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wie both their lives für the lives of them both (s. 134) sind allerdings jetzt wenig üblich, doch kommen sie in der modernen litteratur noch vor (bei Thackeray, Browning), s. Jespersen, Progr. Lang. s. 288. Together (s. 183 f.) zur bezeichnung eines reciproken verhältnisses ist noch nach der 1. hälfte des 16. jahrhunderts im gebrauch, es kommt öfters bei Shakesp. vor, s. A. Schmidt, Sh.-L. s. 1241. Das reciproke pronomen ist zwar sehr eingehend behandelt, doch scheint mir die entstehung der form one another noch nicht genügend aufgehellt. Das nichtvorkommen von one other (s. 183) 'ohne jeden artikel' möchte ich als ein bemerkenswerthes moment ansehen. Man darf diese form nach der betonung von each other (they loved each other) auch nicht wohl erwarten. Sollte nicht (they loved) an other die ursprüngliche form sein? An wäre dann die schwachtonige form zu one. Um missverständnisse zu vermeiden, könnte später one zugefügt worden und so one another entstanden sein. Dies ist nur eine vermuthung. Die erklärung von Abbott § 88, welcher von one other ausgeht, genügt jedenfalls nicht. This many a day (s. 199 f.) verzeichnet bereits A. Schmidt, Sh.-L. s. 691: Good my lord, (How does your honour for this many a day? (Ham. III, 91 VII. 475 (Cam. Ed.)). Many a day hat hier die bedeutung von long time, also this long time; es liegt kein grund vor anzunehmen, dass der ausdruck nach this many a hundred year gebildet ist. In 220 (s. 215) hätte ausdrücklich bemerkt werden

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müssen, dass 'what im sinne von how' bei call noch neuenglisch ist: what do you call this? 'Wie nennt man dies?', sonst kann man auf die idee kommen, dass hier eine eigenthümlichkeit der älteren sprache verzeichnet werden soll. Whether (s. 217) stirbt nicht im 17. jahrhundert aus, wie ich selbst früher glaubte, sondern findet zur einleitung von doppelfragen noch hie und da verwendung in der modernen litteratur, vgl. hierüber C. Stoffel, Studies in English s. 107 ff. Betreffs der beziehung von their, they auf ein subject, wie every man, each one, either of them (s. 293 f.) ist auf Mätzner, Gram. II. 149 f. verwiesen, doch die hier gegebene erklärung reicht nicht für alle fälle aus. Der plural their, they wird mit deshalb gebraucht, weil diese formen ungeschlechtig sind; ihre verwendung empfiehlt sich vor allem dann, wenn eine mehrheit aus geschlechtsverschiedenen individuen besteht, s. H. Bradley, Oxf. Dict. unter every s. 344. An druckversehen sind mir nur einige kleinigkeiten aufgefallen: doch für noch s. 29; also hart für als hart s. 53 z. 5 von unten; im wortregister s. 306 stimmt der verweis: it 226 anm. nicht; Abbott wird stets mit einem t geschrieben.

Nach einer eingehenden lectüre des gehaltvollen buches ist es mir ein unabweisbares bedürfniss und zugleich eine angenehme pflicht, dasselbe den fachgenossen angelegentlichst zu empfehlen; es bedeutet eine wesentliche förderung unserer kenntniss der entwicklungsgeschichte des pronomens, sowie der syntax des älteren Neuenglisch überhaupt.

Tübingen, März 1898.

W. Franz.

Hermann Conrad, Shakspere's selbstbekenntnisse.

Hamlet und sein urbild.

Stuttgart, J. B. Metzler'scher verlag. 1897. 321 ss. 8o.

Das vorliegende buch ist eines der anziehendsten und beachtenswerthesten erzeugnisse der neueren Shakspere - litteratur. Der verfasser, der sich als Shakspere-forscher schon einen bedeutenden ruf erworben hat, behandelt darin zwei der schwierigsten Shakspere - probleme: die sonettenfrage und den Hamlet. Die beiden theile des buches sind, wie der verfasser in vorwort bemerkt, schon vor längerer zeit geschrieben worden und in der form von aufsätzen schon früher in den Preussischen jahrbüchern zum abdruck gelangt, der letztere erst vor zwei jahren, der erstere mehrere jahre vorher. Daraus erklärt sich, dass, wohl zum nachtheil des buches, die neuere forschung wenig berücksichtigt worden ist.

Immerhin sind Conrad's darlegungen und hypothesen so wohl erwogen, so gründlich und feinsinnig ausgearbeitet, dass sich die mitforscher, auch wenn sie seinen ergebnissen nicht immer zustimmen können, doch mit ihm auseinander setzen müssen.

Conrad verfügt über ausgedehnte und tiefgehende litterarhistorische und historische kenntnisse und über ein beneidenswerthes gedächtniss; er verbindet mit diesen eigenschaften dichterisches feingefühl, philologischen scharfsinn und eine glänzende combinationsgabe. Wenn trotzdem die ergebnisse, zu denen er gelangt ist, für die forschungsgenossen mitunter fragwürdige sind, so ist an diesem misserfolg wohl hauptsächlich das tiefe dunkel schuld, welches über Shakspere's innerem leben liegt, ein catacombendunkel, welches auch durch die hellste fackel nur unsicher und phantastisch erleuchtet wird.

Jeder forscher wird so in die versuchung gebracht, gleichsam selbst zum dichter zu werden. Dieser versuchung scheint auch Conrad nicht widerstanden zu haben; auch er bietet mehr einen roman als nüchtern-biographische forschung. Conrad glaubt mit einer und derselben hypothese die beiden Shakspereräthsel lösen zu können: er nimmt ein intimes freundschaftsverhältniss zwischen dem berühmten grafen Robert Essex und Shakspere an, hält Essex für den in den sonetten angesungenen freund und zugleich für das urbild des Shakspere'schen Hamlet.

Dieses freundschaftsverhältniss ist indessen, wie der verfasser selbst zugiebt, historisch nicht nachweisbar. In den verschiedenen biographischen notizen über Shakspere ist nur von Southampton, nicht von Essex als gönner Shakspere's die rede; ebenso wenig bietet das biographische material, das wir für Robert Essex besitzen, den geringsten anhalt dafür. Eine reihe von briefen des grafen ist erhalten, nirgends auch nur eine andeutung dieses verhältnisses; Shakspere's name wird überhaupt nicht erwähnt.

Die einzige stelle in Shakspere's dramen, die wir mit sicherheit auf Essex beziehen können (der prolog zum 5. act von Heinrich V.) zeigt eben nur, dass der dichter den irischen feldzug des grafen mit theilnahme verfolgte, was damals von jedem patriotisch gesinnten Engländer zu erwarten war. Dass der interessanteste cavalier am hofe der königin Elisabeth auch dem grossen dichter interesse und vielleicht sogar bewunderung einflösste, ist sehr wahrscheinlich, um so mehr als er der intime freund seines gönners Southampton war; aber aus solcher be wunderung ein freundschaftsverhältniss zu construiren ist doch sehr gewagt. Conrad hält noch immer an der von Elze aufgestellten hypothese fest, dass Sh den Sommernachtstraum zur hochzeit des grafen Essex im jahre 1590 verfasst

Er

habe, einer hypothese, die jetzt wohl ziemlich allgemein aufgegeben ist; er hat dabei den umstand ignorirt, dass die hochzeit im geheimen und unter umständen (familientrauer) stattfand, die jeder festlichen veranstaltung im wege waren. hat ausserdem nicht berücksichtigt, dass das stück aus inneren gründen unmöglich in dieser frühen zeit abgefasst sein kann, sondern höchst wahrscheinlich dem jahre 1594 angehört (vgl. Archiv f. n. spr., bd. 95, s. 297 ff.).

Folgende umstände sprechen nun aber auf das entschiedenste gegen die annahme Conrad's, dass Essex der freund der sonette sei:

1) Die widmung des verlegers, Th. Thorpe, der im jahre 1609 bekanntlich die erste ausgabe veranstaltete, bezeichnet eine noch lebende person, einen 'Mr. W. H.', als den erzeuger (begetter), d. h. doch wohl als den adressaten der sonette. Robert Essex aber war im jahr 1601 schon enthauptet worden.

2) In den sonetten wird der freund durchweg als ein viel jüngerer mann (boy) geschildert, während der dichter sich selbst schon als bejahrt bezeichnet und ihm gegenüber in einer art Mentor-rolle auftritt. Robert Essex war nur 3 jahr jünger als Shakspere; dieser geringfügige altersunterschied wurde reichlich ausgeglichen durch die frühreife, die academische bildung, die reichere lebenserfahrung und höhere sociale stellung des grafen. Robert Essex war im jahr 1581 schon Master of Arts, 1586 hatte er sich in den Niederlanden durch kriegsthaten ausgezeichnet, 1588-89 schon war er der erklärte günstling der königin. Wenn einem solchen manne gegenüber der junge, damals noch ganz unbekannte schauspieler im jahre 1589 etwa (denn soweit muss Conrad die ersten sonette zurückdatiren) den Mentor hätte spielen wollen, so wäre das einfach lächerlich gewesen.

3) Obwohl in den ersten sonetten der dichter seinen jungen freund zum heirathen mahnt, ist doch kein einziges sonett enthalten, welches auf die befolgung dieses rathes hindeutet. Robert Essex vermählte sich, wie erwähnt, im frühjahr 1590.

4) Nach Conrad's hypothese müssten die ersten freundschaftssonette zwischen September 1588 Juli 1589 gedichtet sein, also zu einer zeit, wo Sh. noch gar keinen dichterruf hatte, zu einer zeit, als er wahrscheinlich an Heinrich VI. and Titus Andronicus arbeitete, die in ganz anderem, viel roherem und unreiferem stil geschrieben sind. Wie sollte der damals gewiss noch in ganz untergeordneter stellung und in dürftigen verhältnissen lebende schauspieler zur freundschaft des vornehmen cavaliers gekommen sein?

5) In diesen selben sonetten ist der dichter, wie allbekannt, von Sidney's Arcadia und von Daniel's sonettendichtung beeinflusst. Sidney's Arcadia erschien 1590, Daniel's sonette wurden aber erst (in einer raubausgabe) 1591, vollständig erst 1592 veröffentlicht. Dieser umstand allein spricht schon für eine spätere, als die von Conrad angenommene, abfassungszeit der sonette.

6) Es fehlt in den sonetten jede sichere anspielung auf die persönlichen verhältnisse des grafen, z. b. auf seine kriegsthaten (1586, 1591, 1596, 1599), auf die gunst der königin, auf sein liebes werben um Frances Walsingham; auch die deutung des 107. sonetts auf die ungnade der königin, welche Essex im jahre 1598 erfahren hatte (s. 81), ist zwar ansprechend, aber durchaus nicht zwingend, da graf Southampton um dieselbe zeit ebenfalls in ungnade war.

7) In der Lucretia - widmung (1594) betheuert der dichter dem grafen Southampton: 'All I have done is yours'. Diese worte wären eine lüge, wenn

Shakespeare früher den grafen Essex in sonetten besungen, wenn er für ihn den Sommernachtstraum gedichtet hätte.

Ich kann daher nicht zugeben, dass Conrad's hypothese einen anspruch auf objective wahrscheinlichkeit hat. Sie hat unter den Shakspere - forschern meines wissens auch noch keinen anhänger gefunden, obwohl sie schon vor mehr als 10 jahren im Shakespeare-jahrbuch veröffentlicht wurde.

Eine durchaus zuverlässige überlieferung bezeichnet Henry Wriothesley graf Southampton als den freigebigen gönner des dichters. Shakspere hat seine beiden epischen dichtungen ihm gewidmet, und die Lucretia wenigstens in ausdrücken, die ein intimes verhältniss voraussetzen lassen. Dass diese widmung nicht ganz so überschwänglich im ton ist, wie manche der sonette, wie z. b. das 26. sonett, ist durchaus kein argument gegen die identität des grafen Southampton mit dem freund der sonette. Man muss nicht nur den unterschied zwischen poesie und prosa in anschlag bringen, sondern, mehr noch, den zwischen einer öffentlichen und einer privaten gefühlsäusserung. Auf Southampton passt alles, was wir aus den sonetten über den freund erfahren, sehr gut, ja noch besser als auf Essex. Southampton war in der that im jahre 1609, als die sonette, wahrscheinlich gegen den willen des dichters, veröffentlicht wurden, noch am leben; die initialen W. H. brauchen nur umgestellt zu werden, um seinen namen H(enry) Wriothesley) zu ergeben. Er war neun jahre jünger als Shakspere; die altersdifferenz stimmt also ganz gut zu dem Mentor - verhältniss des dichters. - Auch Southampton muss, nach dem einzigen mir bekannten bilde, ein stattlicher mann, ein schöner jüngling gewesen sein. Wie Conrad (s. 33) dazu kommt, von Southampton zu sagen: 'Wir wissen, dass er nicht besonders schön war', weiss ich nicht. Schon allein die gunst der königin Elisabeth, deren vorliebe für schöne junge männer ja bekannt ist, spricht für die vorzüge seines äusseren; bekanntlich galt, eine zeitlang wenigstens, der graf Southampton als rivale des grafen Essex. Der vater des grafen Southampton war frühzeitig gestorben, ebenso wie der des grafen Essex, und seine mutter lebte bis 1594 als witwe, wie wir nach dem 9. sonett von der mutter des freundes annehmen müssen.

In seinen beiden epischen dichtungen spielt Shakspere dem jungen grafen gegenüber dieselbe Mentor-rolle wie in den sonetten. Er hat ihm gewiss nicht ohne grund den schönen, keuschen jüngling Adonis gepriesen, und den wollüstling Tarquinius als abschreckendes beispiel hingestellt. Der gedankengang der ersten sonette stimmt, wie Conrad selbst nachgewiesen, mit stellen aus Venus und Adonis auffallend überein, so dass die nähe der abfassungszeit auch dadurch wahrscheinlich wird.

Wenn Shakspere, im Jahre 1593 etwa, den grafen Southampton zur gründung einer familie mahnte, so hatte er guten grund dazu; denn dieser war der stammhalter, der einzige sohn. Schon im jahre 1590 trugen sich seine verwandten mit heirathsplänen für ihn. Ebenso hatte Sh., wenn wir Southampton als den freund der sonette annehmen, guten grund, sich über poetische nebenbuhler zu beklagen, denn Southampton patronisirte noch andere dichter und schriftsteller, z. b. George Peele, Thomas Nash, John Florio, vielleicht auch Samuel Daniel.

Der dichter spielt mehrfach auf leichtsinnige liebesverhältnisse des jungen grafen an; wir wissen allerdings nur von einem solchen verhältniss, dem zur schönen hofdame Elisabeth Vernon, welches im sommer 1598 zur heimlichen

ehe führte, zugleich aber die ungnade und den hass der königin Elisabeth zur folge hatte.

Dass auf kriegsthaten des jungen freundes in den sonetten nicht angespielt wird, erklärt sich bei unserer annahme ebenfalls leicht. Die sonette fallen ja, auch nach Conrad's ansicht, zum weitaus grössten theile in die erste hälfte der 90er jahre. Southampton aber hatte erst im jahre 1597 gelegenheit, sich als seeheld auszuzeichnen; im jahr 1599 ging er mit seinem freunde Essex nach Irland, als reitergeneral, wurde aber, vor beginn der kriegerischen operationen, auf befehl der königin Elisabeth, wieder entlassen.

Alles, was wir über den freund ermitteln oder vermuthen können, passt so gut auf Southampton, den gönner Shakspere's, dass das suchen nach anderen freunden wirklich verwunderlich erscheint.

Neuerdings ist übrigens bei englischen, wie bei deutschen Shakspereforschern Southampton wieder zu ehren gekommen. Nicht nur F. G. Fleay, sondern auch der neueste, sehr gründliche und besonnene Shakspere-biograph Sidney Lee (Dictionary of National Biography) hat sich für Southampton als adressaten der sonette ausgesprochen. Ich selbst habe diese annahme in meinem buche: William Shakespeare's lehrjahre. verfochten.

Bei dieser annahme nun erscheint das freundschaftsverhältniss viel natürlicher. Southampton schwärmte, wie wir wissen für das theater. Gerade in seine empfänglichen jünglingsjahre fiel der aufsteigende dichterruhm Shakspere's. Shakspere war durch die trilogie von Heinrich VI. als dramatiker berühmt geworden, in welcher auch die heldenthaten der vorfahren des jungen grafen gefeiert wurden. Der grosse erfolg der epischen dichtung Venus und Adonis machte auch den namen des gönners, dem sie gewidmet war, in weiten kreisen bekannt. Bald danach dichtete Shakspere Romeo und Julia, in welchem schon allein der 'Montague' Romeo Southampton's interesse erwecken musste, denn der junge graf stammte mütterlicherseits aus dem hause der Montagues. Diese dramatische dichtung fiel aber wenigstens mit ihrer abfassungszeit gerade in die zeit der aufkeimenden liebe Southampton's zu der schönen hofdame Elisabeth Vernon. Auch das lustspiel von Verlorener liebesmühe musste den jungen grafen, auf dessen landsitz die königin Elisabeth im jahr 1590 zu besuch gewesen war, höchlichst interessiren. Der Sommernachtstraum wurde höchstwahrscheinlich, wie ich nachgewiesen zu haben glaube, im frühling 1594 zur vermählung der verwitweten gräfin Southampton mit Sir Thomas Heneage gedichtet. Der enthusiasmus des jünglings für den immer berühmter werdenden dichter war leicht begreiflich. Ebenso aber die dankbarkeit und liebe Shakspere's, dem gegenüber der junge graf sich gewiss nicht weniger freigebig gezeigt hatte, wie seinen anderen günstlingen. Wir brauchen die bekannte anecdote von seiner fürstlichen munificenz nicht buchstäblich für wahrheit zu nehmen, aber einen kern von wahrheit wird sie gewiss enthalten.

Der günstling der königin verschaffte vielleicht dem dichter auch Elisabeth's gunst; denn im jahre 1594 hören wir zuerst von einer aufführung bei hofe, bei der auch Shakspere betheiligt war. Gerade in dieser zeit galt Southampton als rival des grafen Essex.

Während also bei Conrad's annahme, die ja gar keine begründung in den überlieferten thatsachen hat, mehrfache unüberwindliche schwierigkeiten sich in den weg stellen, brauchen wir bei der Southampton - theorie nur der spur der E. Kölbing, Englische studien. XXV. 3.

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