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Faraday's, meint, ferner Mohr, müssten alle rationellen Physiker annehmen, dass durch Säure und Alkali kein Strom zu bewirken sei, und endlich häuft er auf Becquerel, der das Gegentheil behauptet und thatsächlich nachgewiesen hat, den Tadel der Eilfertigkeit und Ungründlichkeit im Experimentiren. Das ist sicherlich hart, und vollends, wenn Becquerel in der Hauptsache vollkommen Recht hat, und er der letzte ist, der sich übereilt hat? So schön auch die Faraday'sche Theorie der galvanischen Erscheinungen ist, so werden doch jedem Physiker die Thatsachen, besonders solche wichtige wie die Becquerel'schen noch schöner erscheinen. Sollte auch dadurch in unserm Wissen ein Zustand des Zweifels und der Unsicherheit eintreten, so hat Mohr doch auch darin nicht Recht, der durch einen solchen Zustand die Fortbildung der Wissenschaft gehemmt sieht; die umgekehrte Behauptung, scheint uns, würde viel eher richtig sein.

Ich habe am angeführten Orte bereits angegeben, dass es mit der Entwicklung von Sauerstoff in einer Kette aus Salpetersäure und Aetzkali seine volle Richtigkeit habe, dass dergleichen Ketten, und selbst wenn Schwefelsäure oder Chlorwasserstoff angewendet wird, das Jodkalium zersetzen. Ich kann nicht angeben, woher es gekommen, dass selbst Pfaff die eigentliche Sauerstoff-Entwicklung nicht gesehen hat; so oft ich den Versuch angestellt, so ist sie nie ausgeblieben. In Zweifel kann man sie nur so lange ziehen, bis man sie wahrgenommen, dann ist der Zweifel unmöglich, da das Gas sich vollkommen so, wie an den Electroden einer Batterie entwickelt, und dem Anscheine nach aus der Platte kommt. Im Verlauf wird auch ein Versuch mit einer Becquerel'schen Kette in grossem Maasstabe beschrieben werden, wo der Sauerstoff sich so reichlich wie bei Anwendung einer beträchtlichen galvanischen Batterie entwickelt.

Von einer theoretischen Ansicht geleitet, stellte ich in Bezug auf den in Rede stehenden Gegenstand folgende Versuche an. Eine Glasröhre wurde am untern Ende durch Thon oder thierische Blase geschlossen, auch in Sand gesteckt (dies alles ist einerlei) und in ein grösseres Gefäss getaucht. In der Röhre, wie im Gefässe, befanden sich die Platinplättchen, die mit dem Galvanometer in leitender Verbindung waren. Wurde nun in die Röhre eine Säure gegossen, in das Gefäss reines Flusswasser, so zeigte sich ein schwacher Strom, der die Nadel 3 bis 5 Grad ablenkte (für einen mit dem Gegenstand Bekannten, darf es nicht bemerkt werden, dass, da dergleichen

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Angaben über die Stärke der Ablenkung nichts über die Intensität des Stromes lehren, sie nur bestimmt sind, den Leser zu vergewissern, dass keine Täuschung über die wirkliche Bewegung der Nadel stattgefunden habe). Der Strom ging von der Säure durchs Galvanometer zum Wasser, oder die Platinplatte in der Säure vertrat die Stelle des Kupfers, die Platte im Wasser die des Zinks der gewöhnlichen einfachen Kette. Es schien ziemlich gleichgültig, ob dem Wasser zum Behuf besserer Leitungsfähigkeit Salze hinzugefügt wurden, oder nicht; nemlich Salpeter, wenn Salpetersäure, Glaubersalz, wenn Schwefelsäure, Kochsalz, wenn Salzsäure sich in der Röhre befand. Andere Säuren sind nicht versucht worden. Dass diese Salze den Strom nicht verstärkten stimmt, mit der Angabe Faraday's 1), dass solche schwache Ströme, die nicht zersetzen, eben so leicht durch reines Wasser gehen, als durch Wasser, welches Stoffe aufgelöset enthält, die seine Leitungsfähigkeit für stärkere Ströme beträchtlich vermehren. Es ist jedoch auch möglich, dass bei der Einwirkung von Säure und Wasser die Strom erregende Kraft durch Salze verringert, die Leitungsfähigkeit vermehrt wird, und dass beide Effecte sich beinahe aufheben. Die Ablenkung der Nadel konnte immer wieder erreicht werden, wenn die Platinplatten herausgenommen und von Neuem hineingesetzt wurden, selbst noch nach 12 und mehreren Stunden. Es wurde sorgfältig untersucht, ob nicht schon die Platinplättchen für sich in einer und derselben Flüssigkeit einen Strom hervorbringen, welches jedoch nicht der Fall war; ferner wurde bald die eine, bald die andere, in die Säure getaucht, und endlich wurde bald die eine Platte zuerst in die Säure, hierauf die andere ins Wasser, bald in umgekehrter Reihenfolge eingetaucht. Alles dieses war eines wie das andere, und veränderten den Strom gar nicht. Nur ist bei diesen Versuchen sehr darauf zu sehen, dass die Löthstelle der Platten wohl geschützt sei; denn selbst wenn sie sich ausserhalb der Flüssigkeit befindet, kann sie doch durch einen Hauch von Flüssigkeit mit dem Wasser oder der Säure in Verbindung kommen, wodurch dann ein fremdartiger Strom erhalten werden würde. Nachdem bei diesen Versuchen alle Vorsichtsmaassregeln beobachtet worden, so geben sie den Satz:

es findet ein Strom statt, wenn reines Wasser und Säure auf einander wirken.

Jetzt wurde eine Lösung von Aetzkali statt der Säure angewandt; es

') Repertor. Bd. I, pag. 228.

entstand wiederum ein Strom, yon ziemlich derselben Stärke, wie der frühere, allein entgegengesetzt gerichtet; die Platinplatte im Aetzkali vertrat die Stelle des Zinks der gewöhnlichen Kette, oder der Strom ging von reinem Wasser durchs Galvanometer zum Aetzkali.

Es entsteht daher ein Strom, wenn Aetzkalilösung und Wasser aufeinander wirken.

Zwischen zwei Säuren konnte kein Strom entdeckt werden.

Diese angeführten Versuche sind nicht neu; berühmte Experimentatoren wie Nobili, Pohl, Fechner u. A. haben sie bereits angestellt: da man jedoch jetzt die Autorität Faraday's benutzt, um den stattfindenden Strom sogar zwischen Säure und Alkalien in Zweifel zu ziehen, der, wie man zugeben wird, ungleich stärker ausfallen muss, als bei Anwendung reinen Wassers; so war es rathsam, diese Versuche mit solcher Vorsicht zu wiederholen, dass über das Resultat derselben kein Zweifel bleiben kann. Ich füge noch hinzu, dass nach Peltier 1) Salzsäure und Wasser den entgegengesetzten Strom geben sollen, als Schwefelsäure oder Salpetersäure mit Wasser, dass jedoch diese Angabe nicht richtig ist, vielmehr Salzsäure sich den anderen Säuren durchaus adäquat zeigt. Ich glaubte Anfangs, der Strom, der sich unter den angegebenen Umständen bildet, würde erklärt werden, wenn man zugesteht, dass das Platinplättchen in der Säure eine sehr kleine Veränderung an der Oberfläche, eine unendlich geringe Oxydation, erführe; allein diess ist schon durch den Versuch mit dem Aetzkali sehr unwahrscheinlich. Da hierbei der Strom umgekehrt gerichtet ist, so hätte man annehmen müssen, diese Oxydirung fände nunmehr in reinem Wasser, nicht in der Lauge statt. Vollkommen widerlegt wird jedoch diese Ansicht durch folgenden Versuch von Nobili und Becquerel2). In zwei Gefässe, welche eine Auflösung von salpetersaurem Kali enthalten, werden die Platinenden des Galvanometerdrahtes geführt; ein drittes Gefäss, welches Salpetersäure enthält, wird mit diesen beiden Gefässen, mittelst zweier befeuchteten Stücke Asbest oder Baumwolle, verbunden. Befindet sich nun an einem dieser Stücke ein wenig Aetzkali, so entsteht ein Strom, und doch tauchen hier die Platinenden in eine und dieselbe Flüssigkeit (Auflösung von Salpeter), und sind daher keiner Heterogenität unterworfen. Durch diesen Versnch wird auch die Ansicht Pfaff's wi

') L'Institut. 17. Mai 1837.

2) Ann. de Ch. et de Ph. 1827.

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derlegt, dass bei den Ketten aus Säure und Kali der Strom bewirkt werde durch die ungleiche electromotorische Kraft, welche Platin mit Säuren, Platin mit Alkali hervorbringen. Wäre diese Ansicht richtig, so hätte der so eben angeführte Versuch erfolglos bleiben, d. h. keinen Strom zeigen sollen.

Um nach diesen vorläufigen Versuchen den eigentlichen Gegenstand mehr aufzuklären, habe ich ferner mit Dulk eine Reihe von Experimenten angestellt, deren Resultate einer Mittheilung werth genug erscheinen. Wir suchten zuerst zu ermitteln, ob nicht unter den fremden Körpern, welche durch Hitze flüssig gemacht, leitend werden, sich welche befänden, welche ähnlich wie Aetzkali und Salpetersäure wirkten. In eine V förmige Röhre wurde zu dem Ende Bleioxyd in den einen Schenkel und glasige Phosphorsäure, von Wasser möglichst frei, in den andern gebracht, und beide Substanzen durch Platindrähte mit dem Galvanometer verbunden. Als beide Substanzen in Fluss kamen, entstand ein Strom, stärker als in der gewöhnlichen Becquerel'schen Kette. Die Nadel ging über 90° heraus, und Jodkalium wurde zersetzt. Nach Beendigung des Versuchs zeigte der Platindraht im Bleioxyd eine Bleifarbe, bewirkte auch mit dem andern Platindraht in verdünnte Schwefelsäure getaucht, einen kleinen Strom von etwa 5; allein dieser war zu schwach, um den eigentlich beobachteten auf Rechnung der geringen Heterogeneität beider Drähte zu schreiben. Die Drähte wurden hierauf mit andern homogenen vertauscht, und ein ähnlicher Versuch mit glasiger Phosphorsäure und Aetzkali angestellt. Als die glasige Phosphorsäure in Fluss kam, entstand ein noch stärkerer Strom; die Nadel wurde im Kreise herumgeschleudert.

Es entsteht daher ein Strom bei der Verbindung eines Oxyds eben so gut wie bei der Verbindung eines Alkali mit einer Säure, vorausgesetzt, dass das Oxyd leite, oder durch Hitze leitend gemacht werde. Wir hatten diese Versuche hauptsächlich in der Absicht angestellt, um einen stärkern Strom zu erhalten, als denjenigen, den Salpetersäure und Aetzkali liefert, und um dann im Stande zu sein, die anderweitigen, sehr seltsamen Erscheinungen, welche Becquerel an seiner Kette beobachtet hat, prüfen zu können. Becquerel nemlich giebt an1), 1) dass wenn man in den Verbindungsdraht seiner Kette ein Stück Platindraht einschalte, die Dicke desselben ganz

1) Repertor. Bd. I, pag. 194.

gleichgültig sei. Er habe desshalb Versuche mit Platindraht von 0 bis von einigen Millimeter im Durchmesser angestellt, und die Grösse der Ablenkung sich dabei gar nicht ändern sehen,

2) dass der Strom seiner Kette keine erwärmende Kraft besitze, und dass ein eingeschalteter dünner Platindraht keine Spur von Erwärmung gezeigt habe, obgleich er sich vor einem sehr empfindlichen thermomagnetischen Apparat befand, welcher Wärmeänderungen von 10 Grad C. nachgewiesen haben würde. Derselbe Draht, setzt Becquerel hinzu, würde durch den kleinen Wollaston'schen Fingerhutapparat ins Glühen gekommen sein.

Als Becquerel diese sonderbaren Erscheinungen der Pariser Akademie mittheilte, gab Biot für die zweite derselben eine Erklärung. Er sagt 1): Man nehme an, dass eine bestimmte Menge von Electrizität E in der Zeit T von zwei Substanzen entwickelt werde, die mit einander im Contact sind; man theile diese Zeit in 12 Intervalle, und setze voraus, dass während eines solchen Intervalls ein proportionaler Antheil von Electrizitäte entwickelt werde. Indem jede dieser kleinen Entladungen den Leitungsdraht durchströmt, nimmt sie die erwärmenden und chemischen Eigenschaften mit, die ihr je nach ihrer Quantität und Geschwindigkeit zustehen. Je kürzer diese Intervalle, desto kleiner werden die Entladungen e sein; ja jene können so kurz und diese daher so klein gedacht werden, dass gar keine Erwärmung statt finde, obgleich in der Zeit T die Totalentladung noch immer E beträgt. Wendet man andere Substanzen zur Hervorbringung des electrischen Stromes an, so können umgekehrt die Zeitintervalle der kleinen Entladungen länger von einander getrennt sein; diese kleinen Entladungen e fallen dann stärker aus, und bei demselben Totaleffect, der Entladung von E in der Zeit T, wird dieser zweite Strom den Leitungsdraht merklich erwärmen. Dies sind so ziemlich die eigenen Worte Biot's, und er glaubt also, der Mangel an Erwärmung, welcher der Becquerel'schen Kette eigenthümlich ist, rühre davon her, dass der Strom in ihr gleichmässiger fliesse; bei den anderen galvanischen Ketten jedoch, die eine Erwärmung bewirken, mehr stossweise, in einzelnen aber kräftigen Stössen, wenn man so sagen darf. Wir werden sehen, dass es dieser Ansicht nicht bedarf, weil dasjenige, was durch sie erklärt werden soll, nicht stattfindet.

') L'Institut 6. Janvier 1836.

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