft für die sich gebieterisch geltend machenden Bedürfnisse seiner Zeit und seiner Generation; das Weib lebt besonders in seinem Beruf als Mutter still und ohne viel Aufhebens vorwiegend einer erst entstehenden Generation. Wird der junge Mann nach der Jünglingsweihe in die Gesellschaft der Männer aufgenommen, sei es in einem Männerhause, sei es in Männerbünden, so gehört er damit als ein bereits mit bestimmten Pflichten behafteter verantwortlicher Teil dem Gemeinwesen an, um später nach

genügender Vorbereitung als Krieger, als Priester, als Arzt oder in einem andern Berufe selbständig zu wirken; und alle diese Berufe weisen Gleichgeschlechtliche in größerer oder geringerer Anzahl auf. Das junge Weib hingegen wird gedrängt, nach dem formalen Abschluß seiner eigenen Kinderjahre durch die Mädchenweihe, den Mittelpunkt eines neu zu gründenden Familienlebens zu bilden und seine Haupttätigkeit der sprossenden Nachkommenschaft des Mannes zuzuwenden. Wenn sich aber das tribadisch veranlagte Weib seiner Natur folgend den Pflichten der gemischten Ehe entzieht, pflegt es doch weit weniger als der Mann dem Gemeinwesen seine Dienste zu widmen und öffentlich hervorzutreten, pflegt vielmehr auch dann ein Leben in Zurückgezogenheit zu führen. Erst wenn es aus seiner angestammten Verborgenheit heraustritt, wenn es mit den Männern auf die Jagd geht oder gar an den Unabhängigkeitkämpfen der Männer seines Stammes sich beteiligt, dann erst erregt es öffentliche Aufmerksamkeit, gibt damit Anlaß, sich mit ihm zu beschäftigen und gibt sein Privatleben der Kritik preis. Die Geschichte der Heldenweiber, der Amazonen, ist mit der Geschichte der Tribadie aufs innigste verquickt. Bei der Unbestimmtheit der meisten Angaben bleibt es jedoch schwer festzustellen, wo die Grenze zwischen reiner weiblicher Heldenhaftigkeit und Tribadentum zu ziehen wäre. Braucht es sich doch nicht einmal stets um Weiber zu handeln, wenn von Amazonen die Rede ist, da auch weiblich geartete Männer (Weibmänner), ja sogar weiblich erscheinende Männer für Amazonen gehalten worden sind (sieh Seite 305 und 435 dieser Schrift unter WALLACE sowie Seite 440 unter LANGMANTEL). Indessen dürften in der Regel wirkliche Mannweiber zu den Geschichten oder Sagen von Amazonen den Anlaß gegeben haben und die Amazonensagen sind daher von größter Wichtigkeit für die Erforschung des Tribadismus der Völker. Völker. Unter den Naturvölkern werden Amazonensagen von den Malaien der Halbinsel Malakka gemeldet (sieh Seite 488 dieses Buches). Von Amazonen ist die Geschichte gewisser Negerrassen voll*) und der Zusammenhang des

*) So schildert READE (363—364) das Leben eines westafrikanischen ,,weiblichen Napoleon", der Congo-Negerin Shinga, die 1640 Königin

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Amazonentums mit Tribadismus ist nach vorliegenden Andeutungen in vielen Fällen auch unzweifelhaft.

Bei einem neueren Schriftsteller kommen die Amazonen sehr schlecht weg, mögen sie nun,,sportliebend ihr Vergnügen im Rosselenken finden, Wettrennen und Jagden beiwohnen, schwierige Bergbesteigungen unternehmen, gefahrvolle Weltreisen machen, am Roulette- und Pharaotische auf Gewinne warten, sich in öffentlicher wenn auch wohltätiger Weise betätigen, Wissenschaften oder Künsten sich hingeben, als Ärzte, Advokaten oder selbständige Geschäftsleiter irgend welcher Art sich hervortun" immer sind die Mannweiber, Viragines, gleich den effeminierten Männern, den Weibmännern, nach Ansicht des Physiologen RUDOLF ARNDT,,entartete Geschöpfe". In der Regel ganz kinderlos gäben sie höchstens wenigen, in langen Zwischenräumen geborenen und gewöhnlich miẞratenen Kindern das Leben. Die scharf beobachtenden Griechen hätten bereits richtig erkannt, daß männlich sich verhaltende Weiber keine Kinder haben könnten und hätten deshalb gewisse ihrer weiblichen Göttinnen, die Jägerin Di a na und die Strategin Pallas Athene, in ihren Bildwerken stark männlich geformt, die Diana von Versailles†) lege das ganz besonders an den Tag.1 Alle sogenannten großen Frauen seien durch Verlust ihrer Weiblichkeit ,,entartete Frauen" gewesen, gleichviel ob sie Hatschiput, Semiramis, Elisabeth oder Katharina hießen. Obwohl unfruchtbar seien sie doch keineswegs immer begattungunfähig. Im Gegenteil! Viele begatteten sich fleißig. Allein das geschehe mit ganz anderen Gefühlen als bei der

wurde, nach drei Schlachten ihr Reich an die Portugiesen verlor, es aber 1646 zurückeroberte; derselbe Gewährmann schildert ferner (364-368) das Leben der Amazone Te m bandum ba, einer Königstochter und Königin der Jagas (Congo-Neger).

†) Diana ist der römische Name der g riechischen Artemis. Als kämpfende Göttin wurde sie von den Bildhauern gern so dargestellt, daß sie dem Köcher den Pfeil entnimmt, wie bei der Diana von Versailles. Diese stellt einen weiblichen Apollo dar von sehr schlanker und zierlicher, aber kräftig gebauter Figur mit Brust und Hüften ohne weibliche Fülle. Gleich Apollo wurde Artemis als unvermählt gedacht.

großen Menge. Es sei mehr Brunst und die Begierde sie zu löschen, was sie zur Begattung veranlasse. Von wechselseitiger Zuneigung oder gar von Liebe pflege bei ihnen nicht viel vorhanden zu sein; an Nachkommenschaft liege ihnen nichts; sie verhielten sich wie schlechtbrütende Tauben oder Hühner und seien einer Moral insanity verfallen. Aber gleich den Weibmännern seien sie vielfach feine Menschen von gewandten und einnehmenden Formen, wandelten auf der Höhe des Lebens und blickten auf die Menge und ihre natürlichen Sitten mit Verachtung herab. Und da sie von einer Neigung oder Liebe zum andern Geschlecht nichts in sich verspürten, sei es ihnen sehr häufig auch,,durchaus gleichgültig", auf welche Weise die Beschwichtigung ihrer Brunst erfolge. So komme es leicht ,,bei und von ihnen zu den sogenannten unnatürlichen Vornahmen und Handlungen in geschlechtlicher Beziehung, zu den entsprechenden allgemein bekannten Lastern oder gar Verbrechen". Sie seien anders als die gewöhnlichen Menschen geartet, seien,,entartet" und müßten deshalb auch als ,,Entartete" betrachtet werden. Das hauptsächlichste stigma degenerationis sei ihr vom Gewöhnlichen abweichendes, wenn auch für ihre Sonderveranlagung unzweifelhaft natürliches Verhalten, ein funktionelles (physiologisches) Stigma, das jedoch in innigem Zusammenhang mit den angegebenen morphologischen und anatomischen gleichartigen Stigmaten stehe und aus der gleichen Quelle sowohl seinen Ursprung habe, als auch seine Nahrung und seinen Unterhalt beziehe. Zwar verhalte sich ein männlich geartetes Weib nicht immer dem andern Geschlecht gegenüber kalt und abwehrend, noch zeige es stets Neigung zum gleichen Geschlecht oder nehme diesem gegenüber gar die Haltung des andern Geschlechts an; aber die ,,entartete Frau" sei oft ein Mannweib und ein Mannweib stets ein,,entartetes Weib". Es könne Kraft, Geist, Witz, Lebensklugheit besitzen, sich durch Ausdauer, Geschick auszeichnen, ein echtes Weib aber sei es nicht. Die,,Entartung" könne so groß werden, daß wie der Mann sich als Weib fühle so auch das Weib sich als Mann fühle, doch komme dieser Fall ungleich seltener vor.3 Die Amazone als ,,entartetes Weib" erklären und ihr damit die Existenzberechtigung absprechen ändert indessen nichts an

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