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gegeben waren; aber dieses Bändchen, welches mit keinem Wörtchen die Theilnahme des Verfassers ausspricht (und wenige mochten ahnen dass er jedes Blatt einer Revision unterzogen hatte), trat zu früh in die Welt, und ist am liebsten wegen der Prooemia, die doch nicht vollzählig sein konnten, gebraucht worden. Bei diesem Vorläufer hat es sein Bewenden gehabt. Erst vor zwei Jahren, kurz vor der in Halle beabsichtigten Versammlung der Philologen, ist der Entschluss gefasst worden, alle von Wolf in beiden Sprachen verfassten kleinen Schriften zu vereinigen, und der Verleger hat mir freie Verfügung im weitesten Umfang gewährt. Indessen war der Aufwand an Zeit, Geduld und Mühen über Erwarten gross, und wenn sich irgend im Beginn der Arbeit ahnen liess, wie viele Beschwerden das Zusammensuchen grosser und winziger, zum Theil verschollener Aufsätze bis auf Papierschnitzel herab, die Vergleichung der revidirten Drucke mit den älteren, das Abschreiben erheblicher Massen und zuletzt die Sorge für äusserste Korrektheit des Drucks erfordern würde, so wäre vermuthlich die Sammlung auf einen Bruchtheil oder auf die hervorragenden Stücke zu beschränken gewesen. Aber gut dass das mühevolle Werk noch zur rechten Zeit, ehe wol es zu spät war, vollbracht worden und die philologische Litteratur zum Besitz eines vollständigen Corpus Wolfischer Schriftstellerei gelangt, welches mit Ausschluss der Homerischen Prolegomena und Briefe, des Kommentars zur Leptinea, der Uebersetzungen aus Aristophanes fast alles im Druck erschienene begreift. Jetzt erst überschaut man mit Ueberraschung die Fülle jener Studien und Kompositionen, von denen nur die Minderzahl bisher ein

*) Erschienen unter dem Titel: Frid. Aug. Wolfii Eloq. et Poës. P. P. O. in Universitate Halensi, Soc. Academ. Reg. Scientt. Berolin, etc. Miscellanea maximam partem litteraria. Halae Magdeb. in libraria Rengeriana 1802. pp. 456. 8. Enthaltend Scripta Latina in 37 Numern (zwei Reden und die Prooemia), Deutsche Aufsätze, 7 an Zahl. Aus einer Anzeige in der Jen. Allg. L. -Zeitung 21 April 1802. N. 118. erfährt man wenig, bis auf die Kleinigkeit dass Wolf nachträglich im Prooem. 34. p. 108, 14. te mores gebessert hat.

Gemeingut und allen zugänglich war. Man wird dem Herrn Buchhändler Bertram dafür Dank wissen, dass er in liberaler Schätzung eines solchen Werkes vor der Ausdehnung desselben nicht zurückschrak und an seiner würdigen Ausstattung nichts versäumt hat.

Zunächst einige Bemerkungen, die zur Geschichte der einen und anderen Schrift dienen. Die Zweitheilung welche Wolf in seinen Miscellanea befolgte, die Sonderung der Scripta Latina von der Deutschen Gruppe, haben wir, doch mit steter Rücksicht auf die Chronologie, billig beibehalten. Man wird an einer Ausnahme keinen Anstoss nehmen, der Deutsch geschriebenen Vorrede zu Plato, welche jetzt an der Spitze der Praefationes steht. Da nun aber Wolf sonst keinen Text mit Deutschem Vorwort einleitet (bei der Uebersetzung der Wolken ist wie jeder sieht der Fall ein anderer), so schien es nicht unpassend diesmal von der Form abzusehen. Vor allen Scripta sind die Prooemia popular geworden. Um ihren Werth nach Gebühr zu schätzen, muss man die frühere Verfassung des Catalogus Praelectionum publice et privatim in Academia Fridericiana - habendarum ken

Dieser enthielt auf einem Quart-Bogen seit längerer Zeit ein Lateinisches Vorwort der akademischen Behörden; ein solches überstieg gewöhnlich nicht die Grenzen einer Seite. Man las darin Aufforderungen an die studierende Jugend, durch Fleiss und gute Zucht dem Vaterland und ihren Lehrern Ehre zu machen, einen und den anderen Gedanken über Werth und Verband der Wissenschaften, beiläufig auch einen Ausdruck Preussischer Gefühle, besonders den Preis des Königs Friedrich und seines Ministers Zedlitz. Gelehrte Themen wurden dort vor Wolf (im ironischen Prooem. XXII. heisst es, praefari more maiorum, id est, tribus verbis) gar nicht verhandelt. Die Berufung desselben wird am Schluss des Catalogus zum Winter 1783 nachdem das Studium der beiden klassischen Sprachen empfohlen worden, mit den Worten angekündigt: Quo magis enim et hoc studiorum genus tractare et animos Graeci Latinique

sermonis elegantiis imbuere possitis, in Academiam hanc nostram evocavit Rex clementissimus clarissimum Wolfium collegam coniunctissimum, ut eo duce Latium et Graeciam ipsam adire possitis.

Hierauf folgte die Reihe Wolfischer Prooemia. Sie haben durch praktischen Verstand und feinen Ton in gewählter Form frühzeitig angezogen und einen bleibenden Eindruck gemacht. Nach ihrem Vorgang ist auf mehreren Universitäten, namentlich den Preussischen, herkömmlich geworden das Verzeichniss der zu haltenden Vorträge mit einem philologischen Prooemium einzuleiten, das in Umfang und Detail oft an eine Dissertation grenzt und nicht selten den Ertrag einer Forschung vor sachkundigen Lesern entwickelt. Wolf beschränkte sich auf ein mässiges Vorwort, welches gelegentlich, bisweilen im engsten Druck, zwei Seiten füllt, nicht leicht einen grösseren Raum fordert. Gelehrter Stoff tritt zurück und ist ein Mittel zum Zweck: dieser Zweck war aber einzuführen in den Geist und die fruchtbarsten Methoden des akademischen Studiums. Man muss gestehen: wir ziehen häufig aus den Gelegenheitschriften und opuscula academica grosser Philologen mehr Gelehrsamkeit und Resultate gewissenhafter Forschung; aber nirgend tritt mit solchem Glanz das propaedeutische Element, das Motiv der Didaktik vor. Man vernimmt dort einen genialen Sprecher, dessen natürlicher Beruf zu lehren war, der auf die geheimen Regun gen der Jugend und die Stufen ihrer Fassungskraft lauscht, sie zur Selbstthätigkeit anzuregen und an seine Person zu fesseln weiss, der aber auch ohne lehrhafte Manieren mit Lust und Laune sich ausspricht. Das Alterthum, Notizen und Apophthegmen desselben sind der Hintergrund dieser liberalen Schule, das philologische Wissen dient um Winke zur wissenschaftlichen Auffassung der Universität, fern von banausischer Gesinnung und im Gegensatz zur modischen Oberflächlichkeit, noch öfter um Weisungen für die Künste der Didaktik anzuknüpfen, dann um an kleinen Proben den Werth der alterthümlichen Gelehrsamkeit anschaulich zu machen; Themen der Kritik, besonders aus den zuletzt im Seminar

oder in Vorlesungen behandelten Autoren gezogen, werden zum Nutzen der Studierenden als Belege der heuristischen Methode mit grossem Geschick besprochen. Der propaedeutische Standpunkt ist stets gewahrt, und diese flüchtigen Blätter die den denkenden Lehrer immer von neuem anziehen, lassen nirgend den feinen Geschmack, das Attische Salz und den scharfen überlegenen Blick des Meisters vermissen. Unter den klassischen Stücken, die mit Witz und wachsender Erfahrung das Feld des Lernens und des Lehrens beleuchten, genügt es hervorzuheben V. X. XII. XX. XXI. XXX. XXXI — XXXIV. und namentlich die längeren, sorgfältig ausgeführten XXXVIII. XL. Wolf, sollte man glauben, müsste stets seine Lust an solchen Vorerinnerungen gefunden haben, da sie weder zu lang noch mühsam ausfielen, vielmehr unmittelbar aus frischen Studien, aus seinem Seminar, aus interessanter Lektüre, zum Theil aus Vorarbeiten für neue Ausgaben hervorgingen. So sehen wir die vier den Sueton betreffenden Prooemia mit geringen Abänderungen in seiner bald nachher vollendeten Ausgabe wiederholt; ähnliches gilt von den Anmerkungen zum Tacitus. Indessen scheint ihn auch hier die Geduld verlassen zu haben: er begann mit dem Sommer 1784 und schloss beim Winter 1805, und zwar bequem, indem er fast das ganze letzte Prooemium mit einer langen Erzählung von Muret ausfüllt. Das Jahr 1806, das letzte der alten Universität Halle, bekam für seinen Catalogus Praelectionum gar kein Vorwort. Ausserdem ist der Winter 1793 leer geblieben: Wolf hat das hiefür geschriebene von seiner Sammlung ausgeschlossen, und wer Stil und Gedanken dieses auf Anlass der Saekularfeier Halles abgefassten Vorwortes erwägt, merkt wol dass es einem anderen gehört.

Er selbst dachte von seinen Prooemia nicht zu hoch: 1795 schrieb er an Schütz Br. I. 468.,, und da ich diese Dinger nie zusammen drucken lassen werde," mit einem geringschätzigen Zusatz. Dennoch stehen in der ersten Abtheilung seiner Miscellanea, welche Scripta Latina heisst, 35 Prooemia praelectionibus academicis indicendis scripta,

bis zum Winter 1801 reichend, unter den Numern III XXXVII. Voran gehen zwei Parentalia der Universität, die zum Gedächtniss Friedrichs des Grossen und seines Nachfolgers verfasst wurden. Die späteren Prooemia der Jahre 1802-1805 welche noch nicht in den Miscellanea stehen konnten, haben zum Theil Föhlisch, Körte und Arnoldt wiederholt. Man wird sich aber darüber wundern dass Wolf seine früheren Prooemia nicht nach der Zeitfolge, nicht einmal mit Angabe des Datums, sondern in bunter Reihe wiedergab; nur setzt er meistentheils die Vorreden philologischen Inhalts hinter die propaedeutischen Stücke. Sogar an Vollständigkeit war ihm wenig gelegen, denn die den Studierenden gewidmeten Schlussworte wurden grösstentheils gestrichen. Der jetzige Druck hat die Folge der Prooemien nach der Chronologie mit Vermerk der Zeit und ohne Verkürzung am Schluss hergestellt. Wer sie nunmehr nach der ursprünglichen Zeitfolge durchliest, kann in der Stille die Fortschritte bewundern, die Wolfs Studiengang und Beherrschung der Form aufweist. In Betreff der letzteren ist noch der Varianten zu gedenken, welche hier und in anderen Schriften bis zur Uebersetzung der ersten Horazischen Satire mehr oder minder zahlreich angemerkt sind und an kritische Bearbeitungen eines alten Textes erinnern. Es mag wenigen bekannt geworden sein (denn er selbst hat darüber als eine Pflicht, die gleichsam jeder ohne weiteres versteht, niemals ein Wort verloren), dass Wolf nichts was er früh oder spät, Lateinisch oder Deutsch, hatte drucken lassen, unverändert wiederholte, sondern den Ausdruck erster Hand in allen Theilen einer strengen Revision, einer bis in Kleinigkeiten fast peinlichen Nachbesserung unterwarf. Für jeden Neudruck hat er mit nie völlig zu befriedigender Sorgfalt unerbittlich gefeilt, in Schriften einer jüngeren Zeit etwas spärlicher, um in Hinsicht auf Präzision, Korrektheit und Farbe dem höchsten Anspruch zu genügen. Man betrachte die beiden Parentalia: das frühere Stück hat eine durchgreifende Veränderung erfahren, das nach eilf Jahren verfasste forderte nur mässige Besserungen. Gleiches ersieht man an den Prooemien, den

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