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einer scharfsinnigen Kritik. Bergaigne 71) will in seiner Arbeit über den Conjunctiv und Optativ nach eingehender Kritik seiner Vorgänger einen nominalen Ursprung dieser Modi erweisen. Mit den von ihm angenommenen, wohl einigermassen hypothetischen Verbalstämmen auf đi hat Bezzenberger 72) einige vedische Formen kühn combinirt. Faust's 73) Versuch, gewisse lautliche Unregelmässigkeiten bei der Augmentbildung zu erklären, muss leider als verfehlt bezeichnet werden. Grassmann's 74) Aufsatz über den Ursprung der indogermanischen Präpositionen, die letzte Arbeit des verdienten Gelehrten, wird nur Wenige zu überzeugen vermögen.

Holzweissig's 75) Arbeit über die localistische Casustheorie hätte als eine zusammenfassende Darstellung für ferner Stehende verdienstlich sein können, wenn sich der Verfasser von der Einmischung gewagter Hypothesen fern gehalten hätte. Sehr mit Recht hat Bréal 16) darauf hingewiesen, dass wie in den finnischen, so auch in den indogermanischen Sprachen einst eine grössere Anzahl von Casus vorhanden gewesen sein könne. Die einen groben syntaktischen Fehler involvirende, aber durchaus begreifliche Verwendung erstarrter Nominative in Composition u. s. w. suchte Brugman 77) auf das richtige Mass zurückzuführen. Eine vortreffliche Arbeit ist endlich Bergaigne's 78) essai über die historische Entwickelung der Wortstellung in den älteren indogermanischen Sprachen.

Schliesslich gedenken wir noch der fremden Elemente im indogermanischen Wortschatz. Ueber semitische Lehnworte im

71) De conjunctivi et optativi in indoeuropæis linguis informatione et vi antiquissima facultati litterarum Parisiensi thesim proponebat Abel Bergaigne. Lutetiæ Parisiorum (Vieweg) 1877. 135 pp. 8. 4 fr.

72) Adalbert Bezzenberger. Ved, açarait, ásaparyait, lit. buwai: Beiträge z. Kunde d. indogerm. Spr. II, p. 158-160.

73) Zur indogermanischen Augmentbildung. von Adolf Faust. Strassburg (Trübner) 1877.

Inaugural - Dissertation
42 PP. 8. 1 M.

74) H. Grassmann. Ursprung der Präpositionen im Indogermanischen : Ztschr. f. vgl. Sprachf. XXIII, p. 559-579.

75) Dr. Fr. Holzweissig. Wahrheit und Irrthum der localistischen Casustheorie. Ein Beitrag zur rationellen Behandlung der griechischen und lateinischen Casussyntax auf Grund der sicheren Ergebnisse der vergleichenden Sprachforschung. Leipzig (Teubner) 1877. III, 88 pp. 8. 1,80 M.

rec. von

J. Jolly in JLZ. 1877, Art. 735; von Brugman in LC. 1878, Sp. 89 (vgl. ebd. Sp. 235).

76) Michel Bréal. Sur le nombre de cas de la déclinaison indo-européenne: Mémoires de la Soc. de Linguist. III, p. 322-324.

77) Erstarrte Nominative.

lat. Gramm. IX, p. 257–271.

Von Karl Brugman: Studien z. griech. u.

78) Abel Bergaigne. Essai sur la construction grammaticale considérée dans son développement historique: Mémoires de la Soc. de Linguist. III, p. 1-51. 124-154. 169-186.

älteren Griechisch handelte A. Müller 79) mit nüchterner Besonnenheit. Die orientalischen Elemente des Französischen hat Devic 80) fleissig zusammengestellt. Auch Pott's und Gildemeister's 81) Ausführungen über Chemie und Alchymie, sowie Himly's 82) Notiz über einige neugriechische Ausdrücke müssen in diesem Zusammenhange erwähnt werden.

Zur vergleichenden Grammatik der semitischen Sprachen sind nur ein kleiner Beitrag Guidi's) und zwei Recensionen Philippi's84)

zu verzeichnen.

79) August Müller. Semitische Lehnworte im älteren Griechisch: Beitr. z. Kunde d. indogerm. Spr. I, p. 273-301.

80) Dictionnaire étymologique des mots français d'origine orientale (arabe, persan, turc, hébreu, malais), par L. Marcel Devic. Paris (Hachette) 1876. XVI, 279 pp. 8. 10 fr. rec. von Lucien Gautier in RC. 1877, Art. 238; vgl. auch E. Renan in JA. VII, 10, p. 57.

81) Chemie oder Chymie? Von A. F. Pott: ZDMG. XXX, p. 6-20. Alchymie. Von J. Gildemeister: ebd. p. 534-538. 82) Ueber einige neugriechische Ausdrücke.

XXXI, p. 153-155.

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Von K. Himly: ZDMG.

83) Ignazio Guidi. Filologia e glottologia semitica. I.

77 nai pas.

II. Delle radici na, ta (an, at), in forme verbali delle lingue semitiche. III. Sull' origine delle masore semitiche: BISO. I, p. 422-434.

84) ZDMG. XXX, p. 366-389.

Zur vergleichenden Literaturgeschichte.

Von

E. Kuhn.

Die historisch-vergleichende Behandlung der kleineren Literaturstoffe, der modernen Mythologie, des Aberglaubens u. s. w., welche ja so vielfach auf orientalische Gebiete hinüberschweift, ist durch eine Menge einzelner Beiträge gefördert worden, deren einige im Folgenden verzeichnet werden sollen.

Mancherlei hierher Gehöriges enthält vor Allem die leider wieder eingegangene Zeitschrift Mélusine 1), welche ein gediegenes Centralorgan dieser Forschungen zu werden versprach. Ueber eine in Ungarn erscheinende Zeitschrift für vergleichende Literaturwissenschaft 2) lagen uns ausser einem bei der Zigeunerliteratur zu erwähnenden Separatabdruck nur beiläufige Mittheilungen vor. Die neue Auflage von Garcin de Tassy's 3) Allégories gab Liebrecht zu längerer vergleichender Besprechung Anlass. Stoffe, die schon dem classischen Alterthum bekannt waren, behandelten Grisebach) in der dritten Auflage der treulosen Witwe", mit einem gewissen äusserlichen Geschick, aber ohne wissenschaftliche Gründlichkeit, und Bacher 5), der in einer kurzen Notiz auf eine

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1) Mélusine. Revue de mythologie, littérature populaire, traditions et usages, dirigée par H. Gaidoz et E. Rolland. Première année. Paris (Viaut) 1877. 4. 15 fr., ausserhalb Frankreichs 16 fr. Abonnementspreis. rec. von R. Köhler in JLZ. 1877, Art. 236.

2) Összehasonlító Irodalomtörténelmi Lapok. Zeitschrift für vergleichende Litteratur. Hrsg. von Dr. Samuel Brassar und Dr. Hugo v. Meltzl. Kolosvar [Klausenburg] 1877. Vgl. TR. XI, p. 49. Ausland 2. Juli 1877, p. 540. 3) Garcin de Tassy. Allégories, récits poétiques et chants populaires, traduits de l'arabe, du persan, de l'hindoustani et du turc. Seconde édition. Paris (Leroux) 1876.

640 pp. 8. 12 fr. Vgl. Zur orientalischen Litteratur.

Von Felix Liebrecht: Archiv f. Litteraturgesch. VI, p. 583-608.

4) Eduard Grisebach. Die treulose Witwe, eine chinesische Novelle und ihre Wanderung durch die Weltliteratur. Dritte Auflage. Stuttgart (Kröner) 1877. 128 pp. 8. 3 M. rec. von Erwin Rohde in JLZ. 1877, Art. 408;

in RC. 1877, Art. 101.

5) Der Miles gloriosus des Plautus in 1001 Nacht. Von Dr. Wilh. Bacher: ZDMG. XXX, p. 141-143.

orientalische Parallele zum Miles gloriosus aufmerksam machte. Eine englische Uebersetzung der Occidentalisches und Orientalisches in bunter Mischung enthaltenden Gesta Romanorum 6) darf wegen einer Sanskrit-Parallelen beibringenden Recension Tawney's nicht übergangen werden. Der syrische Text von Kalîlag und Damnag) wird bei der aramäischen Literatur des Genaueren zu erwähnen sein. Ein altrussischer Text des Erepaviτns xai Στεφανίτης 'Tyvnλárns 8) ist nebst einer literarhistorischen Einleitung Bulgakov's und anderen Beigaben durch eine russische Gesellschaft veröffentlicht worden. Zur Literatur der Vetâlapañcavimçati und der malaiischen Bearbeitungen von Pañcatantra und Çukasaptati gehört Teza's 9) Brief an R. Köhler. Die im Kâraṇḍavyûha erzählte Höllenfahrt des Avalokiteçvara Bodhisattva hat Cowell 10) mit einem ähnlichen Berichte des Evangelium Nicodemi von Christi Höllenfahrt passend zusammengestellt. Veselovskij, der auch dem Barlaam und Joasaph 11) seine Aufmerksamkeit zuwandte, hat ein interessantes, orientalische, namentlich iranische Elemente enthaltendes Denkmal byzantinisch-slavischer Literatur 12) in Uebersetzung mitgetheilt und seine einzelnen Bestandtheile kritisch erörtert. An denselben europäischen Literaturkreis schliesst sich eine von Blau früher (ZDMG. XXVIII, p. 569-570) im Original mitgetheilte türkische Parabel, deren gleichfalls von Blau herrührende Uebersetzung jetzt R. Köhler 13) bekannt gemacht hat. Eine altfranzösische Parallele zu einer ZDMG. XVI, p. 527 mitgetheilten persischen Sage hat Liebrecht 14) besprochen und auf eine schon von

6) Gesta Romanorum, or entertaining moral stories, translated from the Latin, with preliminary observations and copious notes, by the Rev. Charles Swan, and revised and corrected by Wynard Hooper. London (George Bell and Sons) 1877. rec. von C. H. Tawney in IAnt. VII (1878), p. 31—32.

7) Vgl. Heft II, p. 99, No. 26.

8) Stefanit i Ichnilat. Sanktpeterburg 1877. 67, 117 pp. 8. (No. 16 der Publicationen des Obščestvo ljubitelej drevnej pisimennosti [der Gesellschaft der Freunde des alten Schriftthums].)

9) Emilio Teza. Lettera al Dr. R. Köhler: BISO. I, p. 322-331. 10) E. B. Cowell. The Northern Buddhist legend of Avalokites 'wara's descent into the hell Avichi: Journal of Philology VI, p. 222-231. ·

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11) A. N. Veselovskij. Vizantijskija pověsti i Barlaam i Joasaf [Byzantinische Erzählungen und Barlaam und Joasaph]: Zurnal Ministerstva Narodnago Prosvěščenija [Journal des Ministeriums für Volksaufklärung]. Čast CXCII. St. Peterburg 1877, p. 122-159.

12) A. Wesselofsky. Die Såge vom babylonischen Reich. Ein Bruchstück des byzantinischen Epos in russischer Uebersetzung: Archiv f. slav. Phil. II, p. 129-143. 308-333.

13) R. Köhler. Eine türkische Version der Condemnatio uvae: Archiv f. slav. Phil. II, p. 192-194. Vgl. Reinhold Köhler. Zu O. Blau's Griechisch-türkischen Sprach-Proben aus Mariupoler Handschriften (ZDMG. XXVIII, 562 ff): ZDMG. XXXI, p. 550 (s. a. p. 796).

14) F. Liebrecht. Zu Marie de France: Zeitschr. f. roman. Phil. I, p. 90-91.

Jahresbericht 1876-1877. Heft 1.

3

Jakob Grimm (vgl. A. Kuhn in Zeitschr. f. vgl. Sprachf. XVII, p. 77) beachtete persische Version des „Traums vom Schatz auf der Brücke" Cowell 15) von Neuem aufmerksam gemacht.

Zur vergleichenden Behandlung der Märchenstoffe nennen wir zunächst eine Notiz Veselovsky's 16), in der eine russische Parallele zu einem Märchen des Tuti Nameh, der Tausendundeinenacht, des Kathâsaritsagara und des Jâtakabuches besprochen ist, die von slavischen Märchen ausgehenden Erörterungen von Karlowicz 17) und R. Köhler 18) und des letzteren Anzeige der zweiten Auflage von Haltrich's siebenbürgischen Märchen 19) nebst einer beiläufigen Notiz zu dem Märchen von der Thiersprache 20). Die centralasiatische Version eines weit verbreiteten Märchens veröffentlichte in Original und Uebersetzung Shaw 21) in seiner später nochmals zu erwähnenden Arbeit über die Ghalchah-Dialekte. Ueber die sehr berechtigten Zweifel eines Herrn Emmanuel Losquin an sogenannten „arischen“ Märchen hat das Ausland 22) Einiges mitgetheilt.

Den Zusammenhang zwischen Eulenspiegel, Aesop, Loqman und Ravendi fasst Landsberger 23) in's Auge und den nur noch lose mit dem Orient verknüpften ewigen Juden bespricht Schoebel 24) in längerer, sachlich wenig befriedigender Auseinandersetzung.

Auf dem Gebiete der geographischen Mythen fährt Zarncke 25) fort, die Quellen über den Priester Johannes kritisch zu sichten. Zwei Sagen Herodot's (III, 102-105. IV, 7) über den fernen

15) E. B. Cowell. The legend of the Chapman of Swaffham Church: Journal of Philology VI, p. 189-195.

16) A. N. Veselovskij. Istorikoliteraturnyja zametki [Literaturhistorische Notizen: Filologičeskija zapiski [Philologische Memoiren]. Voronež 1876, Heft 6, p. 1-12.

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Vgl. Archiv f. slav. Phil. II, p. 406–407. 17) Jean Karlowicz. La belle Mélusine et la reine Vanda: Archiv f. slav. Phil. II, p. 594-609.

18) V. Jagić und R. Köhler. Aus dem südslavischen Märchenschatz: Archiv f. slav. Phil. II, p. 614-641.

19) JLZ. 1877, Art. 560.

20) Zeitschr. f. deutsch. Alterth. XXI, p. 144.

21) JASB. Vol. XLVI, Part I, No. II.

1877. Vgl. unten p. 81, No. 53.

22) M. L. Märchentheorien: Das Ausland 5. Februar 1877, p. 113–115. 23) Volksfiguren von Dr. Julius Landsberger: Beilage zur AAZ. 30. Sept. 1877, p. 4106-4108.

24) Charles Schoebel.

La légende du Juif-Errant: Rev. de Linguist. IX, Auch im Separatabdruck. Paris (Maisonneuve) Danach: Der ewige Jude: Das Ausland 20. August 1877,

p. 307-344. X, p. 3—33. 1877. 83 pp. 8.

p. 679-680.

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25) Der Priester Johannes, zweite Abhandlung, enthaltend Capitel IV, V und VI, von Friedrich Zarncke. Des VIII Bandes der Abhandlungen der philologisch-historischen Classe der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften Nr. I. Leipzig (Hirzel) 1876. Steinmeyer in Anz. f. deutsch. Alterth. III, p. 165.

186 pp.

8. 8 M.

rec. von

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