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in Übereinstimmung mit der größeren Reizbarkeit des weiblichen Organismus gegenüber schwächeren Eindrücken und dessen geringerer Geneigtheit zu eingreifender Veränderung. Obwohl nach all dem tribadisches Wesen schwerer als päderastisches zur Beobachtung gelange, sei solches doch bei niederen Rassen ebensogut erwähnt worden als päderastisches. Tribaden unter Naturvölkern seien bekannt von Neu-Seeland angeblich nach MOERENHOUT, unter Brasilianern nach GANDAVO, unter Negerinnen und Mulattinnen in Französisch-Guiana nach CORRE. Dr. HOLDER, der Entdecker des päderastischen Bote der Krähen-Indianer, habe ihm mitgeteilt, dem Bote analogen Phänomenen unter den weiblichen Rothäuten nicht begegnet zu sein.52

Recht befremdend mutet es an, zu finden, daß V. JAEKEL 1901 in seinen ,,Studien zur vergleichenden Völkerkunde mit besonderer Berücksichtigung des Frauenlebens" von Tribadie nichts mitteilt, während er doch nicht unterlassen hat, weiblich gekleideter Priester und an Päderastie erinnernder Männerverbrüderungen gelegentlich mehrfach Erwähnung zu tun.53 Und noch seltsamer berührt es, in dem zweibändigen neuesten Werke über das Weib von ALBERT FRIEDENTHAL,,Das Weib im Leben der Völker" (1910) zwar in der Einleitung (Seite XXX) die Erklärung zu finden:,,Unter Tribadie oder lesbischer Liebe versteht man den homosexuellen Verkehr der Frauen", dann aber weiterhin, außer der Masturbation bei der Hottentottin, über Tribadie auch nicht der leisesten Andeutung zu begegnen, dagegen mehrfach auf als,,entsetzliche sodomitische Ausschweifungen“ bezeichnete päderastische Vorgänge bei den Naturvölkern zu stoßen, wie bei der Schilderung der MarshallInsulaner, der westlichen Eskimo, der Aleuten und der Algonkin.54

R. VON KRAFFT-EBING bediente sich bei Behandlung des Tribadismus in seiner ,,Psychopathia sexualis" des lateinischen Terminus Virago für das mannartige, amazonen- oder heldenhafte Weib überhaupt mit Einschluß der Tribade und des Terminus Viraginität für die,,konträrsexuelle" Erscheinung beim Weibe.55 Außerordentlich eingehende und

äußerst wertvolle Studien über weibweibliches GeschlechtsKarsch Haack, Das gleichgeschlechtliche Leben der Naturvölker.

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empfinden veröffentlichte in seinem Werke,,Die konträre Sexualempfindung" ALBERT MOLL56 (auf den M. PLATEN in seinem,,Supplement zur Neuen Heilmethode" sich vielfach beruft). Aber keiner dieser beiden Ärzte berücksichtigte die von den Naturvölkern bereits längst bekannten tribadischen Tatsachen. Oberflächlich behandelte dagegen diese der französische Arzt JACOBUS X... (Army Surgeon bei MAX BARTELS). Die Negerin freilich möchte er am liebsten von dem Vorwurf lesbischer Triebe ganz befreien, muß aber wenigstens ihr Vorkommen bei der Negerin in den französischen Kolonien Westindiens auf CORRES Autorität hin zugestehen. Er behandelt ferner den Tribadismus der Balier nach JACOBS und den der Viscayer nach BLUMENTRITT. Eigene Studien betreffen das lesbische Liebeleben der Tahitierin.57

In jüngster Zeit haben WESTERMARCK und STOLL dem Gegenstand ihre besondere Aufmerksamkeit geschenkt und beachtenswerte Gesichtspunkte besonders hervorgehoben.

EDWARD WESTERMARCK führte als Belege für den Tribadismus bei Naturvölkern in seinem Werke über den ,,Ursprung und die Entwicklung der Moralbegriffe" an: Die Hottentottinnen und Hererofrauen nach FRITSCH, die SuaheliWeiber nach OSKAR BAUMANN, die Balierinnen nach JUL. JACOBS, die östlichen Eskimofrauen nach DALL und brasilianische Indianerinnen nach DE GANDAVO.58 Er meint, der Umstand, daß von männlicher ,,Homosexualität" weit mehr bekannt sei als von weiblicher, beweise keineswegs die geringere Häufigkeit der weiblichen. Aus verschiedenen Gründen erregten die geschlechtlichen Abnormitäten der Frauenwelt weit weniger Aufmerksamkeit als die der Männerwelt und die öffentliche Sittlichkeit habe sich deshalb zumeist nicht sonderlich um sie gekümmert.59

OTTO STOLL machte in seinem Werke,,Das Geschlechtsleben in der Völkerpsychologie" von 1908 aus dem Bereiche der Naturvölker Mitteilung über Sansibar-Tribaden nach BAUMANN, über Tribaden der Ova-Herero nach FRITSCH, über Tribaden von Atjeh und Bali nach JACOBS und über tribadische Kamtschadalinnen nach STELLER. Den aktiven Tribadismus der Sansibar-Weiber hält er für angeboren, den

passiven für meist ,,erworben". Von Tribadismus bei Indianerinnen ist ihm nichts bekannt geworden; daß er aber unter den Rothäuten nicht fehle, bewiesen die Nahuatl-Worte nepachauilitztli für Tribadie und patlachuia für tribadisch verkehren nach DE MOLINA.60 STOLL gibt der Ansicht Ausdruck, die anatomischen Verhältnisse seien dem tribadischen Liebeverkehr von vornherein nicht günstig. Vom ethnischen Standpunkt aus gestalte sich die Sachlage hier wesentlich einfacher als beim päderastischen Verkehr, indem einerseits Beziehungen zu kultischen Vorstellungen und Handlungen für den Verkehr der Frauen in Wegfall kämen *) und andererseits das Strafrecht dieser,,Spezialität“ nur nebensächlich oder an manchen Orten gar nicht gedenke, wohl deswegen, weil man früher über den Umfang, in welchem Tribadie betrieben wird, keine genügenden Vorstellungen gehabt habe und weil dieser Verkehr sich seiner Natur nach ganz im Verborgenen und unter dem Siegel des tiefsten Geheimnisses für die Teilnehmerinnen abspiele.

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Im folgenden findet sich nun alles dem Verfasser dieses Werkes bekannt gewordene Material über Tribadie bei Naturvölkern genau in der gleichen Anordnung wie der päderastische Stoff zusammengestellt.

*) Über die Irrigkeit dieser Ansicht sieh Seite 491 dieses Werkes im Abschnitt von den Baliern.

I.

Die negerartigen (negroïden) Naturvölker

A. Die Austronesier (Australier)

Über Triba die bei den Australiern scheint nichts berichtet worden zu sein.

B. Die Melanesier

1. Die Papúa

SELIGMANN hat 1902 ein mannartiges papuanisches Weib aus Bulaa (Britisch Neu-Guinea) beschrieben. Hiro, ein Weib von 30 Jahren, war die Tochter eines der einflußreichsten Männer im Stamme. Sie war höher gewachsen und weniger rund als das normale durchschnittliche Bulaa-Weib. Die Haut über ihren Brüsten war etwas faltig, aber die Drüsen selbst anscheinend normal entwickelt. Ihre Lenden und Hinterbacken zeigten sich in der beim Bulaa-Weibe üblichen Weise tatauiert und ihre Genitalien wurden als normal, der Schamberg als behaart befunden. Als kleines Mädchen hatte es vorgezogen, mit Knabenspielen seine Zeit auszufüllen und spielte seine Rolle nach allgemeinem Urteil bemerkenswert gut. Als das Mädchen älter wurde, zog es immer noch Knaben als Gefährten vor und mied sein eigenes Geschlecht. Lange Zeit verweigerte es aufs entschiedenste die Anlegung des gewöhnlichen Mädchen-Unterrocks und zur Pubertätzeit konnte es nur durch ernstgemeinte Drohungen dazu gebracht werden. In den beiden folgenden Jahren fiel sein Benehmen nicht weiter auf. Die Menstruation war weder unregelmäßig, noch

dürftig, vielmehr durchaus normal. Mit 16 Jahren abortierte es. Seitdem lebte es mit seiner Mutter zusammen und wies wenigstens drei Heiratanträge zurück. Soweit es sich feststellen ließ, hat das Mädchen nie einen Liebhaber aus seinem eigenen Geschlecht gehabt und seit seiner Fehlgeburt ein einsames Leben geführt oder wenigstens niemals in eine Liebschaft von so langer Dauer sich eingelassen, daß es öffentliche Aufmerksamkeit erregte. Es soll intelligenter gewesen sein als das Durchschnittsweib und nach Männerart Lasten auf seinen Schultern, statt an einem um die Stirn geschlungenen Bande, wie andere Frauen es tun, getragen haben. Im Garten benutzte es den schweren Grabstock (Kai) zur Umwendung des Bodens, was eigentliche Männerarbeit ist, während die Frau gewöhnlich nur jätet, pflanzt und Yams gräbt. 62

SELIGMANN erwähnt noch einen zweiten,,hermaphroditischen" Fall vom Hörensagen aus derselben Gegend, der zwei Generationen zurückdatierte, aber bei den Stammesgenossen unvergessen geblieben war und von ihnen richtig gewürdigt wurde. Die Person war für ein Weib gehalten worden, soll aber Penis (eine starke Klitoris?) und Vagina gehabt haben; ob allerdings auch Hoden war zweifelhaft. Sie menstruierte und urinierte angeblich durch die Scheide. Ihre Brüste waren klein. Sie trug einen,,umgestalteten Unterrock", der vorn und hinten aus einer kurzen Quaste bestand, und verbrachte den größten Teil ihrer Zeit unter den Männern des Stammes, mit denen sie an allen Jagdzügen und Kämpfen teilnahm.6 Von ihrer geschlechtlichen Triebrichtung wird zwar nichts gemeldet; da aber der Gewährmann den Fall in einer Arbeit über,,Geschlechtliche Inversion bei primitiven Rassen" zur Sprache bringt, hat er offenbar die Meinung gehabt, daß der Fall als ein gleichgeschlechtlicher aufgefaßt werden müsse.

2. Die Kanaken

Die Eingeborenen des Bismarck-Archipels Bei den Ta mi-Insulanern auf der Insel Tamiongedu zwischen Neu-Guinea und Neu-Pommern an der Ostküste

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