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Da rief der König frohgemuth:
„Heil Milon von Anglante!
Der hat den Riesen übermannt,
Ihm abgeschlagen Haupt und Hand,
Das Kleinod ihm entriffen."

Herr Milon hatte sich gewandt, Sah staunend all' die Helle: ,,Roland! fag an, du junger Fant! Wer gab dir das, Geselle?" „Um Gott, Herr Vater, zürnt mir nicht, Daß ich erschlug den groben Wicht, Derweil Ihr eben schliefet!"

Uhland.

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Die Sage von Wittekind.

(785)

Da kaum die Hügel matt erhellte
Der morgenrothe, lichte Schein,
Wer schleicht sich in die Zelte
Des Frankenlagers ein?
Mit Schritten leise, leise,
Wie Späherschritte sind,
Verfolgt er die geheime Reise;
Das ist der Sachse Wittekind.

Schon focht er wider muth'ge Franken
Durch lange Jahre blut'gen Streit,
Und grøllte sonder Wanken
Dem Herrn der Christenheit;

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Nun schlich er kühn und schnelle
Zum Feinde sich bei Nacht,
Vertauschend seine Heldenfelle
Mit einer feigen Bettlertracht.

Da fühlt er plöglich sich umrungen
Von Melodien sanft und weich,
Gesungen wird, geklungen
Wird um ihn her zugleich.
Verwundert eilt er weiter,
Durchzieht das rüst'ge Heer,
Da sieht er Beter statt der Streiter,
Das Kreuz als ihre ganze Wehr.
Weihnachten war herangekommen,
Der heil'ge Morgen war erglüht,
Und innig schwoll des frommen,
Des großen Karls Gemüth;
Zum hohen Tempelbaue
Ließ wölben er sein Zelt,
Daß er im Land der Heiden schaue
Die Glorie der Christenwelt.

Hoch überm Altar prangt und raget
Ein blauer, golddurchwirkter Thron,
Drauf fißt die reine Maged
Und ihr im Schooß der Sohn.
Hell schimmert rings das schöne,
Das heilige Geräth,
Und alle Farben, alle Töne
Begrüßen sich mit Majestät.
Schon kniete brünstig, stillandächtig
Der Kaiser vor dem Hochaltar,

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Mit Grafenkronen prächtig
Um ihn die Heldenschaar;
Schon fällt vom Spiel der Lichter
Ein rosenfarbner Schein
Auf ihre klaren Angesichter;
Da tritt der Heide keck hinein.

Er staunt, als er die stolzen Päre
Mit Karl auf ihren Knien erkennt,
Damit sie himmlisch nähre
Das ew'ge Sakrament;
Doch staunt er deß nicht minder,
Was man dem Gotte bot:
Nicht Pferde fielen hier, noch Rinder,
Sie opferten nur Wein und Brot.

Der Priester bot zum Liebesmahle
Die Hostie dem Kaiser dar,
Die auf smaragdner Schale
Sich wandelt wunderbar;
Was alles Volk erquickte
Unter des Brotes Bild,
Ein lebend Kind darin erblickte

Sein Aug', ein Knäblein süß und mild.

Er sieht das schöne Kind erlachen,
Ihm freundlich winken: „Komm zu mir;
Ich will dich glücklich machen,

Und selig dort und hier."

Und Jubel füllt die Seelen,
Empfahend Brot und Wein,
Es dringt ein Lied aus tausend Kehlen
Von göttlichem Zugegensein.

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Der Sachse steht betäubt, er faltet
Die Hände fromm, sein Aug' ist naß,
Das hohe Wunder spaltet
Den heidnisch argen Haß.
Hin eilt er, wo der Haufe
Mit frohem Blick ihn mißt:
„Gib, Karl, dem Wittekind die Taufe,
Daß er umarme dich als Christ."

Platen.
(Strophe 7, 8, 9 von Simrock.)

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Ludwig des Frommen Tod.

(20. Juni 840)

Es kommt ein Schiff geschwommen
Herab den stolzen Rhein,
Die weißen Segel wallen
Im goldnen Mittagsschein;
Umgeben von Getreuen
Ruht drin gebettet weich
Der fromme Kaiser Ludwig
So frank und todesbleich.

,,Legt an, legt an, ihr Schiffer,
Bei dieser stillen Au,

Da wehn durch schatt'ge Bäume
Die Lüfte mild und lau;
Da raffeln keine Schwerter,
Da tönt kein Schlachtgesang
Mir vom Verrath der Söhne
Den fürchterlichen Klang."

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