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Rechtsverhältniß darf demnach kein Dritter stören, indem er sich eigenmächtig an die Stelle des Verfassers oder des von demselben angenommenen Verlegers fest, um gegen den Willen und zum Schaden des Einen oder des Andern oder Beider zugleich das Buch von neuem zu vervielfältigen und in den Handel zu bringen. Es ist auch gar nicht nöthig, daß dieses bei der Herausgabe einer Schrift ausdrücklich verbes ten oder beim Verkauf eines Exemplars derselben ausbedungen werde. Das versteht sich ganz von selbst, weil vernünftiger Weise nicht angenommen werden kann, daß Verfasser und Verleger etwa stillschweigend in eine Handlung willigen werden, die sie um die Früchte ihres Fleißes und ihres Aufwandes bringt. Im Gegentheile muß (nach dem Grundsage: Quisque praesumitur bonus etc.) ange= nommen werden, daß der Käufer eines Exemplars nur einen recht= lichen Gebrauch davon machen wolle und werde. Es wäre daher fogar beleidigend für ihn, wenn man sich dieß erst ausbedingen wollte. Mit Recht könnt' er darauf erwidern: Hältst du mich denn für einen Dieb? wie der Käufer eines Schwerts zum Verz käufer desselben, wenn dieser sich ausbedingen wollte, ihn nicht damit zu ermorden, nicht ohne Entrüstung sagen würde: Hältst du mich denn für einen Mörder? Uber, entgegnen die Vertheidiger des Nachdrucks, werd. ich denn nicht durch den Kauf eines Buches rechtmäßiger und vollständiger Eigenthümer desselben? Kann ich es nicht lesen oder vernichten? verschenken oder verkaufen? fo= gar für Geld verleihen? warum soll ich es denn nicht auch nachdrukken dürfen? - Darum, weil dieß nicht par ratio, weil das Nachdrucken eine ganz andre Handlung ist, als alle vorher genann= ten. Diese haben es nur mit dem gekauften Exemplare zu thun, das Nachdrucken aber mit der Urschrift selbst, deren Repräsentant jedes einzele Exemplar ist. Denn durch den Nachdruck wird die Urschrift von neuem vervielfältigt, und zwar zu einem Gebrauche, der dem Verfasser und dem Verleger in Ansehung der rechtmäßigen vollen Benußung ihres Eigenthums Abbruch thut. Hierin allein liegt das Unrecht. Wenn daher Jemand eine Schrift nur zu seinem Privatgebrauche oder zu seinem Zeitvertreibe, sei's durch Abschreiben oder durch Abdrucken, vervielfältigte, ohne die Exemplare in den Lebensverkehr zu bringen: so wäre die Handlung nur unklug, aber nicht ungerecht. Denn sie wäre kein Eingriff in ein fremdes Freiheitsgebiet. Wenn man sich nun streng an diesen rechtsphilo= sophischen Grund gegen den Nachdruck hält, so braucht man sich gar nicht auf Abwägung der Vortheile einzulassen, die der Nachdruck den Wissenschaften oder dem Staate bringen soll. Denn diese Vortheile sind entweder nur erdichtet, oder unbedeutend, oder von der Art, daß sie wieder durch eben so große Nachtheile aufgewogen werden. Auf keinen Fall aber foll man um des bloßen Vortheils

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Nachgiebig

willen das Recht verlegen. Und da der Staat auch die Pflicht hat, das Recht zu schüßen und zu dem Ende jede Rechtsverlegung zu verbieten und zu bestrafen: so ist auch der Nachdruck von Rechts wegen zu verbieten und zu bestrafen. Die Staaten, welche dieß nicht thun und den Nachdruck wohl gar um eines kleinen finan= zialen Vortheils willen ordentlich hegen und pflegen, machen sich der Theilnahme an einem groben Verbrechen gegen das Eigenthum schuldig und schwächen dadurch selbst das Rechtsgefühl in ihrem Volke, das sie vielmehr um des weit höhern moralischen Vortheils willen schärfen sollten. Auf gewisse Nebenfragen, den Nachdruck ausländischer und alter Schriften betreffend, können wir uns hier nicht einlassen. Es wird daher auf des Verf. beide Schriften verwiesen: Schriftstellerei, Buchhandel und Nachdruck, rechtlich, sittlich und klüglich betrachtet. Lpz. 1823. 8. :und: Kritische Bemerkun= gen über Schriftstellerei, Buchhandel und Nachdruck. Lpz. 1823. 8. Hier sind auch zugleich andre neuere Schriften über diesen Gegen= stand angezeigt und geprüft. - Es kann übrigens wohl keine größere Sophisterei geben, als wenn man sich zur Vertheidigung des Nachdrucks auf die Druck oder Pressfreiheit beruft, da es nimmermehr eine Freiheit geben kann, welche die Befugniß in sich schlösse, Andern Unrecht zu thun. Denn das wäre ja ein Recht zum Unrechte. S. Denkfreiheit und Recht.

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Nacheiferung (aemulatio) ist das Streben, einen Andern, den man in irgend einer Hinsicht (an Kenntniß, Tugend, Geschick lichkeit, Vermögen 2c.) als uns selbst überlegen betrachtet, zu errei= chen oder gar zu übertreffen. Gewöhnlich wird es in gutem Sinne genommen. Doch lässt es sich wohl denken, daß Jemand einem Undern auch im Bösen (z. B. im unmäßigen Trinken) nacheifere. Er wird aber dann doch selbst dieses Böse als einen Vorzug (wenig= stens als einen Beweis von vieler Kraft - weshalb man auch solche Trinker tapfere Zecher oder Zechhelden nennt) betrachten. Die Nach= eiferung kann auch wechselseitig sein und die Leidenschaft der Eifer= sucht erwecken, wie wenn Ehrgeizige einander nacheifern, indem alsdann das Streben des Einen dem des Andern Abbruch zu thun droht. Vergl. Eifer und Eifersucht.

Nachforschung f. Erforschung. Doch könnt' es wohl sein, daß Jemand troß aller Nachforschung nichts erforschte. Jenes bedeutet also nur ein Streben zur Erforschung.

Nachgiebig heißt derjenige, welcher nicht streng auf seinen Ansprüchen oder Foderungen besteht, sondern etwas davon ablässt, folglich fremden Ansprüchen oder Foderungen mehr oder weniger gewährt, soweit es die Pflicht erlaubt. Die Nachgiebigkeit kann also wohl im Allgemeinen zu den Tugenden gezählt werden. Es wird aber doch im Besondern allemal auf die Umstände ankommen,

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um zu beurtheilen, ob das Nachgeben auch wirklich der Pflicht ge= más sei und wie weit man dabei gehen dürfe. Wer dem Ber breiter des Irrthums oder dem Unterdrücker des Rechts dergestalt nachgeben wollte, daß er gar keinen Widerstand leistete oder wohl selbst auf Unsuchen des Andern den Irrthum verbreiten und das Recht unterdrücken hülfe: der würde auf eine pflichtwidrige Weise nachgiebig, seine Nachgiebigkeit also auch keine Tugend sein. Solche Nachgiebigkeit stiftet oft eben so viel Unheil, als die Bosheit selbst, indem diese ohne jene ihre bösen Absichten selten würde durchseßen können. Nachlaß bedeutet bald das Abstehn von gewissen Foderungen, wo man dafür auch Erlaß (z. B. einer Schuld, ganz oder theilweise) sagt, bald die Verlassenschaft eines Verstorbenen. Wegen jenes Nachlasses s. Billigkeit, wegen dieses f. Erbfolge.

Nachlässig heißt derjenige, welcher bei seinem Thun und Lassen weniger Kraft und Aufmerksamkeit beweist, oder doch zu bez weisen scheint, als man wohl erwarten könnte. Die Nachlässig= keit wird daher gewöhnlich als etwas Fehlerhaftes angesehn, besonders wenn von moralischen Handlungen die Rede ist. Ebendarum pflegen die Moralisten von Nachlässigkeitssünden zu sprechen und sie den Bosheitssünden entgegenzusehen, S. Bosheit und Sünde. Die Aesthetiker aber betrachten dieselbe nicht immer als einen Fehler, indem sie auch von einer anmuthigen Nachlåssigkeit (grata negligentia) [prechen und darunter die Abwesenheit einer zu strengen Correctheit verstehn. S. correct.

Nachmachen ist ein Nachahmen, wobei man sich streng an ein gewisses Vorbild hält. Man nennt daber auch die sklavischen Nachahmer (imitatorum servum pecus) Nachmacher. S. Nachahmung. Nachricht f. Bericht.. Nachrichten s. richten. Nachruhm f. Ruhm. Nachsah s. Saz.

Nachschluß s. Schluß und Epi syllogismus. Nachschoß oder Nachsteuer ist soviel als Abschoß. S. d. W. und Auswanderung.

Nachsicht wird sowohl in sittlicher als in rechtlicher Hinsicht gebraucht. In jener bedeutet es ein mildes oder schonendes Urtheil und Benehmen in Bezug auf die Fehler und Schwachheiten der Menschen. Diese Nachsicht ist eine Pflicht der Humanität, da kein Mensch von allen Mängeln frei ist und daher Jeder dieser Nachsicht bedarf, wenn auch der Eine mehr als der Andre. Nur gegen offenbare Frechheit und Bosheit soll man nicht nachsichtig sein. In der zweiten Hinsicht bedeutet es die Gewährung dessen, was dem Andern die Erfüllung seiner Rechtsverbindlichkeiten erleichtert, 3. B. die Bewilligung von Zahlungsfristen für bedrängte Schuldner

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Nächste

Nacktheit

von Seiten ihrer Gläubiger. Diese Art der Nachsicht fällt unter den Begriff der Billigkeit. S. d. W.

Nächste, der, und Nächstenliebe s. nahe und Nähe.
Nachsteuer f. Nachschoß.

Nacht . Tag.

Nachtheil f. Vortheil.

Nacktheit als physische Eigenschaft des menschlichen Körpers unterliegt keiner moralischen Beurtheilung. Denn der Mensch kann nichts dafür, daß die Natur die Oberfläche seines Körpers größtentheils unbedeckt gelassen. Ob der Mensch sie aber eben so unbedeckt lassen solle, ist eine Frage, die sich nicht so geradezu beantwor= ten lässt. Denn es kommt hier zuvorderst auf das Klima an, wel= ches in den meisten Gegenden der Erde dem Menschen die Bedekkung seines Körpers mehr oder weniger zum physischen Bedürfnisse gemacht hat. Wo ein solches Bedürfniß gar nicht stattfindet, füh= len die Menschen auch kein moralisches Bedürfniß der Art, so lange sie sich noch auf jener niedern Bildungsstufe befinden, welche man auch den Naturstand nennt. Sie gehen ganz oder größten= theils nackt, ohne daß dieß einen Anstoß erregte oder den Naturtrieb stärker reizte. Bei fortschreitender Bildung aber zeigt sich al= lerdings auch ein moralisches Bedürfniß der Bedeckung des Körpers, wenigstens gewisser Theile desselben, selbst in den heißesten Erdstrichen. Der Grund davon liegt jedoch nicht, wie Einige gemeint haben, in dem Sündenfalle der ersten Menschen, die sich gleich nachher mit Feigenblättern bedeckt haben sollen; denn dieser Grund wäre nicht nur zu hypothetisch und zu weit hergeholt, sondern auch zu viel umfassend, weil man dann überall dasselbe Bedürfniß der Bedeckung fühlen müsste; was doch, wie so eben bemerkt worden, nicht der Fall ist. Vielmehr liegt er darin, daß beim Fortschritte der Bildung auch die Phantasie des Menschen thätiger wird und durch Anticipation des Genusses in der Vorstellung den Trieb übermáßig reizt, mithin zu sittlichen Ausschweifungen verleitet. So entwickelt sich im Menschen ein Schamgefühl in Bezug auf das Geschlechtsverhältniß, welches Gefühl die Geschlechter überhaupt zu einer gewissen Zurückhaltung gegen einander und also auch zur Verhüllung dessen nöthigt, was durch Vermittlung der Einbildungskraft den Trieb zu sehr reizen, und so die Herrschaft der Vernunft über denselben schwächen würde. Im Leben selbst kann daher die Nacktheit nicht mit der Sittlichkeit bestehn. Anders verhält es sich in der Kunst. Da diese das Leben idealifirt, so kann sie es auch so idealisiren, daß sie uns den menschlichen Körper in seiner ursprünglichen Nacktheit (gleichsam im Stande der Unschuld) und zugleich in seiner höchsten Schönheit zeigt. Sie kann dann mit Recht fo= dern, daß der Beschauer des Nackten in ihren Erzeugnissen so viel

Gewalt über sich selbst habe, um der finnlichen Begierde Stillschweis gen zu gebieten und mit reinem Gemüthe wahrzunehmen, was ihm mit reinem Gemüthe dargeboten wird, nach dem Grundfahe: Dem Reinen ist alles rein. Aber freilich soll der Künstler, wenn er das Nackte dem Blicke darbietet, alles aus seiner Darstellung ent= fernen, was die Sinnlichkeit nothwendig reizen und also auch das reine Gemüth verlegen würde, weil es aus einem unreinen Gemüthe káme, z. B. wollüftige Stellungen oder Lagen. Auch giebt es Gegenstände der Kunst, welche die Nacktheit durchaus nicht vertragen, wie eine Madonna, die wir nur als Muster der höchsten weiblichen Sittsamkeit denken können, oder eine Vestalin, die sich auch nur als bekleidet denken lässt; während der Anblick einer nackten Venus oder eines nackten Amors nichts Unstößiges hat, da wir mit diesen mythologischen Personen keinen Gedanken verknüpfen, der die Nackt heit ausschlösse. Es kommt also auch hier viel auf Ort, Zeit und Umstände an. Was in einer Bildergallerie oder einer Sammlung alter Kunstwerke nicht anstößig ist, würde freilich in einer Kirche nicht füglich stattfinden können. Ist aber ein großes Kunstwerk einmal da, so soll es auch nicht durch Vertilgung des Nackten entz stellt werden, selbst wenn dieses etwas anstößig wäre. Die Uch tung gegen die Kunst und den Künstler fodert dann, daß man gleichsam ein Auge zudrücke. Es war daher wohl eine übertriebne Delicatesse, wenn der Papst Paul IV. einige nackte Figuren in Mi= chelangelo's jüngstem Gerichte durch den Maler Daniel von Volterra mit feinen Tüchern bekleiden ließ, weshalb Salvator Rosa und andre Maler jener Zeit diesen Künstler spöttisch einen Hofenmacher (brachettone) nannten. Doch sollen auch zwei spåtre Päpste ihren heiligen Abscheu vor dem Nackten (das sie vielleicht in natura nicht so sehr verabscheuten) auf dieselbe Weise zu erken= nen gegeben haben. S. Puhlmann's Beschreibung der Gemälde im königl. Schlosse zu Berlin. S. 106. Das Verhängen nackter Figuren, wenn sie wirklich auf eine anstößige Weise dargestellt sind, möchte man noch eher billigen, wenn nur nicht die Vorhänge eben die Neugierde reizten.

Nahe (Adj.) und Nähe (Subst.) sind Ausdrücke, die sich eigentlich auf räumliche Verhältnisse beziehn, wo man das Nahe dem Fernen oder die Nähe der Ferne entgegenseßt. Allein man hat diese Ausdrücke auch auf moralische Verhältnisse übergetragen. Wenn nämlich Menschen einander räumlich nahe stehn, wie die Bewohner eines Hauses, einer Stadt oder eines Landes: so hat dieß natürlich auch Einfluß auf ihr Pflichtverhältniß. Denn sie machen nun eine bestimmte Gesellschaft aus und sind als Glieder derselben einander gegenseitig zu gewissen Leistungen verpflichtet. Je inniger aber das gesellschaftliche Band ist, desto stärker sind sie einander

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