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als ungleichnamige freiwirkende erkannt werden. Es soll aber mehr gezeigt werden. Die beiden Enden des durch Vertheilung erregten Cylinders sind freiwirkend elektrisch, während der Anwesenheit des erregenden Körpers. Biot versah deshalb die Enden eines isolirten Metalleylinders mit Elektrometerpendeln, und beschrieb die Divergenz beider Pendelpaare durch ungleichnamige Elektricität, nach Annäherung eines elektrischen Körpers an das eine Ende. Es mag seine Schwierigkeit haben, den Versuch in der Lage und so rein darzustellen, wie ihn Biot gezeichnet hat, naturwahr ist er dennoch und ebenso die Behauptung, dass durch die Induction beide Elektricitätsarten frei werden, wenn wir den im Deutschen hervortretenden lexicographischen Widerspruch übersehen, dass eine frei gewordene Elektricität auch gebunden sein kann. Gegen Biots Versuch und Behauptung trat Pfaff auf1) hauptsächlich von dem theoretischen Standpunkte aus. Er suchte zu beweisen, dass die im isolirten Cylinder zu dem elektrischen Körper hingezogene Elektricität durchaus nicht freier sein könne, als vor dessen Annäherung (wo sie als Bestandtheil des elektrischen Null gedacht wird) und daher eben so wenig, wie früher, nach Aussen wirken könne. In freier Wirksamkeit sei nur die von der Elektricität des induzirenden Körpers fortgestossene Elektricität, die mit derselben gleichnamig ist, und sich denn auch im Versuche auf dem durch Vertheilung elektrisirten Cylinder von vorn (dem elektr. Körper zunächst) nach hinten zunehmend finden lasse. Die Versuche selbst sind nur im Allgemeinen beschrieben, es soll aber weiter unten gezeigt werden, dass wirklich bei einer gewissen Anordnung des Vertheilungsversuchs ein für die letzterwähnte Angabe scheinbar sprechendes Resultat erhalten werden kann. Hiernach wäre es nur die falsche Deutung eines richtigen Versuchs, die Pfaff zu seiner irrigen Ansicht der inducirten gebundenen Elektricität verleitet hat. Wir gehen nun zu den Widerlegungen dieser Ansicht fort, deren Bericht uns eigentlich nur oblag.

Ohm2) führt Versuche aus de Luc's neuen Ideen zur Meteorologie (§. 336 folg.) an, nach welchen die gebundenen Elektricitäten eben so gut, wie die freien, anziehend und abstossend auf einander wirken sollen. Der Widerspruch dieser Angabe mit Pfaffs Behauptung veranlasste ihn, eigene Versuche anzustellen, aber auf eine an

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') Schweigger Journ. Bd. 61. S. 393. Gehl. N. Wörterb. III. S. 301. 2) Ebend. Bd. 65. S. 129.

dere, als die von Biot angegebene Weise, da er mit dieser zu keinem Resultate kommen konnte. Von drei gleichen, sphärisch auslaufenden Messingcylindern von 31" Länge wurden A und B (Taf, L. Fig. 3.) auf Glasfüsse gestellt. An den dritten Cylinder C, der an einem Seidenfaden aufgehängt wurde, war eine gebogene Glasröhre mit einem kleinen verschiebbaren Gegengewicht c angekittet, um den Cylinder horizontal stellen zu können. Nachdem der schwebende Cylinder eine bestimmte Lage angenommen hatte, die durch eine Linie auf dem Tische bezeichnet wurde, näherte ihm Ohm den vorher elektrisirten Cylinder A in der Verlängerung seiner Axe. Der Cylinder C gerieth in Schwingungen, die immer schneller wurden, je näher ihm A kam, aber mit gleicher Amplitude zu beiden Seiten der Richtlinie fortdauerten. Jetzt wurde der unelektrisirt gebliebene Cylinder B dem schwebenden Cylinder von der Seite genähert, parallel mit der Richtlinie, und zwar so weit, dass er beinahe über dieser Linie stand. Bei der Annäherung von B wich der Cylinder C nach der andern Seite aus, kam nicht mehr zur Richtlinie zurück und machte zuletzt Schwingungen um eine Linie, die mit jener einen Winkel von ungefähr 20° bildete. Bei dem Entfernen des Cylinders B kehrte C wieder in seine anfängliche Stellung zurück. Berührte man, während B dicht neben C stand, beide Cylinder mit dem Finger, so nahm der Winkel, den sie bildeten, zu. Wurde jetzt der elektrisirte Cylinder A langsam fortgezogen, so wurde die Divergenz von B und C fortwährend vermehrt. War B nicht isolirt gewesen und C an einem Metalldraht aufgehängt, so konnte die anfängliche Divergenz dieser Cylinder durch Berührung derselben nicht weiter vermehrt werden. Ohm schliesst hieraus, dass de Luc's Satz ausser allem Zweifel gesetzt sei, demzufolge die Elektricität durch den Bindungsakt zwar ihr Propagationsvermögen, aber nicht ihre übrigen Eigenschaften verliere, nach welchen sie, zwar selbst bewegungslos, doch andere Körper zur Bewegung bestimme. Einige Modificationen der beschriebenen Versuche finden eine leichte Erklärung. Steht der elektrisirte Cylinder A den isolirt gebliebenen Cylindern B und C sehr nahe, so nimmt, wenn derselbe langsam fortgezogen wird, die Divergenz von B und C anfänglich zu, erreicht ein Maximum und nimmt erst dann ab. Diese Divergenz nämlich, durch die von A in B und C erregten Elektricitäten erzeugt, wird durch die von A gegen C ausgeübte Anziehung vermindert; das Entfernen von A vermindert die Elektricitätserregung in C und B, aber auch jene Anziehung, und

zwar letztere anfänglich in stärkerm Grade als erstere.

Nähert man

den nicht isolirten Cylinder B dem schwebenden Cylinder C, während der elektrisirte Cylinder A unverrückt bleibt, so wird der Cylinder C abgestossen; hindert man aber sein Ausweichen durch einen Glasstab, so kommt ein Punkt der Annäherung des Cylinders B, wo dieser den schwebenden Cylinder heftig anzieht und nach der Berührung eben so heftig abstösst. Hier nämlich ist B und C durch Vertheilung elektrisch, aber der Cylinder B, weil er nicht isolirt ist, in stärkerm Maasse, daher er selbst vertheilend auf C wirken kann. Hat diese Vertheilung durch grössere Nähe des Cylinders B, die von A erzeugte Vertheilung überwunden, so werden die nächsten Enden von B und C ungleichnamig elektrisirt sein, und sich anziehen; kommen endlich C und B in Berührung, so ist C nicht mehr isolirt, und es tritt das Maximum der Abstossung ein, wie schon oben bemerkt worden ist.

Diese gründliche Widerlegung der Pfaffschen Annahme scheint nicht sehr bekannt geworden zu sein, da drei Jahre nach ihrem Erscheinen Mohr mit einer neuen Widerlegung auftrat '), die nur durch die Grösse der angewandten Apparate ausgezeichnet ist. Wenn Ohm's Versuche mit der Elektricität angestellt sind, die eine geriebene Eau de Cologne-Flasche liefert, so braucht Mohr eine Elektrisirmaschine mit 24zölliger Scheibe, um einen 4 Fuss langen Metallcylinder zu laden. Diesem Cylinder stand ein gleicher neutraler gegenüber, dessen elektrischen Zustand er mit einer kleinen isolirten Kugel prüfte, die an verschiedene Stellen des Cylinders und dann an ein Bohnenbergersches Elektroscop angelegt wurde. Es fand sich der neutrale Leiter an seinem dem positiv elektrisirten Cylinder zugewandten Ende negativ, an seinem abgewandten Ende positiv elektrisch; der Indifferenzpunkt ausserhalb der Mitte liegend, und zwar von der Mitte desto mehr entfernt, je kleiner der Zwischenraum zwischen beiden Cylindern war Man sieht, es sind hier die bekannten Vertheilungsversuche mit dem Probescheibchen, die weder Pfaff noch sonst Jemand geleugnet hat, wiederholt worden. Auf gleiche Weise streitet der Verf. gegen die Annahme, dass der Indifferenzpunkt in der Mitte des durch Vertheilung elektrisirten Cylinders läge, eine Annahme, die bisher Niemand gemacht hat, am wenigsten aber Biot, der sie, wie der Verf. sagt, ersonnen haben soll. Pfaffs Versuche werden auf

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die Weise erklärt, dass von dem elektrisirten Cylinder auf den neutralen durch Mittheilung Elektricität übergegangen wäre, welche übersehen worden sei. Wir wollen diese Widerlegung, wie eine jede, die uns verfehlt erscheint, ihrer Intention nach nicht weiter tadeln; die Sprache aber, die in derselben gegen Biot und Pfaff gebraucht wird, würden wir nicht entschuldigen können, selbst wenn der Verf. Bedeutenderes geleistet hätte, als er hier gegeben hat.

Sehr wahrscheinlich würde der Streit über die Eigenschaften der gebundenen Elektricität gar nicht Statt gefunden haben, wenn sich Biots Vertheilungsversuch Jedem leicht und unzweideutig ergeben hätte. Das Missliche dieses Versuchs entsteht dadurch, dass die Elektricität des vertheilenden Körpers winkelrecht gegen die elektroscopischen Pendel wirkt und sie von ihrer perpendikulären Stellung ablenkt; ein Uebelstand, der vermieden wird, wenn man die Linie der Vertheilung mit der Richtung der Pendel zusammenfallen lässt. Ich habe diese Art, den streitigen Versuch anzustellen, in einer kurzen Notiz bekannt gemacht 1), in der ich zugleich die Bedeutung anderer Vertheilungsversuche klar zu machen suchte.

Ein ungefähr 5" langer 23" dicker Draht wurde an einem Handgriff aus Schellack perpendikulär befestigt und an seinen rund gefeilten Enden mit Leinfäden und Hollundermarkkugeln versehn (Taf. I. Fig. 4.); unter demselben stand eine isolirte Kugel A, die von dem Knopfe einer leydener Flasche Elektricität erhielt. War A negativ geladen und von dem Drahte in passende Entfernung gestellt worden (die sich leicht durch Versuche ermitteln lässt), so divergirten beide Pendel, das bei a stärker als das bei b; eine geriebene Siegellackoder Glasstange zeigte unzweideutig, dass a positiv, b negativ elektrisch war. Wurde an dem schräg gestellten Draht eine an einem Seidenfaden hängende kleine Hollundermarkkugel, der man positive Elektricität mitgetheilt hatte, hinaufgeführt, so stiess sie der Draht bei a entschieden ab, zog sie aber an, ehe man die Mitte desselben erreicht hatte. War die kleine Kugel nicht elektrisirt, so wurde sie von a zuerst angezogen und dann abgestossen. Hiermit ist der Vertheilungsversuch ausser allem Zweifel gesetzt; es lassen sich aber mit dem einfachen Apparate andere und complicirtere Versuche anstellen, von denen ich einige heraushebe. Man entferne die Kugel A, ent: lade sie und theile dem Drahte positive Elektricität mit, so dass

') Poggend. Ann. Bd. 37. p. 642.

beide Pendel gleichmässig divergiren. Wird nun die Kugel A im neutralen Zustande, oder, um die Erscheinung bemerkbarer zu machen, nachdem ihr ein wenig negative Elektricität mitgetheilt worden, wieder an ihren Platz gestellt, so findet man die positive Divergenz des Pendels b vermindert, die positive des Pendels a hingegen vermehrt. Die Wirkung des mit freier Elektricität geladenen Drahtes auf eine anliegende Kugel ist daher durch sogenannte theilweise Bindung an verschiedenen Stellen im entgegengesetzten Sinne verändert worden. Man stelle den Versuch wieder wie zu Anfange an, so dass a positiv, b negativ elektrisch erscheint. Ein langer isolirter Draht, der Hollundermarkkugel a genähert, wird diese nicht unbedingt anziehen; es kommt auf seine Dimensionen und auf seine Stellung gegen die Verticale an, ob er die Kugel abstösst oder anzieht. Ist derselbe nicht isolirt, so zieht er die Kugel heftig an, um sie nach der Berührung eben so heftig abzustossen. Es wäre unnöthig, auf diese Versuche näher einzugehn; interessant schien es mir aber, an dem Apparate den Versuch mit dem Probescheibchen zu verfolgen, da wir hier, der gewöhnlichen Weise entgegen, den elektrischen Zustand des Scheibchens ohne Elektroscop, aus dem sichtbaren Zustande des durch Vertheilung elektrisirten Leiters schliessen können. Der von der negativ geladenen Kugel A durch Vertheilung elektrisirte Draht wurde an dem Punkte a mit einer kleinen isolirten Scheibe oder Kugel berührt. Nach Entfernung der Scheibe fiel das Pendel bei a, das bei b stieg; die Scheibe muss daher positiv elektrisch geworden sein. Auf gleiche Weise fiel das Pendel b durch Berührung des Punktes b mit dem Probescheibchen, und das bei a stieg; die Scheibe muss in diesem Falle negativ geworden sein.

Dies ganz analoge Verhalten der beiden Pendel gegen die Berührung des Leiters mit dem Scheibchen führt uns wieder zu der schon oben ausgesprochenen Bemerkung, dass uns diese Untersuchungsart keine richtige Vorstellung von der physikalischen Seite des Experiments gebe, da sie keinen Unterschied zwischen der gebundenen Elektricität bei a und der freien bei b finden lässt. Offenbar wirken aber auf das bei a angelegte Scheibchen beide Elektricitätsarten wesentlich ein, auf das bei b angelegte nur eine. Dies zeigt sich sehr deutlich, wenn wir das Scheibchen vergrössern. Die Berührung bei b behält stets ihren Charakter, die Divergenz des Pendels b zu vermindern, nach der Berührung bei a aber wird das zunächst liegende Pendel sinken oder steigen, je nach der Ausdehnung des Scheibchens

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